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Erzberger

Aufsatz in den »Deutschen Stimmen«. 4. 9. 1921

Der politische Meuchelmord, der an dem Abgeordneten Erzberger verübt worden ist, hat in seinen Wirkungen schon heute gezeigt, wie wenig diejenigen unsere Zeit verstehen, die da glauben, daß irgendein Mittel der Gewalt uns zu besseren Verhältnissen nach innen und außen führen könnte. Wer Gelegenheit gehabt hat, die Männer kennenzulernen, die die Ereignisse des 13. März schließlich durchführten, der war geradezu entsetzt über den Mangel jeden politischen Verständnisses, der sich in ihren Betrachtungen der politischen Lage aussprach. Anschauungen engster, kleinster Kreise wurden als Volksanschauungen gewertet, gänzlich nebelhafte Vorstellungen der Kräfteverhältnisse walteten ob. Von der Denkungsart der Arbeitermassen war genau so wenig eine Vorstellung vorhanden, wie sie in diesen Kreisen im Frieden gegenwärtig war. Die Mordtat an Erzberger wird, wenn nicht die Vernunft der politischen Führer einen Hemmschuh anlegt, den politischen Wagen des Deutschen Reiches weiter hinabführen. Der Kapp-Putsch hat den Einfluß, den sich die gemäßigten Kreise der Sozialdemokratie bewahrt hatten, derartig herabgemindert, daß Männer wie Südekum, Heine, August Müller, von Winnig und Lensch ganz zu schweigen, in ihrer Partei einflußlos wurden. Die große Masse, die eben begonnen hatte, Unterscheidungen anzustellen zwischen der alten Zeit und dem verheißenden Paradies der neuen Zeit, das so gar nicht die Erwartungen erfüllte, die man darauf stellte, diese Menge, die begann, den Propheten gegenüber kritisch zu werden, die sie diesen Weg geführt hatten, und die für eine Verständigung mit dem Bürgertum immer mehr Verständnis zu gewinnen begann, wurde mit einem Ruck Beute der alten Phrase von der Bekämpfung der Reaktion, als die Märzereignisse sich abspielten. Jetzt, wo die Regierung im Reiche wie in Preußen als provisorisch angesehen werden mußte, wo die Sozialdemokratie gegen ihren Willen die Verantwortung im Reiche mit trug, während sie in Preußen aus der Regierung herausgedrängt war, und während für den bevorstehenden Parteitag in Görlitz die ersten Versuche sich geltend machten, den Klassenkampfcharakter der Partei zurücktreten zu lassen, und wo jedenfalls ein entscheidendes Ringen darüber zu erwarten war, ob diejenigen sich durchsetzen würden, die mit den Unabhängigen zusammen die radikale Richtung vertraten, oder ob es den Gemäßigten möglich sein würde, die Bahn für einen großen Block im Reiche und in Preußen freizumachen, knallen die Schüsse dazwischen, die Erzberger niederstreckten, und die Antwort ist mindestens bis zur Stunde das Aufflammen eines wilden Radikalismus, die Neueinmischung der Gewerkschaften in die politische Situation, ein gemeinschaftliches Vorgehen der Mehrheitssozialisten mit den Unabhängigen, der Versuch radikaler Elemente, auf die Eisenbahner einzuwirken, um Lohnfragen in politische Machtfragen umzumünzen. Man hat die Empfindung, als wenn wieder einmal die Entwicklung zurückgeworfen und ein schon zurückgelegter Weg erneut gegangen werden müßte. Das ist wenigstens die zunächst greifbare und von jedem Kundigen vorauszusehende Wirkung der Wahnsinnstat, deren politischer Charakter wohl feststehen dürfte, wenn auch bis zur Stunde der Täter noch nicht bekannt ist.

