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3. Kapitel

Kmiziz reiste jedoch weder bald, noch am nächsten Tage ab, denn es langten drohende Gerüchte in Kiejdan an. Schon gegen Abend kam ein Eilbote mit der Nachricht, daß die Fahnen Mirskis und Stankiewitschs bereits aus freien Stücken gegen die Residenz des Hetman zogen, in der Absicht, mit Gewalt die Herausgabe ihrer Offiziere zu fordern, daß eine schreckliche Aufregung unter ihnen herrsche und sie Abgesandte an alle Fahnen in der Nähe Kiejdans und weiter bis nach Podlachien und Sabludowo abgeschickt hätten mit der Nachricht von dem Verrate des Hetman und der Aufforderung, sich zum Schutze des Vaterlandes ihnen anzuschließen. Es war vorauszusehen, daß eine Menge Adel sich den aufständischen Fahnen anschließen würde, was zusammen eine ansehnliche Macht bilden mußte, welcher Widerstand zu leisten dem unbefestigten Kiejdan schwer fallen werde, besonders da der Fürst nicht auf alle Regimenter, die in seiner Hand waren, mit Sicherheit zählen konnte.

Das änderte die Berechnungen und alle Pläne des Hetmans; aber statt ihn niederzudrücken, schienen diese erschwerenden Umstände nur die Stärke seines Geistes zu erhöhen. Er beschloß, selbst an der Spitze seiner ihm ergebenen Schotten, der Reiterei und der Artillerie gegen die Aufständischen auszuziehen, um die Unruhen im Keime zu ersticken. Wußte er doch sehr gut, daß Soldaten ohne Offiziere nur eine formlose Masse seien, welche vor dem bloßen Namen des Hetmans in alle vier Winde zerstieben würde.

Er beschloß auch, nichts zu schonen und durch ein strenges Exempel das gesamte Heer, den ganzen Adel, ja ganz Litauen in Schrecken zu setzen, so daß es unter seiner eisernen Hand nicht einmal zu zucken wagte. Alles, wonach er strebte, sollte sich erfüllen, und zwar durch seine eigene Kraft erfüllen.

Noch am selbigen Tage zogen mehrere der fremdländischen Offiziere nach Preußen aus, um neue Truppen zu werben. Kiejdan strotzte von Waffen. Die schottischen Regimenter, die ausländische Reiterei, die Dragoner Mieleschkos und Charlamps und die »Feuermänner« des Herrn Korf bereiteten sich zum Ausmarsch vor. Die Haiducken des Fürsten, das Hofgesinde und die männlichen Einwohner der Stadt Kiejdan sollten das Heer desselben verstärken und endlich beschloß man, die Abreise der gefangenen Hauptleute nach Birz zu beschleunigen, da sie dort sicherer waren als in dem unbefestigten Kiejdan. Der Fürst erwartete zudem mit Recht, daß ihre Fortschaffung nach dieser entlegenen Festung, welche dem Vertrage gemäß schon von den Schweden besetzt sein mußte, alle Hoffnungen auf ihre Befreiung seitens der aufständischen Truppen zu nichte machen würde und ihnen jeden faßbaren Grund für ihre Empörung benahm.

Herr Sagloba, die beiden Skrzetuskis und Wolodyjowski sollten das Los der anderen Gefangenen teilen.

Es war schon am Abend, als in das Gefängnis, in welchem sie saßen, ein Offizier mit einer Laterne in der Hand trat und sagte:

»Macht euch bereit, meine Herren, mir zu folgen.«

»Wohin?« fragte Herr Sagloba unruhig.

»Das wird sich zeigen ... Schnell! schnell!«

»Wir kommen schon.«

Sie gingen hinaus. Auf dem Korridor wurden sie von bewaffneten Schotten umringt. Sagloba wurde immer unruhiger.

»Sie werden uns doch nicht ohne die Sakramente, ohne einen Geistlichen zum Tode führen?« flüsterte er dem Herrn Wolodyjowski ins Ohr.

Darauf wandte er sich an den Offizier:

»Wie ist euer Name, wenn ich bitten darf?«

»Was kümmert euch mein Name?«

»Ich habe viel Verwandte in Litauen und man weiß gern, mit wem man es zu thun hat.«

»Es ist jetzt keine geeignete Zeit zu Vorstellungen. Der aber ist ein Narr, der sich seinem Namens schämt ... Ich heiße Roch Kowalski, wenn ihr es denn wissen wollt.«

»Ein edles Geschlecht! Die Männer sind gute Soldaten, die Frauen tugendhaft. Meine Großmutter war eine geborene Kowalska, aber sie machte mich zur Waise, noch ehe ich das Licht der Welt erblickte. Welcher Linie gehört ihr an? Den Wieruscher Kowalskis oder den Korabier Kowalskis?«

»Wie kommt ihr dazu, mich hier bei Nachtzeit zu inquirieren?«

»Weil ihr gewiß ein Verwandter von mir seid, denn auch von Statur gleichen wir uns. Ihr seid starkknochig wie ich und habt auch ganz meine breiten Schultern und ihr müßt wissen, daß ich gerade meine Schönheit von der Großmutter geerbt habe.«

»Das können wir alles unterwegs feststellen; wir werden Zeit dazu haben!«

»Unterwegs?« sagte Sagloba.

Und eine große Last fiel ihm vom Herzen. Er blähte sich auf wie ein Mehlsack und sein Humor kehrte sogleich zurück.

»Herr Michael,« flüsterte er, »habe ich euch nicht gesagt, daß man uns nicht köpfen würde?«

Sie waren inzwischen auf den Schloßhof gekommen. Er war vollständig finster geworden. Hier und da nur leuchteten einige rote Fackeln oder schwankte eine Laterne hin und her, ihr ungewisses Licht auf Gruppen berittener Soldaten und Infanterie der verschiedenen Waffengattungen werfend. Der ganze Schloßhof war mit Truppen bedeckt. Man bereitete sichtlich einen Kriegszug vor, überall herrschte reges Leben. Hier und da blickten im Dunkel Speere oder Musketenläufe auf; Pferdehufe klirrten auf dem Steinpflaster, einzelne Reiter ritten zwischen den Fahnen hin und her; es waren das sicher Offiziere, welche Befehle austrugen.

Kowalski hielt die Gefangenen nebst ihrer Begleitung vor einem großen, mit vier Pferden bespannten Leiterwagen an.

»Steigt auf, meine Herren!« sagte er.

»Es sitzt ja schon jemand darauf,« sagte Sagloba, während er auf den Wagen kletterte. »Wo sind unsere Sachen?«

»Das Gepäck ist unter dem Stroh geborgen,« antwortete Kowalski. »Schneller, schneller!«

»Wer liegt denn hier?« fragte Sagloba, die dunklen Gestalten betrachtend, welche auf dem Wagen im Stroh ausgestreckt lagen.

»Mirski, Stankiewitsch, Oskierko!« meldeten einige Stimmen.

»Wolodyjowski, Johann Skrzetuski, Stanislaus Skrzetuski, Sagloba!« antworteten unsere Ritter.

»Willkommen! willkommen!«

»Willkommen! Wir werden in auserlesener Gesellschaft reisen. Wohin wollen sie uns bringen? Wißt ihr es nicht, meine Herren?«

»Die Herren werden nach Birz gebracht!« sagte Kowalski.

Indem er das sagte, setzte sich der Zug in Bewegung. Fünfzig Dragoner umgaben den Wagen.

Die Gefangenen begannen sich leise zu unterhalten.

»Man liefert uns den Schweden aus,« sagte Mirski. »Ich hatte das erwartet.«

»Ich ziehe vor, unter Feinden zu leben, als unter Verrätern!« antwortete Stankiewitsch.

»Und ich ziehe eine Kugel vor den Kopf allem vor!« rief Wolodyjowski. »Es ist entsetzlich, die Hände im Schoße ruhen zu lassen während dieses unglückseligen Krieges.«

»Lästert nicht, Herr Michael,« entgegnete Sagloba. »Vom Wagen könnt ihr, wenn sich die Gelegenheit bietet, einmal verschwinden; ebenso aus Birz. Mit einer Kugel im Kopfe aber rennt man schwerlich davon. Ich wußte aber im Voraus, daß dieser Verräter es nicht wagen würde, uns zu erschießen.«

»Es giebt nichts, das Radziwill nicht wagen würde,« sagte Mirski. »Man sieht, ihr seid von weit her und kennt ihn nicht. Wem er einmal Rache geschworen, der ist so gut wie begraben; ich kenne keinen einzigen Fall, wo er auch nur die geringste Schuld verziehen hätte.«

»Er hätte es dennoch nicht wagen dürfen, die Hand gegen mich zu erheben,« antwortete Sagloba. »Wer weiß, ob ihr alle, meine Herren, nicht mir das Leben verdankt.«

»Wie so?«

»Der Chan aus der Krim liebt mich sehr dafür, daß ich eine Verschwörung auf sein Leben entdeckt habe, während ich in der Krim in Gefangenschaft schmachtete. Und auch unser allerdurchlauchtigster Herr Johannes Kasimirus ist in mich vernarrt. Mit zwei solchen Potentaten wollte dieser Hund Radziwill es nicht verderben; die hätten ihn auch in Litauen erreicht.«

»Ei, was ihr sagt! Er haßt den König wie der Teufel das Weihwasser und er würde euch noch mehr hassen, wenn er wüßte, daß ihr ein Anhänger des Königs seid,« antwortete Stankiewitsch.

»Und ich denke,« sagte Oskierko, »daß der Hetman nur nicht den bösen Leumund herausfordern wollte, indem er unser Blut vergoß; ich wollte aber darauf schwören, daß dieser Offizier den Schweden in Birz den Befehl bringt, uns sofort zu erschießen.«

»O weh!« sagte Sagloba.

Sie verstummten eine Weile. Der Wagen war inzwischen auf dem Marktplatze Kiejdans angelangt. In der Stadt schlief alles; die Fenster waren nicht mehr erleuchtet, nur die Hunde vor den Häusern fielen bissig den Zug an.

