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3. Kapitel

Es entstand bald ein reges Leben im Kohlenmeiler, denn die Soldaten, welche sich freuten, aus dem Walde heraus in die weite Welt zu kommen, betrieben die Vorbereitungen zum Aufbruch mit großer Eile. Dazu kam, daß sie noch immer die Verfolgung Boguslaw Radziwills fürchteten. Der alte Kiemlitsch hatte sich in die Stube zu Kmiziz begeben, da er glaubte, der Hauptmann werde seine Dienste brauchen.

»Ew. Liebden wollen fort?« sagte er während des Eintretens.

»Das will ich! Ihr werdet mich durch das Moor führen. Kennt ihr alle Waldwege genau?«

»Wohl kenne ich sie; ich bin hier zu Hause ... Wohin wollen Ew. Liebden?«

»Zu Seiner Majestät dem Könige.«

Der Alte prallte erstaunt zurück.

»Allerweiseste Jungfrau!« schrie er. »Zu welchem Könige, Ew. Liebden?«

»Doch nicht zum schwedischen,« versetzte Herr Andreas.

Kiemlitsch erholte sich schnell von seinem Staunen; er bekreuzigte sich.

»Ew. Liebden wissen wohl gar nicht, daß die Leute sich erzählen, Se. Majestät habe sich nach Schlesien geflüchtet, weil alle ihn verlassen haben. Sogar Krakau ist belagert.«

»Dann suchen wir ihn in Schlesien auf.«

»Ja, aber wie sollen wir durch die schwedischen Besatzungen dorthin kommen?«

»Auf eine oder die andere Weise doch! Ob im Sattel oder zu Fuß, das ist ganz gleichgültig.«

»Man wird ja schrecklich lange Zeit dazu brauchen ...«

»Wir haben viel Zeit ... aber ich möchte je eher, desto lieber dort sein.«

Kiemlitsch hörte auf, laut seine Verwunderung zu äußern; er war ein zu schlauer Mensch, als daß er nicht hätte durchschauen sollen, daß Herr Kmiziz einen ganz besonderen Grund für sein Vorhaben hatte. Tausenderlei Vermutungen drängten sich ihm auf. Da aber die Soldaten Kmiziz's, welchen dieser Schweigen geboten hatte, weder dem Alten noch seinen Söhnen etwas von der Entführung Boguslaws erzählten, so glaubte er als das Wahrscheinlichste, daß der junge Hauptmann von dem Hetman in geheimer Mission zu dem Könige gesandt sei; er wußte nichts anderes, als daß Herr Kmiziz ein eifriger Anhänger des Hetman sei und diesem bereits große Dienste geleistet habe. Die Konföderierten hatten in ganz Podlachien die Kunde verbreitet, daß Kmiziz ein gewaltthätiger Mensch und Verräter sei.

»Wozu aber schickte der Hetman ihn, Kmiziz, zum Könige? Er will sich wohl mit ihm vergleichen?« dachte Kiemlitsch bei sich. »Vielleicht war er des Schwedenregimentes schon überdrüssig.«

Doch dem Alten war es gar nicht darum zu thun, dem wahren Grunde der Reise nachzuforschen; er erwog nur, welchen Nutzen er aus diesen Zuständen für sich ziehen konnte. Wenn er bei Kmiziz wieder Dienste nahm, dann diente er gleichzeitig dem Hetman und dem Könige und die Gnade solcher Herren war wohl einer Strapaze wert. Dazu kam die zur Gewohnheit gewordene Unterordnung unter den Willen des Hauptmannes und eine Anhänglichkeit, welche sich Kmiziz bei allen seinen Untergebenen zu erwerben verstand.

»Ew. Liebden,« begann also der Alte unter dem Einfluß seiner Mutmaßungen. »Ew. Liebden müssen die ganze Republik durchqueren, um zu Sr. Majestät zu gelangen. Da sind die schwedischen Kommandos nicht die schlimmsten Feinde. Man kann die Schlösser und Städte umgehen ... aber die Wälder wimmeln von allerhand Gesindel, welche den Reisenden auflauern und Ew. Liebden haben wenig Leute ...«

»Ihr werdet mich mit euren Söhnen und euren Knechten begleiten, Herr Kiemlitsch, dann werden ihrer eine größere Anzahl sein.«

»Ew. Liebden befehlen, da habe ich zu gehorchen. Aber ich bin ein armer Schlucker, habe nichts als dieses Anwesen. Wie? soll ich das alles im Stich lassen?«

