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Zweites Buch.

1. Kapitel

Herr Sagloba war schon stark angetrunken gewesen, als er dem Großhetman drei Mal das Wort »Verräter!« ins Antlitz geschleudert hatte. Als eine Stunde später jedoch der Weinrausch bei ihm verdampft war und er sich samt den beiden Herren Skrzetuski und Herrn Michael im Kiejdaner Schloßverließ wiederfand, da erkannte er zu spät, welcher Gefahr er sich selbst und die Gefährten ausgesetzt hatte, und härmte sich darüber sehr.

»Was wird nun geschehen?« fragte er, während er stieren Blickes den kleinen Ritter ansah, auf welchen er in schwierigen Fällen ein großes Vertrauen setzte.

»Der Teufel hole das ganze Leben! Mir ist alles einerlei!« antwortete Wolodyjowski.

»Wir erleben eine Zeit und so viel Schande, wie sie die Welt und unsere Regierung noch nicht gesehen!« sagte Johann Skrzetuski.

»Wenn wir sie noch erleben,« entgegnete Sagloba. »Wir könnten dann wenigstens durch unser Beispiel der Tugend anderer aufhelfen ... Aber ob wir sie erleben? das ist die Frage ...«

»Das ist furchtbar, alle Begriffe übersteigend!« sagte Stanislaus Skrzetuski. »Wo geschah je so etwas? Rettet mich, meine Herren, ich fühle meine Sinne sich verwirren ... Zwei Kriege, der dritte, der Kosakenkrieg zu gleicher Zeit ... Dazu der empörendste Verrat, der wie die Pest ansteckend wirkt: Radziejowski, Opalinski, Grudzinski, Radziwill! Der Welt Ende, das letzte Gericht ist gekommen! Die Erde öffne sich und verschlinge uns. So wahr mir Gott helfe, ich werde wahnsinnig!«

Und indem er die Hände über dem Kopfe faltete, rannte er in dem Verließ hin und her wie ein wildes Tier.

»Beten wir oder thuen wir irgend etwas!« rief er wieder. »Barmherziger Gott, rette, hilf!«

»Beruhigt euch doch, Herr!« sagte Herr Sagloba. »Wir haben keine Zeit zu klagen.«

Herr Stanislaus biß die Zähne aufeinander – er raste.

»Wenn ihr doch ums Leben kämet!« schrie er Herrn Sagloba an. »Die Reise zu diesem Verräter war euer Konzept! O, daß euch beide der Zorn Gottes treffe!«

»So komm doch zur Besinnung, Stanislaus!« sagte Johann streng. »Was hier geschah, konnte niemand voraussehen ... Dulde, denn nicht du allein duldest, und wisse, daß unser Platz nirgends anderswo als hier sein darf ... Barmherziger Gott, erbarme dich nicht über uns, sondern über unser unglückseliges Vaterland!«

Stanislaus erwiderte nichts weiter, sondern rang nur die Hände, daß sie in den Gelenken knackten.

Alle verstummten. Nur Herr Michael pfiff mit einem Anflug von Galgenhumor zwischen den Zähnen und schien gleichgültig für alles, was um ihn her vorging, obwohl er im Grunde des Herzens zwiefache Qualen litt, einmal wegen des Unglücks des Vaterlandes, und außerdem, weil er dem Hetman den Gehorsam gekündigt. Für diesen Mann, der vom Kopf bis Fuß ein eingefleischter Soldat war, war dieser letztere Umstand ein fürchterliches Ding. Er wäre tausendmal lieber gestorben.

»Pfeift nicht, Herr Michael!« rief ihm Sagloba zu.

»Mir ist alles eins.«

»Wie denn? Denkt keiner von euch darüber nach, ob es nicht ein Rettungsmittel giebt? Es verlohnte doch wahrlich der Mühe, seinen Gehirnkasten deswegen etwas anzustrengen. Sollen wir denn in diesem Loche verfaulen? Jetzt, wo das Vaterland keine einzige Hand entbehren kann? Jetzt, wo ein Redlicher für zehn Verräter einstehen muß?«

»Ihr habt Recht, Vater,« sagte Johann Skrzetuski.

