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12. Kapitel

Herr Wolodyjowski wurde fast närrisch vor Freude, als Herr Johann Skrzetuski mit seinem Vetter Stanislaus und Herrn Sagloba nach der mühevollen Reise durch die Heide in Upit anlangten, um so mehr, da er so lange nichts mehr von den Freunden gehört hatte und glaubte, Johann befinde sich bei der königlichen Fahne, welche er in der Ukraine unter dem Oberkommando der Hetmane befehligt hatte.

Er umarmte sie nacheinander, herzte sie, rieb sich vergnügt die Hände, herzte sie wieder und seine Freude stieg aufs Höchste, als er erfuhr, daß sie unter Radziwill dienen wollten und sie so bald sich nicht trennen würden.

»Gott sei gelobt, daß wir alte Sbarascher uns wieder zusammenfinden,« sagte er. »Man geht selbst freudiger in den Krieg, wenn man Vertraute um sich hat.«

»Das war meine Idee,« sagte Herr Sagloba. »Die dort wollten zum Könige gehen ... ich aber sagte: warum sollen wir uns mit Herrn Michael nicht alter Zeiten erinnern? Wenn uns Gott hier so beisteht, wie bei den Kosaken und Tartaren, so werden wir bald manch einen Schweden auf dem Gewissen haben.«

»So hat Gott euch mit diesem Gedanken erleuchtet!« sagte Herr Michael.

»Mich wundert nur,« sagte Johann, »daß ihr die Ereignisse von Uschz und die Kriegsnachricht schon erfahren habt. Stanislaus ist mit zu Tode gehetztem Pferde bei mir angelangt in der Meinung, daß wir die ersten Unglücksboten sein werden.«

»Die Kunde muß durch die Juden hierher gelangt sein,« sagte Herr Sagloba. »Die wissen von allem zuerst und haben untereinander so vortreffliche Verbindungen, daß, wenn morgens einer in Großpolen nießt, ihn am Abend aus der Ukraine und Smudz ein »Gott helf« oder »zur Gesundheit« geantwortet wird.«

»Ich weiß nicht, wie es kam, seit zwei Tagen wissen wir es,« sagte Herr Michael, »und die Konsternation ist hier gewaltig ... Am ersten Tage wollten wir es noch nicht glauben, am zweiten blieb uns kein Zweifel mehr ... Was noch mehr sagen will ... es gab noch gar keinen Krieg, da zwitscherten schon die Vögel in der Luft davon. Alles redete ohne jede Veranlassung vom Kriege. Auch unser Fürst-Wojewode mußte etwas im voraus wissen und erwarten, denn er geberdete sich wie die Fliege im Sud und eilte in der letzten Zeit nach Kiejdan. Auch haben auf seinen Befehl schon seit zwei Monaten Truppeneinziehungen stattgefunden. Ich, Stankiewitsch und ein gewisser Kmiziz, Fähnrich der Orschanfahne, waren damit beauftragt. Der Letztere hat, wie ich hörte, bereits eine vollkommen ausgerüstete Fahne nach Kiejdan abgeführt; er hat sich am meisten von uns beeilt ...«

»Kennst du den Fürst-Wojewoden von Wilna gut, Michael?« fragte Johann.

»Wie sollte ich nicht, da ich doch den ganzen jetzigen Krieg unter seinem Kommando mitgemacht habe.«

»Was weißt du von seinen Absichten? Ist er ein edler Mann?«

»Er ist ein vollkommener Krieger, wer weiß, ob nach dem Tode des Fürsten Jeremias nicht der größte. Jetzt wurde er allerdings geschlagen, das ist wahr, aber er hatte auch nur sechstausend Mann gegen achtzigtausend. Der Schatzmeister und der Wojewode von Witebsk tadeln ihn sehr darum, weil sie meinen, daß er nur deswegen mit so wenig Soldaten sich auf die große Uebermacht geworfen hat, um den Siegesruhm nicht mit ihnen zu teilen. Gott weiß, wie es war. Er kämpfte tapfer und schonte das eigene Leben nicht. Und ich, der ich alles mit angesehen, kann nur so viel sagen, daß, hätte er genügend Geld und Mannschaften gehabt, kein Feindesfuß aus dem Lande entkommen wäre. So glaube ich auch, daß er es jetzt ehrlich mit den Schweden aufnehmen wird und daß wir sie hier nicht erwarten, sondern ihnen entgegen nach Livland ziehen werden.«

»Woraus schließest du das?«

»Aus zweierlei: Zuerst wird der Fürst seine nach der Zybichauer Schlacht wankend gewordene Reputation aufbessern wollen, zu zweit liebt er den Krieg.«

»Das ist wahr,« sagte Sagloba. »Ich kenne ihn von der Schule her, wo ich die Schularbeiten für ihn machte. Er liebte schon damals den Krieg und hielt deshalb mehr zu mir als zu den anderen, weil auch ich die Pferde und einen Speer lieber hatte als das Latein.«

»Er ist sicher nicht wie der Wojewode von Posen, sondern ein völlig anderer Mensch,« sagte Herr Stanislaus Skrzetuski.

Nun begann Wolodyjowski nach allem zu fragen, was bei Uschz geschehen war, und raufte sich bei der Erzählung das Haar. Als Herr Stanislaus geendet, sagte er:

»Ihr habt recht! Zu solchen Dingen ist unser Radziwill nicht fähig. Er ist stolz wie der Teufel und scheint zu glauben, daß in der ganzen Welt kein größeres Geschlecht als das der Radziwills zu finden sei, das ist wahr! Widerspruch kann er nicht vertragen, auch das ist wahr, und dem Herrn Schatzmeister zürnt er, weil dieser nicht so tanzen will, wie die Radziwills pfeifen. Auch Seiner Majestät dem Könige ist er nicht gewogen, weil dieser ihm nicht frühe genug den Feldherrnstab über Groß-Litauen gegeben. Alles das ist wahr, wie auch das, daß er vorzieht, in der schamlosen Verblendung der Lehre Calvins fortzuleben, anstatt zum wahrhaften Glauben zurückzukehren, daß er die Katholiken bedrückt, wo er kann, daß er Versammlungen der Häretiker veranstaltet ... aber darauf schwöre ich, daß er lieber den letzten Tropfen seines stolzen Blutes vergösse, ehe er eine Kapitulation wie die von Uschz unterschriebe ... Wir werden bis ans Kinn im Kriege stecken, denn er ist kein Skribent; ein Kriegsheld wird uns anführen.«

»Das soll mir recht sein!« rief Herr Sagloba. »Wir wollen ja nichts weiter. Herr Opalinski ist eine Schreiberseele und es hat sich bald herausgestellt, wozu der fähig war. Das ist die gemeinste Menschensorte! Kaum hat so einer eine Feder aus dem Gänseschwanz gezogen, da denkt er gleich, er hat die Klugheit mit Löffeln gefressen. So ein Hund macht anderen Vorwürfe, und wenn es zum Säbelgerassel kommt, ist er verschwunden. Ich habe in meiner Jugend selbst Reime geschmiedet, um Mädchenherzen zu erobern; ich hätte sogar damit den Herren Kochanowski samt seinen Bagatellen ins Bockshorn gejagt, aber später gewann der kriegerische Sinn die Oberhand.«

»Dazu kommt noch,« sagte Wolodyjowski, »daß, sobald hier der Adel sich erhebt, eine Menge Menschen sich ansammelt. Wenn es nur an Geld nicht mangelt, denn das ist das Wichtigste.«

»Um Gotteswillen, ich will keine Heerbannisten!« rief Herr Stanislaus. »Johann und Herr Sagloba kennen meine Ansicht darüber schon und euch sage ich nur, daß ich lieber als Troßknecht in einer regulären Fahne dienen, denn als Hetman das gesamte allgemeine Aufgebot befehligen will.«

»Das Volk hier ist tapfer und sehr geschickt,« antwortete Herr Wolodyjowski. »Ich habe den besten Beweis an meiner Truppe. Fast vermochte ich all die, welche sich herzudrängten, nicht unterzubringen und unter denen, die ich angenommen habe, ist auch nicht einer, der nicht schon vorher gedient hätte. Ich werde den Herren mein Fähnchen vorführen und versichere euch, wüßtet ihr es nicht von mir, ihr würdet nichts merken, daß das nicht alles geschulte Soldaten sind. Jeder von ihnen ist im Feuer der Schlachten gestählt wie ein altes Hufeisen und sie stehen in Reihe und Glied wie römische Soldaten. Die Schweden werden hier nicht so leicht fertig wie bei Uschz mit den Großpolen.«

»Ich hoffe zu Gott, daß alles anders wird,« sagte Skrzetuski. »Man sagt die Schweden seien wackere Kämpen, dennoch haben sie unseren Stammsoldaten noch niemals Stand halten können. Wir besiegten sie immer, das ist erwiesen, wir schlugen sie sogar dann, als der größte Kriegsheld, den sie jemals hatten, sie anführte.«

»Um die Wahrheit zu sagen, bin ich sehr neugierig, was sie können,« entgegnete Herr Wolodyjowski, »und bedrängten nicht gleichzeitig zwei andere Kriege das Vaterland, mich sollte dieser Schwedenkrieg nicht grämen. Haben wir es doch mit den Türken, den Tartaren, den Kosaken und weiß Gott wem aufgenommen – jetzt wollen mir es mit den Schweden versuchen. Die Krone kann nur darum besorgt sein, daß augenblicklich das ganze Kronenheer in der Ukraine steht. Hier ist leicht zu ersehen, was geschehen wird. Der Fürst-Wojewode wird die bisherigen Streitigkeiten dem Herrn Schatzmeister Gosiewski überlassen und selbst mutig auf die Schweden losziehen. Es wird uns schwer werden, das ist wahr, aber hoffen wir, daß Gott helfe.«

»Gehen wir also unverzüglich nach Kiejdan«, sagte Herr Stanislaus.

