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Als vor zwei Jahren der Kleine Walfisch mit Cammilla durch mehrere Städte Toscanas gezogen war, hatte er es nicht des Geldverdienstes wegen getan, sondern um seiner schwachsinnigen Tochter ihre einzige Freude zu gewähren, die darin bestand, daß sie flitterflirrend tanzte und Beifall erntete für die Begabtheit ihrer Glieder, – sie, der die Begabtheit des Kopfes versagt war. Bald genug indes hatten ihr Belästigungen, denen sie als Esmeralda ausgesetzt war, das öffentliche Auftreten verleidet. Vater und Tochter kehrten nach Florenz zurück und bewohnten wie früher das kleine Häuschen San Marco gegenüber. Und wieder verbrachte Messer Antonio die Nächte bei seinem Freunde Semprebene, dem Wirt der Weinstube, in der die Stravaganti ihre Narreteien ausheckten. Anfangs gab es wohl Sticheleien wegen Esmeralda; die wirksame Abwehr war Taubheit. Dickfellig und gutmütig hielt Martelli Frieden und trug dazu bei, daß längere Zeit Eintracht in der Akademie herrschte.
Er vermochte jedoch nicht zu hindern, daß vor etwa einem Monat eine Spaltung erfolgte und die feuchte Brüderschaft sich in zwei feindliche Lager teilte.
Und das kam so: Donna Faustinas Ehe mit Don Pietro war vom ersten Tag an unglücklich gewesen und war seitdem zur wahren Hölle geworden. Körperlich und seelisch mißhandelte er sie, er betrog sie mit käuflichen und unkäuflichen Frauen; unter anderem verführte er die Schwester seines Freundes Carlo degli Panciátichi. Während aber dessen Vermählung mit Donna Semiramide glanzvoll gefeiert wurde, verliebte sich an der Hochzeitstafel Don Pietro in die schwarzgekleidete weinende Braut. Nachdem die Tränen der leichtsinnigen Semiramide schnell, allzuschnell getrocknet waren, fand der prinzliche Liebhaber mehr Gnade vor ihren Augen als ihr geldgieriger Gatte. Und Carlo legte dem Ehebruch keinen Stein in den Weg, denn je schuldiger seine Frau wurde, desto gewisser hoffte er, sie erpressen zu können. Als er nun eines Abends Don Pietro in Semiramides Bett überraschte, rief er Zeugen herbei und erbat sich tags darauf – zu einer unblutigen Reinigung seiner Hausehre – den Beistand des jungen Granduca Francesco. Und dieser, dem die einstige Krähe seines Vaters noch immer wie der Tod zuwider war, bestrafte ihren Ehebruch, indem er sie (der Bitte Carlos gemäß) auf Lebenszeit ins Franziskanerinnenkloster Sant' Onofrio sperrte.
Daß Semiramide den Schleier nehmen mußte, erfuhr alle Welt. Daß aber Carlo der heimliche Anstifter war, blieb unbekannt; manche bedauerten ihn, weil ein Medici ihm Hörner aufgesetzt hatte, manche auch, weil ein anderer Medici – der doch selbst kein Engel war – mit so erbarmungsloser Strenge ihm seine schöne Frau entriß. Und wie das Volk von Florenz, so dachte auch der Kleine Walfisch und erboste sich über Don Pietro, dem er an Semiramides Einkerkerung die Schuld gab. Bei einem Zusammenprall in Semprebenes Schenke nahm Martelli leidenschaftlich für Carlo Partei und ließ sich zu einer Beleidigung Don Pietros hinreißen. Die Folge davon war, daß die Anhänger Don Pietros ein Gelübde – (beim Popo Satans!) – ablegten, dem Kleinen Walfisch einen bösen Schabernack zu spielen.
Drei von ihnen begaben sich einige Tage hernach in die Wohnung Martellis, dessen Abwesenheit sie ausgekundschaftet hatten. Von Cammilla eingelassen, richteten sie an sie die Frage: ob sie einem unglücklichen jungen Menschen helfen wolle? – Und als sie bejahte und teilnahmsvoll sich erkundigte, wer der Unglückliche sei, teilten sie ihr geheimnisvoll mit: es handle sich um einen Königssohn aus Griechenland, dem habe ein böses Weib einen Zaubertrank verabreicht; und der Arme könne nur durch das Mitleid einer reinen Jungfrau von der Behexung befreit werden. – Die schwachsinnige Cammilla zeigte große Lust, den Königssohn von der Verzauberung zu erlösen, und fragte, was sie dazu tun müsse. – Man werde ihr an Ort und Stelle sagen, was sie zu tun habe, erhielt sie zur Antwort. Ob sie bereit sei, gleich mitzukommen?