»Es ist schon einerlei,« sagte Sagloba. »Jedenfalls haben wir Zeit gewonnen; vielleicht hilft uns ein glücklicher Zufall oder möglicherweise eine List.«

Er wandte sich bei diesen Worten an die alten Offiziere:

»Meine Herren!« sagte er, »ihr kennt mich zu wenig, aber fragt die Herren, meine Gefährten hier, in welchen Bedrängnissen ich mich schon befunden, und dennoch habe ich immer mich frei gemacht. Sagt mir nur, was ist das für ein Offizier, welcher den Zug kommandiert? Könnte man ihm nicht vorstellen, daß er es mit einem Verräter nicht halten, sondern zur Befreiung des Vaterlandes sich mit uns verbinden solle?«

»Das ist Roch Kowalski von der Linie der Korabier Kowalskis,« entgegnete Oskierko. »Ich kenne ihn. Ihr könntet ebenso gut seinem Pferde Vorstellungen machen, denn ich weiß wahrhaftig nicht, wer dümmer ist, er oder sein Pferd.«

»Aber daß man ihn da zum Offizier gemacht hat?«

»Er trägt bei den Dragonern Mieleschkos die Fahne. Dazu braucht man wahrhaftig keinen Verstand. Und zum Offizier wurde er darum gemacht, weil seine kräftige Faust dem Fürsten gefällt. Er zerbricht Hufeisen in der Hand und umarmt gezähmte Bären derartig, daß noch kein einziger seiner Umarmung lebendig entronnen ist.«

»Ein solcher Kraftmensch ist er also?«

»Das ist er, und dazu kommt noch, daß, wenn ein Vorgesetzter ihm befiehlt: schlage dir den Kopf an der Wand ein, er ohne sich zu besinnen, mit dem Kopfe gegen die Wand rennen würde. Jetzt hat man ihm befohlen, uns nach Birz zu bringen, und er wird das thun und sollte die Welt darüber zusammenstürzen.«

»Seht, seht!« sagte Sagloba, welcher aufmerksam zugehört hatte. »Er ist also ein resoluter Bursche!«

»Weil bei ihm Entschlossenheit und Dummheit gleichbedeutend sind. Uebrigens – wenn er Zeit hat und nicht gerade ißt, so schläft er. Ihr würdet es kaum glauben, meine Herren, es klingt wunderbar, aber es ist wahr, er schlief einmal achtundvierzig Stunden hintereinander im Zeughause und reckte sich noch, als man ihn vom Lager zog.«

»Der Mann gefällt mir sehr,« sagte Sagloba; »ich weiß immer gern, mit wem ich es zu thun habe.«

Hier wandte er sich an Kowalski.

»Kommt doch einmal näher, Herr!« rief er im Protektorton.

»Was soll's?« fragte Kowalski, indem er das Pferd wendete.

»Habt ihr Branntwein?«

»Ja.«

»Gebt her!«

»Was? Gebt her?«

»Denn seht, Herr Kowalski, wenn das nicht erlaubt wäre, so hättet ihr Befehl, keinen Branntwein zu verabreichen. Da euch das aber nicht untersagt ist, so gebt her.«

»Wie?« rief Herr Rochus verwundert, »wollt ihr mich dazu zwingen?«

»Zwang oder nicht Zwang, die Hauptsache – es ist euch nicht verboten und es ziemt sich, einen alten Verwandten zu stärken, der, wenn er eure Mutter geheiratet hätte, ganz gut euer Vater sein könnte.«

»Was seid ihr mir für ein Verwandter?«

»Es giebt zwei Linien Kowalski. Die einen haben im Siegel einen eisernen Schild, auf welchem ein Ziegenbock zu sehen ist, der den einen Hinterfuß erhoben hat, die anderen haben als Wappenkleinod eine Arche, auf welcher einer ihrer Vorfahren über das Meer aus England nach Polen herübergekommen ist, und die Kowalskis sind mir durch meine Großmutter verwandt, besonders da auch ich die Arche in mein Siegel aufgenommen habe.«

»Bei Gott! so seid ihr in der That mein Verwandter!«

»Seid ihr auch einer von den Archen-Kowalskis?«

»Das bin ich.«

»Mein Blutsverwandter, so wahr ich Gott liebe!« rief Sagloba. »Es ist gut, daß ich euch hier gefunden habe, denn ich bin eigentlich nur nach Litauen gekommen, um die Kowalskis aufzusuchen, und wenn ich auch jetzt in Gefangenschaft bin und ihr hoch zu Roß eure Freiheit genießt, so nehme ich euch doch so gerne in meine Arme, denn verwandtes Blut verleugnet sich nicht.«

»Was kann euch das nützen? Man hat mir befohlen, euch nach Birz zu bringen, das thue ich nun ... Verwandtschaft hin, Verwandtschaft her, Dienst bleibt Dienst.«

»Nennt mich Oheim!« sagte Sagloba.

»Hier habt ihr Branntwein, Oheim!« sagte Herr Rochus. »Das ist alles, was ich für euch thun kann.«

Sagloba nahm gerne die Feldflasche an und that einen langen Zug daraus. Bald durchströmte eine angenehme Wärme alle seine Glieder, im Kopfe wurde es ihm helle und der Verstand klarer.

»Steigt doch vom Pferde herab und kommt eine Weile auf den Wagen. Ich möchte gern mit euch über eure Angehörigen plaudern. Obgleich ich den Dienst ehre, so glaube ich doch, daß dieses erlaubt ist.«

Kowalski antwortete eine Weile nichts, endlich sagte er:

»Ich glaube auch, es ist nicht gegen den Befehl.«

Bald darauf saß er neben Herrn Sagloba oder streckte vielmehr seine Glieder lang auf dem Stroh aus, welches den Boden des Wagens hoch bedeckte. Herr Sagloba umarmte ihn herzlich.

»Wie geht es denn deinem Alten? ... Daß dich doch! ... ich habe seinen Taufnamen vergessen.«

»Er heißt auch Rochus.«

»Richtig, richtig. Ein Rochus zeugte wieder den andern Rochus ... das ist nach dem Familiengebot. Du bist verpflichtet, deinen Sohn wieder Rochus zu nennen. Jeder Vogel hat seine eigenen Farben. Bist du verheiratet?«

»Jawohl, das bin ich. Ich heiße Kowalski und das hier ist die Frau Kowalska, eine andere begehre ich nicht.«

Bei diesen Worten hob der junge Offizier die Scheide seines schweren Dragonersäbels bis dicht unter die Augen Saglobas und wiederholte:

»Eine andere begehre ich nicht!«

»Das ist recht,« sagte Sagloba. »Du gefällst mir sehr, Rochus, Sohn des Rochus. Es ist am besten um den Soldaten bestellt, wenn er kein anderes Weib hat als den Säbel, und – was ich noch sagen wollte – jedenfalls bleibt diese deine Geliebte eher eine Witwe als du ein Witwer. Schade nur, daß du mit ihr keine jungen Rochus zeugen kannst, denn ich merke schon, du bist ein tapferer und kluger Kavalier und es wäre schade, wenn ein solches Geschlecht aussterben sollte.«

»A bah,« sagte Kowalski. »Wir sind sechs Brüder.«

»Und alle heißen Rochus?«

»Als ob ihr das wüßtet, daß alle, wenn sie auch nicht Rochus gerufen werden, doch den Namen in der Taufe miterhalten haben, denn der heilige Rochus ist unser ganz besonderer Schutzpatron.«

»Trinken wir noch einmal!«

»Gut!«

Wieder that Sagloba einen Zug aus der Flasche, trank aber den Branntwein nicht aus, sondern reichte die Flasche dem Offizier und sagte:

»Trink aus! ... Wie schade, daß ich dich nicht sehen kann!« fuhr er fort. »Es ist so finster, daß man die Hand vor den Augen nicht sieht. Höre einmal, Rochus, wohin sollten denn die Soldaten ausrücken, welche wir bei unserer Abreise aus Kiejdan sahen?«

»Gegen die Aufständischen.«

»Gott der Allmächtige weiß am besten, wer ein Aufständischer ist, jene dort oder du!«

»Ich ein Aufständischer? Wie so? Ich thue doch alles, was mein Hetman mir befiehlt?«

»Aber der Hetman thut nicht, was der König ihm befiehlt, denn sicherlich hat der König ihm nicht befohlen, mit den Schweden gemeinschaftliche Sache zu machen. Würdest du nicht lieber gegen die Schweden kämpfen, als mich, deinen Oheim, in ihre Hände liefern?«

»Vielleicht thäte ich das lieber, aber dem Befehl muß man gehorchen.«

»Auch deine Geliebte, dein Schwert, thäte das lieber. Ich kenne das. Unter uns gesagt, so hat sich der Hetman gegen den König und das Vaterland empört. Sage das zu niemandem, aber es ist so. Und ihr, die ihr seine Befehle vollzieht, thut dasselbe.«

»Das darf ich nicht mit anhören. Der Hetman hat seine Obrigkeit, ich die meinige, diese ist eben der Hetman, und Gott würde mich strafen, wenn ich anders wollte als er; das wäre unerhört!«

»Du sprichst gut ... aber überlege es dir einmal, Rochus: – wie wenn du in die Hände jener Aufständischen fielest? Ich wäre dann frei und du wärest ohne Schuld, denn – nec Hercules contra plures! ... Ich weiß nicht, wo die aufständischen Truppen sich befinden, aber du mußt das wissen ... Wir könnten doch ein wenig die Richtung einschlagen, in welcher sie stehen.«

»Ich verstehe nicht.«

»Wie, wenn du mit Absicht ihnen entgegen zögest? Es wäre dann doch nicht deine Schuld, wenn sie uns befreiten. Du hättest dann auch meinen Tod nicht auf dem Gewissen, und glaube mir, den Tod eines Blutsverwandten auf dem Gewissen zu haben, das ist eine furchtbare Last!«

»Ach, was ihr redet, Ohm! Wahrhaftig, ich springe vom Wagen und setze mich wieder auf das Pferd. Nicht ich werde euch auf dem Gewissen haben, sondern der Herr Hetman. So lange ich lebe, wird daraus nichts.«

»Wenn nicht, denn nicht!« sagte Sagloba. »Es ist nur lieber, daß du aufrichtig bist, obgleich ich eher dein Ohm war als Radziwill dein Hetman. Weißt du auch, Rochus, was das Wort Ohm bedeutet?«

»Nun, Ohm ist Ohm.«

»Du kalkulierst sehr verständig, aber weißt du, daß in der heiligen Schrift steht: Wo kein Vater mehr lebt, sollst du dem Ohm gehorchen? Der Ohm ist eine väterliche Macht, gegen die sich aufzulehnen eine Sünde ist. Und auch das erwäge, daß, wer sich verheiratet, leicht Vater werden kann; in den Adern des Ohm aber fließt dasselbe Blut wie in den Adern der Mutter, und wenn ich auch nicht direkt der Bruder deiner Mutter bin, so muß doch meine Großmutter die Muhme deiner Großmutter gewesen sein. Erwäge also, daß in mir die Würde mehrerer Geschlechter ruht, denn, wie wir alle sterblich sind, so geht die Macht und Würde von Geschlecht auf Geschlecht über und weder die königliche, noch die Hetmanswürde kann sie streitig machen oder jemanden zwingen, dagegen zu opponieren. Die Wahrheit ist unantastbar! Hat denn der Großhetman – oder sagen wir der Feldhauptmann – das Recht, einem Edelmann und Waffenbruder oder selbst einem ersten besten Wicht zu befehlen, daß er seinen Vater, seine Mutter, seinen Ahnen oder die alte blöde Urahne mißhandeln soll? Antworte mir, Rochus? Hat er das Recht?«

»He?« fragte Kowalski schläfrig.

