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1918-1921


1918.

Der Glaube an Sieg und Zukunft

Aufsatz in den »Deutschen Stimmen«. 8.10.1918

Es wird nicht an Stimmen fehlen, die nach diesem erfolgten Friedensschritt nunmehr diejenigen verhöhnen wollen, die früher von einem Frieden sprachen, den der deutsche Sieg uns geben sollte. Wir gehören zu denen, die diese Hoffnung hegten, und wir schämen uns dieser Hoffnungen nicht. Wenn es ein Verbrechen war, zu glauben, daß das deutsche Schwert uns den Sieg erringen würde, und daß aus diesem Sieg der Frieden entsprieße, dann haben wir dieses Verbrechen zu tragen mit Millionen der Besten des Volkes und mit Männern fast aller Parteien. Noch in der letzten großen Juni-Sitzung des Reichstags hat der Führer des Zentrums, der heutige Staatssekretär Gröber, ausgesprochen, »das Schwert hat uns den Frieden im Osten gebracht, es wird uns auch den Frieden im Westen bringen«. Und wenn die letzte Volkskraft aufgerufen werden muß, um Reich und Thron, Heimat und Herd, Volk und Freiheit zu verteidigen, dann wollen wir den Glauben an diesen Sieg erst recht nicht fallen lassen, trotz allem, was wir erlebt haben und was vieles zusammenriß, an das wir im Innersten unserer Seele glaubten. Wir müssen es jetzt ertragen, daß der Haß und Hohn unserer Feinde aus England, Frankreich, Italien und Amerika zu uns tönt, und müssen ertragen, was noch viel bitterer ist, daß unsere Freunde leiden, die draußen an uns glaubten. Ein altes Buch kommt mir dabei in den Sinn. Der Achtzehnjährige las es einst als Primaner, und die Worte, die der träumende, nordische Dichter darin niederschrieb über die Unterliegenden, blieben im Laufe der Jahre in seinem Gedächtnis haften und traten ihm vor Augen, als er den Hohn der Auslandspresse über das deutsche Friedensangebot über sich ergehen lassen mußte. »Glauben Sie mir«, so sagte Hierrild zu dem mit ihm über das Christentum debattierenden Niels in Jacobsens Niels Lyhne, »glauben Sie mir, es liegt ein verführerisches Glück für den Menschen darin, für eine Idee zu kämpfen, die durchdringt, während es so demoralisierend ist, zur verlierenden Minorität zu gehören, welcher das Leben durch die Richtung, in welcher es sich entwickelt, Schritt für Schritt, Punkt für Punkt unrecht gibt. Es kann nicht anders sein, denn es ist so bitterlich trübe, das, wovon man bis in die innerste Seele überzeugt ist, daß es Wahrheit und Recht sei, – diese Wahrheit von dem elendsten Troßknecht des siegenden Heeres verhöhnt und geschlagen zu sehen, sie mit Schimpfnamen belegt zu hören, und nichts tun zu können, als sie noch treuer zu lieben, mit noch tieferer Ehrfurcht im Herzen vor ihr zu knien und ihr schönes Antlitz ebenso strahlend schön, ebenso voll Hoheit und unsterblichem Licht zu sehen, – wieviel Staub auch gegen ihre weiße Stirn aufgewirbelt werden mag, wie dicht die giftigen Dünste sich auch um ihre Glorie sammeln mögen. Es ist bitterlich trübe, daß unsere Seele unvermeidlich Schaden dadurch nehmen muß, denn es liegt so nahe, sich das Herz müde zu hassen, die kalten Schatten des Verdachts um sich heraufzubeschwören und schmerzensmüde die Welt ihren Gang gehen zu lassen. – Allerdings, wenn man das in sich hat, daß man, anstatt das Leichtere zu wählen, nämlich sich selbst aus jeder Verbindung mit dem Ganzen zu ziehen, aufrecht stehen bleiben und mit angespannten Kräften, mit wacher Sympathie alle vielschneidigen Schwerthiebe der Niederlage Schlag auf Schlag ertragen, und seine schwache Hoffnung doch vor dem Sinken bewahren kann, indem man auf die dumpfen Laute horcht, die einen Umschlag der Zeit verkünden; wenn man nach dem schwachen, fernen Schein zu spähen vermag, der – vielleicht – einmal den Tag bringt; ja, wenn man das in sich hat!«

Wir wollen nicht zu denen gehören, die schmerzensmüde die Welt ihren Gang gehen lassen, sondern wir wollen mit angespannten Kräften und mit wacher Sympathie auf die dumpfen Laute horchen, die einen Umschlag der Zeit verkünden, und nach dem letzten schwachen Schein spähen, der uns Erfüllung dessen zu geben vermag, was wir von einer trotz allem großen Zukunft unseres deutschen Volkes hoffen, und wollen gegenüber den elenden Troßknechten der Gegner nur mit noch tieferer Ehrfurcht im Herzen an den Ideen hängen, die wir, und nicht die Schlechtesten im Lande, einst mit Recht gehegt haben und hegen durften.

Was die Zukunft bringen mag? Wer vermag es zu sagen. Schon die nächsten Stunden, nachdem diese Zeilen niedergeschrieben sind, können Weltenschicksale bringen. Heute gilt für das, was da kommt, für das, was diejenigen zu tun haben, die an verantwortlichen Stellen stehen, das Wort, das, eine große Lebenswendung vorausfühlend, einst Deutschlands größter Dichter aussprach: »Wie von unsichtbaren Geistern gepeitscht gehen die Sonnenpferde der Zeit mit unseres Schicksals leichtem Wagen durch und uns bleibt nichts als mutig gefaßt die Zügel festzuhalten und bald rechts, bald links, vom Stein hier, vom Sturz da, die Räder wegzulenken. Wohin es geht, wer weiß es? Erinnert er sich doch kaum, woher er kam.«


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