»Dich allein hat der Schmerz nicht albern gemacht. Was glaubst du, was dieser Verräter mit uns vorhat? Mit dem Tode wird er uns doch nicht bestrafen?«

Hier brach Herr Wolodyjowski in ein verzweifeltes Gelächter aus.

»Und warum das nicht? ich wäre neugierig ... Steht ihm nicht das Recht zu? Hat er nicht die Macht dazu? Da kennt ihr den Radziwill schlecht.«

»Was redet ihr da? Welches Recht steht ihm denn zu? ...«

»Ueber mich das des Kriegsobersten, über euch das der Gewalt.«

»Für welche er sich zu verantworten hätte.«

»Vor wem? Vor dem Könige von Schweden etwa?«

»Ein schlechter Trost! Das muß man sagen!«

»Ich beabsichtige auch gar nicht, euch zu trösten.«

Sie verstummten wieder. Man hörte nur die Tritte der schottischen Wächter draußen.

»Es hilft nichts!« sagte Sagloba. »Hier muß die List aushelfen.«

Niemand beantwortete seine Bemerkung. Er fuhr also nach einer Weile fort:

»Es ist kaum zu glauben, daß der Tod unser warten sollte. Wenn jedes unbesonnene, in der Trunkenheit gesprochene Wort gleich mit dem Verluste des Kopfes bestraft werden sollte, da müßte kein einziger Edelmann in der Republik einen Kopf mehr haben. A neminem captivabimus? Ist das möglich?«

»Ihr habt den Beweis dafür in euch selbst und in uns!« sagte Stanislaus Skrzetuski.

»Das geschah alles so schnell, aber ich denke doch, der Fürst wird es sich überlegen. Wir können als Fremdlinge auf keinen Fall unter seine Rechtsbotmäßigkeit kommen. Außerdem muß er seinen Ruf wahren und darf keine Gewalttätigkeiten begehen, ohne sich den Adel auf den Hals zu hetzen. So wahr ich lebe! Wir sind ihrer zu viele, als daß er uns köpfen lassen könnte. Mit den Offizieren kann er thun, was ihm beliebt; dieses Recht bestreite ich nicht. Ich denke aber, daß er dabei die Truppen berücksichtigen muß, welche wohl ihre Offiziere fordern werden ... Wo steht denn eure Fahne, Herr Michael?«

»In Upit!«

»Sagt mir nur, ob ihr sicher seid, daß eure Mannschaften zu euch stehen werden.«

»Wie soll ich das wissen? Ich bin ziemlich beliebt bei ihnen, aber sie wissen, daß ich unter dem Hetman stehe.«

Sagloba sann eine Weile nach.

»Gebt mir eine Vollmacht, daß sie mir in allem gehorsam sein sollen, wie euch selbst, sobald ich unter ihnen erscheine.«

»Ihr wähnt euch wohl schon frei?«

»Das wäre so unmöglich nicht. Ich befand mich schon in größeren Kalamitäten und Gott errettete mich. Gebt mir eine Vollmacht, für mich und die beiden Herren Skzretuski. Wem es zuerst gelingt, auszureißen, der eilt gleich zu euren Leuten und führt sie zur Rettung der anderen herbei.«

»Ihr faselt! Schade um jedes Wort! Wer könnte wohl von hier entfliehen? Auf was sollte ich euch auch die Vollmacht ausfertigen? Habt ihr Papier, Tinte und Feder? Ihr verliert den Kopf.«

»Es ist zum Verzweifeln!« sagte Sagloba. »Gebt mir wenigstens euren Ring.«

»Da nehmt und laßt mich in Ruhe!« sagte Herr Michael.

Herr Sagloba nahm den Ring, steckte ihn an seinen kleinen Finger und ging gedankenvoll auf und nieder.

Unterdes war die rauchende Lampe erloschen, dichte Finsternis umgab sie; nur durch das Gitter des hohen Fensterchens sah man einige Sterne am klaren Himmel schimmern. Sagloba konnte den Blick nicht von diesem Fensterchen losreißen.

»Wenn der selige Podbizienta lebte und bei uns wäre,« murmelte der Alte, »so hätte er das eiserne Gitter herausgerissen und wir hätten eine Stunde darauf Kiejdan im Rücken gehabt.«

»Könntet ihr mich zu dem Fenster emporheben?« fragte plötzlich Johann Skrzetuski.

