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Burgfriede

Reichstagsrede. 29. 11. 1917

Die weltpolitische Lage, die uns vor große Entscheidungen in diesen Stunden stellt, mahnt uns zum Burgfrieden im Innern. Unter diesem Gesichtspunkte sind meine politischen Freunde, die mich einmütig zu diesen Ausführungen beauftragt haben, mit dem innerpolitischen Programme des Herrn Reichskanzlers einverstanden. Wir lehnen eine Aufhebung des Belagerungszustandes ab und halten die völlige Aufhebung der Zensur für unmöglich; wir wünschen sie aber auf das Mindestmaß staatlicher Notwendigkeit beschränkt. Wir begrüßen die in Aussicht gestellte Schaffung von Arbeitskammern und hoffen, daß sie ein Instrument des sozialen Friedens sein werden. Die Bedenken, die von uns früher gegen die Wählbarkeit der berufsmäßigen Arbeitervertreter geltend gemacht sind, können unseres Erachtens nach den Erfahrungen, die wir angesichts des Verantwortlichkeitsgefühls dieser Vertreter der Arbeiter in diesem Kriege haben machen können, nicht mehr aufrechterhalten werden. Wir werden an diesem Gesetz mitarbeiten unter besonderer Berücksichtigung auch der Wünsche der deutschen Angestelltenschaft und der Staatsbediensteten in bezug auf die Form und das Maß der ihnen zu gewährenden Vertretung. Der Beseitigung der im § 153 der Gewerbeordnung liegenden Hemmung der Koalitionsfreiheit, die mit wenigen Ausnahmen von der gesamten deutschen Arbeiterschaft gefordert wird, werden wir unter Berücksichtigung des Umstandes zustimmen, daß die gleichmäßig geltenden Bestimmungen des Strafgesetzbuchs genügend Handhaben bieten werden, verwerflichem Terrorismus auch fernerhin entgegenzutreten.

Die Frage der preußischen Wahlreform kann nicht in diesem Hause entschieden werden. Ihre Erledigung ist Sache der preußischen Volksvertretung. Aber wir haben stets den Standpunkt vertreten, daß diese Frage in dem Gesamtkomplex ihrer Wirkungen eine deutsche Frage ist. Von ihrer baldigen Lösung wird für den inneren Frieden unseres deutschen Volkes unendlich viel abhängen. Eine Politik, welche die gleichmäßigen Opfer, die alle Stände in diesem Kriege für unser Vaterland gebracht haben, auch in bezug auf die Zubilligung staatsbürgerlicher Rechte entsprechend wertet, erscheint uns als vaterländische Politik im besten Sinne des Wortes.

Unsere gesamte Lage nach außen und innen erfordert ein enges vertrauensvolles Zusammenwirken zwischen den Regierungen und den Volksvertretungen. Der Eintritt führender Parlamentarier in Regierungsstellen, denen insbesondere die Fühlung zwischen den Regierungen und den Parlamenten obliegt, ist eine wichtige Grundlage eines solchen Zusammenwirkens. Wir sind überzeugt, daß die Monarchie in ihrer starken Stellung, in der wir sie unbedingt erhalten wissen wollen, nur gewinnen kann, wenn das Band zwischen Regierung und Volksvertretung möglichst eng geschlungen wird und die Parteien zur verantwortlichen vaterländischen Mitarbeit innerhalb der Regierung herangezogen werden.

Meine Herren, wir stehen, wenn nicht alles täuscht, im Endkampf des gewaltigsten Völkerringens, in dem Deutschland je um sein Dasein, seine Entwicklungsfreiheit und seine Größe gerungen hat. Wenn jemals, so ist jetzt die feste Geschlossenheit der inneren Front das Gebot der Stunde. Wir hoffen, daß auch der Verlauf dieser Reichstagstagung dem Inland und Ausland aufs neue zeigen wird, daß das deutsche Volk in den großen Grundzielen seines Wollens diese Geschlossenheit stets finden wird. In dieser Einheit aber liegt unsere Unüberwindlichkeit, von der wir den Frieden und eine den gewaltigen Opfern werte große Zukunft unseres Vaterlandes erwarten.


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