»Die alte blöde Urahne!« wiederholte Sagloba. »Wer wollte sich in diesem Falle wohl verheiraten und Kinder zeugen, oder gar Enkel erziehen? ... Antworte mir auch hierauf, Rochus!«

»Ich bin Kowalski und dies hier ist die Frau Kowalska,« sagte der Offizier immer schläfriger.

»Wie du willst! Sei es auch so!« antwortete Sagloba. »Es ist sogar besser, daß du keine Kinder haben wirst, denn es werden weniger Narren die Welt unsicher machen. Nicht wahr, Rochus?«

Sagloba horchte angestrengt, aber er vernahm keine Antwort mehr.

»Rochus! Rochus!« rief er leise.

Herr Rochus schlief wie tot.

»Schläfst du? ...« murmelte Sagloba. »Warte ... ich will dir den eisernen Topf vom Kopfe nehmen, damit du bequemer liegst. Auch der Mantelkragen beengt dich, du könntest noch einen Schlaganfall bekommen. Ich wäre ja ein schlechter Verwandter, wenn ich dich davor nicht bewahren wollte.«

Die Hände Saglobas bewegten sich leicht um den Kopf und Hals des Offiziers. Auf dem Wagen schliefen alle einen tiefen Schlaf, die Soldaten nickten in den Sätteln, andere, die vorweg ritten, sangen leise, indem sie gleichzeitig eifrig nach dem Wege spähten, denn die Nacht war, obwohl nebelfrei, doch sehr finster.

Einen Augenblick darnach erblickte dennoch der dicht hinter dem Wagen das Pferd Kowalskis am Zügel führende Soldat in der Dunkelheit den Mantel und den glänzenden Helm seines Offiziers. Kowalski glitt, ohne den Wagen halten zu lassen, an demselben herab und winkte, ihm das Pferd zu halten.

Einen Augenblick darauf saß er auf demselben.

»Herr Kommandant, wo werden wir zum Futtern halten?« fragte der Wachtmeister, sich ihm nähernd.

Herr Rochus antwortete nicht, sondern ritt langsam nach vorn, an allen vor ihm reitenden Soldaten vorüber, und verschwand im Dunkel.

Plötzlich schlug an die Ohren der Dragoner der Hufschlag eines schnell davonjagenden Pferdes.

»Der Kommandant ist im Galopp davongesprengt!« sagten die Soldaten zu einander. »Er will gewiß nachsehen, ob nicht eine Schenke in der Nähe ist. Zeit wäre es, die Pferde zu füttern.«

Es verfloß eine halbe Stunde, eine, zwei Stunden und Herr Kowalski schien noch immer vorauszureiten, denn er war noch immer nicht zurück. Die Pferde wurden sehr müde, namentlich die vor den Wagen gespannten; sie schleppten sich kaum noch weiter. Die Sterne am Himmel fingen an zu erblassen.

»Reitet doch einer dem Kommandanten nach,« sagte der Wachtmeister. »Sag ihm, daß die Klepper nicht mehr die Beine erschleppen und die am Wagen ganz stille stehen.«

Einer der Soldaten ritt davon, kehrte aber nach einer Stunde allein zurück.

»Vom Kommandanten ist keine Spur zu finden,« sagte er. »Er muß wenigstens eine Meile voraus sein.«

Die Soldaten brummten unzufrieden.

»Er kann das thun, er hat den ganzen Tag und die halbe Nacht hier auf dem Wagen geschlafen, während wir Menschenkinder uns die ganze Nacht bis zum Hinfallen herumschlagen müssen.«

»Etwa zwei Gewände von hier ist eine Schenke,« sagte derselbe Soldat, welcher vorausgeritten war. »Ich dachte, ich würde ihn dort finden, aber woher da! ... Ich horchte, ob ich sein Pferd nicht hören konnte; ... nichts ist zu hören ... der Teufel weiß, wo er hingeritten ist.«

»Wir wollen so wie so dort halten!« sagte der Wachtmeister. »Die Pferde müssen ruhen.«

Bald hielt der Wagen vor der Schenke. Die Soldaten saßen ab. Während die einen an die Thüre pochten, banden die anderen die Heubündel auf, welche an den Sattelknöpfen hingen, um die Pferde indessen aus der Hand zu füttern.

Die Gefangenen auf dem Wagen erwachten von der Bewegung, welche entstand.

»Wohin fahren wir?« fragte der alte Herr Stankiewitsch.

»Ich kann es im Finstern nicht sehen,« entgegnete Wolodyjowski, »besonders da wir nicht über Upit fahren.«

»Man fährt doch aber von Kiejdan nach Birz über Upit, nicht wahr?« fragte Johann Skrzetuski.

»So ist es. Aber in Upit steht meine Fahne, von welcher der Fürst jedenfalls Opposition fürchtete, deshalb schickt er uns auf einem anderen Wege dorthin. Wir bogen gleich hinter Kiejdan nach Dalnowo und Kroki ab, von dort werden wir jedenfalls nach Bejsagola und Schawle gehen. Das liegt etwas aus dem Wege, aber dafür bleiben Upit und Poniewiersch rechts liegen. Wir treffen hier unterwegs keine einzige Fahne, denn alle Soldaten, welche hier herum standen, sind nach Kiejdan eingezogen worden, um sie gleich bei der Hand zu haben.«

»Ah, der Herr Sagloba schläft sanft und schnarcht, anstatt an eine Befreiung durch List zu denken, wie er versprochen,« sagte Stanislaus Skrzetuski.

»Laßt ihn schlafen ... Wahrscheinlich hat ihn die Unterhaltung mit diesem dummen Kommandeur eingeschläfert, welchen er durchaus zu seinem Verwandten stempeln wollte. Er wollte ihn jedenfalls für sich gewinnen und das ist ihm nicht gelungen. Wer den Radziwill um des Vaterlandes willen nicht verließ, der wird es um eines entfernten Verwandten wegen erst recht nicht thun.«

»Ob sie wirklich Verwandte sind?« fragte Oskierko.

»Die? die sind beide mit einander verwandt, wie ich mit euch!« antwortete Wolodyjowski. »Denn auch das, was Herr Sagloba vom Wappenkleinod sprach, ist nicht wahr, weil ich genau weiß, daß sein Wappen eine von einer Kugel durchbohrte Stirn aufweist.«

»Wo ist denn Herr Kowalski?«

»Er muß bei seinen Leuten oder in der Schenke sein.«

»Ich will ihn bitten, daß er mir erlaubt, mich auf eines der Soldatenpferde zu setzen, die Glieder sind mir ganz steif geworden.«

»Das wird er wohl nicht erlauben,« entgegnete Stankiewitsch. »Die Nacht ist finster, man könnte leicht dem Gaul die Sporen geben und ausreißen. Wer sollte euch da einholen!«

»Ich werde ihm mein Ehrenwort geben, keinen Fluchtversuch zu machen; übrigens fängt es auch schon an zu tagen.«

»Soldat! wo ist euer Kommandeur?« fragte Wolodyjowski einen zunächst stehenden Dragoner.

»Wer kann das wissen?«

»Was! wer kann das wissen? Wenn ich dir sage, du sollst ihn rufen, dann rufe ihn.«

»Wir wissen doch aber selbst nicht, wo er ist, Herr Obrist,« antwortete der Dragoner. »Seit er vom Wagen stieg und davonritt, ist er bis jetzt nicht zurückgekehrt.«

»Wenn er zurückkommt, sage ihm, daß wir mit ihm zu sprechen wünschen.«

»Wie ihr befehlt, Herr Obrist.«

Die Gefangenen verstummten. Von Zeit zu Zeit hörte man nur ein lautes Gähnen vom Wagen her. Daneben knusperten die Pferde am Heu. Auf ihren Sattel gestützt, schliefen die Soldaten auf den Satteldecken. Andere plauderten leise oder stärkten sich mit dem, was ein jeder hatte, denn es hatte sich erwiesen, daß die Schenke von ihren Bewohnern verlassen war und niemand mehr sie bewohnte.

Die Nacht fing an zu weichen. Im Osten färbte sich der dunkle Horizont ein wenig grau, die Sterne erloschen allmählich und leuchteten blinkernd mit ungewissem Licht. Und das Dach der kleinen Schenke wurde ebenfalls grau, während die neben ihr wachsenden Bäume ihre Zweige mit Silber umsäumten. Menschen und Pferde traten aus dem Schatten hervor. Bald konnte man die Gesichter unterscheiden und die gelbe Farbe der Mäntel erkennen. In den Helmen begann sich das Morgenrot zu spiegeln.

Herr Wolodyjowski breitete die Arme aus, reckte sich und gähnte; darauf warf er einen Blick auf den schlafenden Herrn Sagloba. Plötzlich fuhr er zurück und rief aus:

»Daß ihn doch Kugeln träfen! Bei Gott! meine Herren seht!«

»Was ist geschehen?« fragten die Offiziere, sich die Augen reibend.

»Seht, seht!« rief Wolodyjowski, mit dem Finger auf die schlafende Gestalt weisend.

Die Gefangenen blickten nach der angewiesenen Richtung, und Verwunderung malte sich auf allen Gesichtern. Bedeckt mit der Burka und der Mütze Saglobas, schlief dort Herr Rochus den Schlaf der Gerechten; von Herrn Sagloba aber war auf dem Wagen nichts zu sehen.

»Er ist fort, so wahr ich Gott liebe!« sagte der verwunderte Herr Mirski, sich nach allen Seiten umblickend, als wolle er den eigenen Augen nicht trauen.

»Das ist ein ausgetragenes Kind! der Kuckuck soll ihn holen!« rief Stankiewitsch.

»Er hat diesem Narren den Helm und Mantel abgenommen und ist auf dessen eigenem Pferde ausgerissen!«

»Als wäre er versunken!«

»Er hat uns ja gesagt, daß er durch List sich befreien werde.«

»Man wird ihn schon finden.«

»Meine Herren!« sagte Wolodyjowski begeistert, »ihr kennt diesen Menschen noch nicht; ich kann euch aber schon heute schwören, daß er auch uns befreien wird. Ich weiß noch nicht, wie, wann, auf welche Weise, aber ich schwöre darauf!«

»Wahrhaftig! man will seinen Augen nicht trauen!« sagte Stanislaus Skrzetuski.