Sagloba stellte sich mit Herrn Stanislaus an die Wand, gleich darauf stand Herr Johann auf ihren Schultern.

»Es knistert! So wahr ich Gott liebe, es knistert!« rief Sagloba.

»Was sprecht ihr nur wieder, Vater?« entgegnete Herr Johann, ich habe noch gar nicht am Gitter gerüttelt.«

»Steigt nur beide mit dem Vetter hinauf, ich ertrage euch schon eine Weile. Wie oft habe ich den Herrn Michael bedauert, daß er so winzig klein ist, jetzt bedaure ich, daß er nicht noch kleiner, denn er könnte sich dann wie eine Feldschlange zwischen den Eisenstäben hindurchwinden.«

Aber Johann sprang herunter.

»Die Schotten stehen auf dieser Seite,« sagte er.

»Daß sie doch zu Salzsäulen würden, wie Lots Weib. Es ist finster, daß man die Hand vor den Augen nicht sieht. Bald wird der Morgen grauen. Ich hoffe, man wird uns etwas zu essen bringen, denn die Lutheraner werden doch nicht etwa ihre Gefangenen verhungern lassen. Vielleicht erleuchtet Gott auch den Hetman; es kommt zuweilen vor, daß während der Nacht das Gewissen erwacht und der Satan den Sünder peinigt. Sollte denn dieses Loch nur einen Eingang haben? Wir wollen bei Tageslicht uns umsehen. Der Kopf ist mir so schwer, ich kann nichts ausfindig machen. Morgen wird Gott dem Verstande zu Hilfe kommen, jetzt wollen wir beten, meine Herren, und uns in diesem gottlosen Gefängnis dem Schutz der allerheiligsten Jungfrau empfehlen.«

Nach einer Weile beteten sie alle die Litanei zur Mutter Gottes, darauf verstummten die beiden Skrzetuskis und Wolodyjowski gramerfüllt, nur Sagloba murmelte leise:

»Es wird schon so sein,« murmelte er. »Morgen wird man uns sagen: aut, aut! Entweder ihr seid mit Radziwill, oder –. Wir wollen sehen, wer von uns den Anderen betrügt. Ihr steckt den Adel also ins Gefängnis, ohne Rücksicht auf das Alter und das Verdienst? Gut! Wer den Schaden hat, dem bleibt das Wehklagen! Der Dumme sinkt und der Kluge steigt. Ich will euch versprechen, was ihr wollt, aber das, was ich halten werde, soll euch nicht zum Segen gereichen. Wenn ihr das Vaterland verratet, so ist der ein tugendhafter Mann, der euch verrät. Die letzte Stunde der Republik ist gekommen, wenn ihre höchsten Würdenträger zum Feinde übergehen. Das ist noch nie dagewesen und man kann den Verstand darüber verlieren. Giebt es denn Höllenqualen genug für solche Verräter? Was fehlte denn diesem Radziwill noch? Hat denn das Vaterland ihm noch zu wenig gegeben, daß er es wie Judas verkauft, und das gerade zur Zeit seiner höchsten Not, wo drei Feinde es bedrohen? ... O Gott! wie gerecht ist dein Zorn! Sende die Strafe recht bald! Amen! Wenn ich nur bald in die Freiheit gelangen könnte, ich wollte dir schon Parteigänger schaffen, Herr Hetman! Du solltest bald die Früchte des Verrats kosten. Du wirst noch nach meiner Freundschaft verlangen; aber wenn du keine besseren Freunde findest, als mich, so gehe niemals auf die Bärenjagd, wenn dir dein Fell lieb ist ...«

In dieser Weise unterhielt sich Herr Sagloba mit sich selbst. Eine Stunde um die andere verrann, endlich fing es an zu dämmern. Die blassen Streiflichter, welche durch das Fenster hineindrangen, zerstreuten allmählich das im Gefängnis herrschende Dunkel und die Gestalten der an den Wänden sitzenden, düster blickenden Ritter wurden sichtbar. Wolodyjowski und die beiden Skrzetuskis schlummerten ein wenig vor Ermattung, als es aber heller wurde und vom Schloßhofe her der Schall der Tritte der Soldaten, Waffenklirren, Hufschläge und die Töne der Trompeter vom Thore her bis zu ihnen drangen, da sprangen die Ritter schnell auf.