»Ich habe auch Befehl, die Fahne in Bereitschaft zu halten und sie selbst binnen drei Tagen nach Kiejdan zu bringen,« entgegnete Herr Michael. »Ich muß euch einmal diesen letzten Befehl zeigen, denn schon voraus ist ersichtlich, wie der Fürst-Wojewode über die Schweden denkt.«

Indem er das sagte, öffnete er mit dem Schlüssel einen Kasten, welcher am Fenster unter einer Bank stand, entnahm demselben ein zusammengefaltetes Papier, breitete es auseinander und las:

»Mein Herr Obrist Wolodyjowski!

Mit großer Freude haben wir aus Eurem Rapport ersehen, daß Eure Fahne schon auf den Füßen ist und jeden Augenblick aufbrechen kann. Haltet sie wachsam und bereit, denn es kommen Zeiten, wie wir so schwere noch nicht erlebt haben. Ihr selbst kommt so eilig als möglich nach Kiejdan, wo wir Euch mit Ungeduld erwarten werden. Solltet Ihr Neuigkeiten hören, so traut ihnen nicht, bis Ihr die Bestätigung aus unserem Munde hört. Wir werden handeln, wie Gott und das Gewissen uns heißt, ohne Rücksicht darauf, was Bosheit und Neid über uns urteilen. Wir freuen uns gleichzeitig, daß die Zeit gekommen ist, wo es sich herausstellen wird, wer ein aufrichtiger und wahrhaftiger Freund des Radziwillschen Hauses ist und wer sogar in rebus adversis ihm zu dienen bereit ist. Kmiziz, Riawiarowski und Stankiewitsch haben ihre Fahnen schon hierhergebracht; die Eurige mag in Upit bleiben, sie wird dort vielleicht nötig sein, möglich auch, daß Ihr nach Podlachien gehen und Euch dem Kommando meines Vetters, des durchlauchtigsten Fürsten Boguslaw, unterstellen müßt, welcher einen so edlen Teil unserer Streitmacht unter sich hat. Doch alles Nähere erfahrt ihr von mir. Unterdessen empfehlen wir Eurer Treue die gewissenhafte Befolgung unserer Befehle und erwarten Euch in Kiejdan.

Janusch Radziwill,
Fürst zu Birz und auf Dubinek,
Wojewode von Wilna, Hetman über Groß-Litauen.«

»Wahrhaftig! Man kann aus dem Briefe schon auf einen neuen Krieg schließen!« sagte Sagloba.

»Und daß der Fürst schreibt, er wird handeln, wie Gott und sein Gewissen ihm vorschreibt, das bedeutet, daß er auf den Schweden dreinschlagen will,« setzte Herr Stanislaus hinzu.

»Mich wundert nur,« sagte Herr Skrzetuski, »daß er von der Treue zum Hause Radziwill und nicht von der Treue zum Vaterlande schreibt, welche doch höher steht als diese. Und das Vaterland braucht dringend Rettung.«

»Das ist eine Herrenlaune,« entgegnete Wolodyjowski. »Auch mir hat das gleich nicht gefallen, denn auch ich diene dem Vaterlande, nicht den Radziwills.«

»Wann erhieltst du den Brief?« fragte Johann.

»Heute morgen; am Nachmittag wollte ich abreisen. Ihr könnt über den Abend euch von der Reise erholen; ich kehre wohl morgen zurück und wir gehen dann gleich mit der Fahne, wohin man uns schickt.«

»Vielleicht nach Podlachien?« sagte Sagloba.

»Zum Fürsten-Stallmeister?« wiederholte Herr Stanislaus.

»Der Fürst-Stallmeister befindet sich ebenfalls in Kiejdan,« sagte Wolodyjowski. »Das ist eine interessante Persönlichkeit, betrachtet ihn euch genau; ein großer Held und ein noch größerer Ritter, aber keine Spur von einem Polen in ihm. Er kleidet sich in fremdländische Kleider und spricht deutsch oder gar französisch; es klingt gerade so, als ob er Nüsse beißt, man kann ihm eine Stunde zuhören, ohne ein Wort zu verstehen.«

»Der Fürst Boguslaw hat sich bei Berestetscheck sehr schön benommen,« sagte Sagloba, »und eine Abteilung schöner Infanterie gestellt.«

»Diejenigen, welche ihn näher kennen, loben ihn nicht,« fuhr Herr Wolodyjowski fort, »weil er nur alles Deutsche und Französische liebt. Das ist sehr natürlich, da eine Deutsche, die brandenburgische Kurfürstentochter, seine Mutter war, welche nicht nur seinem verstorbenen Vater nichts mitbrachte, sondern für die er sogar noch zahlen mußte, da, wie man sieht, bei diesen kleinen Fürsten stets Geldmangel herrscht. Den Radziwills ist es nämlich darum zu thun, im deutschen Fürstenbund einen Sitz zu haben, deshalb verbinden sie sich gern mit Deutschen. Herr Sakowitsch, ein alter Diener des Fürsten Boguslaw, welchem dieser die Oschmiansche Starostei verliehen, hat mir davon erzählt. Er und Herr Riawiarowski reisten mit dem Fürsten außer Landes in verschiedenen überseeischen Ländern und dienten immer als Zeugen bei seinen Duellen.«

»Hat er denn oft einen Zweikampf bestanden?« fragte Herr Sagloba.

»So viele, als er Haare auf dem Kopfe hat! Er soll eine große Anzahl ausländischer Grafen und Fürsten, Franzosen und Deutsche, besiegt haben; man sagt, er sei ein tapferer, heißsporniger Mensch, welcher um jeder beliebigen Kleinigkeit willen vor die Klinge fordert.«

Herr Stanislaus Skrzetuski fuhr aus seinem Nachdenken empor und sagte:

»Auch ich habe vom Fürsten Boguslaw gehört. Es ist von uns nicht weit bis zum Kurfürsten, bei welchem er sich fortwährend aufhält. Ich erinnere mich auch noch an das, was mein Vater zuweilen erwähnte, nämlich, daß das Volk sehr ärgerlich war, daß ein so mächtiges Haus wie das der Radziwills sich mit Fremden verbinde. Das war gelegentlich der Hochzeit des Vaters des Fürsten Boguslaw mit der Kurfürstentochter geschehen. Jetzt mag es vielleicht gut sein, daß es geschehen, denn als Verwandter Radziwills müßte der Kurfürst der Republik wohlgesinnt sein; von ihm hängt sehr viel ab. Was ihr da von seiner Armseligkeit geredet, das ist nicht so. Eines ist gewiß, daß, wenn jemand damals die Radziwills alle verkauft hätte, so würde er mit ihrem Kaufpreis den Kurfürst samt seinem Fürstentum erstanden haben. Der heutige Kurfürst Friedrich Wilhelm aber hat ein schönes Vermögen und zwanzigtausend Mann sehr gut ausgestatteter Truppen.«

»Weißt du was, Michael?« sagte plötzlich Johann. »Ich werde heute nicht ausruhen und mit dir nach Kiejdan reisen. Es reist sich jetzt während der Nacht gut, denn die Tage sind heiß, und ich habe es eilig, dieser Ungewißheit ein Ende zu machen. Zur Ruhe wird es noch Zeit genug geben, denn sicher bricht der Fürst nicht schon morgen auf.«

»Um so weniger, da er befohlen hat, die Fahne in Upit zu lassen,« antwortete Herr Michael.

»Ihr habt recht!« sagte Herr Sagloba, »auch ich schließe mich an.«

»So gehen wir allesamt,« setzte Herr Stanislaus hinzu.

»Wir langen gerade morgen früh in Kiejdan an,« sagte Herr Wolodyjowski, »und unterwegs läßt es sich auch in den Sätteln süß schlummern.«

Zwei Stunden später traten die Ritter ihre Reise an, nachdem sie vorher Speise und Trank zu sich genommen hatten, und waren noch vor Sonnenuntergang in Krakowin angelangt.