Nun sahen auch die Soldaten, was geschehen war. Es entstand ein Lärm unter ihnen; einer nach dem anderen eilte an den Wagen und glotzte verwundert ihren mit einer Burka aus Kameelhaaren und einer Bärenmütze bedeckten, tief schlafenden Kommandeur an.

Der Wachtmeister rüttelte ihn sehr unceremoniös wach:

»Herr Kommandant! Herr Kommandant!«

»Ich bin Kowalski ... und das ist die Frau Kowalska,« brummte Herr Kowalski.

»Herr Kommandant, ein Gefangener ist entflohen!«

Kowalski setzte sich auf und rieb sich die Augen.

»Was giebt es?«

»Ein Gefangener ist entflohen; jener dicke Edelmann, welcher sich mit dem Herrn Kommandanten unterhalten hat!«

Der Offizier kam vollends zu sich.

»Nicht möglich,« schrie er entsetzt. »Wie denn?! Was ist geschehen? Auf welche Weise?«

»Im Helm und Mantel des Herrn Kommandanten. Die Soldaten erkannten ihn nicht, die Nacht war zu finster.«

»Wo ist mein Pferd?« schrie Kowalski.

»Es ist verschwunden, denn der Edelmann hat es mitgenommen.«

»Was? Er ist auf meinem Pferde entflohen?«

»Jawohl!«

Kowalski fuhr sich mit den Händen in die Haare.

»Jesus von Nazareth! König der Juden! ...«

Nach einer Weile schrie er:

»Wo ist der Hundesohn, der ihm das Pferd gab? Her mit dem Kerl!«

»Herr Kommandant! Der Soldat kann nichts dafür. Die Nacht war so finster, daß man die Hand vor den Augen nicht sah: er hatte euren Mantel und Helm umgenommen und ich selbst erkannte ihn nicht, als er dicht an mir vorüberritt. Wären Ew. Gnaden nicht auf den Wagen gestiegen, es hätte nicht geschehen können.«

»Ich könnte mich ohrfeigen!« rief der unglückliche Offizier.

»Was befehlen Ew. Gnaden zu thun?«

»Fangt ihn ein, erschlagt ihn!«

»Es würde nichts nützen, ihm nachzujagen. Er hat Ew. Gnaden Pferd, das war das beste. Unsere Gäule sind zu sehr ermüdet, dazu floh er schon mit dem ersten Hahnenschrei. Wir holen ihn nicht ein!«

»Jagt den Wind im Felde!« spottete Stankiewitsch.

Wutschnaubend wandte sich Kowalski den Gefangenen zu:

»Ihr Herren habt ihm zur Flucht verholfen! Ich werde euch! ...«

Er ballte seine Riesenfäuste und näherte sich ihnen.

Da sagte Mirski drohend:

»Schreit nicht so und denkt daran, daß ihr zu höheren Offizieren, als ihr einer seid, redet!«

Herr Rochus zuckte zusammen und richtete sich fast wider Willen gerade empor, denn was war thatsächlich seine Würde gegenüber einem solchen Mirski. Alle seine Gefangenen überragten ihn um Kopfeslänge an Würde und Bedeutung.

Stankiewitsch setzte hinzu:

»Bringt uns dorthin, wohin man euch befohlen hat, uns zu bringen, aber schreit uns nicht an, denn schon morgen kann es geschehen, daß ihr unter das Kommando eines jeden von uns geratet.«

Herr Rochus glotzte sie an und schwieg.

»Es ist nun einmal nicht anders, Herr Rochus, ihr habt euren Kopf verscherzt,« sagte Oskierko. »Was ihr da sagt, daß wir ihm geholfen, das ist Unsinn, denn erstens schliefen wir gerade so wir ihr, zweitens hätte jeder wohl lieber sich selbst geholfen als einem anderen. Aber ihr habt den Verstand verloren und niemand trägt die Schuld an der Flucht unseres Gefährten als ihr selbst. Ich würde zu allererst euch niederschießen lassen, denn es ist unerhört, daß ein Offizier einschläft wie ein Murmeltier und einen Gefangenen in seinem eigenen Helm und Mantel auf seinem eigenen Pferde entfliehen läßt, etwas, was seit dem Weltanfang nicht dagewesen ist!«

»Ein alter Wolf hat einen jungen ins Feld geführt!« sagte Mirski.

»Jesus, Maria! auch mein Säbel fehlt mir!« schrie Kowalski.

»Als ob jener denselben nicht auch brauchen könnte,« sagte Stankiewitsch lächelnd. »Herr Oskierko hat recht, ihr habt den Verstand verloren, Kavalier. Ihr hattet doch auch gewiß Pistolen in den Halftern?«

»Ach ja!« sagte Kowalski wie abwesend.

Plötzlich faßte er mit den Händen nach dem Kopfe:

»Oh, und auch der Brief des Herrn Hetman an den Kommandanten von Birz! Was werde ich Unglückseliger nun anfangen? Ich bin verloren auf ewig! ... Mir bleibt nichts übrig, als eine Kugel vor den Kopf.«

»Die wird euch nicht fehlen!« sagte Mirski ernst. »Wie nun? Werdet ihr uns noch nach Birz bringen? ... Was soll geschehen, wenn ihr dort sagt, ihr bringt uns als Gefangene, und wir, die wir höhere Würden bekleiden als ihr, behaupten, daß ihr es seid, der ins Loch wandern soll? Wem, denkt ihr wohl, daß sie Glauben schenken werden? Oder meint ihr etwa, daß der schwedische Kommandant uns nur deshalb festhalten wird, weil der Herr Kowalski ihn darum bittet? Eher wird er uns glauben und euch ins Verließ werfen.«

»Ich bin verloren!« ächzte Kowalski.

»Unsinn!« sagte Wolodyjowski.

»Was befehlt ihr, daß wir thun sollen?« fragte der Wachtmeister.

»Scheer' dich zu allen Teufeln!« schrie Kowalski. »Weiß ich denn, was wir beginnen sollen? wohin sich wenden? ... O, daß ein Donnerwetter dreinschlüge!«

»Auf, auf nach Birz! ... dort werdet ihr es erfahren ...« sagte Mirski.

»Kehrt um nach Kiejdan!« schrie Kowalski.

»Wenn man euch dort nicht an die Mauer stellt und niederschießt, sollen Borsten meine Haut bedecken,« sagte Oskierko. »Wie wollt ihr dem Hetman unter die Augen treten? Puh! Schande und eine Kugel wartet dort euer, nichts weiter!«

»Ich habe es auch nicht besser verdient,« rief der unglückliche Jüngling.

»Unsinn, Herr Rochus. Wir allein können euch retten,« sagte Oskierko. »Ihr wißt, daß wir mit dem Hetman bis an das Ende der Welt zu gehen und zu sterben bereit waren. Wir hatten größere Verdienste und höhere Aemter als ihr – und vergossen unser Blut oftmals für das Vaterland, ja, vergießen es noch. Aber der Hetman verriet das Vaterland, lieferte das Land in die Hände der Feinde und schloß ein Bündnis mit ihnen gegen unsern allergnädigsten König, dem wir Treue geschworen haben. Glaubt ihr denn, daß es Soldaten, wie wir es sind, leicht geworden ist, die Disziplin zu brechen, dem Vorgesetzten den Gehorsam zu kündigen, dem Großhetman selbst entgegenzutreten? Aber wer heute mit dem Hetman ist, der ist gegen das Vaterland! Wer mit dem Hetman, der ist gegen die Majestät. Wer heute mit dem Hetman ist, der ist ein Verräter am Könige und an der Republik! ... Darum warfen wir unsere Abzeichen dem Hetman vor die Füße, denn die Tugend, die Pflicht, der Glaube und die Ehre forderten das. Und habe ich allein denn das gethan? Nein, auch Herr Mirski und Stankiewitsch, die tugendhaftesten und besten Männer, thaten es ... Wer dagegen blieb beim Fürsten? ... Nur Raufbolde! ... Und warum wollt ihr nicht dem Beispiel der Besseren, Aelteren und Klügeren folgen? Warum wollt ihr den eigenen Namen mit Schande bedecken, als Verräter bekannt gemacht werden? Geht in euch, fragt euer Gewissen, was ihr thun sollt: bei Radziwill, dem Verräter, ein Verräter bleiben oder mit uns gehen, die den letzten Atemzug noch dem Vaterlande weihen und den letzten Tropfen Blut für dasselbe vergießen. Wir hätten lieber gewollt, die Erde solle uns verschlingen, ehe wir dem Radziwill den Gehorsam kündigten ... Aber unsere Seelen sollen zur Hölle verdammt sein, wenn wir um Privatinteressen eines Radziwills willen den König und das Vaterland verraten wollten!« ...

Diese Rede schien auf den Herrn Rochus einen großen Eindruck zu machen. Er öffnete den Mund, glotzte umher und sagte nach einer Weile:

»Was wollen die Herren eigentlich von mir?«

»Daß ihr mit uns zum Wojewoden von Witebsk geht, welcher auf Seiten des Vaterlandes steht.«

»Bah! ich habe doch aber Befehl, die Herren nach Birz zu bringen.«

»Nun rede einer mit ihm!« sagte Mirski.

»Wir wollen eben, daß ihr diesen Befehl nicht ausführt, daß ihr den Hetman verlaßt und mit uns geht, so versteht doch!« sagte ungeduldig Oskierko.

»Sprecht, was ihr wollt, meine Herren; es wird nichts daraus ... Ich bin ein Soldat – und was wäre ich wert, wenn ich den Hetman verließe? Nicht mein Verstand regiert, sondern seiner, nicht mein Wille, sondern seiner. Sündigt er, so muß er für mich und sich die Verantwortung tragen; meine verdammte Schuldigkeit ist, ihm zu gehorchen! ... Ich bin ein einfacher Mensch; was meine Hände nicht vollbringen, das thut mein Kopf erst recht nicht ... Das eine aber weiß ich, daß ich gehorchen muß, und das ist genug.«

»Thut, was ihr wollt!« rief Mirski.

»Es ist schon eine große Sünde,« fuhr Herr Rochus fort, »daß ich wieder nach Kiejdan zurückgehe, anstatt, wie mir befohlen worden, nach Birz ... Dieser alte Edelmann hat mich nur verrückt gemacht; er hat, obgleich ein Verwandter, schlimmer an mir gehandelt wie ein Fremder ... Wenn er noch ein Fremder wäre, aber ein Verwandter! Es ist gewissenlos, daß er mir nicht nur mein Pferd nahm, sondern mich auch der Gnade des Fürsten verlustig machte und mir harte Strafen zuzog! So ein Verwandter! ... Ihr, meine Herren, werdet doch nach Birz gehen, dann mag geschehen, was will!«

»Es ist schade um die Zeit, Herr Oskierko, die ihr verschwendet,« sagte Wolodyjowski.

