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Und nun erzählte Traiano Bobba – oft durch Zwischenreden, Ausrufe und Fragen Giulianos unterbrochen – von der stillen Rebellion der Kinder Cosmos und welche weiteren Verwicklungen sie mit sich brachte:
»Die Zwillingsschwester Don Pietros, die tolle und bezaubernde Isabella Orsini, wurde die Aufwieglerin, obgleich man gerade von ihr hätte erwarten sollen, daß sie gegen ihre Geschwister die Partei ihres Vaters ergreifen würde. Selbst wenn alles böswillige Erfindung und leeres Geschwätz war, was sich die Florentiner über sündige Beziehungen zwischen Cosmo und ihr zuflüsterten, hätte sie dennoch Ursache genug gehabt, mit Dankbarkeit und Liebe an ihm zu hängen, der schützend die Hand über ihr hielt. Solange er am Leben war, brauchte sie den unentrinnbar sie bedrohenden Tod nicht zu fürchten – den Tod nämlich von der Hand ihres Gatten Paolo Giordano Orsini, Herzogs von Bracciano. Dieser unförmig dicke Banditenhäuptling, vor dem die Päpste und Roms Bevölkerung zitterten, hatte sich in Vittoria Accoramboni verliebt, die, sechzehnjährig, kurz zuvor dem Neffen des Inquisitors Peretti vermählt worden war. (Nebenbei bemerkt: jener Inquisitor, damals ein bescheidener bäuerischer Mensch, sitzt heute als Sixtus V. auf dem Stuhl Petri ...!) Paolo Giordano ließ den jungen Peretti in einer Gasse nachts erdolchen und entführte Vittoria in seine uneinnehmbare Burg Bracciano. Seinem und Victorias ersehntem Eheglück stand Isabella im Wege. Folglich mußte Isabella aus dem Weg geräumt werden, – falls es anging. Nach den Vorschriften der aus Spanien stammenden Ciencia de honor hatte er alles Recht, ja der Familienehre wegen die Pflicht, seine Gattin zu töten, die – statt bei ihm – in Florenz lebte, ihn mit einem seiner Verwandten namens Troilo Orsini hinterging und neuerdings sich auch mit einem Pagen eingelassen hatte. Als Troilo Orsini nach Frankreich gereist war, folgte ihm bald darauf einer der Bravi des Herzogs von Bracciano und erstach ihn in Paris. Die beschlossene Meuchelung Isabellas aber verschob Paolo Giordano, solange Cosmo noch lebte, – der, trotz Verzicht auf Thron und Macht, immer noch der heimliche Herrscher von Toscana war und durch sein bloßes Dasein seine Tochter unantastbar machte. Ob in all den Jahren Isabella sich bewußt wurde, daß jeder ihrer Atemzüge ein Geschenk ihres Vaters war, weiß ich nicht, möchte es aber bezweifeln. Gegen ihre leidenschaftliche Geldgier hätte ein Gefühl von Dankbarkeit schwer aufkommen können. Blind für die eigene Gefahr, erspähte sie katzenäugig eine Gefahr in der Möglichkeit, daß die Verliebtheit ihren alternden Vater verleiten werde, zum Nachteil seiner Kinder sein großes Vermögen der durchtriebenen Beischläferin zu vermachen. Isabella gestand sich selbst vielleicht nicht ein, daß sie eifersüchtig war auf die junge Albi ...
Zwischen Cosmo und seinem ältesten Sohne Don Francesco hatte Herzlichkeit nie obgewaltet. Glomm unter der Beherrschtheit Cosmos ein funkelndes Ungestüm, so bedurfte, um kühl zu erscheinen, Francesco keiner Verstellung, da er von Natur herzlos, dünkelhaft und berechnend war. Das von seiner Mutter geerbte spanische Blut war während seiner Lehrjahre im Escorial – (wo er die ›Kunst der Klugheit‹ erlernte) – völlig zu Eiswasser geworden. Eine einzige Leidenschaft beherrschte ihn zeitlebens: seine Vernarrtheit in Bianca Cappello, die seines ermordeten Bruders ›Krähe‹ gewesen war. Und ihretwegen haßte er seinen Vater. Hatte doch Cosmo, noch bevor er das Szepter aus der Hand gab, Bianca mit einem wohlhabenden Tuchhändler, seinen Sohn und Erben Francesco aber mit einer der zwölf Töchter des Kaisers Ferdinand verheiratet. Nie verzieh ihm Francesco diese zwei heimtückischen Ehestiftungen. Seine Frau, die Wiener Erzherzogin, (als Sittenrichterin – wenn auch sonst strohdumm – gewitzigt, weil ihr Bruder eine Philippine Welser in Augsburg geehelicht hatte) argwöhnte mit Recht, daß die verheiratete Bianca Cappello nicht weniger gefährlich sei als die ledige. Ein Ärgernis wie Bianca war ihr allerdings auch Semiramide, und im Kampf gegen diese stand sie auf seiten des jungen Duca.
Obgleich nach der Tragödie in den Maremmen eine Aussöhnung zwischen Cosmo und Don Pietro erfolgt war, redete der ausschweifende Prinz bald genug sich ein, er habe von neuem Ursache, seinem Vater Kränkungen nachzutragen. Die mit Donna Faustina geschlossene Ehe Don Pietros war tiefunglücklich und wurde vollends zerrüttet, als er – schon wenige Wochen nach der Hochzeit – eine ehebrecherische Liebschaft mit der Schwester seines Freundes und Zechgesellen Carlo Panciátichi anfädelte. Seiner Roheit waren Faustinas vorwurfsvolle Tränen ein willkommener Anlaß, sie zu mißhandeln. Daß ihm aber darob Vorhaltungen von Cosmo gemacht wurden, bewirkte nichts weiter, als daß seine vorübergehend unterdrückten Haßgefühle mit aller Gewalt hervorbrachen.