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In einer Kundgebung, die der Reichstagspräsident Löbe nach diesen Vorgängen erließ, sprach er auch von der Wirkung, welche die verhältnismäßig geringe Strafe ausgelöst habe, die von den Richtern bei dem ersten Versuch eines Attentats auf Erzberger ausgesprochen wurde. Man kann in der Tat darüber streiten, ob die sogenannten edlen Beweggründe, die jemanden zu einer derartigen Mordtat veranlassen, ein Recht auf Berücksichtigung bei der Strafabmessung haben. Wer – aus welchen Motiven auch immer – zur Waffe greift, um das Leben eines anderen durch eine Gewalttat zu enden, der muß sich darüber klar sein, daß er damit auch sein eigenes Leben verwirkt hat. Es muß mit aller Entschiedenheit gefordert werden, daß gegen diejenigen, die auf diese Weise den Terror in unser politisches Leben hineintragen, mit der größten Schärfe des Gesetzes vorgegangen wird. Nur soll man dann auch konsequent sein und dies für alle gelten lassen, die es angeht. Von dem Gesichtspunkt aus gesehen, daß Deutschland nicht das Dorado von Meuchelmördern werden dürfe, habe ich den Freispruch, der den feigen Meuchelmörder Taalat Paschas von jeder Strafe freisprach, als einen Schlag ins Gesicht empfunden. Damals waren aber gerade solche Kreise, die heute die Bestrafung des Studenten von Hirschfeld als eine zu geringe ansehen, vielfach damit einverstanden, daß der politische Beweggrund, der die Hand dieses Mörders gelenkt hat, die Richter und Geschworenen berechtigte, das »nicht schuldig« auszusprechen. Wenn der frühere bulgarische Ministerpräsident Radoslawow damals seine Wohnung in Berlin aufgab, mit dem Bemerken, daß der Fall Taalat Pascha zeige, daß man in Deutschland keinen Schutz mehr gegen Meuchelmörder habe, so war diese jedes deutsche Empfinden tief verletzende Äußerung in ihrem Kerne leider zu berechtigt. Die Begnadigung der Kommunisten, die an den Schandtaten in Mitteldeutschland beteiligt waren, stärkt ebenfalls, wenn es sich dabei auch nicht um Morde handelte, das Bewußtsein, als wenn politisch jede Gewalttat in Deutschland ein Anrecht auf Amnestierung oder mildernde Umstände hätte. Wir werden diese unser ganzes politisches Leben vergiftende Atmosphäre nur dann los werden, wenn nach beiden Seiten mit gleicher Gerechtigkeit, gleicher Schärfe und gleicher Strenge gegen jeden vorgegangen wird, der den Terror in irgendeiner Gestalt als politische Waffe handhabt.

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Mit dem hingemordeten Abgeordneten Erzberger ist eine der umstrittensten Persönlichkeiten der deutschen Politik von der Bildfläche des politischen Lebens verschwunden. Seit dem Abschluß des Waffenstillstandes im Walde von Compiègne galt Erzberger für Deutschland als die Versinnbildlichung derjenigen politischen Kräfte, die Deutschland in den Abgrund geführt hätten. Man begann seinerzeit in ihm auch den hervorragendsten Vertreter der neuen republikanisch-demokratischen Ideen in Deutschland zu sehen, den Feind der rechtsstehenden Parteien, den Mann, der mit seiner Person die Brücke schlug zwischen den sozialistischen und christlichen Massen der Arbeiter. »Er hat den Erdgeruch der Scholle«, so rühmte einmal ein katholischer Diplomat von Erzberger. Ob das Bild richtig ist, das sich die Öffentlichkeit in dieser Weise machte, muß billig bezweifelt werden.