»Das, was ihr thun sollt, wird die Mühe lohnen,« entgegnete Kmiziz. »Zudem ist es besser, ihr verlaßt diese Gegend auf eine Zeitlang, so lange eure Köpfe auf den Hälsen sitzen.«

»Alle Heiligen des Herrn! ... Was sagen Ew. Liebden? ... Wie? ... Warum? ... Was konnte mir Unschuldigem hier drohen? Wem thuen wir etwas zuleide?«

»Man kennt euch hier, Schurken!« antwortete Herr Andreas. »Ihr hattet ein Geschäft zusammen mit einem gewissen Kopystinski, den habt ihr ermordet, dann seid ihr den Gerichten entlaufen und habt bei mir gedient. Darauf habt ihr meine Beutepferde gestohlen ...«

»Wahrhaftig! Allmächtige Jungfrau!« schrie der Alte.

»Schweige und warte! Dann seid ihr in euer altes Nest zurückgekehrt und habt in der ganzen Gegend gehaust wie die Räuber. Streitet das nicht aus; ich bin nicht euer Richter, und ihr wißt selbst am besten, daß ich die Wahrheit rede ... Meinetwegen könnt ihr hier bleiben und weiter Pferde stehlen. Wenn die Soltarenkaschen oder die Schweden euch erwischen, dann werden sie euch das Fell über die Ohren ziehen. Doch das geht mich nichts an.«

»Wir berauben aber nur die Feinde, das ist kein Unrecht,« sagte der Alte.

»Das ist nicht wahr, denn ihr beraubt auch die Unsrigen. Das ist gemeiner Diebstahl und Bauernsache; euer Adel ist geschändet! Schimpf und Schande über euch! Nehmt im Kriege, in der Schlacht Beute soviel ihr wollt, aber ein Schurke ist der, welcher auf öffentlicher Landstraße raubt.«

»Wir wollen Ew. Liebden ja begleiten und die sichersten Wege führen, denn man wird von bösen Menschen hier zu sehr verfolgt, blos weil wir arme Leute sind ... Vielleicht erbarmt sich Gott unser und tröstet uns in der Not. Im ganzen Lande summt es wie in einem Kessel; wir wären dumm, wenn wir das nicht ausnützen wollten.«

Unwillkürlich rieb sich der Alte vergnügt die Hände, in seinen Augen blitzte es verräterisch auf.

Kmiziz sah ihn scharf an.

»Versucht nicht, Verrat an mir zu üben!« rief er drohend. »Das sollte euch schlecht bekommen und nichts würde euch in solchem Falle vor dem Strange retten!«

»So etwas kann uns niemand nachsagen,« versetzte Kiemlitsch düster. »Gott soll mich strafen, wenn mir je ein solcher Gedanke gekommen ist.«

»Ich will euch glauben,« sagte nach kurzer Pause Kmiziz. »Denn Verrat ist noch schlechter als rauben und manch ein Wegelagerer würde sich davor entsetzen.«

»Was befehlen Ew. Liebden jetzt?« frug Kiemlitsch.

»Fürs erste sind zwei Briefe zu besorgen, welche Eile haben. Habt ihr zuverlässige Leute?«

»Der eine Bote soll zum Fürst-Wojewoden, er braucht ihm aber das Schreiben nicht selbst einzuhändigen; er kann es bei der ersten Fahne, die er trifft, abgeben und zurückkehren, ohne Antwort abzuwarten.«

»Das kann der Köhler besorgen. Er ist zuverlässig und in solchen Dingen wohl bewandert.«

»Gut also! Der zweite Brief muß nach Podlachien gebracht werden. Der Bote muß die Fahne des Herrn Wolodyjowski auskundschaften und ihm selbst den Brief übergeben ...«

Der Alte blinzelte listig und dachte bei sich:

»Also auch mit den Konföderierten fangen sie an sich zu beriechen. Nach allen Seiten hin wird gearbeitet.«

Dann sagte er laut:

»Wenn das Schreiben nicht zu eilig ist, Ew. Liebden, dann könnte man es, wenn wir aus dem Walde kommen, unterwegs einem Boten anvertrauen. Die Konföderierten haben unter den Adeligen eine Menge Freunde, von denen jeder die Botschaft gern übernehmen wird. Uns aber bleibt ein Mann mehr.«