»Auf, nach Birz, ihr Pudel!« schrie Kowalski den Dragonern zu.

Und sie zogen wieder nach Birz zu. Herr Rochus befahl einem der Dragoner, sich auf den Wagen zu setzen; er selbst bestieg das Pferd desselben und ritt dicht neben den Gefangenen her, von Zeit zu Zeit die Worte wiederholend:

»Ein Verwandter und so zu handeln.«

Obgleich die Gefangenen schwer über die Ungewißheit ihres Loses bekümmert waren, so konnten sie sich doch des Lachens nicht erwehren, bis endlich Herr Wolodyjowski sagte:

»Tröstet euch, Herr Kowalski; jener Mann hat ganz andere Leute wie ihr seid hinters Licht geführt ... Er hat selbst Chmielnizki an Schlauheit übertroffen, und was seinen Erfindungsgeist betrifft, so kann niemand darin mit ihm wetteifern.«

Kowalski antwortete nicht; er ritt nur etwas abseits, denn er fürchtete den Spott und er schämte sich sowohl vor den Gefangenen als vor seinen eigenen Soldaten. Er war so bekümmert, daß er den Gefangenen leid that.

Unterdessen plauderten diese über Sagloba und seine wunderbare Flucht.

»Es ist wirklich bewundernswert,« sagte Herr Wolodyjowski, »daß dieser Mensch sich in jeder Lage zu helfen weiß. Wo Kraft und Mut nicht ausreichen, da muß die List aushelfen. Andere verlieren die Besinnung, wenn ihnen der Tod im Nacken sitzt, oder empfehlen ihre Seele Gott und warten ruhig ab, was da kommen soll. Er aber ruht nicht, bis er einen Ausweg gefunden hat. Er ist im Notfalle tapfer wie Achilles, folgt aber lieber den Spuren des Ulysses.«

»Ich wollte ihn nicht bewachen, und wäre er mit Ketten zusammengekrempelt,« sagte Stankiewitsch, »denn, daß er entwischte, ist noch nicht das Schlimmste, er macht einen noch dazu lächerlich und schafft die größten Verlegenheiten.«

»Na und ob!« sagte Herr Michael. »Er wird jetzt den armen Kowalski bis an sein Lebensende verlachen, und Gott behüte denjenigen, der auf seine Zunge kommt; es giebt keine schärfere in der ganzen Republik. Wenn er dazu nach seiner Weise anfängt, die Sachen auszuschmücken, könnte man platzen vor Lachen ...«

»Ihr sagtet, daß er in der Not auch den Säbel zu brauchen versteht?« fragte Stankiewitsch.

»Und ob! Hat er doch angesichts des ganzen Heeres bei Sbarasch den Burlaj erschlagen!«

»Wahrhaftig!« rief Stankiewitsch, »so ein Mensch ist mir noch nicht vorgekommen!«

»Er hat uns mit seiner Flucht einen großen Dienst geleistet,« sagte Oskierko. »Wer weiß, was gegen uns in dem Briefe des Hetman, den er mitgenommen hat, steht ... Ich traue nicht, daß wir in Birz mehr Gehör finden werden, als Kowalski, schon deshalb nicht, weil wir als Gefangene kommen und er als Führer des Zuges. Gewiß ist nur das eine, das man dort nicht wissen wird, was mit uns zu beginnen ist. Auf jeden Fall kann man uns nicht das Leben nehmen, und das ist die Hauptsache.«

»Ich wollte mit meiner Auseinandersetzung auch nur den Kowalski ins Bockshorn jagen,« entgegnete Mirski. »Aber selbst wenn man uns das Leben läßt, haben wir nicht viel gewonnen. Alles spricht dafür, daß jetzt ein neuer Bruderkrieg ausbricht, und das giebt unserem Vaterlande den letzten Stoß. Was soll ich alter Mann das noch mitansehen? Der Tod wäre das Beste.«

»Oder auch ich, welcher ganz andere Zeiten gekannt hat!« sagte Stankiewitsch.

»So dürft ihr nicht reden, meine Herren, denn die Barmherzigkeit Gottes ist größer, als alle menschliche Bosheit, und seine allmächtige Hand kann uns vom Abgrunde retten, wenn wir uns dessen am wenigsten versehen.«

»Heilig sei euer Wort,« sagte Johann Skrzetuski. »Auch uns Männern von der Fahne des verstorbenen Fürsten Jeremias dünkt das Leben eine Last, weil wir an Siege gewohnt sind, und dennoch möchten wir gern noch dem Vaterlande dienen, wenn nur Gott uns einen Führer gäbe, dem wir von ganzem Herzen und aus voller Seele trauen könnten, der kein Verräter ist.«

»O, das ist wahr!« sagte Herr Wolodyjowski. »Tag und Nacht wollten wir dienen.«

»Wir befinden uns auch in der allerverzweifeltsten Lage,« sagte Mirski. »Man tastet im Finstern umher und fragt sich selbst vergebens, wohin? Die Ungewißheit drückt wie ein Alp. Ich weiß nicht, wie euch zu Mute ist, mich aber quält eine schreckliche Unruhe. Und wenn ich daran denke, daß ich es war, der zuerst dem Hetman den Gehorsam kündigte und den ersten Anlaß zum Aufstande gab, da stehen mir meine grauen Haare zu Berge. So ist es! ... Was aber sollte ich dem offenbaren Verrat gegenüber thun? Glücklich derjenige, welcher die Beantwortung solcher Fragen nicht in der eigenen Seele zu suchen gezwungen ist!«

»Nur einen Führer gieb uns, barmherziger Gott!« sagte Stankiewitsch, die Augen zum Himmel erhebend.

»Man sagt, daß der Wojewode von Witebsk ein sehr edler Herr ist?« fragte Stanislaus Skrzetuski.

»Das ist er!« entgegnete Mirski. »Aber er ist weder Großhetman, noch Feldhauptmann, und bevor der König ihn nicht mit einer dieser Würden bekleidet, kann er nur auf eigene Faust Krieg führen. Er wird weder zu den Schweden, noch sonst wohin gehen, das ist sicher.«

»Herr Gosiewski, der Feldhauptmann, ist von Radziwill gefangen gesetzt.«

»Weil auch er ein edler Mann ist,« entgegnete Oskierko. »Als ich es erfuhr, war ich sehr bekümmert und ahnte gleich nichts Gutes.«

Herr Michael wurde nachdenklich. Nach einer Weile sagte er:

»Ich war einmal in Warschau und hatte im königlichen Schlosse zu thun. Der König, unser allergnädigster Herr, welcher die Soldaten sehr liebt und einst nach der Schlacht bei Bereschtez mich gelobt hatte, erkannte mich gleich und lud mich ein, zum Mittagsmahl zu kommen. Dort, an der königlichen Tafel, sah ich auch den Herrn Tscharniezki, welchem zu Ehren das Gastmahl gegeben wurde. Der König, welcher sehr heiter war, drückte damals dem Herrn Tscharniezki den Kopf zärtlich und sagte: ›Ich weiß, du wirst mich nicht verlassen, auch dann nicht, wenn alle mich verlassen wollten!‹ Diese Worte trafen wie eine ernste Prophezeiung mein Ohr. Herr Tscharniezki, welcher vor Bewegung nicht sprechen konnte, stammelte mir wiederholt die Worte: ›Bis zum letzten Atemzuge!‹ Und dem Könige standen auch Thränen in den Augen ...«

»Wer weiß, ob diese Worte nicht wirklich eine Prophezeiung waren, denn die Zeit der Not ist bereits hereingebrochen!« sagte Mirski.

»Herr Tscharniezki ist ein großer Krieger!« entgegnete Stankiewitsch. »Es giebt wohl niemanden in der Republik, der nicht seines Lobes voll wäre.«

»Man sagt, daß die Tartaren, welche den Herrn Severius Potozki gegen Chmielnizki unterstützen, den Herrn Tscharniezki so sehr lieben, daß sie nur dort sein wollen, wo er ist.«

»Das ist die reine Wahrheit,« sagte Oskierko. »Ich hörte das auch in Kiejdan beim Fürsten erzählen. Wir alle schwärmten damals sehr für den Herrn Tscharniezki, was dem Fürsten zu mißfallen schien, denn er runzelte die Stirn und sagte: »Er ist Kronenhetman, konnte aber ebenso gut mein Unterkämmerer in Tykozin sein.«

»Das Lob stach ihm in die Augen.«

»Es ist ja eine alte Sache, daß die Untugend das Licht der Tugend nicht vertragen kann.«

So plauderten die gefangenen Hauptleute, bis das Gespräch wieder auf Herrn Sagloba kam. Herr Michael Wolodyjowski versicherte, daß sie auf Hilfe durch ihn rechnen könnten, denn er sei keiner von denen, die ihre Freunde im Unglück im Stiche lassen.

»Ich bin gewiß,« sagte er, »daß er nach Upit entflohen ist, wo er meine Leute findet, wenn man sie nicht bereits versprengt oder nach Kiejdan eingezogen hat. Mit ihnen wird er selbst uns zu befreien eilen; sie müßten denn ihm den Gehorsam verweigern, was ich jedoch nicht glaube, denn in meiner Fahne sind meist Laudaer, welche mich sehr lieben.«

»Sie sind aber auch frühere Untergebene von Radziwill,« bemerkte Mirski.

»Das ist wahr. Wenn sie aber von der Auslieferung Litauens an die Schweden, der Gefangennahme des Feldhauptmannes und des Kavaliers Judyzki und unserem Schicksal hören werden, so wird das ihre Herzen sehr von Radziwill abwenden. Es sind brave Menschen und Herr Sagloba wird nichts versäumen, den Hetman recht schwarz zu malen; er versteht das besser als irgend einer von uns.«

»Bah,« sagte Stanislaus Skrzetuski, »und wir kommen unterdessen nach Birz.«

»Das ist nicht möglich, denn wir machen einen großen Umweg, um nicht nach Upit zu kommen. Von Upit aber ist der Weg nach Birz ganz geradeaus. Selbst wenn sie dort einen oder zwei Tage später ausrückten, kämen sie doch noch früh genug an, um uns vor Birz den Weg zu verstellen. Wir fahren jetzt erst nach Schawel zu und werden von dort aus direkt nach Birz gehen; ihr müßt aber wissen, meine Herren, daß es von Upit nach Birz näher ist, als von Upit nach Schawel.«

»Das ist wahr, es ist näher und dazu guter Weg!« sagte Mirski.