Unterwegs erzählte ihnen Herr Michael viel über die Gegend, von dem berühmten Laudaer Adel, von Kmiziz und von allem, was in der letzten Zeit geschehen war. Er bekannte seine Neigung zu dem Fräulein Billewitsch, die unglücklich verlaufen war, wie immer.

»Die Hauptsache ist, daß der Krieg vor der Thür ist,« sagte er, »ich hätte mich schrecklich gegrämt, da ich zuweilen denken muß, daß das wohl mein Geschick so will und ich als alter Kavalier werde sterben müssen.«

»Das wird euch nicht zur Unehre gereichen, denn der Kavalierstand ist ein geachteter Stand und Gott wohlgefällig. Ich habe mir auch vorgenommen, darin bis zum Lebensende auszuharren. Mitunter thut es mir nur leid, daß ich meinen Nachruhm und meinen Namen niemandem zu vererben habe, denn wenn ich auch Johannes' Kinder liebe wie eigene, so heißen sie doch Skrzetuski, nicht Sagloba.«

»O ihr Unhold!« sagte Wolodyjowski. »Ihr habt diesen Vorsatz so frühzeitig gefaßt wie der Wolf, welcher gelobte, keine Schafe zu würgen, als er keine Zähne mehr hatte.«

»Das ist nicht wahr!« sagte Sagloba. »Wie lange ist es gar her, Herr Michael, daß wir zusammen in Warschau zur Königswahl waren ... Wem haben dort alle Mädchen nachgeschaut, wenn nicht mir? ... Denkt ihr noch daran, wie ihr klagtet, daß euch keine ansehen mag? Aber wenn ihr eine so große Neigung für den Ehestand habt, so grämt euch nicht, auch eure Zeit wird kommen. Das Suchen nützt nichts, ihr werdet gerade dann finden, was ihr wollt, wenn ihr nicht darnach sucht. In diesen kriegerischen Zeiten geht alle Jahre eine Menge junger Männer verloren. Laßt nun auch noch diesen Schwedenkrieg dauern, dann werden die Dirnen so billig werden, daß man sie zu Dutzenden auf dem Jahrmarkt kaufen wird.«

»Vielleicht gehe auch ich zu Grunde,« sagte Herr Michael. »Ich habe dieses Herumziehen in der Welt satt. Niemals lassen sich die Reize und Tugenden des Fräulein Billewitsch genugsam rühmen. Ich hätte sie geliebt und gehegt wie mein Teuerstes ... Aber nein, da mußte der Teufel diesen Kmiziz herbringen; er muß ihr etwas eingegeben haben, sonst ist es nicht möglich, daß sie mich so hätte ablaufen lassen. Da seht! eben taucht dort hinter dem Hügel Wodockt auf, es ist aber niemand zu Hause, denn sie ist fort, Gott weiß, wohin. Das wäre mein Zufluchtsort da geworden; hier hätte ich sterben wollen ... Der Bär hat sein Lager, der Wolf seine Höhle und ich – seht! nur diesen Klepper und den Sattel, auf welchem ich sitze.«

»Ich merke, die Rose hat euch mit dem Dorn verletzt,« sagte Herr Sagloba.

»Jawohl, das hat sie. Wenn ich daran denke oder in der Nähe von Wodockt vorbei komme, da wird mir so wehe. Ich wollte den Keil mit dem Keile austreiben und ritt zu Herrn Schilling, welcher eine sehr schöne Tochter hat. Nur einmal sah ich sie unterwegs aus der Ferne und da gefiel sie mir außerordentlich. Ich begab mich also dorthin und – was sagt ihr dazu – traf den Vater nicht zu Hause. Das Fräulein Katharinchen aber glaubte, es sei nur der Papa Wolodyjowskis, nicht Wolodyjowski selbst, welcher angekommen sei ... Das habe ich mir so zu Herzen genommen, daß ich mich nie wieder dort sehen ließ.«

Sagloba lachte.

»Daß euch doch, Herr Michael! Die Sache ist also die, daß ihr eine Frau finden müßt, welche ebenso unansehnlich von Figur ist, wie ihr selbst seid. Wo ist denn jenes Tierchen hingekommen, welches Ehrendame bei der Fürstin Wisniowiezka war und mit der sich seinerzeit der verstorbene Herr Podbizientarz – Herr! gieb ihm die ewige Seligkeit! – verheiraten sollte? Das ist eine Schönheit, wie für euch geschaffen, der reine Kern, obgleich ihre Augen fürchterlich glänzten!«

»Das ist Anusia Borschobohata Krasienska,« sagte Herr Johann Skrzetuski. »Wir alle waren derzeit in sie verliebt, auch Michael. Wer weiß, wo sie jetzt steckt.«

»Wenn ich sie doch finden und mich bei ihr trösten könnte!« sagte Herr Michael. »Es wird mir ordentlich warm ums Herz bei dem Gedanken an sie. Sie war das edelste Mädchen. Gott lasse sie mich finden! ... Ej, die Zeiten in Lubnie waren doch gut, sie kehren niemals wieder. Es wird wohl auch kaum jemals einen zweiten Führer geben, wie unser Fürst Jeremias war. Da war man sicher, daß jedem Treffen der Sieg folgte. Radziwill ist ein großer Krieger, aber man dient ihm nicht so von ganzem Herzen, denn ihm fehlt die väterliche Fürsorge des Fürsten Jeremias für die Soldaten und er gestattet keine Vertraulichkeit, weil er sich für ein Stück Monarchen hält, obgleich die Wisniowiezki nichts schlechter sind als die Radziwill.«

»Das ist Nebensache!« sagte Johann Skrzetuski. »Gegenwärtig ruht in seiner Hand die Errettung des Vaterlandes, und da er bereit ist, diesem Werke sein Leben zu opfern, so segne ihn Gott.«

So unterhielten sich die Ritter auf ihrem nächtlichen Ritt. Bald erinnerten sie sich früherer Begebnisse, bald sprachen sie von den jetzigen schweren Zeiten, wo gleichzeitig drei Angreifer die Republik zu erdrücken drohten. Später verrichteten sie ihre Abendgebete, beteten die Litanei, und als sie diese beendet, übermannte sie der Schlummer, so daß sie bald in ihren Sätteln hin und her wiegten.

Die Nacht war hell und warm; zu Tausenden blinkten die Sterne am Firmament, sie schliefen, Schritt für Schritt sich vorwärts bewegend, sehr gut, bis endlich, da es eben zu tagen anfing, zuerst Herr Michael erwachte.

»Meine Herren, öffnet die Augen, Kiejdan ist in Sicht!« rief er.

»Wie? was?« sagte Sagloba, »Kiejdan, wo?«

»Seht dort! dort sieht man die Türme.«

»Es muß eine schöne Stadt sein,« sagte Herr Stanislaus Skrzetuski.

»Eine sehr schöne,« entgegnete Wolodyjowski. »Am hellen Tage könnt ihr euch davon überzeugen.«

»Nicht wahr, sie ist das Besitztum des Fürsten-Wojewoden?«

»Das ist sie. Früher gehörte sie den Kischkows, von welchen sie der Vater des jetzigen Fürsten als Mitgift seiner Frau Anna Kischtschanka, Tochter des Wojewoden von Witebsk, übernahm. In ganz Smudz findet sich keine so saubere Stadt, denn die Radziwills leiden keinen Juden drinnen, höchstens mit besonderer Erlaubnis. Man trinkt dort ausgezeichneten Met.«

Sagloba rieb sich die Augen.

»Ah, da wohnen ja sehr artige Menschen hier. Was ist denn das für ein großer Bau dort auf dem Hügel?«

»Das ist das Schloß, welches erst jetzt zur Zeit des Fürsten Janusch neu erbaut worden ist.«

»Ist es befestigt?«

»Nein, aber es ist eine herrliche Residenz. Man hat es nicht befestigt, denn seit der Zeit der Kreuzritter drang kein Feind bis hierher. Der spitze Giebel, welchen ihr inmitten der Stadt sehet, gehört zur Pfarrkirche. Sie wurde noch zur Zeit des Heidentums von den Kreuzrittern errichtet; später fiel sie in die Hände der Calvinisten, aber der Probst Kobylinski gewann sie durch einen Prozeß gegen den Fürsten Krystof den Katholiken zurück.«

»Dafür sei Gott gelobt!«

Unter diesen Gesprächen waren sie bis zu den ersten Häusern der Vorstadt gekommen. Es war inzwischen immer heller geworden, die Sonne stieg eben herauf. Die Ritter betrachteten neugierigen Blickes die unbekannte Stadt und Herr Wolodyjowski erzählte weiter:

»Dieses hier ist die Judenstraße, wo diejenigen Juden wohnen, denen erlaubt ist, in der Stadt zu bleiben. Wenn man hier geradeaus geht, kommt man auf den Marktplatz. Oho! die Menschen erwachen schon und treten vor die Thüren. Seht nur, da steht eine Menge Pferde vor den Schmieden; die Leute tragen nicht die Radziwillschen Farben. Es muß eine Zusammenkunft in Kiejdan stattfinden. Hier wimmelt es immer vom Adel und Herren, die oftmals aus fremden Ländern hierher kommen, denn hier ist der Mittelpunkt der Häresie von ganz Smudz. Die Calvinisten kommen alle hier unter dem Schutze Radziwills zusammen und fröhnen sicher ihrem Aberglauben und ihren Gebräuchen. Und – das hier ist der Marktplatz. Seht, ihr Herren, was für eine Uhr auf dem Rathause ist! Die Danziger Rathausuhr soll nicht besser sein. Und dieses, was ihr für eine Kirche mit vier Türmen haltet, das ist die protestantische Kirche, wo sie alle Sonntage Gott lästern, und das dort die lutherische Kirche. Denkt nur nicht, daß die Einwohner hier Polen oder Litauer sind, durchaus nicht! Nur Deutsche und Schotten wohnen hier, vorwiegend Schotten! Sie geben vorzügliche Fußsoldaten ab und führen besonders die Streitäxte gut. Der Fürst hat auch ein Schottenregiment aus Kiejdaner Freiwilligen gebildet. Hah, was giebt es hier Planwagen auf dem Markte! Es muß eine Versammlung stattfinden. Gasthäuser sind hier in dieser Stadt gar nicht, man sucht nur bei Bekannten ein Unterkommen, der Adel fährt ins Schloß, welches Nebengebäude von großem Umfange hat, die nur zur Aufnahme der Gäste bestimmt sind. Dort wird jeder gastfrei aufgenommen und auf Kosten des Fürsten bewirtet, und bliebe er auch ein Jahr. Manche verbringen ihr ganzes Leben hier.«

»Ich wundere mich, daß der Blitz noch nicht in die protestantische Kirche gefahren ist,« sagte Sagloba.

»Ihr redet, als ob ihr wüßtet, daß das schon geschehen ist. Mitten zwischen den vier Türmen befand sich eine Kuppel in der Form einer Mütze. In diese schlug einst der Blitz und vernichtete sie spurlos. Hier in einer unterirdischen Gruft liegt der Vater des Fürsten-Stallmeisters Boguslaw, Janusch, derselbe, welcher sich an einem Aufstande gegen Sigismund den Dritten beteiligte. Sein eigener Haiduck spaltete ihm den Schädel und er ging so elend zu Grunde, wie er sündhaft gelebt hatte.«

»Was ist das hier für ein weitläufiges Gebäude, das wie ein Schuppen aussieht?« fragte Johann.

»Das ist die Papierfabrik, die der Fürst angelegt hat, und hier gleich nebenan die Druckerei, in welcher die häretischen Bücher gedruckt werden.«

»Pfui!« rief Sagloba. »Die Pest über die Stadt, wo man keine andere als häretische Luft zu atmen bekommt. Hier könnte ebenso gut Luzifer als Radziwill residieren.«

»Lästert den Fürsten nicht, Herr!« antwortete Wolodyjowski. »In kurzem kann das Vaterland ihm leicht seine Befreiung danken.«

Sie ritten schweigend weiter, die Stadt betrachtend und sich über die darin herrschende Ordnung wundernd. Die Straßen waren alle gepflastert, was zu jener Zeit etwas noch Ungewöhnliches war.

Nachdem sie den Marktplatz und die Schloßstraße passiert hatten, erblickten sie auf einer Anhöhe das vom Fürsten Janusch neu erbaute herrliche Residenzschloß, welches zwar nicht befestigt war, aber durch seinen kolossalen Umfang alle anderen Schlösser und Paläste überragte. Dasselbe stand auf einem Hügel und schaute stolz auf die zu seinen Füßen liegende Stadt. Zu beiden Seiten des Hauptgebäudes liefen zwei lange niedrigere Flügel aus, welche sich im rechten Winkel brachen und auf diese Weise einen riesigen Schloßhof bildeten, der von vorn durch ein in lange Spitzen auslaufendes eisernes Gitter abgeschlossen wurde. In der Mitte des Gitters erhob sich ein mächtiges, gemauertes Thor, auf welchem das Wappen der Radziwills und das der Stadt Kiejdan prangten. Das letztere zeigte eine Adlerklaue und einen schwarzen Flügel auf goldenem Felde; an der Klaue hing ein Hufeisen mit drei roten Kreuzen. Unten im Thore lag die Wache, welche schottische Trabanten mehr zur Parade als zum Schutz bezogen hatten.

Trotz der frühen Morgenstunde herrschte auf dem Schloßhofe schon reges Leben, denn vor dem Hauptgebäude exerzierte eine Schwadron Dragoner, in himmelblaue Kollets und schwedische Helme gekleidet. Die lange Reihe stand eben unbeweglich mit gezogenen Rapieren, während der Offizier, vor der Front auf- und niederreitend, etwas zu den Soldaten sprach. Rings um die Dragoner und weiter an den Wänden gafften eine Menge Diener in verschiedenen Livreen die Soldaten an, indem sie Bemerkungen gegeneinander austauschten.

»So wahr ich Gott liebe!« sagte Herr Michael, »dort hält Charlamp Musterung über die Dragoner.«

»Wie?« rief Sagloba, »derselbe, mit welchem ihr einen Zweikampf ausfechten solltet, damals während der Königswahl in Lipkowo?«

»Derselbe. Aber wir leben seitdem im besten Einvernehmen.«

»Ach, es ist wahr!« sagte Sagloba. »Ich erkenne ihn an der Nase, die unter dem Helm hervorragt. Es ist gut, daß die Visiere nicht mehr gebräuchlich sind, denn dieser Ritter würde keines zu schließen vermögen; aber – er braucht auch so einen besonderen Schutz für seine Nase.«

Unterdes trabte Herr Charlamp, welcher Herrn Wolodyjowski erblickt hatte, heran.

»Wie geht es dir, lieber Michael,« rief er. »Wie gut, daß du da bist.«

»Und noch besser, daß ich dich zuerst hier treffe. Hier ist Herr Sagloba, welchen du in Lipkowo kennen lerntest, bah, was sage ich, noch vorher in Siennitz, und diese hier sind die Herren Skrzetuski Johann, Rittmeister der königlichen Husaren, der Sbarascher Held ...«

»Mein Gott, da habe ich ja den größten Ritter Polens vor mir!« rief Charlamp aus. »Ich bezeuge euch meine Ehrfurcht!«

»Und das ist Stanislaus, Rittmeister von Kalisch,« fuhr Herr Wolodyjowski fort, »welcher direkt von Uschz kommt.«

»Von Uschz? Ihr habt also diese entsetzliche Schmach mit angesehen? ... Wir wissen bereits, was dort geschehen ist.«

»Eben deswegen, weil das dort geschehen ist, bin ich hierher gekommen, in der Hoffnung, daß hier dergleichen nicht geschehen wird.«

»Seid dessen gewiß, mein Herr. Radziwill ist nicht Opalinski.«

»Dasselbe sagten wir gestern in Upit.«

»Ich heiße die Herren auf das freudigste willkommen in meinem und des Fürsten Namen. Der Fürst-Wojewode wird sich freuen, solche Ritter hier zu sehen; er hat sie sehr nötig. Kommt mit mir ins Zeughaus, wo ich mein Quartier habe. Ihr wollt euch gewiß umkleiden und stärken und ich werde euch dabei Gesellschaft leisten, denn die Uebungen sind zu Ende.«

Indem er das sagte, sprengte Charlamp zurück zu den Gliedern und kommandierte kurz mit lauter Stimme:

»Links um! Kehrt! – nach Hause!«

Die Hufe klirrten auf dem Pflaster. Das Glied teilte sich, die Hälften teilten sich wieder, bis sich Karrees gebildet hatten, welche sich langsamen Schrittes nach der Seite des Zeughauses zu entfernten.

»Das sind tüchtige Soldaten,« sagte Skrzetuski, mit Kennerblicken die mechanischen Bewegungen der Dragoner betrachtend.

»Das sind alles Klein-Adlige und Bojarenkinder aus der Pußta, welche unter dieser Waffe dienen,« entgegnete Herr Wolodyjowski.

»O Gott! man sieht gleich, daß es nicht Heerbannisten sind!« rief Herr Stanislaus.

»Aber daß Charlamp sie kommandiert?« fragte Herr Sagloba. »Irre ich denn; daß er bei der Piatyher-Fahne diente und die silberne Schleife auf der Schulter trug?«

»Es ist richtig,« sagte Wolodyjowski. »Aber er kommandiert schon seit ein paar Jahren eine Schwadron Dragoner. Er ist ein alter, geriebener Soldat.«

Nachdem Charlamp die Dragoner fortgeschickt, näherte er sich unseren Rittern wieder.

»Ich bitte die Herren mit mir ... Dort, hinter dem Schlosse, ist das Zeughaus.«

Nach einer halben Stunde saßen alle Fünf bei einer Schüssel Warmbier, welches gut mit Sahne abgezogen war, und plauderten vom neuen Kriege.