Erzberger hatte eine ganz ungewöhnliche Arbeitskraft und wußte zudem das, was er sich vornahm, durch eine rücksichtslose Brutalität, die ihm eigen war, da zum Siege zu bringen, wo feinere Nerven versagten. Diese Eigenschaften haben ihm in der Zentrumsfraktion frühzeitig eine führende Stellung verschafft, ebenso aber auch die Gegnerschaft derjenigen Kreise, die, wie etwa Spahn, Porsch und andere, in dem ganzen Wesen ihrer Persönlichkeit Vertreter einer ganz anderen Art der politischen Führung waren. Schon frühzeitig gab es im Zentrum eine Richtung Erzberger, die hinter ihm stand und ihm die Führerstellung vorbereitete. Er ging also nicht etwa den Weg, daß er der Vertraute eines Führers gewesen wäre und unter dessen Anleitung an zweiter Stelle sich in die Politik eingearbeitet hätte, sondern er ging als Autodidakt seinen Weg allein und wußte durch Spezialkenntnisse, die er sich erwarb, besonders auf dem Gebiete des Reichshaushalts, den er souverän beherrschte, das zu ersetzen, was ihm damals an Alter, Erfahrung und Kunst der politischen Diplomatie fehlte. Im Reichstag ging damals die Sage, daß während der ganzen Ferienzeit, in der die übrigen Abgeordneten sich von der parlamentarischen Arbeit erholten, Herr Erzberger in frühester Morgenstunde erschien, alle Drucksachen läse, alle Etats vergliche und sich so das gewaltige Rüstzeug schüfe, das ihn in den Etatdebatten der künftigen Session zum Führer machen sollte. Er führe, so hieß es, und das war wohl wahr, eine beinahe asketische Lebensweise, besuche keine Gesellschaften, arbeite sechzehn Stunden am Tage und schaffe sich diejenigen körperlichen Nerven an, die ihn geeignet erscheinen ließen, in der »Drecklinie« zu stehen, ohne sich durch den aufspritzenden Schmutz aus der Fassung bringen zu lassen.

Sein Draufgängertum schuf die Blockwahlen des Jahres 1907, seine bedenkenlose Art, Politik zu treiben, führte zu jener Szene, in welcher der damalige Chef der Reichskanzlei, von Loebell, den vereidigten Herrn Erzberger dem unvereidigten Abgeordneten Erzberger gegenüberstellte, führte aber auch im Gefolge dieser Entwicklung schließlich zum Sturz Bülows und zu der Erschütterung, die sich damit außen- und innenpolitisch ergab.

In einer ruhigen politischen Entwicklung wäre Erzberger wohl in der Politik an zweiter Stelle geblieben. Der Krieg hob ihn an eine der führenden Stellen. Die ewig Intrigen witternde Natur des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg glaubte sich des Zentrums am besten zu versichern, wenn er seinen energischsten und betriebsamsten Vertreter in eine hohe Vertrauensstellung gegenüber der Reichsregierung berief. Aber auch hier lief die Entwicklung nicht so, wie sie verständigerweise hätte laufen sollen, daß Erzberger etwa in einem Ressort unter der Führung eines Diplomaten oder Staatsmannes gearbeitet und seine unzweifelhaft großen Kräfte dem Reiche zur Verfügung gestellt hätte, sondern Herr Erzberger wurde der Chef der großen Reichspropaganda, wurde wiederum auf einen völlig selbständigen Posten gestellt, zu wichtigen diplomatischen Missionen benutzt, führte vieles auch selbständig durch und hat bei der ganzen Art seines Wesens dadurch unzweifelhaft großen Schaden herbeigeführt, namentlich in der Zeit, in der durch ihn und durch seine bedenkenlose Preisgabe von politischen Vertraulichkeiten die schwierige Lage des verbündeten Österreich-Ungarn zur Kenntnis weitester Kreise kam.

In der damaligen Zeit seines politischen Wirkens war Erzberger absolut nicht Vertreter derjenigen Richtungen, die ihn heute lärmend beinahe als einen der ihrigen in Anspruch nehmen. Seine Denkschrift über die Kriegsziele Deutschlands geht weiter über das hinaus, was etwa weitgehende Annexionisten jemals in ihren Träumen gefordert haben. Diejenigen Männer der Industrie, welche die Annexionen von Longwy und Briey aus wirtschaftlichen Gründen glaubten betreiben zu müssen, betrauten ihn mit der Förderung der Propaganda auch ihrer Ideen. Vertrauliche Besprechungen fanden damals weit weniger zwischen Scheidemann und Erzberger als zwischen Westarp, Bassermann und Erzberger statt, und das Verhältnis zur Obersten Heeresleitung war bis weit über die Julitage hinaus durchaus nicht ein gegensätzliches. Bethmann wurde durch Erzberger hauptsächlich gestürzt. Der Mann, der zu hohen Stellungen berufen wurde, um den Kanzler vor Intrigen zu schützen, lenkte den Speer gegen die Brust seines Meisters. »Im Bogenschießen habe ich keinen unterrichtet, der nicht zuletzt den Pfeil auf mich gerichtet.« Als Vertrauter Bethmanns wurde Erzberger nach Rom geschickt, um Bülows Mission zu überwachen. Es zeugt für die Diplomatie Bülows, daß es ihm in ganz kurzer Zeit gelang, den Mann, der in der Blockzeit sein schärfster Feind war, und der als spezieller Abgesandter seines intimsten Gegners Bethmann zu ihm geschickt wurde, völlig für sich zu gewinnen, so daß Erzberger selbst für die Kandidatur Bülows als des Nachfolgers Bethmanns eintrat. Wäre der Kaiser damals denjenigen gefolgt, die ihm Bülow als Nachfolger rieten, dann hätte es keine Juliresolution, wohl aber das erste parlamentarische Kabinett des monarchischen Deutschland unter Bülows Führung gegeben, und Bülow wäre es auch möglich gewesen, Erzbergers Kräfte nutzbar zu machen, anstatt ihm schrankenlose Willkür auf dem Gebiete der Politik zu gewähren. Unter den nächsten Kanzlern war das nicht möglich. Michaelis war ohne Einfluß, Hertlings Kanzlerschaft von kurzer Dauer und der militärische Zusammenbruch schon zu nahe.