»Der Tag fängt für uns nicht glücklich an,« sagte Johann.

»Wolle Gott, daß er glücklicher endige,« entgegnete Sagloba. »Wißt ihr Herren, was ich während der Nacht ausgesonnen habe? Man wird uns wohl das Geschenk unseres Lebens anbieten, wenn wir uns entschließen, in die Dienste Radziwills zu treten und seine Verrätereien zu unterstützen. Wir wollen dieses Anerbieten annehmen, um unsere Freiheit zum Dienste für das Vaterland auszunutzen.«

»Davor bewahre mich Gott!« entgegnete Herr Johann. »Zum Verräter werde ich niemals, denn wenn ich auch dem Verräter mein Wort nicht halten würde, so bliebe doch die Schande des Verrates an meinem Namen kleben und würde das Erbteil meiner Kinder. Nein! das thue ich niemals, lieber erleide ich den Tod.«

»Auch ich nicht,« sagte Herr Stanislaus.

»Und ich erkläre euch von vornherein, daß ich es thue, niemand wird denken, daß ich freiwillig in den Dienst Radziwills trat oder ihm aufrichtig ergeben bin. Diesen Drachen Radziwill soll der Teufel holen. Wir wollen doch sehen, wer von uns der Sieger bleibt, er oder wir.«

Lärmen von außen her unterbrach die Unterhaltung. Man hörte vom Hofe her Rufe, welche zornig und entrüstet klangen. Gleichzeitig ertönten einzelne Kommandoworte und der Schall von zahlreichen Tritten ganzer Abteilungen, sowie ein schweres Rasseln wie von vorüberfahrenden Geschützen.

»Was geht dort vor?« fragte Sagloba. »Wahrhaftig, vielleicht kommt uns Hilfe.«

»Das ist ein ganz ungewöhnlicher Lärm,« sagte Wolodyjowski. »Hebt mich doch einmal zum Fenster hinauf; ich kann am besten erkennen, was das bedeutet.«

Johann Skrzetuski nahm ihn unter den Armen in die Höhe wie ein Kind, Herr Michael hielt sich an den Eisenstäben fest und blickte eifrig in den Hof.

»Es ist etwas los!« sagte er plötzlich lebhaft. »Ich sehe die ungarische Hoffahne zu Fuß, welche Oskierko kommandiert hat. Seine Leute lieben ihn sehr, er sitzt auch im Arrest und sie verlangen jedenfalls seine Herausgabe. Bei Gott, sie stellen sich in Schlachtordnung, der Leutnant Stachowitsch ist bei ihnen, ein Freund Oskierkos.«

Jetzt wurde der Lärm noch größer.

»Ganhof reitet vor ihre Front ... Er sagt etwas zu Stachowitsch ... Welch ein Geschrei ... Meine Herren, ich sehe Stachowitsch und noch zwei Offiziere die Fahne verlassen. Sie gehen jedenfalls als Deputirte zum Hetman. Die Aufregung nimmt zu, bei Gott. Man hat die Kanonen gegen die Ungarn gerichtet, ein Regiment Schotten steht ebenfalls kampfbereit. Die Waffengefährten der polnischen Fahnen gehen zu den Schotten über. Ohne diese hätten sie nicht den Mut, denn unter den Fußsoldaten herrscht strenge Disziplin ...«

»Bei Gott!« rief Sagloba. »Das kann unsere Rettung werden! Herr Michael, giebt es viele Polen? ... Denn daß diese eine Empörung anzetteln, das ist sicher.«

»Die Husaren des Herrn Stankiewitsch und die Panzerfahne Mirskis stehen etwa zwei Tagemärsche von Kiejdan,« entgegnete Wolodyjowski. »Wenn die hier wären, würde man es nicht wagen, sie zu verhaften. Wartet einmal ... Da sind die Dragoner Charlamps, ein Regiment, Mieleschkis zu zweit, die stehen zum Fürsten ... Niawiarowski ist der dritte, welcher sich für den Fürsten erklärte, seine Schwadron ist aber weit fort ... Zwei Regimenter Schotten ...«