»Was hört man bei euch?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Bei uns hört man täglich etwas anderes, denn die Menschen erschöpfen sich in Vermutungen und verbreiten alle Augenblicke eine andere Neuigkeit,« entgegnete Charlamp. »In der That weiß nur der Fürst allein, was geschehen wird. Er brütet über einem Entschluß, denn obgleich er Fröhlichkeit simuliert und zu den Leuten so gnädig ist, wie noch nie, so ist er doch sehr in Gedanken verloren. Man sagt, er schläft in der Nacht nicht und durchschreitet schweren Schrittes die Gemächer, hält laute Selbstgespräche und schließt sich stundenlang mit Harasimowitsch ab.«

»Wer ist Harasimowitsch?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Das ist der Gouverneur von Jabludowo in Podlachien, keine bedeutende Figur. Er sieht aus, als ob er den Teufel im Nacken hätte, ist aber des Fürsten Vertrauter und kennt alle seine Pläne. Nach meiner Ueberzeugung haben wir diesen furchtbaren schwedischen Krieg, welchen wir alle beseufzen, seinem Rat zu verdanken. Fortwährend laufen Briefe vom Herzog von Kurland, von Chowanski und dem Kurfürsten ein. Es giebt Leute, welche meinen, der Fürst verhandle mit Rußland, um es zu einem Bündnis gegen die Schweden zu bewegen. Andere behaupten das Entgegengesetzte. Mir aber will scheinen, daß mit niemandem ein Bündnis zustande kommt, nur Krieg, mit diesem oder jenem, wie ich schon sagte. Es zieht immer mehr Militär hierher, man sendet Briefe an den dem Radziwillschen Hause am meisten ergebenen Adel mit der Aufforderung, sich hierher zu begeben. Ueberall wimmelt es von Bewaffneten ... Ei, meine Herren! wen das Unwetter trifft, den zermalmt es. Wir werden die Arme bis an die Ellenbogen in Blut tauchen, denn wo Radziwill erst zu Felde zieht, da haben die Verhandlungen ein Ende.«

»Das ist es! das ist es!« sagte Sagloba händereibend. »Es klebt schon genug schwedisches Blut an meinen Händen, jetzt soll noch mehr daran kleben bleiben. Von den alten Soldaten, welche meiner noch von Puzk und Schönlanke her gedenken, leben nicht viele mehr; aber die, welche leben, werden mich niemals vergessen.«

»Und ist Fürst Boguslaw hier?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Gewiß ist er hier. Außerdem erwarten wir heute hohe Gäste, denn man räumt die oberen Gemächer aus und abends soll ein Bankett im Schlosse stattfinden. Ich bezweifle, Michael, daß du heute beim Fürsten vorgelassen wirst.«

»Er hat mich selbst auf heute bestellt.«

»Das hat nichts zu bedeuten; er ist sehr beschäftigt. Dazu ... ich weiß nicht, ob ich zu den Herren davon sprechen darf ... doch nach einer Stunde werden es alle wissen ... ich sage es also ... Hier bereiten sich außerordentliche Dinge vor ...«

»Was giebt es? was giebt es?« fragte Herr Sagloba.

»Ihr müßt wissen, daß vor zwei Tagen Herr Judyzki, ein Malteser-Ritter, hier angekommen ist; ihr müßt von ihm schon gehört haben.«

»Gewiß haben wir das,« sagte Johann, »er ist ein großer Ritter!«

»Gleich nach ihm traf auch der Herr Feldhauptmann Gosiewski ein. Wir wunderten uns sehr, denn es ist bekannt, in welcher Feindschaft der Herr Feldhauptmann mit unserem Fürsten lebt. Manche freuten sich, daß zwischen diesen Herren Friede geschlossen worden, und sagten, daß dies die schwedische Inkursion zustande gebracht hat. Ich selbst glaubte es. Unterdessen schlossen sich die Dreie zur Beratung ein und verschlossen die Thüren so fest, daß niemand hören konnte, was dort besprochen wurde. Herr Krepstul allein, welcher die Wache im Vorzimmer hatte, erzählte uns, sie hätten sehr laut gesprochen, besonders der Feldhauptmann. Später führte sie der Fürst selbst in ihre Gemächer, und über Nacht, stellt euch vor, meine Herren«, hier dämpfte Herr Charlamp seine Stimme, »hat man einem jeden eine Wache vor die Thüre gestellt.«

Herr Wolodyjowski sprang auf.

»Um Gotteswillen! Das ist unmöglich!«

»Und doch ist es so! ... Bei einer und der anderen Thüre stehen Schotten mit Büchsen und haben bei Todesstrafe Befehl, niemanden hinein und heraus zu lassen.«

Die Ritter sahen einander verwundert an und Herr Charlamp wunderte sich nicht weniger über die eigenen Worte. Er blickte die Herren mit weit aufgerissenen Augen an, als erwarte er von ihnen die Lösung des Rätsels.

»Das bedeutet, daß der Herr Schatzmeister gefangen ist ... Der Großhetman hält den Feldhauptmann gefangen,« sagte Sagloba, »was soll das heißen?«

»Wenn ich es wüßte! Und Judyzki, ein solcher Ritter!«

»Die Offiziere des Fürsten mußten doch darüber sprechen, nach den Gründen forschen? ... Hast du nichts gehört?«

»Ich fragte noch gestern Nacht den Harasimowitsch ...«

»Und was sagte er euch?« fragte Sagloba.

»Nichts sagte er; er legte nur den Finger auf den Mund und sagte: Das sind Verräter!«

»Wie, Verräter? ... Verräter?« rief, sich an den Kopf fassend, Herr Wolodyjowski. »Weder der Herr Schatzmeister ist ein Verräter, noch der Judyzki. Die ganze Republik kennt sie als brave Männer, welche das Vaterland lieben.«

»Heutzutage kann man niemandem mehr trauen,« versetzte düster Stanislaus Skrzetuski. »Nannte man den Krystof Opalinski nicht einen zweiten Cato? War er es nicht, welcher anderen ihre Fehler und Gebrechen stets vorwarf? ... Und war er es nicht, der, als es galt, seine Vaterlandsliebe zu zeigen, dasselbe zuerst verriet, und nicht nur in eigener Person, sondern noch eine ganze Provinz mit in den Verrat hineinzog?«

»Aber ich bürge für den Herrn Schatzmeister und Herrn Judyzki mit meinem Kopfe!« rief Wolodyjowski.

»Laßt euren Kopf für niemanden, Herr Michael,« erwiderte Sagloba. »Man hat sie wohl nicht ohne Grund eingesperrt. Sie müssen irgend etwas verbrochen haben, anders ist es nicht ... Wie sollte es auch? Der Fürst rüstet sich zu einem furchtbaren Kriege, zu welchem ihm jede Hilfe recht ist. Wen sollte er daher verhaften, wenn nicht diejenigen, welche ihm ein Hindernis bei diesen Rüstungen sind. Und wenn sie ihm in Wirklichkeit hinderlich waren, so sei Gott gelobt, daß man ihnen zuvorkommt. Sie verdienen dann, eingesperrt zu sitzen ... Ha! die Schelme! ... In solchen Zeiten sich mit dem Feinde zu vertragen, das Vaterland zu verfolgen, einem so großen Krieger seine Absichten durchkreuzen zu wollen. Bei der heiligsten Mutter, es ist noch gering, was sie betroffen hat.«

»Das sind so wunderbare Dinge, daß man sie gar nicht fassen kann,« sagte Charlamp, »denn abgesehen davon, daß sie hohe Reichsbeamte sind, so hat man sie ohne Urteil verhaftet, ohne sie vor ein Gericht zu stellen, ohne Wissen und Willen der Republik, eine That, zu welcher nicht einmal der König selbst berechtigt ist.«

»So ist es!« rief Herr Michael.

»Man merkt es; der Fürst will römische Sitten bei uns einführen,« sagte Stanislaus Skrzetuski, »und während des Krieges Diktator sein.«

»Ach, laß ihn meinetwegen auch Diktator sein, wenn es ihm nur gelingt, die Schweden zu vertreiben,« erwiderte Sagloba. »Ich selbst bin der erste, welcher dafür stimmt, daß ihm die Diktatur übertragen wird.«

Johann Skrzetuski saß gedankenvoll da und sagte nach einer Weile:

»Wenn er nur kein Protektor werden will wie jener Engländer Cromwell, der sich nicht scheute, die ruchlose Hand gegen den eigenen Herrn zu erheben.«

»Bah, Cromwell! Cromwell, der Gottesleugner!« rief Sagloba aus.

»Und der Fürst-Wojewode?« fragte Herr Johann Skrzetuski ernst.