Mit Prinz Max von Baden kam dann die Zeit, in der Erzberger auch zur praktisch führenden politischen Persönlichkeit Deutschlands aufstieg. Erst vor kurzem wurden die Richtlinien veröffentlicht, die der damaligen Reichszentrale für Heimatdienst in der Kaiserfrage zugingen. Man hat die Frage aufgeworfen, ob diese Verfügung nur von Erzberger unterzeichnet oder von Erzberger verfaßt worden sei. Es ist kein Zweifel, daß sie von ihm verfaßt war, denn er hat auch im interfraktionellen Ausschuß gegenüber sozialdemokratischen Angriffen sich durchaus zu der Idee bekannt, daß das Kaisertum unbedingt gehalten werden müsse. Ein Mann des 9. November 1918 ist er nicht gewesen, wie ihm überhaupt ein greifbares Ideal irgendeines Verfassungszustandes für Deutschland nicht vor Augen stand. Man kann meiner Meinung nach ebensowenig davon sprechen, daß er sich bemüht habe, die Unterwerfung Deutschlands unter die Entente etwa gar bewußt durchzuführen. Es war seine alte Vielgeschäftigkeit, die ihn veranlaßte, die Waffenstillstandsverhandlungen zu führen. Daß er die Bedingungen unterzeichnete, war die Folge von der inzwischen ausgebrochenen Revolution. Über die Revolution sagte er damals, daß ihn der Tod seines Sohnes nicht so geschmerzt habe, wie die roten Fahnen der verloddernden Armee in Spaa. Er war auf dem Wege der Linksentwicklung wohl bei dem linken Flügel des Zentrums angelangt, aber er war nicht der Vertreter der Ideale des republikanisch-sozialistischen Deutschland.

