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Ludendorffs Abschied

Aus dem Aufsatz »Waffenstillstand und Wilsonprogramm« in den »Deutschen Stimmen«. 31.10.1918

Es paßt zu diesem Gesamtbilde, daß nun auch am 26. Oktober General Ludendorff aus der Obersten Heeresleitung ausgeschieden ist. Es scheint, als sollte dem deutschen Volke nichts erspart bleiben. Noch ist bis zum Augenblick nicht klar zu sehen, was dieses Ausscheiden herbeiführte. Daß es der Widerspruch gegen die Verfassungsänderungen war, vermag derjenige nicht anzunehmen, der da weiß, wie unvoreingenommen Ludendorff politischen Fragen gegenüberstand. Man hat in Deutschland das Märchen von dem Reaktionär Ludendorff erfunden. Derjenige, der zuerst dieses politische Märchen politisch mißbrauchte, war der Reichskanzler Bethmann Hollweg, der immer, wenn er in politischer Not war, entweder eine Rede gegen die Reaktion vom Zaune brach oder sich als den vergewaltigten Mann hinstellte, der gegen reaktionäre Einflüsse von anderen Stellen sich nicht zu wehren vermochte, ohne zu ahnen, daß darin die schärfste Kritik seiner selbst gelegen hätte, wenn es richtig gewesen wäre. Ich habe das erste und einzige Mal, als ich Ludendorff sehr ausführlich sprechen konnte, gerade Fragen politischer innerer Neuordnung mit ihm erörtert. Das war im Juni 1917, als ich wegen einer im Reichstag gehaltenen Rede, in der ich die sofortige Vornahme des preußischen Wahlrechts und die Parlamentarisierung im Reiche unter starker Hervorhebung der Lichtseiten des parlamentarischen Systems forderte, in der Öffentlichkeit scharf angegriffen wurde. Damals habe ich dem General Ludendorff vor Augen geführt, daß gerade die militärische Behörde das größte Interesse daran haben müßte, die Sozialdemokratie in die Regierung einzubeziehen und daß ein Mann wie Dr. David als Staatssekretär des Reichsarbeitsamts – ich dachte mir damals diese Stellung durch ihn etwa besetzt – ihm viel mehr Gewähr dafür zu bieten vermöge, daß zwischen der Militärbehörde und den Rüstungsarbeitern ein gutes Verhältnis herrsche, als ein bureaukratisches Reichswirtschaftsamt, und habe ihm weiter die Idee, die ich in meiner Rede »Neue Zeiten« damals bezüglich des Aufbaues des parlamentarischen Staates entwickelte, nicht vorenthalten. Ludendorff, weit davon entfernt, reaktionäre Ansichten zu vertreten, hatte gegen eine politische Neuordnung gar nichts einzuwenden und erklärte seinerseits: »Wir brauchen Ruhe hinter der Front. Wenn Sie uns die durch Eintritt der Sozialdemokratie in die Regierung zu schaffen glauben, so sind wir die letzten, die sich dem widersetzen.« Auch in der Frage des angeblichen Protestes der Obersten Heeresleitung gegen die Vornahme von Neuwahlen zum Preußischen Abgeordnetenhause ist von rechts und von links mit dem Namen Ludendorff viel Mißbrauch getrieben worden. Es liefen Leute umher, die sich rühmten, Briefe von Ludendorff in der Rocktasche zu besitzen, obwohl sie in Wirklichkeit nichts als eine höfliche Empfangsbestätigung besaßen, die zum Kern der Sache gar nicht Stellung nahm und nicht von Ludendorff persönlich herrührte. Wenn sich die Oberste Heeresleitung auf den Standpunkt stellte, daß sie bei einer Offensive, die nur von einer einheitlichen Seelenstimmung der ganzen Armee getragen sein konnte, keine politische Erregung in der Heimat brauchen könne und sich deshalb gegen die Vornahme von Ersatzwahlen zum Abgeordnetenhaus wandte, so handelte sie ebenso richtig, wie zu jener Zeit, als der Kampf gegen Rumänien die Anspannung aller Kräfte erforderte, und als deshalb die Oberste Heeresleitung die Bitte ergehen ließ, von einer Aufrollung der U-Bootfrage und damit der Erregung eines großen innerpolitischen Kampfes um diese Frage abzusehen, weil sie die Rückwirkung dieses Kampfes auf die Front fürchtete. Abgesehen von diesen Eingriffen, bei denen das militärische Interesse in Betracht kam, hat sich Ludendorff von parteipolitischer Einseitigkeit ferngehalten. So wäre er auch mit dem neuen Kriegskabinett und trotz der Verfassungsänderungen wohl an der Spitze des Heeres mit geblieben, wenn nicht die gesamte Situation der letzten Wochen nach den verschiedensten Richtungen Schwierigkeiten ergeben hätte, die in der Beurteilung des gegenüber den Wilsonschen Noten einzunehmenden Standpunktes wie in einer wechselnden Beurteilung der militärischen Lage ebenso lagen, wie in vielleicht zutage tretenden Verschiedenheiten der Auffassungen der militärischen Führung bei dieser Lage. Jedenfalls war es ein ganzer Komplex von Fragen, der eine Spannung zwischen General Ludendorff und der gegenwärtigen Regierung geschaffen hatte, ohne daß jedoch, wie es in einzelnen Zeitungen dargestellt wird, etwa das Kriegskabinett die Beseitigung des Generals Ludendorff gefordert hätte. Eine solche Beseitigung wäre von dem Vertreter der Nationalliberalen Partei im Kriegskabinett niemals gutgeheißen worden. Das Dunkel über diese Tage in Deutschland wird sich auch einmal lichten, bis dahin wird man gut tun, mit seinem Urteil zurückzuhalten.