Darauf schwiegen alle ängstlich eine Weile, blickten ernst in eine düstere Zukunft, nur Herr Charlamp sagte gleich ärgerlich:

»Ich diente unter dem Fürst-Wojewoden seit meiner Jugend, obgleich ich wenig jünger bin als er. Als Jüngling war er mein Rittmeister, später Feldhauptmann, jetzt Großhetman. Ich kenne ihn besser, als die Herren ihn kennen, und achte und liebe ihn; deshalb bitte ich, vergleicht ihn nicht mit Cromwell, damit ich euch nicht etwas zu sagen gezwungen bin, was mir als eurem Wirt in meinem Quartier zu sagen nicht zukommt.«

Dabei zuckte er gewaltig mit dem Schnurrbart und blickte etwas von oben herab auf den Herrn Johann, was wieder zur Folge hatte, daß Herr Wolodyjowski ihn scharf und kalt ansah, als wollte er sagen: »Schnauze nur noch!«

Der Schnurrbart senkte sich auch sogleich, denn Herr Charlamp schätzte den Herrn Michael außerordentlich: übrigens war es gefährlich, mit ihm anzubändeln, deshalb sprach er in sanfterem Tone weiter:

»Der Fürst ist zwar ein Calvinist, aber er hat doch den wahren Glauben nicht erst um des falschen willen verworfen, sondern ist als Calvinist geboren. Er wird niemals weder ein Cromwell, noch ein Wadziajowski oder Opalinski werden, und sollte Kiejdan in die Erde versinken. Das ist kein falsches Blut, kein ehrloses Geschlecht.«

»Wenn ein Teufel in ihm steckte und er Hörner hätte, um so besser,« sagte Sagloba. »Er könnte damit die Schweden schrecken.«

»Aber daß Herr Gosiewski und Herr Judyzki verhaftet sind? ... nein! nein!« sagte kopfschüttelnd Wolodyjowski, »der Fürst geht mit seinen Gästen, die ihm vertraut haben, nicht gnädig um.«

»Wie du doch sprichst, Michael!« entgegnete Charlamp. »Er ist jetzt so gnädig, wie er sein Leben lang nicht war ... Er ist ein wahrer Vater der Ritterschaft. Gedenkst du noch, wie er früher ewig die Stirn runzelte und sein Mund nur das Wort »Dienst« kannte? Man fürchtete weit mehr, seiner Majestät zu nahen, als der des Königs. Jetzt kommt er täglich zu den Offizieren und Gemeinen, unterhält sich mit ihnen und fragt einen jeden nach seiner Familie, den Kindern, dem Vermögen, ruft sie bei ihren Namen und forscht sie aus, ob ihnen im Dienst kein Unrecht geschieht. Er, der unter den größten Herren seinesgleichen nicht leidet, ging gestern, nein, vorgestern mit dem jungen Kmiziz Arm in Arm. Wir wollten unseren Augen nicht trauen, denn wenn auch die Kmiziz ein vornehmes Geschlecht sind, so ist er doch noch ein Jüngling und zudem ein mit aller Schuld belasteter, was du ja am besten weißt.«

»Ich weiß, ich weiß!« sagte Wolodyjowski. »Ist Kmiziz schon lange hier?«

»Jetzt ist er gar nicht hier, denn gestern ritt er nach Tschejkisch, um das Regiment Fußsoldaten zu holen, das dort steht. Niemand steht jetzt in solcher Gunst als Kmiziz. Als er fortritt, sah ihm der Fürst noch eine Weile nach, dann sagte er: Dieser Mensch ist zu allein zu gebrauchen und imstande, den Teufel selbst am Schwanze festzuhalten, wenn man es ihm befiehlt! Wir haben dies mit eigenen Ohren vernommen, Kmiziz hat aber auch eine Fahne zusammengebracht, wie eine zweite im ganzen Heere nicht zu haben ist. Leute und Pferde wie aus einem Guß.«

»Darüber ist nicht zu streiten; er ist ein tüchtiger Soldat und in der That zu allem bereit,« antwortete Michael.

»Er soll ja im letzten Feldzuge Wunder vollbracht haben, so daß ein Preis auf seinen Kopf gesetzt war. Er kommandierte ein Korps Freiwilliger und führte Krieg auf eigene Faust.«

Hier wurde die Unterhaltung durch den Eintritt einer neuen Gestalt unterbrochen. Es war dies ein Edelmann um die vierziger Jahre alt, klein, dürr und beweglich, sich windend wie ein Peisker, mit kleinem Gesicht, schmalen Lippen, die mit einem dünnen Bärtchen bewachsen waren, und etwas schiefen Augen. Er trug einen Drillichrock mit so langen Aermeln, daß sie die Hände ganz bedeckten. Als er eintrat, bückte er sich tief und richtete sich dann plötzlich so gerade auf, als wäre er von einer Feder in die Höhe geschnellt, worauf er sich noch einmal tief verneigte, den Kopf verdrehte, als hole er denselben unter dem eigenen Arm hervor, und fing dann schnell an zu sprechen mit einer Stimme, welche an das Knarren einer alten verrosteten Wetterfahne erinnerte:

»Ich falle zu Füßen, Herr Charlamp, zu Füßen, ach! zu Füßen, Herr Obrist, euer unterthänigster Diener!«

»Zu Füßen, Herr Harasimowitsch,« antwortete Charlamp. »Was wünscht ihr denn?«

»Gott hat euch Gäste gesandt, ansehnliche Gäste. Ich komme, ihnen meine Dienste anzubieten und ihre Namen zu erfragen.«

»Sind sie denn zu euch gekommen, Herr Harasimowitsch?«

»Sicherlich nicht zu mir, denn ich bin dessen nicht würdig ... Aber da ich den abwesenden Hofmarschall vertrete, so komme ich, sie zu begrüßen, ehrfurchtsvoll zu begrüßen.«

»Es fehlt euch noch viel zum Marschall,« sagte Charlamp, »denn der Marschalls-Hut ist ein erbliches Hofamt und ihr seid – mit Verlaub – der Starost von Sablud.«

»Ein Diener der Diener Radziwills! So ist es, Herr Charlamp. Ich verleugne das nicht, Gott bewahre ... Aber da der Fürst, welcher von euren Gästen gehört hat, mich herschickt, zu fragen, wer sie seien, so werdet ihr mir antworten, Herr Charlamp, sogleich antworten, und wäre ich nur ein Haiduck, nicht einmal der Starost von Sablud.«

»Sogar einem Affen würde ich antworten, wenn er mit diesem Befehl zu nur käme,« sagte der Nasenkönig. »Hört also und notiert euch die Namen, wenn euer Verstand nicht ausreicht, sie zu behalten. Dieser ist Herr Skrzetuski, der Sbarascher, und sein Vetter Stanislaus.«

»Großer Gott, was höre ich!« rief Harasimowitsch.

»Dieser ist Herr Sagloba.«

»Großer Gott, was höre ich!«

»Wenn ihr beim Klange meines Namens euch schon so entsetzt,« sagte Sagloba, »so stellt euch vor, wie die Feinde im offenen Felde sich vor meinem Schwert entsetzen müssen.«

»Und das hier ist der Herr Obrist Wolodyjowski,« endete Charlamp.

»Auch das ist ein bekannter Ritter und dazu ein Anhänger Radziwills,« sagte, sich verneigend, Harasimowitsch. »Dem Fürsten springt der Kopf vor Arbeit, aber für solche Ritter findet er Zeit, er findet sie sicher ... Unterdessen – doch womit kann ich den Herren dienen? Das ganze Schloß steht zu Diensten, samt dem Weinkeller.«

»Wir hörten schon von dem berühmten Met Kiejdans,« sagte Sagloba eilig.

»Ach ja,« antwortete Harasimowitsch, »die Weine sind auserlesen in Kiejdan. Ich sende sogleich zur Auswahl. Hoffentlich verweilen die Herren längere Zeit hier.«

»Wir kamen hierher in der Absicht, nicht mehr von der Seite des Fürst-Wojewoden zu weichen,« sagte Herr Stanislaus.

»Das ist eine löbliche Absicht, um so löblicher, als die Zeiten schwer sind.«

Indem er das sagte, krümmte sich Harasimowitsch so zusammen, daß es aussah, als sei er eine Elle kürzer geworden.