Der große Riß, der seit dem 9. November 1918 durch unser Volk geht, hat damals in der leidenschaftlichen Bekämpfung der führenden Persönlichkeiten auf den verschiedenen Seiten zu einem Übermaß von Leidenschaft geführt, das vielfach über das Maß hinaus die einzelnen politischen Charaktere nur noch in Zerrbildern erscheinen ließ. Es gab Menschen in Deutschland, die da erzählten, Erzberger habe Milliarden erhalten, weil er Deutschland beim Friedensschluß verraten hätte, und die ihm auch sonst alle Schändlichkeiten persönlicher Natur zutrauten. Der Kampf, den Dr. Helfferich gegen ihn führte, hat zunächst ersehen lassen, was daran berechtigt war und was an persönlicher Kritik über das Ziel hinausschoß. Das Ergebnis des Prozesses war immerhin eine starke Zurückhaltung der Zentrumsfraktion und -partei gegenüber dem einst führenden Mann. Die bedenkenlose Art, mit der über ganz große Fragen von Erzberger verhandelt wurde, die er nicht übersah, hat unzweifelhaft zu großen Schädigungen Deutschlands geführt, und die Auslieferung der Handelsflotte ebenso mit herbeigeführt, wie Verbindlichkeiten, die wir auf anderem, z. B. finanziellem Gebiete eingegangen sind. Er hatte fortwährend neue Ideen, an denen er mit großem Optimismus hing, ohne daß er sich klar machte, ob diese Ideen durchzuführen wären. Er gab selbst Persönlichkeiten, die ihm politisch nicht nahestanden, seine Blankounterschrift für Anträge im Hauptausschuß und verteidigte nachher frisch und fröhlich den Antrag, den er im Wortlaut vorher gar nicht kannte. Er ließ sich blenden von manchem Projektenmacher, nahm sich aller möglichen und manchmal unmöglichen Sachen an und suchte sie durchzuführen, ohne sich Rechenschaft darüber zu geben, daß er dadurch in einer Weise in das Räderwerk des Bureaukratismus eingriff, daß diese Eingriffe nur vom schwersten Schaden begleitet sein konnten. Der Schaden, den ein solches Vorgehen in der Friedenszeit anrichtete, und den Erzberger im Kriege herbeigeführt hat, und der über die Waffenstillstandsverhandlungen hinaus bei den weiteren Verhandlungen mit der Entente Deutschland belastete, hat schließlich zu der Todfeindschaft geführt, mit der weite Kreise Erzberger gegenüberstanden. Anderseits wolle man nicht vergessen, daß es vielleicht nur im gewissen Sinne brutalen Naturen möglich war, die Reichsfinanzhoheit zu schaffen und damit doch auf diesem Gebiet die Reichseinheit fest zu stabilisieren, wenn auch die Auflösung der früheren Träger der Steuer wieder die Leichtigkeit zeigte, mit der er solche Fragen behandelte.

Das Unglück Deutschlands war, daß diese an sich in mancher Beziehung eminent fähige Natur nicht rechtzeitig mit seinen Gaben von einer großzügigen Führung in der eigenen Partei und später in der Politik eingespannt wurde für Deutschland, sondern daß man zu früh ihn auf Posten stellte, denen er nicht gewachsen war und bei denen er um so mehr Schaden anrichten konnte, je höher der Wirkungskreis wurde, den man ihm gab. Daß er mit Absicht das Reich hätte schädigen wollen, glaube ich nicht; daß er es in vielen Fällen durch die Art seines vorher geschilderten Wesens geschädigt hat, steht wohl außer Zweifel.

Wäre Erzberger im Herbst dieses Jahres wieder in die politische Arena eingetreten, so würde sein Auftreten vielleicht zum Bruch im Zentrum und zu einer Sprengung der Demokratischen Partei geführt haben. In steigendem Maße hatten sich ihm die sozialistischen Sympathien zugewandt, und er selbst sah sich wohl als Träger einer Politik, die sich ebenso auf die Sozialisten wie auf die linksgerichteten Elemente stützte, und die er für seine Partei mit dem Namen des christlichen Solidarismus umbrämte. Daß sein Wiederauftreten an führender Stelle die Parteileidenschaft neu entfacht und vertieft hätte, ist ebenfalls kein Zweifel, ob er sich auf die Dauer gehalten haben würde, mehr als zweifelhaft. Letzten Endes wäre es eine Klärung der Geister gewesen, wenn der Kampf um Erzberger und gegen Erzberger durchgeführt worden wäre. Die Kugel des Mörders läßt alle diese Fragen ungelöst, schafft nun aber dem auf diese Art Hingemordeten eine Märtyrerkrone und vergiftet das politische Leben in Deutschland weit mehr, als alle Leidenschaft des Kampfes um Erzberger selbst es erreicht hätte. Die Tat zeigt, in welcher Weise die extremen Richtungen heute das Feld beherrschen. Je mehr das Extreme nach links und rechts sich hinneigt und auswirkt, um so notwendiger ist es demgegenüber, daß alle diejenigen sich zusammenschließen, die an der Politik der Verständigung aller derer festhalten, die es mit dem organisierten Wiederaufbau Deutschlands ernst meinen. So wenig es gegenwärtig scheint, als wenn ihnen eine Siegesmöglichkeit gegeben wäre, um so nachdrücklicher muß gerade gegenüber diesen extremen Richtungen diese Politik unbeirrt auch von der Deutschen Volkspartei verfochten werden.

 


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