»Da seht ihr's. Und wir sind noch nicht einmal in Schawel.«

Erst gegen Abend sahen sie den Berg vor sich, welcher Saltuwes-Kalnas genannt war und an dessen Fuß Schawel lag. Unterwegs hatten sie wahrgenommen, daß überall in den Dörfern und Flecken, durch welche sie kamen, bereits große Unruhe herrschte. Die Nachricht von dem Uebertritt des Hetman zu den Schweden mußte schon in ganz Smudz verbreitet sein. Hier und da fragte man die Soldaten, ob es wahr sei, daß das Land durch die Schweden okkupiert werden sollte; an anderen Orten sahen sie eine Menge Bauern, welche samt ihren Weibern unter Mitnahme von Hab und Gut ihre Dörfer verließen, um in die großen Wälder zu ziehen, welche das ganze Land bedeckten. Stellenweise war die Haltung der Bauern eine fast drohende, denn sie hielten die Dragoner für Schweden. In den »Stellen« fragte man sie geradezu aus, wer sie seien und wohin sie gingen, und da Kowalski, anstatt zu antworten, sie aus dem Wege gehen hieß, kam es zu Lärmen und Drohungen, ja so weit, daß nur die schußbereit gehaltenen Musketen ihnen den Durchzug bahnten.

Die große Fahrstraße, welche von Kowno über Schawel nach Mitau führte, wimmelte von Fahrzeugen aller Art, welche adlige Frauen und Kinder bargen, die sich vor dem Kriege auf ihre kurländischen Besitzungen flüchteten. In Schawel selbst, welches eine königliche Domäne war, stand keine einzige Privatfahne oder eine von den Stammsoldaten. Statt ihrer erblickten die gefangenen Offiziere zum erstenmale eine Abteilung Schweden, bestehend aus zwanzig Reitern, welche von Birz aus patrouillierten. Eine Menge Juden und Kleinstädter standen auf dem Marktplatze und starrten die fremden Männer an und auch die Gefangenen betrachteten dieselben neugierig, besonders Herr Wolodyjowski, welcher bisher noch nie einen Schweden gesehen hatte, verschlang sie mit Blicken wie der Wolf eine Herde Schafe und zuckte mit den Lippen dabei.

Herr Kowalski verständigte den schwedischen Offizier, wer er sei, wohin er reise, wen er mit sich führe, und bat, daß derselbe einige von seinen Leuten ihm zur größeren Sicherheit auf die Weiterreise mitgeben möge. Der Offizier aber antwortete ihm, daß er Befehl habe, so weit wie möglich im Lande vorzudringen, um den Stand der Dinge zu erforschen, daß er also nicht nach Birz zurückkehren dürfe. Er gab die Versicherung, daß der Weg überall sicher sei, da kleine Abteilungen von Birz aus das Land nach allen Richtungen durchstreifen, einige sogar bis nach Kiejdan vorrücken sollten. Nachdem sie bis Mitternacht gut ausgeruht und die todmüden Pferde tüchtig gefüttert hatten, zog Herr Rochus mit seinen Gefangenen weiter des Wegs, indem sie von Schawel aus östlich über Johawischkiel und Poswut nach Birz sich wandten, um die Landstraße zu erreichen, welche direkt von Upit und Poniewiersch dorthin führte.

»Wenn Herr Sagloba uns retten will,« sagte beim Tagesanbruch Herr Wolodyjowski, »so kann das am ehesten auf diesem Teil des Weges geschehen, denn er kann von Upit aus schon dort angelangt sein.«

»Vielleicht liegt er irgendwo im Hinterhalt,« sagte Stanislaus Skrzetuski.

»Ich hoffte, so lange ich keine Schweden sah,« entgegnete Stankiewitsch. »Jetzt aber scheint mir alles für uns verloren ...«

»Saglobas Leben hängt davon ab, ihnen entweder auszuweichen oder sie zu hintergehen, und er ist der Mann, das zu thun ...«

»Aber er kennt das Land nicht.«

»Dafür kennen es die Laudaer genau; sie fahren mit Stämmen, Faßhölzern und Pech bis nach Riga. Auch in meiner Fahne giebt es solche.«

»Die Schweden müssen in der Umgegend von Birz schon alle Flecken besetzt haben.«

»Es waren schöne Soldaten, die wir in Schawel gesehen haben, das muß man sagen,« sagte der kleine Ritter. »Mann bei Mann. Habt ihr bemerkt, was für gut genährte Pferde sie haben?«

»Das sind liefländische Pferde; sie sind überaus stark,« sagte Mirski. »Auch unsere Husaren und Panzerfahnen suchen Pferde in Liefland, denn bei uns zu Lande sind die Gäule klein.«

»Ich ziehe mir die schwedische Infanterie vor!« warf hier Stankiewitsch ein. »Die Reiterei ist, obgleich sie sich prächtig präsentiert, weniger reich an Soldatentugend. Es kommt vor, daß, wenn eine von unseren Fahnen, besonders von der schweren Kavallerie, diese Reiter attackiert, dieselben keine zwei Vaterunser lang aushalten.«

»Ihr habt sie schon früher ausprobiert, meine Herren, während ich mich noch mit der Lust darnach begnügen muß,« sagte der kleine Ritter. »Ich sage euch, als ich sie jetzt in Schawel mit ihren langen, gelben, wie Spinnrocken aussehenden Bärten sah, kribbelte es mir in den Fingern. O, wie sehnt sich die Seele nach dem Paradiese, statt dessen sitzt man hier auf dem Wagen und krepiert! ...«

Die Hauptleute verstummten. Aber es schien, daß nicht nur Herr Wolodyjowski von so freundschaftlichen Gefühlen gegen die Schweden erfüllt war, denn bald darauf hörten die Gefangenen folgende Unterhaltung der den Wagen umgebenden Dragoner:

»Habt ihr diese heidnischen Ketzer gesehen?« fragte einer der Soldaten. »Wir sollten uns mit ihnen schlagen, nun werden wir ihnen die Pferde putzen müssen.«

»Wenn doch ein helles Donnerwetter dreinschlüge!« murmelte ein zweiter Dragoner.

»Sei still; die Schweden werden dich bald mit dem Besen auf den Kopf mores lehren.«

»Oder ich sie.«

»Du bist dumm. Andere als du wollten sich gegen sie erheben, da siehe, was geschah!«

»Wir müssen unsere größten Ritter dem Wolf in den Rachen bringen. Diese Heidenbrut wird sich an ihrem Anblick ergötzen.«

»Ohne die Vermittelung eines Juden kann man gar nicht mit so einem Lappen sprechen. Ihr Kommandeur schickte in Schawel auch gleich nach einem Juden.«

»Die Pest soll sie holen!«

Hier dämpfte der erste Soldat seine Stimme und fragte:

»Man sagt, daß alle bessern Soldaten nicht mit ihnen gegen den eigenen Herrn dienen wollen?«

»Ohne Frage! Hast du nicht die Ungarn gesehen? Ist nicht der Hetman mit Militär auf die Aufständischen losgezogen. Man weiß noch gar nicht, was vorgehen wird. Auch ein Teil unserer Dragoner ging den Ungarn zu Hilfe, die wahrscheinlich alle erschossen werden.«

»Da haben sie den Lohn für treue Dienste!«

»Zum Teufel mit solcher Arbeit!«

»Ein Hundedienst! ...«

»Halt!« erscholl plötzlich die Stimme des an der Spitze reitenden Herrn Rochus.

»Daß dir eine Kugel in den Rachen schlüge!« murmelte eine Stimme neben dem Wagen.

»Was giebt es?« fragten die Soldaten einer den anderen.

»Halt!« tönte von neuem das Kommando.

Der Wagen hielt, die Soldaten hielten ihre Pferde an. Der Tag war freundlich und klar. Die Sonne war schon aufgegangen und bei ihrem Glanze sah man auf der Landstraße eine Staubwolke, welche von einer Herde Vieh oder einem entgegenkommenden Trupp Reiter herzurühren schien.

In kurzem blitzte es in der Wolke, als ob jemand Funken hineingestreut hätte. Die Lichterchen schimmerten immer deutlicher, wie Kerzen, von ihrem eigenen Rauche verdunkelt.

»Dort blitzen Speere!« rief Herr Wolodyjowski.

»Soldaten kommen.«

»Wohl eine Abteilung Schweden?«

»Bei ihnen haben nur die Füsiliere Speere. Dort aber bewegt sich der Staub schnell; das ist Kavallerie, das sind die Unsrigen!«

»Die Unsrigen, die Unsrigen!« wiederholten die Dragoner.

»Richtet euch!« ertönte die Stimme des Herrn Rochus.

Die Dragoner umringten den Wagen. Die Augen Wolodyjowskis flammten auf.

»Das sind meine Laudaer mit Sagloba! Es kann niemand anders sein!«

Nur etwa ein Gewände noch trennte die sich Nähernden von dem Wagen, die Entfernung wurde mit jeder Minute geringer, denn die entgegenkommende Abteilung kam im Trabe heran. Endlich tauchte aus der Staubwolke eine starke Abteilung Soldaten in geordneten Reihen, zum Angriff bereit, auf. Bald waren sie ganz nahe. Etwas rechts, gleich in der ersten Reihe, machte sich ein großer, starker Mann unter dem Roßschweif zu schaffen. Kaum hatte Herr Wolodyjowski ihn ins Auge gefaßt, als er ausrief:

»Das ist Sagloba! Wahrhaftig, Herr Sagloba!«

Ein Lächeln erhellte das Antlitz des Herrn Johann Skrzetuski.

»Er selbst! Kein anderer!« sagte er, »und dazu unter dem Roßschweif! Er hat sich selbst zum Kommandierenden ernannt. An dieser Marotte würde ich ihn überall erkennen ... Dieser Mensch bleibt sich gleich bis in den Tod.«

»Gott erhalte ihn gesund,« sagte Oskierko.

Darauf legte er die hohlen Hände um den Mund und rief:

»Herr Kowalski, euer Verwandter kommt auf Besuch zu euch!«

Aber Herr Kowalski hörte nicht. Er war eben dabei, seine Dragoner zu ordnen, und man mußte ihm zum Ruhme nachsagen, daß er weder den Mut verlor, noch in Verwirrung geriet, obgleich er nur mit einer Handvoll Leute einer ganzen Fahne entgegenzog. Er schob die Dragoner in zwei Reihen vor den Wagen, während jene sich ausbreiteten und nach tartarischer Sitte im Halbmond von zwei Seiten ihn zu umzingeln begannen. Aber vorher wollten sie, wie es schien, Verhandlungen eingehen, denn sie schwenkten die Fahne und schrieen:

»Stillgestanden! Stillgestanden!«

»Vorwärts im Trabe!« rief Herr Rochus.