»Was hört man,« fragte Charlamp. »Giebt es nichts neues?«

»Der Fürst hat die ganze Nacht kein Auge geschlossen, denn es sind zwei Boten angekommen. Es steht schlecht, immer schlechter. Karl Gustav hat nach Wittemberg schon die Republik betreten. Posen ist besetzt, ganz Großpolen ist besetzt, Masowien wird bald besetzt werden, die Schweden sind schon in Lowitsch, dicht bei Warschau. Unser König hat Warschau verlassen und die Stadt schutzlos preisgegeben. Heute oder morgen werden die Schweden dort einziehen. Man spricht sogar davon, daß er auch eine bedeutende Schlacht verloren hat, daß er nach Krakau fliehen und von dort aus fremdländische Hilfe erbitten will. Es steht schlimm, meine Herren! Trotzdem giebt es solche, welche sagen, es sei gut so, denn die Schweden sind nicht gewaltthätig, halten, was sie versprechen, schützen die Freiheit, ziehen keine Steuern ein und stören die Ausübung der Religionsgebräuche nicht. Deswegen lassen sich alle gern die Schirmherrschaft Karl Gustavs gefallen ... Unser Herr Johann Kasimir hat schwer gesündigt, schwer ... Für ihn ist alles verloren, alles! ... Es ist zum Weinen, aber alles ist verloren!«

»Was zum Teufel windet ihr euch wie ein Peisker, den man in den Topf stecken will,« donnerte Sagloba, »und sprecht vom Unglück, als hättet ihr ein Wohlgefallen daran?«

Harasimowitsch that, als ob er nicht höre, und die Augen in die Höhe richtend, wiederholte er mehrere Male:

»Alles ist verloren, auf ewig verloren! Dreien Kriegen kann die Republik nicht Stand halten ... Verloren! ... Gottes Wille! ... Gottes Wille! ... Unser Fürst allein kann Litauen retten.«

Die unheilverkündenden Worte waren noch nicht verklungen, als Harasimowitsch so eilig hinter der Thür verschwand, als wäre er in die Erde versunken. Die Ritter aber blieben düster gestimmt und von der Last finsterer Gedanken niedergedrückt, zurück.

»Es ist zum Verrücktwerden!« schrie Wolodyjowski endlich.

»Ihr habt recht,« sagte Stanislaus. »Gott gebe den Krieg, den Krieg sobald als möglich, damit wir nicht in Vermutungen zu Grunde gehen, die Seele nicht der Verzweiflung erliegt und wir dreinschlagen können.«

»Man wird am Ende noch die ersten Zeiten der Chmielnizki-Kämpfe herbeisehnen, denn damals gab es wohl Elend genug, aber keine Verräter,« sagte Sagloba.

»Drei so furchtbare Feinde, da, die Wahrheit zu gestehen, wir kaum Kräfte genug für einen haben!« sagte Stanislaus.

»Nicht die Kräfte fehlen uns, nur die Begeisterung,« sagte Johann düster. »Gott gebe, daß wir hier Besseres erwarten.«

»Ich werde erst auf dem Schlachtfelde aufatmen!« sagte Stanislaus.

»Wenn man nur erst diesen Fürsten sehen könnte!« rief Sagloba.

Sein Wunsch sollte bald erfüllt werden. Nach einer Stunde erschien Harasimowitsch wieder unter noch tieferen Bücklingen mit der Nachricht, daß der Fürst die Herren bald zu sehen wünsche.

Sie waren bereits angekleidet und gingen sogleich mit. Nachdem Harasimowitsch sie aus dem Zeughause geleitet, führte er die Ritter über den Schloßhof, welcher mit Soldaten und adligen Herren angefüllt war. Stellenweise wurde eifrig debattiert, jedenfalls über dieselben Neuigkeiten, welche der Starost von Sablud ihnen überbracht. Aus allen Gesichtern malte sich fieberhafte Unruhe und eine fieberhafte Erwartung. Einzelne Gruppen Offiziere und Adlige horchten den Rednern zu, welche, in ihrer Mitte stehend, lebhaft gestikulierten. Hier und da hörte man die Rufe: Wilna brennt! ... Wilna ist verbrannt! ... Keine Spur, kein Aschenhaufen blieb übrig davon! ... Warschau ist genommen! ... Es ist nicht wahr, es ist noch nicht genommen! ... Die Schweden sind schon in Kleinpolen! Die Sieradzer wollen Widerstand leisten! ... Sie leisten ihn nicht! Sie folgen dem Beispiel der Großpolen! Verrat! Unglück! O Gott, Gott! Man weiß nicht, wohin mit den Händen, mit dem Säbel!

Solche Worte, die einen immer schrecklicher als die anderen, drangen zu den Ohren der Ritter, welche sich hinter Harasimowitsch nur mühsam zwischen den Gruppen durchdrängen konnten. An manchen Stellen wurde Herr Wolodyjowski von Bekannten begrüßt: »Wie geht es dir, Michael? Mit uns steht es schlecht! Wir sind verloren! Ich grüße euch, Herr Obrist! Was für Gäste führt ihr da zum Fürsten?« Herr Michael antwortete auf diese Zurufe nicht, um keinen Aufenthalt zu veranlassen. So gelangten sie zum Hauptgebäude, vor welchem die fürstlichen Janitscharen in Ringelpanzern und mächtigen weißen Mützen Wache hielten.

Im Flur und auf der Haupttreppe, welche mit Orangenbäumen besetzt war, wurde das Gedränge noch größer als im Hofe. Hier wurde die Verhaftung Gosiewskis und des Kavaliers Judyzki besprochen. Die Sache war schon herausgekommen und verwirrte die Sinne aufs Höchste. Man wurde nachdenklich, verlor sich in Vermutungen, empörte sich und lobte gleichzeitig die Umsicht des Fürsten. Alle aber hofften, die Erklärung des Rätsels aus dem Munde des Fürsten selbst zu erfahren, deshalb drängte die Kopf an Kopf gereihte Menge die breiten Stufen hinauf in den Audienzsaal, in welchem der Fürst eben die Hauptleute und den angeseheneren Adel empfing. Die an der steinernen Brüstung aufgestellten Trabanten hatten Acht, daß das Gedränge nicht zu groß wurde, und riefen alle Augenblicke: »Langsam, meine Herren, langsam!« Und die Menge schob sich vorwärts oder blieb auf Augenblicke stehen, je nachdem die Trabanten den Weg mit der Hellebarde absperrten, um den Voranschreitenden Zeit zu lassen, in den Saal zu treten.

Endlich sah man durch die geöffnete Thür das azurblaue Gewölbe des Saales und unsere Freunde traten über die Schwelle. Ihr Blick fiel zuerst auf eine Estrade in der Tiefe des Saales, welche eine glänzende Versammlung von Rittern und Herren in prächtigen verschiedenfarbenen Kleidern einnahm. Im Vordergründe stand etwas weiter vorgeschoben ein leerer Stuhl mit hoher Rücklehne, welche mit einem vergoldeten Fürstenhut gekrönt war, von dem herab amarantfarbener Sammet mit Hermelin eingefaßt bis auf den Boden niederfloß.

Der Fürst war noch nicht anwesend; Harasimowitsch aber drängte die Ritter mit sich ziehend, durch den versammelten Adel bis zu einer neben der Estrade versteckten kleinen Thür. Dort bat er sie, zu warten, er selbst verschwand hinter der Thür.

Nach einer Weile kehrte er mit der Nachricht zurück, daß der Fürst bitten lasse. Die beiden Skrzetuskis, Herr Sagloba und Wolodyjowski traten nun in ein kleines, sehr helles Gemach, dessen Wände mit Leder ausgeschlagen waren, von dem sich goldschimmernde gepreßte Blumen abhoben. Sie hielten an, als sie in der Tiefe desselben hinter einem mit Papieren bedeckten Tische zwei in ein Gespräch vertiefte Männer erblickten. Der eine von ihnen war noch jung, trug fremdländische Kleider und eine Perücke, deren lange Locken bis auf die Schultern herabfielen. Er flüsterte dem älteren Gefährten etwas ins Ohr, worauf dieser stirnrunzelnd horchte und von Zeit zu Zeit den Kopf schüttelte. Er war so von dem Gegenstand der Unterhaltung in Anspruch genommen, daß er die Angekommenen nicht sogleich bemerkte.

Er war ein etwa vierzigjähriger, riesengroßer und breitschultriger Mann. Ein scharlachroter polnischer Anzug, unter dem Halse mit kostbaren Agraffen zusammengehalten, schmückte ihn. Sein Gesicht war bedeutend, die Züge desselben drückten Stolz, ernste Würde und Macht aus. Das war das Antlitz eines erzürnten Löwen, eines Kriegers und Regenten zugleich. Ein langer, nach unten hängender Schnurrbart gab ihm einen düsteren Ausdruck und in seiner ganzen Macht und Größe erschien es unter dem Einfluß großer Eindrücke wie aus Marmor gemeißelt. Die Stirn war augenblicklich von der angestrengten Aufmerksamkeit leicht gerunzelt. Man konnte aber leicht erraten, daß sie, in Zornesfalten gelegt, demjenigen Verderben verheißend entgegenblicken mußte, welcher diesen Zorn geweckt hatte.

In der ganzen Erscheinung lag etwas so großes, daß sie für das Gemach, ja für das ganze Schloß zu groß schien. Und dieser erste Eindruck täuschte auch nicht. Vor ihnen saß Janusch Radziwill, Fürst auf Birz und Dubinek, Wojewode von Wilna und Großhetman von Litauen, dieser stolze und mächtige Herr, für dessen hochaufstrebenden Sinn seine sämtlichen ungeheuren Besitzungen, alle Würden und Aemter, ja ganz Smudz und Litauen noch zu enge waren.