»Das habt ihr gut ausgedacht« sagte Kmiziz. »Es ist mir lieber, wenn der Bote selbst nicht weiß, von wem der Brief kommt. Kommen wir bald aus dem Walde heraus?«

»Das hängt von Ew. Liebden ab. Wir können zwei Wochen lang im Walde bleiben oder schon morgen herauskommen.«

»Das wollen wir also später beraten. Jetzt paßt gut auf und hört aufmerksam zu.«

»Ich will meinen ganzen Verstand zusammennehmen, Ew. Liebden.«

»Man hat mich in der ganzen Republik als einen vom Hetman oder gar von den Schweden bestochenen Gewaltthäter und Verräter bekannt gemacht. Wenn nun Se. Majestät erführen, wer ich bin, würde er mir nicht trauen und meine Dienste verschmähen, die ich ihm, so wahr Gott lebt, aus ehrlichem treuen Herzen weihen will. Merket auf, Kiemlitsch!«

»Ich merke auf, Ew. Liebden.«

»Von jetzt ab also heiße ich Babinitsch, nicht mehr Kmiziz. Versteht ihr? Niemand darf meinen früheren Namen mehr kennen, keiner ihn nennen. Und sollte euch jemand fragen, woher ich bin, so sagt ihr, daß ihr euch unterwegs mir zugesellt habt und nicht wisset, woher ich komme. Wer neugierig auf der Frage beharrt, der soll mich selbst fragen.«

»Ich verstehe Ew. Liebden.«

»Euren Söhnen und Knechten sagt ihr, daß ich Babinitsch heiße und daß sie niemanden meinen wahren Namen sagen sollen und wenn man Riemen aus ihrer Haut schnitte. Ihr steht mir mit eurem Halse dafür ein, daß es geschieht!«

»Es soll geschehen, Ew. Liebden. Ich will es meinen Söhnen schon sagen, denn diesen Schelmen muß man es mit dem Spaten in den Kopf legen. Solche Freude habe ich an ihnen ... Gott hat mich mit ihnen für Jugendsünden gestraft ... Aber noch eins ... Ist es erlaubt, noch ein Wort zu sprechen?«

»Sprecht dreist!«

»Wäre es nicht besser, wenn wir den Soldaten und Knechten nicht sagten, wohin wir reisen wollen?«

»Sei es so! Ihr habt Recht!«

»Es genügt, daß sie erfahren, Herr Babinitsch und nicht Herr Kmiziz ist es, welcher reist. Und zweitens wäre es besser, unterwegs Ew. Liebden Rang und Charge zu verbergen.«

»Warum?«

»Weil den Offizieren und höher gestellten Männern von den Schweden Geleitscheine ausgestellt zu werden pflegen. Wer keine solchen bei sich hat, der wird zum Kommandanten geführt.«

»Ich besitze ja auch Geleitscheine an die schwedischen Kommandos.«

Verwunderung spiegelte sich in den listigen Augen Kiemlitschs. Nach kurzem Nachdenken frug er:

»Erlauben Ew. Liebden zu sagen, was ich denke?«

»Wenn euer Rat ein guter ist und ihr nicht blos nörgeln wollt, dann sprecht!«

»Wenn Geleitscheine da sind, so ist es gut, denn im Notfalle können sie vorgezeigt werden. Wenn aber Ew. Liebden in geheimer Angelegenheit reisen, so ist es besser, die Geleitscheine gar nicht zu benutzen. Ich weiß nicht, ob sie auf den Namen Babinitsch oder Kmiziz ausgestellt sind; auf jeden Fall hinterläßt ihre Vorzeigung eine Spur, welche etwaige Verfolgungen erleichtert.«

»Ihr habt den Nagel auf den Kopf getroffen!« rief Kmiziz. »Ich werde die Geleitscheine nicht benutzen, wenn wir auf andere Weise durchkommen.«

»Das werden wir, Ew. Liebden, und am besten, wenn wir als Bauern oder Stellenbesitzer verkleidet reisen. Es schickt sich gut, daß unter unseren Sachen sich einige Mützen und Graupelze befinden, wie sie der Kleinadel zu tragen pflegt. Wenn wir unsere Pferdekoppel mitnehmen, können wir uns den Anschein geben, als zogen wir von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, weit hin bis nach Lawitsch und Warschau. Ich habe das in Friedenszeiten schon öfter gethan und kenne die Wege genau. Um diese Zeit muß Jahrmarkt in Sobota sein, wohin von weit und breit her Leute kommen; dort erfahren wir, wo andere Märkte abgehalten werden und so weiter. Die Schweden achten auch weniger auf die Grauröcke, weil ihrer zu viele sich auf den Märkten herumtreiben.«