Cammilla erklärte sich bereit. Die Schelme führten sie durch abgelegene Gassen in eine kleine Kapelle. Dort wurde sie wie eine Braut von Brautjungfern empfangen, mit Brautschleier und Myrtenkrone geschmückt und zum lichterflirrenden Altar geleitet, hinter welchem – als Priester vermummt – Don Pietro sie erwartete, in der Absicht, eine Traurede zu halten. Vor dem Altar aber scharrte und fraß aus einem Hafersack ein aschfarbener struppiger kleiner Esel. Dies Grautier sei der verwunschene Königssohn – wurde Cammilla belehrt –, und wenn sie ihn auf die Schnauze küsse und sich ihm antrauen lasse, werde er seine menschliche Gestalt zurückerlangen.
Wie blöde und gutgläubig Cammilla sonst auch war, – ihr dämmerte jetzt doch auf, daß dies eine frevelhafte Blasphemie sei und daß man mit ihrem Mitleid eine unwürdige Spötterei zu treiben vorhatte. Sie weigerte sich, mitzutun; und als die Rohlinge versuchten, sie gewaltsam neben dem Esel niederknien zu lassen, begann sie zu kreischen, riß sich los, wollte aus der Kapelle hinauslaufen.
Ein Geschäftsgang führte just in diesem Augenblick den Haushofmeister Mondragone durch ebendie Gasse, wo die Kapelle sich befand. Eine neugierige Volksmenge drängte sich an der Kapellentür; und auch er blieb staunend stehn. Er sah, wie Cammilla festgehalten wurde, wie sie zu knien sich sträubte und plötzlich schreiend entfliehen wollte. Und eben jetzt kam zufällig auch Donna Faustina dort vorbei, begleitet von ihren Freundinnen Nannina Sansedoni, Domitila de'Monforte und Alda Pandolfini. Verwundert über das Mädchengekreisch an heiliger Stätte, erfragten die Damigellen von den grinsenden Zuschauern, was da vorgehe, und erhielten die Auskunft: eine Eselhochzeit werde gefeiert ... Empört ließ Faustina sofort durch Alda und Domitilla Polizei herbeirufen und schickte Nannina, den Vater des blöden Mädchens zu holen. Sodann bat sie Mondragone und zwei am mediceischen Hof wohlgelittene Kavaliere (die sie in der Volksmenge erblickte), ihr beizustehn. Beschützt von diesen bahnte sie sich einen Weg zum Altar und forderte ihren Gatten und die anderen rohen Gesellen auf, Cammilla freizugeben. Schimpfworte wurden ihr entgegengeschleudert. Don Pietro verbat sich ihre Einmischung, wütete. Schon griffen er und seine Kumpane an ihre Degen – wie ebenfalls Mondragone und die beiden Kavaliere. Fast wäre es zu einem mörderischen Fechtkampf im Gotteshaus gekommen. Da aber drangen Sbirren in die Kapelle ein, befreiten Cammilla und überlieferten sie ihrem von Donna Nannina herbeigerufenen Vater. Freudentränen vergießend warf sich Antonio Martelli vor Donna Faustina nieder, küßte den Saum ihres Kleides und hielt eine Dankrede im echten Walfisch-Stil ...
Heimgekehrt nach Poggio a Caiano, vermied es Cosmo eine Woche lang, den Namen Cammilla über die Lippen zu bringen. Um so häufiger sprach er von der Schönheit des etruskischen Mädchens, das aus der Substanz der Engel geformt gewesen sei ... Mondragone glaubte eine Sehnsucht und versteckte Aufforderung aus den begeisterten Reden seines Herrn herauszuhören. Als dann eines Abends Cosmo sich schlafen legte, fand er Cammilla Martelli in seinem Bett. Er besaß die Charakterstärke nicht, sie wegzuschicken.