»Das sind schon vier, die zum Fürsten stehen.«

»Und die Artillerie unter Korf: zwei Regimenter.«

»O, das ist viel!«

»Und die Fahne Kmiziz, stark bedeckt ... sechshundert Mann.«

»Und auf welcher Seite steht Kmiziz?«

»Ich weiß es nicht.«

»Habt ihr ihn nicht gesehen? Warf er seinen Stab auch hin oder nicht?«

»Wir wissen es nicht.«

»Wer also steht wider den Fürsten? welche Fahnen?«

»Vor allem jedenfalls jene Ungarn dort, etwa zweihundert Mann, dann ein Haufen freier Soldaten vom Kommando Mirski und Stankiewitsch, wenige Adlige ... und Kmiziz ... aber der ist uns nicht sicher.«

»Hm! bei der Liebe Gottes ... wenig genug ... sehr wenig! ...«

»Die Ungarn stehen für zwei Schwadronen. Alte geübte Soldaten! Wartet nur! ... Die Lunten bei den Kanonen werden angezündet, es scheint ein Kampf vorbereitet zu werden.«

Die Skrzetuskis schwiegen. Sagloba wälzte sich wie in Fieberschauern.

»Schlagt die Verräter! schlagt die Hundebrut! O Kmiziz! Kmiziz! Alles hängt von ihm ab. Ist er ein dreister Soldat?«

»Frech wie der Teufel ... zu allem fähig.«

»Es kann ja nicht anders sein; er muß zu uns gehören.«

»Rebellion im Heere! Seht, wohin es der Hetman gebracht hat,« rief Wolodyjowski.

»Wer ist hier der Empörer? das Heer oder der Hetman, welcher sich gegen den eignen Herrn auflehnt?« fragte Sagloba.

»Das möge Gott richten. Wartet. Eine neue Bewegung. Ein Teil der Dragoner Charlamps geht zu den Ungarn über. In dieser Schwadron dient nur guter Adel. Hört ihr sie rufen?«

»Die Obristen, die Obristen!« hörte man drohende Stimmen vom Hofe rufen.

»Herr Michael, bei den Wunden Gottes, ruft ihnen zu, sie sollen nach eurer Fahne und nach den Husaren und Panzersoldaten senden.«

»Schweigt, Herr!«

Sagloba fing selbst an zu schreien:

»Sendet nach den anderen polnischen Fahnen und haut die Verräter zusammen.«

»Seid doch stille.«

Plötzlich knatterte nicht auf dem Hofe, sondern von der Rückseite des Schlosses her eine Musketensalve kurz und abgerissen ...

»Jesus, Maria!« schrie Wolodyjowski.

»Herr Michael, was ist das?«

»Man hat gewiß den Stachowitsch und die beiden Offiziere, welche ihn zum Fürsten begleiteten, erschossen!« rief Wolodyjowski wie im Fieber. »Es muß so sein!«

»O Leiden Christi! so ist also auf keine Rettung mehr zu hoffen.«

Das Knattern der Schüsse übertönte die Worte. Herr Michael klammerte sich krampfhaft an das Gitter fest und drückte die Stirn dicht an dasselbe, konnte aber für den Augenblick nichts sehen, als die Beine der schottischen Wachen, welche dicht hinter dem Fenster standen. Die Salven folgten einander immer schneller, bald hörte man auch Kanonendonner. Deutlich vernehmbar war das Anschlagen der Kugeln an die Wand über dem Keller, wie das Prasseln von Hagelkörnern. Das ganze Schloß erbebte in seinen Grundfesten.

»Michael, springe herunter, du kannst dort ums Leben kommen!« rief Herr Johann.

»Um alles in der Welt steige ich nicht herunter. Die Kugeln schlagen höher ein und die Kanonen sind nach der entgegengesetzten Seite gerichtet. Ich bleibe hier.«

Bei diesen Worten zog sich Herr Wolodyjowski, noch fester an das Gitter klammernd, ganz hinauf bis in die Fenstervertiefung, wo er die Schultern Skrzetuskis nicht mehr als Stütze brauchte. Es wurde zwar finster im Keller, denn das Fensterchen war klein, und obgleich Herr Wolodyjowski hager war, so verdeckte er es doch ganz, dafür aber erhielten die Untenstehenden fortwährend Nachricht über den Stand der Dinge.