»Wie aber, wenn man uns die Pferde wegnimmt, was doch in Kriegszeiten, wo oft Requisitionen stattfinden, leicht geschehen kann?«

»Entweder werden sie uns abgekauft oder genommen. Kauft man sie, dann reisen wir nicht mit, sondern nach Pferden zu Markte; nimmt man sie, so erheben wir ein großes Geschrei und reisen mit der Klage vor das Tribunal nach Warschau oder Krakau.«

»Ihr seid listig, wie ich sehe,« sagte Kmiziz. »Ich kann euch brauchen.«

»Mich führen Geschäfte sowieso nach Lyck in Preußen; unser Weg führt auch dorthin. Wir gehen dann die Grenze entlang und zuletzt geraden Weges über Ostrolenka und Pultusk nach Warschau.«

»Wo liegt denn Sobota?«

»Ganz nahe bei Piontek Sobota heißt deutsch Sonnabend, Piontek – Freitag.

»Ihr scherzet, Herr Kiemlitsch.«

»Wie dürfte ich,« sagte der Alte, die Arme über die Brust gekreuzt und den Kopf geneigt. »Die Städtchen haben so spaßige Namen; sie liegen ein Stück Weges hinter Lawitsch.«

»Ich nehme also euren Vorschlag an. Wir reisen als Pferdehändler; aber – damit euch kein Schaden daraus erwächst, kaufe ich die Pferde euch gleich hier ab.«

»Ich danke Ew. Liebden für diese Rettung.«

»Jetzt geht, sucht die Pelze, Schabracken und ein paar alte Säbel hervor, denn wir müssen gleich fort. Und sagt euren Söhnen und Knechten, wer ich bin, wie ich heiße, und daß ich mit Pferden zu Markte reise und euch alle zu meiner Hilfe gemietet habe. Nun fort!«

Als der Alte schon an der Thüre war, rief ihm Herr Andreas noch nach:

»Und keiner von euch darf mich weder Ew. Liebden, noch Herr Hauptmann, oder Herr Kommandant nennen. Ich heiße Babinitsch und bin nur der Herr Babinitsch.«

Kiemlitsch entfernte sich, und eine Stunde später saßen alle schon zu Pferde, bereit, den weiten Weg anzutreten.

Herr Kmiziz war angethan mit einem grauen kurzen Pelzrock und einer schon schäbigen Pelzmütze von gleicher Farbe. Er war so, das verbundene Gesicht, welches ja von einer Schlägerei in einer Schenke herrühren konnte, miteingerechnet, kaum wiederzuerkennen. Sein äußerer Mensch trug vollständig das Gepräge eines Mannes vom Kleinadel, der mit seinen Leuten von Markt zu Markt zieht. Er, sowie seine Leute waren mit gewöhnlichen Säbeln bewaffnet und mit langen Peitschen und Lassos versehen, mit welchen sie die Pferdekoppel in Ordnung zu halten hatten.

Die Soldaten blickten mit Verwunderung und Scheu auf ihren Hauptmann und tauschten untereinander allerhand Bemerkungen aus. Es kam ihnen sehr sonderbar vor, daß er nicht mehr Kmiziz, sondern Babinitsch hieß, und nicht mehr Herr Hauptmann, sondern »Ihr« angesprochen werden sollte. Besonders konnte sich Soroka nicht darein finden; er starrte mit zuckender Oberlippe unverwandt das ernste Gesicht seines Vorgesetzten an und murmelte zu Bilous gewendet:

»Das ›Ihr‹ wird mir in der Kehle stecken bleiben. Und wenn er mich totschlägt – so rede ich ihn doch an, wie es ihm zukommt.«

»Befehl bleibt aber Befehl!« entgegnete Bilous. »Aber er hat sich sehr verändert, unser Herr Hauptmann.«

Hätten die Soldaten nur auch geahnt, wie sehr die Seele des Herrn Andreas sich verändert hatte, und wie es in seinem Inneren aussah.

»Vorwärts!« kommandierte plötzlich Herr Babinitsch.

Die Peitschen knallten, die Reiter umringten die Pferdekoppel, welche sich sofort in Bewegung setzte, und fort ging es.

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