Letzten Endes ist ja der Kampf um Ludendorff weniger ein Kampf um den Heerführer – denn in der Bewertung des von der Heerführung Geleisteten ist sich trotz der Fehlschläge der letzten Monde das deutsche Volk wohl einig und wird sich einig – als ein Kampf zwischen Militärgewalt und Zivilgewalt. Hier objektiv Stellung einzunehmen und niemandem Unrecht zu tun, ist nicht leicht. Auf der einen Seite haben auch wir in der Nationalliberalen Partei die Willkür einzelner Generalkommandos bitter empfunden, und ziemlich allgemein ist die Auffassung, daß die Militärherrschaft in besetzten Gebieten neben vielem wirtschaftlich Guten politisch unendlich viel Verfehltes mit sich gebracht hat. Man sprach davon, daß Ludendorff der Diktator des Reiches auch in politischen Dingen gewesen sei. Wer das sagt, der klagt damit nicht Ludendorff an, sondern die politische Leitung, die dies niemals hätte dulden dürfen. Es gibt nichts Kläglicheres, als eine politische Regierung, die fortwährend mit verweinten Augen herumläuft, weil sie von den Militärs vergewaltigt werde! Mögen die Leute sich doch entweder nicht vergewaltigen lassen oder ihr Portefeuille zur Verfügung stellen. Es ist schon so, daß der überragende Einfluß Ludendorffs schließlich darin begründet war, daß er durch seine Person ein Zentrum der Kraftenergie darstellte, dem die politische Leitung meist nur Mittelmäßigkeiten an Befähigung und Tätigkeitsdrang entgegenzusetzen vermochte.

Dadurch war diejenige Stellung Ludendorffs geschaffen worden, welche man als die eines »heimlichen Kaisers« bezeichnet hatte. Die Schnelligkeit seiner Auffassungsgabe, die militärische Art, empfangene Anregungen als Befehle weiterzugeben und nicht in Erwägungen steckenzubleiben, wie die Zivilbureaukratie, schaffte seinem Wirken jenen außerordentlichen Einfluß, den es bis in die letzten Tage sich erhielt. Ob dieses politische Wirken immer die richtigen Wege gegangen ist, vermag heute niemand zu sagen. Daß das Gegeneinanderspielen von Militär- und Zivilgewalt einer einheitlichen Ordnung weichen mußte, wird jedermann anerkennen müssen, wie dies vom liberalen Standpunkt aus Rudolf von Bennigsen in den Briefen an seine Frau schon Ende 1870 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat. Auch Bismarcks Klagen über die Militärs sind bekannt. Freilich, ein Bismarck wußte auch im Frieden von Nikolsburg seine Politik durchzusetzen, während bei uns die Zivilgewalt vor der Militärgewalt kapitulierte. Aber all diese Streitpunkte sind nicht eine Anklage gegen Ludendorff, sondern zeigen nur das Versagen des politischen Systems in den Persönlichkeiten, die seine Träger waren. Über alles das aber, was der Tag an Gegensätzen über die Auffassung der Person Ludendorffs gebracht hat, wird das stehen, was jeder ihm dankt. Kleine Geister, die heute hämisch von »Ludendorffs Glück und Ende« schreiben und reden und seine Beseitigung gar noch als einen Erfolg der Volksfreiheit hinstellen wollen, werden in ihrem Namen nicht mehr gekannt sein, wenn der Name Ludendorffs zusammen mit dem Hindenburgs durch die Jahrhunderte und Jahrtausende gehen wird als Versinnbildlichung großer Männer, die das höchste geleistet haben, was jemals ein Volk von den Führern seiner Heere verlangen konnte: Siegreich die Heimat zu schützen gegen den Ansturm der Welt und mit unterlegenen Kräften Siege zu erfechten, die für alle Zeiten um die deutschen Waffen einen Lorbeer winden, den auch feindliche Geschichtsschreibung ihnen nicht entreißen kann und entreißen wird vor der richtenden Geschichte der Menschheit.


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