»Jetzt kann ich sehen!« rief Herr Michael. »Die Ungarn haben sich an die Wand gedrückt und schießen von dort aus. Hah! ich fürchtete schon, sie würden sich in den Winkel zurückziehen, denn dort würden die Kanonen sie im Augenblick zusammenschießen. Sie sind geschickte Soldaten! So wahr ich Gott liebe! Sie wissen ohne Offiziere, was sie thun müssen. Es raucht wieder. Ich kann nichts sehen ...«

Das Gewehrfeuer wurde schwächer.

»Barmherziger Gott! Schiebe die Strafe nicht auf!« rief Sagloba.

»Wie steht es, Michael?« fragte Skrzetuski.

»Die Schotten gehen zur Attacke vor.«

»Tausend Donnerwetter, daß wir hier sitzen müssen!« rief Herr Stanislaus.

»Sie sind schon dran, die Hellebardisten! Die Ungarn nehmen sie auf Säbel! Ach Gott! daß ihr das nicht sehen könnt! Was für Soldaten!«

»Und sie müssen gegen ihre Waffenbrüder fechten, statt gegen die Feinde.«

»Die Ungarn siegen, die Schotten weichen auf der Linken. So wahr ich Gott liebe. Die Dragoner Mieleschkos gehen zu den Ungarn über ... Die Schotten stehen im Doppelfeuer. Korf kann die Kanonen nicht brauchen! er würde auch die Schotten treffen. Ich sehe auch schon die Ganhofsche Uniform zwischen der ungarischen. Sie stürmen auf das Thor los. Sie wollen ausbrechen. Sie stürmen wie das Wetter. Sie reißen alles nieder!«

»Ha? Wie das? Ich wollte lieber, sie nähmen das Schloß,« rief Sagloba.

»Das wäre nichts. Morgen kehren sie mit den Fahnen Mirskis und Stankiewitschs zurück ... O, Charlamp ist gefallen ... Nein. Er erhebt sich verwundet ... Sie sind schon am Thor ... Was ist das? Sollte auch die schottische Wache am Thor zu den Ungarn übergehen? Man öffnet die Vorlegeeisen ... Auf der andern Seite des Thores wirbelt Staub auf. Ich sehe Kmiziz! Kmiziz! Kmiziz! Er stürmt mit Reiterei durch das Thor.«

»Auf wessen Seite? Auf wessen Seite?« schrie Sagloba.

Herr Michael antwortete nicht; noch eine kleine Weile nur, dann drang Lärm, Waffenklirren und verdoppeltes Geschrei zu den Ohren der Ritter.

»Es ist zu Ende mit ihnen,« schrie Herr Wolodyjowski entsetzt.

»Mit wem? Mit wem?«

»Mit den Ungarn! Die Reiter haben sie zersprengt, niedergeritten und gehauen! Das Banner ist in Kmizizs Hand! Zu Ende! Alles, alles aus!«

Indem er das sagte, glitt Herr Michael von der Vertiefung des Fensters herab und fiel in die Arme Johann Skrzetuskis.

»Erschlagt mich!« rief er, »erschlagt mich! Ich hatte diesen Menschen unter meinem Säbel und schenkte ihm das Leben; ich gab ihm den Aufgebotsbrief, durch mich gelangte er zu der Fahne, mit welcher er nun gegen das Vaterland kämpfen wird. Er wußte, wen er anwerben sollte: Hunde, Galgenstricke, Raubmörder, Racker, wie er selbst einer ist. O hätte ich ihn doch nur einmal noch unter meinem Säbel ... O Gott! verlängere mein Leben zum Untergange dieses Menschen, denn ich schwöre, daß er mir lebend nicht wieder entwischt ...«

Das Geschrei, Pferdegetrappel und das Gewehrfeuer dauerte kräftig fort. Allmählich erst wurde es schwächer und eine Stunde später herrschte im Kiejdaner Schloß tiefe Stille, welche nur von den gemessenen Schritten der Patrouillen und den Kommandorufen unterbrochen wurde.

»Herr Michael! Seht doch noch einmal nach, was dort oben vorgeht,« flehte Sagloba.

»Wozu?« entgegnete der kleine Ritter. »Wer ein Krieger ist, der kann erraten, was geschehen ist. Ich sah sie doch besiegt ... Kmiziz triumphiert hier!«

»O würde doch dieser Höllenhund gevierteilt! Wollte doch das Geschick, daß er Haremwächter bei den Tartaren würde!«

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