»Ergebt euch!« rief man von der anderen Seite her.

»Feuer!« kommandierte statt aller Antwort Kowalski.

Es folgte eine tiefe Stille. Auch nicht ein Dragoner gab einen Schuß ab. Herr Rochus verstummte auch auf einen Augenblick; darauf warf er sich mit wahnsinniger Wut auf die eigenen Dragoner.

»Feuer! ihr Hunde!« brüllte er mit furchtbarer Stimme und warf den zunächst stehenden Dragoner mit einem Faustschlag aus dem Sattel.

Die anderen wichen vor der Wut dieses Mannes zurück. Keiner aber befolgte den Befehl, zu feuern. Plötzlich stoben alle in einem Augenblick wie ein aufgescheuchtes Volk Rebhühner auseinander.

»Ich würde diese Soldaten doch niederschießen lassen,« murmelte Mirski.

Als Kowalski sah, daß die eigenen Leute ihn verließen, wandte er sein Pferd den Angreifern zu.

»Dort will ich sterben!« schrie er fürchterlich.

Und wie der Blitz flog er ihnen entgegen. Aber noch hatte er nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, so knallte in den Reihen Saglobas der Schuß einer Muskete, das gehackte Blei sauste durch die Luft, das Pferd des Herrn Rochus bohrte die Nüstern in den Staub und fiel nieder, mit seiner Last den Reiter deckend.

Im selbigen Augenblick sprengte blitzschnell ein Reiter aus der Fahne Wolodyjowskis herzu und faßte den eben sich erhebenden Offizier am Kragen.

»Das ist Jozwa Butrym!« rief Wolodyjowsky. »Jozwa Ohnefuß!«

Herr Rochus faßte gleich den Rockschoß Jozwas; derselbe blieb ihm in der Hand. Nun krallten sie sich ineinander wie zwei Raubvögel, denn beide waren von riesenhafter Stärke. Der Steigbügel Butryms riß, er fiel zur Erde und kugelte sich, ließ aber den Herrn Rochus nicht los und beide bildeten eine Kugel, welche sich auf der Landstraße umherwälzte. Andere kamen dazu. Etwa zwanzig Hände faßten Herrn Kowalski, welcher sich wehrte wie der Bär im Bau. Er warf die Menschen um sich, wie der Eber die Hunde, sprang auf und gab sich noch nicht verloren. Er wollte sterben und hörte ringsum nur die Rufe: »Nehmt ihn lebendig, nehmt ihn lebendig!«

Endlich verließen ihn die Kräfte, er wurde ohnmächtig.

Unterdessen war Herr Sagloba schon an den Wagen geeilt, vielmehr auf den Wagen. Er umarmte die beiden Skrzetuskis, den kleinen Ritter, die Herren Mirski, Stankiewitsch und Oskierko, wobei er atemlos rief:

»Ha, Sagloba ist doch zu etwas nütze! Jetzt wollen wir dem Radziwill Engelswurzel geben: Meine Herren, wir sind frei und haben Leute! Wir wollen gleich auf seine Güter ziehen und dieselben verwüsten! Wie? Hat die List geholfen? Entweder auf diese oder auf eine andere Art mußte ich entkommen und ihr Herren auch ... Ich bin ganz außer Atem! Auf! nach Radziwills Gütern, meine Herren! Ihr wißt noch nicht alles, was ich weiß!«

Weitere Auseinandersetzungen wurden durch die Laudaer Leute unterbrochen, welche herbeieilten, ihren Obristen zu begrüßen. Die Butryms, die Domaschewitsch, die Rauch-Domaschewitsch, die Stajkanows, die Gaschtowts drängten sich rings um den Wagen und brüllten unaufhörlich:

»Vivat! vivat!«

»Meine Herren!« sagte der kleine Ritter, nachdem es etwas stiller geworden war, »geliebte Gefährten! Ich danke euch für eure Liebe! ... Es ist furchtbar, daß wir unserem Hetman den Gehorsam kündigen und die Hand gegen ihn erheben sollen, aber es geht nicht anders, der Verrat ist zu offenbar! Wir können das Vaterland und unsern allergnädigsten König nicht verlassen ... Vivat Johannes Casimirus rex! ...«

» Vivat Johannes Casimirus rex!« wiederholten dreihundert Stimmen.

»Auf die Güter Radziwills!« schrie Sagloba. »Wir wollen ihm die Speicher räumen und die Weinkeller ausspülen!«

»Gebt uns Pferde!« rief der kleine Ritter.

Man lief nach Pferden.

Unterdeß sagte Sagloba:

»Herr Michael! Ich habe in eurer Abwesenheit eure Leute kommandiert und stelle ihnen gern das Zeugnis aus, daß sie tapfer sind ... Aber da ihr jetzt frei seid, so lege ich dieses Amt wieder in eure Hände.«

Herr Michael wandte sich an Mirski.

»Ew. Liebden sind hier der Würde nach der Aelteste, nehmt ihr das Kommando.«

»Ich denke gar nicht daran; was geht mich das an!« antwortete der alte Obrist.

»Dann ihr, Herr Stankiewitsch?«

»Ich habe meine eigene Fahne und trage kein Verlangen nach einer fremden. Behaltet nur euer Kommando. Ceremonien sind Häcksel, die Genugthuung Hafer! Ihr kennt eure Leute, die Leute kennen euch und werden unter euch am besten bestehen.«

»Thue es nur, Michael, laß dich erbitten; es ist gar keine begehrenswerte Sache,« sagte Johann Skrzetuski.

»So sei es denn!«

Indem er das sagte, nahm Herr Michael das Abzeichen seiner Würde aus der Hand Saglobas, brachte im Augenblick die Fahne in Marschordnung und ritt samt den Gefährten an ihre Spitze.

»Wohin wenden wir uns?« fragte Sagloba.

»Wenn ich die Wahrheit gestehen soll, so weiß ich es selbst nicht; ich habe noch nicht daran gedacht,« entgegnete Herr Michael.

»Es verlohnt schon der Mühe, darüber nachzudenken, was wir thun müssen,« sagte Mirski. »Wir müssen unverzüglich zum Rat zusammen treten. Vor allem jedoch erlaubt mir, im Namen aller dem Herrn Sagloba Dank dafür zu sagen, daß er uns nicht vergessen und in rebus augustis gerettet hat.«

»Nicht wahr?« sagte Herr Sagloba stolz, indem er den Kopf hoch aufrichtete und sich den Schnurrbart drehte. »Ohne mich wäret ihr jetzt in Birz! ... Man muß mir die Gerechtigkeit lassen, daß, was niemand ersinnen kann, Sagloba doch ersinnt ... Herr Michael, wir waren schon in anderen Nöten, nicht wahr? Denkt ihr daran, wie wir mit Halschka vor den Tartaren Reißaus nahmen?«

Herr Michael hätte hier einwerfen können, daß damals nicht Sagloba ihn, sondern er Sagloba gerettet hatte, aber er schwieg und zuckte nur mit den Lippen. Der alte Edelmann aber fuhr fort:

»Es ist keine Ursache, zu danken. Was ich euch heute that, könnt ihr schon morgen vielleicht mir vergelten; gewiß würdet ihr mich in der Not auch nicht verlassen. Ich freue mich so, euch frei zu sehen, als hätte ich den größten Sieg davongetragen. Ich habe bewiesen, daß weder die Hand noch der Kopf zu alt geworden sind.«

»Ihr habt also gleich den Weg nach Upit eingeschlagen?« fragte Herr Michael.

»Sollte ich etwa nach Kiejdan, dem Wolfe in den Rachen laufen? Natürlich nach Upit; ihr könnt mir glauben, daß ich das Pferd nicht geschont habe, und es war eine starke Bestie! Ich war schon gestern früh in Upit, gegen Mittag rückten wir nach Birz zu aus, nach jener Seite hin, wo ich euch zu treffen hoffte.«

»Aber daß meine Leute euch gleich Glauben schenkten?« sagte Herr Michael. »Mit Ausnahme von Zweien oder Dreien, welche euch bei mir gesehen haben, kannte euch doch niemand.«

»Es wurden mir keine Schwierigkeiten gemacht, denn erstens hatte ich euren Ring und dann hatten die Leute eben eure Verhaftung und den Verrat des Hetman erfahren. Ich traf Deputationen dort an von den Fahnen Mirskis und Stankiewitschs, welche mit der Mahnung gekommen waren, zusammenzuhalten und sich gegen den Hetman zu erheben. Als ich ihnen nun bekannt machte, daß ihr nach Birz gebracht werdet, war es, als hätte ich in einen Ameisenhaufen gestoßen. Die Pferde weideten auf dem Grummet; man schickte sogleich die Knechte nach ihnen, um sie herbeizuschaffen, und um Mittag rückten wir aus. Natürlich übernahm ich das Kommando, denn das kam mir zu.«

»Woher habt ihr denn den Roßschweif genommen, Vater?« fragte Johann Skrzetuski. »Wir glaubten von ferne einen Hetman zu sehen.«

»Was? Nun, ich habe gewiß nicht schlechter ausgesehen als ein solcher. Wie ich zu dem Roßschweif kam? Seht, zugleich mit den Deputationen von den aufständischen Fahnen kam vom Hetman Herr Schzyt mit dem Befehl an die Laudaer, mit dem Roßschweif nach Kiejdan zu kommen, um dem Befehl eine größere Wichtigkeit beizulegen. Ich befahl, ihn sogleich zu verhaften und den Roßschweif über meinem Haupte zu tragen, um im geeigneten Falle die Schweden irre zu führen.«

»Bei Gott, er hat an alles gedacht!« rief Oskierko.

»Weise wie Solomon!« setzte Stankiewitsch hinzu.

Herr Sagloba schwoll förmlich an vor Stolz.

»Beraten wir jetzt, was zu thun ist,« sagte er endlich. »Wenn die Herrschaften geduldig zuhören wollen, so werde ich sagen, was ich unterwegs ausgedacht habe. Ich rate nicht, mit Radziwill einen Krieg anzufangen, und das aus zweierlei Ursachen. Zuerst ist er ein Hecht und wir sind nur Peisker. Es ist besser, wenn die Peisker ihren Kopf niemals dem Rachen des Hechtes zuwenden, denn er könnte sie leicht verschlingen. Am Schwanze kann er sie nicht fassen, dort verletzen ihn die scharfen Flossen. Der Teufel stecke ihn auf einen Bratspieß und begieße ihn mit Pech, damit er nicht zu braun werde.«

»Weiter?« fragte Mirski.

»Zu zweit,« antwortete Sagloba, »wenn wir durch irgend einen Zufall in seine Hände gerieten, würde er ein so vortreffliches Aas aus uns machen, daß die Krähen ein Freudengeschrei über ganz Litauen hinaus erheben würden. Seht, meine Herren, was in dem Briefe steht, welchen Kowalski nach Birz bringen sollte, und erkennet den Wojewoden von Wilna, wenn ihr ihn bisher nicht kanntet.«

Indem er das sagte, knöpfte er den Oberrock auf und entnahm dessen Tasche ein Schreiben, welches er Herrn Mirski reichte.

»Bah! es ist deutsch oder schwedisch!« entgegnete der alte Obrist. »Wer von den Herren kann das Schreiben lesen?«

Es erwies sich, daß Herr Stanislaus Skrzetuski allein etwas deutsch verstand, da er oft von Hause nach Thorn gereist war, aber auch er konnte Geschriebenes nicht lesen.

»Nun, so will ich es den Herren sagen,« entgegnete Herr Sagloba. »Während in Upit die Soldaten nach ihren Pferden auf die Wiesen schickten, hatte ich Zeit genug. Ich ließ mir also einen Juden am Barte herbeischleppen, welcher dort als sehr klug gilt. Das Schwert am Halse, las er alles vorzüglich und erklärte es mir. Also der Herr Hetman empfiehlt dem Kommandanten von Birz und befiehlt zu Frommen und Nutzen des Königs von Schweden, nachdem er zuerst die Begleitung fortgeschickt, uns alle, keinen ausgenommen, zu erschießen, aber so in der Stille, daß die Nachricht davon nicht verbreitet werden kann.«

Die Offiziere schlugen die Hände zusammen, ausgenommen Herr Mirski, welcher kopfschüttelnd sagte:

»Mich, der ich ihn kenne, nahm es doch auch Wunder und es wollte mir nicht in den Kopf, daß er uns lebendig aus Kiejdan entließ. Er muß Gründe haben, die wir nicht kennen, daß er uns nicht selbst zum Tode verurteilte.«

»Es ging ihm gewiß um seinen guten Ruf!«

»Vielleicht.«

»Dennoch muß man sich wundern, wie rachgierig er ist,« sagte der kleine Ritter. »Ohne mich rühmen zu wollen – erst unlängst retteten ich und Ganhof ihm das Leben.«

»Und ich diente seinem Vater und später ihm fünfunddreißig Jahre!« sagte Stankiewitsch.

»Er ist ein schrecklicher Mensch!« setzte Stanislaus Skrzetuski hinzu.

»Also ist es besser, ihm aus dem Wege zu gehen,« sagte Sagloba. »Der Teufel hole ihn! Vermeiden wir einen Kampf mit ihm, dafür laßt uns seine Güter, welche wir auf unserem Wege berühren, vollständig ausplündern. Gehen wir zum Wojewoden von Witebsk, um einigen Schutz zu haben, um einen Herrn über uns zu wissen und nehmen wir unterwegs, was zu nehmen geht, aus den Vorratskammern, den Speichern, den Vieh- und Pferdeställen und den Weinkellern. Meine Seele lechzt darnach und niemand soll mir zuvorkommen. Was sich in den Oekonomien an Geld vorfindet, nehmen wir auch fort. Je beutereicher und versorgter wir zum Wojewoden von Witebsk kommen, um so artiger wird er uns empfangen.«

»Er wird uns auch ohne das artig empfangen,« antwortete Oskierko. »Aber der Rat, zu ihm zu gehen, ist gut; ein besserer kann jetzt nicht gefunden werden.«

»Alle werden hierin übereinstimmen,« fügte Stankiewitsch hinzu.

»So wahr ich lebe!« sagte Herr Michael. »Also auf, zum Wojewoden von Witebsk. Er sei der Führer, um welchen wir Gott gebeten haben.«

»Amen!« sagten die Anderen.

Eine Zeit lang ritten sie stumm dahin, bis endlich Herr Michael sich anfing im Sattel zu drehen.

»Wenn man doch unterwegs irgendwo die Schweden etwas rupfen könnte,« sagte er, sich den Gefährten zuwendend.

»Wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, warum nicht?« entgegnete Stankiewitsch.

»Radziwill hat jedenfalls den Schweden versichert, daß ganz Litauen in seinen Händen ist, und daß alle freudig den König verlassen. Zeigen wir ihnen, daß dies nicht der Fall ist.«

»Und mit Recht!« sagte Mirski. »Sobald uns irgend eine Abteilung in den Weg läuft, wollen wir sie hochnehmen. Doch bin ich dafür, es mit dem Fürsten selbst nicht aufzunehmen, denn dazu sind wir zu schwach. Er ist ein großer Kriegsheld. Es würde sich aber empfehlen, einige Tage in der Gegend von Kiejdan zu bleiben, ohne ein Gefecht hervorzurufen.«

»Um seine Güter zu zerstören?« fragte Sagloba.

»Nicht das! Nur um mehr Leute zu sammeln. Meine Fahne und diejenige des Herrn Stankiewitsch werden Fühlung mit uns suchen. Sollten sie bereits aufgelöst sein, was ja leicht möglich ist, so werden doch die einzelnen Männer sich um uns sammeln. Es wird auch nicht an Adel fehlen, der sich uns anschließen möchte. Wir bringen dann dem Herrn Sapieha einen stärkeren Zuwachs, mit welchem er leichter etwas anfangen kann.«

In der That war diese Rechnung gut. Als erster Beweis konnten die Dragoner des Herrn Rochus dienen, welche, ihn selbst ausgenommen, ohne Zaudern sich unter das Kommando des Herrn Michael stellten. In den Reihen der Radziwillschen Truppen fanden sich gewiß mehr solcher Männer. Ueberdies konnte man annehmen, daß der erste gegen die Schweden gerichtete Streich im ganzen Lande einen allgemeinen Aufruhr hervorrufen würde.

Herr Wolodyjowski beschloß also, zur Nacht in der Richtung nach Poniewiersch vorzugehen und alles mit fortzureißen, was dort und in der Gegend von Upit an Laudaer Adel aufzufinden war, und dann sich in die Mogowo-Heide zu schlagen, wohin, wie er hoffte, die Reste der zersprengten aufständischen Fahnen sich geflüchtet hatten. Für jetzt ließ er an dem Flüßchen Lawetsch Halt machen, um den Leuten und den Pferden die nötige Ruhe zu gönnen.

Dort blieben sie bis zur Nacht, während sie von dem Haselnußdickicht aus ununterbrochen die große Landstraße beobachteten, auf welcher immer neue Haufen Bauernvolkes daherzogen, welche vor den Schweden in die Wälder flohen.

Die ausgeschickten Soldaten brachten von Zeit zu Zeit einzelne Bauern herbei, von welchen man Nachrichten über die Schweden einzog. Viel konnte man jedoch nicht in Erfahrung bringen. Die Männer waren ängstlich gemacht und wiederholten einer nach dem anderen nur, daß die Schweden ihnen auf dem Fuße folgten, aber Genaueres konnten sie nicht berichten.

Als es völlig dunkel geworden war, befahl Herr Wolodyjowski, aufzusitzen. Aber noch ehe sie zum Aufbruch kamen, hörten sie ganz deutlich Glockengeläute.

»Was ist das?« fragte Sagloba, »zum Ave Maria ist es doch zu spät.«

Herr Wolodyjowski horchte eine Weile aufmerksam hinaus.

»Das ist Angstgeläute!« sagte er.

Darauf sprengte er die Front entlang.

»Weiß vielleicht einer von euch,« fragte er, »was für ein Dorf oder Städtchen dort drüben liegt?«

»Klewan, Herr Obrist!« antwortete einer der Gostschiewitsch. »Wir fahren oft mit Pottasche dorthin.«

»Hört ihr das Läuten?«

»Wir hören es! Das hat etwas zu bedeuten!«

Herr Michael winkte dem Trompeter und bald tönte der leise Ton der Trompete durch das Dunkel des Dickichts. Die Fahne bewegte sich vorwärts.

Aller Augen richteten sich der Gegend zu, woher ihnen immer stärkeres Läuten entgegenklang. Man blickte auch nicht umsonst dorthin, denn bald blitzte ein rotes Licht am Horizont auf und wurde von Minute zu Minute größer.

»Ein Feuerschein!« flüsterte es durch die Reihen.

Herr Michael neigte sich zu Herrn Skrzetuski hinüber.

»Die Schweden!« sagte er.

»Wir wollen es mit ihnen wagen!« entgegnete Herr Johann.

»Es wundert mich nur, daß sie brennen.«

»Ein Edelmann muß wohl Widerstand geleistet oder die Bauern sich empört haben, als die Schweden die Kirche angriffen.«

»Nun, wir wollen sehen!« sagte Herr Michael.

Und er schnaufte vergnügt.

Da trottete auch Herr Sagloba heran.

»Herr Michael?«

»Was giebt es?«

»Ich merke schon, daß ihr lüstern nach Schwedenfleisch geworden seid. Es steht uns wohl ein Kampf bevor, wie?«

»Wie Gott will! wie Gott will!«

»Wer soll in diesem Falle den Gefangenen bewachen?«

»Welchen Gefangenen?«

»Nun, doch nicht mich, sondern den Herrn Kowalski. Seht, Herr Michael, es ist doch von großer Wichtigkeit, daß er nicht entflieht. Bedenkt, daß der Hetman nichts weiß und auch nichts erfahren wird, außer durch Kowalski. Man muß ihm eine sichere Bewachung geben, denn während eines Gefechtes kann er leicht entfliehen, besonders wenn er schlau ist.«

»Er ist ebenso schlau wie der Wagen, auf welchem er sitzt. Aber, ihr habt recht; man muß jemanden bei ihm lassen. Wollet ihr ihn während der Zeit nicht im Auge behalten?«

»Hm! ich werde das Gefecht vermissen! ... Zwar sehe ich nachts beim Feuer fast nichts. Fände das Gefecht am Tage statt, so würde mich nichts bewegen, davon wegzubleiben. Aber wenn das allgemeine Wohl es fordert, so sei es auch so!«

»Gut also. Ich lasse euch etwa fünf Leute zur Unterstützung, und wenn er Miene macht, zu fliehen, so schießt ihm eine Kugel vor den Kopf.«

»Ich will ihn zwischen meinen Fingern kneten wie weiches Wachs. Fürchtet nichts! ... Aber dort wird der Feuerschein immer größer. Wo soll ich mit dem Kowalski bleiben?«

»Wo ihr wollt. Ich habe jetzt keine Zeit!« sagte Herr Michael. Und er sprengte davon.

Der Brand schien immer größer zu werden. Der Wind blies gerade ins Feuer und zugleich mit dem Läuten der Glocken trug er das Knallen von Büchsenschüssen herüber.

»Vorwärts!« kommandierte Herr Wolodyjowski.

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