Sein jüngerer Gefährte in der langen Perücke und den fremdländischen Kleidern war der Fürst Boguslaw, der Vetter des Fürsten Janusch, Stallmeister des Großfürstentums Litauen.

Eine Weile noch flüsterte er in das Ohr des Großhetmans, zuletzt sagte er laut:

»Ich lasse also das Dokument mit meiner Unterschrift hier und reise ab.«

»Wenn es nicht anders sein kann, so mögen Ew. Durchlaucht reisen,« sagte Janusch, »obgleich es mir lieber wäre, ihr bliebet hier. Man kann nicht wissen, was geschieht.«

»Durchlaucht haben alles so wohl überlegt; dort aber ist es notwendig, die Sachen selbst zu ordnen, deshalb Gott befohlen.«

»Gott schütze unser ganzes Haus und bringe es zu Ehren.«

» Adieu, mon frère

» Adieu

Die beiden Fürsten schüttelten sich die Hände, der Fürst-Stallmeister verließ eilfertig das Gemach und der Großhetman wandte sich den Angekommenen zu.

»Verzeiht, meine Herren, daß ich euch warten ließ,« sagte er langsam mit tiefer Stimme. »Meine Zeit und Aufmerksamkeit sind jetzt zu sehr geteilt. Ich habe eure Namen schon gehört und freue mich von ganzem Herzen, daß Gott zu so ernster Stunde mir solche Männer sendet. Nehmt Platz, liebe Gäste. Welcher von den Herren ist Johann Skrzetuski?«

»Ich bin es, zu dienen, Durchlaucht,« sagte Johann.

»Ihr seid ein Starost ... ei, das habe ich vergessen.«

»Ich bin kein Starost,« antwortete Johann.

»Wie?« sagte der Fürst, seine mächtige Stirn runzelnd, »man hat euch keine Starostei gegeben für das, was ihr bei Sbarasch gethan habt?«

»Ich habe mich nie darum bemüht.«

»Man hätte sie euch ohne dies geben müssen. Wie? Was sagt ihr? Man hat eure Dienste gar nicht belohnt? Ganz daran vergessen? Das wundert mich. Aber ich muß mich verbessern; das darf niemanden wundern, denn jetzt werden ja nur diejenigen belohnt, welche einen Katzenbuckel haben. Ihr seid also kein Starost, ich bitte! ... Gott sei Dank, daß er euch hierher führte, wir haben hier kein so kurzes Gedächtnis, hier bleibt kein Dienst unbelohnt, auch der eure nicht, mein Herr Obrist Wolodyjowski.«

»Ich habe noch keinen Lohn verdient ...«

»Ueberlaßt das mir. Einstweilen nehmt dieses Dokument, welches bereits in Rosienic ausgefertigt wurde; es sichert euch Dydkiem auf Lebenszeit zu. Das Gut ist kein schlechtes Stück Land und hundert Pflüge ziehen jeden Lenz hinaus, es zu bearbeiten. Nehmt fürlieb damit, mehr habe ich jetzt nicht zu vergeben, und sagt dem Herrn Skrzetuski, daß Radziwill weder seine Freunde, noch diejenigen vergißt, welche unter seiner Führung dem Vaterlande dienten!«

»Durchlaucht!« stotterte Herr Michael verwirrt.

»Schweigt und vergebt, daß es so wenig ist. Aber sagt diesen Herren, daß der nicht verloren geht, der sein Geschick mit dem Radziwills im Guten und Bösen verbindet. Ich bin nicht der König, aber wenn ich es wäre, ich könnte niemals einen Johann Skrzetuski und einen Sagloba vergessen.«

»Das bin ich!« sagte Sagloba, rasch vortretend. Der Ritter war schon ungeduldig geworden, daß bisher noch nicht von ihm die Rede gewesen war.

»Ich habe das bereits erraten, da ich wußte, daß ihr ein Mann hoch an Jahren seid.«

»Ich habe mit dem Vater Ew. Durchlaucht zusammen die Schule besucht, und da ihm von Kindheit auf ein ungewöhnlicher Rittersinn innewohnte, so zog er mich in sein Vertrauen, denn auch ich zog den Speer dem Latein vor.«

Herr Stanislaus, welcher Herrn Sagloba weniger kannte, war nicht wenig verwundert über das, was er hier hörte. Hatte der alle Ritter doch erst gestern in Upit erzählt, daß er nicht mit dem Fürsten Krystof, sondern mit Janusch selbst in die Schule gegangen sei, was ja unmöglich sein mußte, da Fürst Janusch bedeutend jünger war.

»Ei seht,« sagte der Fürst, »so seid ihr aus Litauen gebürtig?«

»Aus Litauen!« entgegnete Herr Sagloba ohne Verzug.

»Dann rate ich recht, daß ihr noch keinerlei Lohn empfangen habt, denn wir Litauer sind bereits daran gewöhnt, Undank zu ernten ... Bei Gott! wenn ich den Herren geben sollte, was sie verdient haben, es würde für mich nichts übrig bleiben. Das ist unser Schicksal! Wir bringen unser Blut, unser Leben, unser Hab und Gut dar und werden kaum mit einem Kopfnicken bedankt. Doch was sie säen, werden sie ernten ... so will es Gott und die Gerechtigkeit. Ihr, Herr, also habt den berüchtigten Burlaj erschlagen und bei Sbarasch auf einen Hieb drei Köpfe gefällt?«

»Den Burlaj habe ich erschlagen, Durchlaucht,« sagte Sagloba. »Man sagte immer, daß keiner sich mit ihm messen könne; ich wollte daher den Jüngeren zeigen, daß die Tapferkeit in der Republik noch nicht ganz erloschen ist ... Was die drei Köpfe betrifft, so kann das in der Hitze des Gefechtes wohl einmal geschehen sein, bei Sbarasch aber that das ein anderer.«

Der Fürst verstummte eine Weile, worauf er von neuem begann:

»Ist euch die Verachtung, mit der man euch zahlt, nicht schmerzlich, meine Herren?«

»Was ist zu thun, Durchlaucht, selbst wenn es so wäre?« entgegnete Sagloba.

»Tröstet euch, das muß anders werden. Ich bin in eurer Schuld, schon deshalb, weil ihr hergekommen seid, und bin ich auch nicht der König, so bleibt es bei mir nicht bei bloßen Versprechungen.«

»Wir sind nicht um Lohn und Glücksgüter hierhergekommen, Durchlaucht,« sagte Herr Skrzetuski lebhaft und ein wenig stolz. »Weil der Feind das Vaterland bedroht, wollen wir ihm mit unserem Leben zu Hilfe kommen unter einem so bewährten Führer. Mein Vetter Stanislaus sah bei Uschz die Furcht, Unordnung, Schande und Verrat und zuletzt den Triumph der Feinde. Hier wollen wir unter einem großen und treuen Feldherrn dem Könige und dem Vaterlande dienen. Hier soll der Feind keine Siege, keine Triumphe, sondern Elend und Tod finden. Das ist es, warum wir Ew. Durchlaucht unsere Dienste weihen wollen. Wir sind Soldaten, wollen kämpfen und haben es eilig damit.«

»Wenn ihr das wollt, so sollt ihr befriedigt werden,« entgegnete der Fürst ernst. »Ihr werdet nicht lange zu warten brauchen, wenn wir auch zuerst einem anderen Feinde entgegenziehen müssen. Wir müssen die Zerstörung Wilnas rächen. Heute oder morgen rücken wir dorthin aus, und so Gott hilft, zahlen wir die Schuld mit Zinsen heim. Ich will die Herren nicht länger aufhalten, denn ihr bedürft der Ruhe und meiner wartet die Arbeit. Kommt abends in die Gemächer, vielleicht findet ihr angenehme Unterhaltung vor dem Ausmarsch, denn es hat sich eine Menge Mädchen vor dem Kriege unter unseren Schutz nach Kiejdau geflüchtet. Herr Obrist, nehmt die teuren Gäste auf wie im eigenen Hause und denkt daran, daß, was mein, auch euer ist! ... Herr Harasimowitsch, sagt den Herren im Saal, daß ich nicht Zeit habe zu erscheinen. Heute Abend sollen sie alles erfahren, was sie zu wissen wünschen. Lebt wohl, meine Herren, und bleibt die Freunde Radziwills. Es liegt ihm viel an euch.«

Indem er das sagte, reichte der mächtige, stolze Herr allen Vieren der Reihe nach die Hand, als wären sie seinesgleichen. Das finstere Gesicht erhellte ein herzgewinnendes, gnädiges Lächeln und jene Unnahbarkeit, die ihn wie eine finstere Wolke umgab, war gänzlich verschwunden.

»Das ist ein Feldherr, ein Krieger!« sagte Stanislaus, während sie sich wieder durch die im Saal versammelte Menge Adliger drängten.

»Ich gehe durch's Feuer für ihn,« rief Sagloba. »Habt ihr bemerkt, wie er mein Uebergewicht fühlt? ... Wenn dieser Löwe zu brüllen anfängt und ich mit einstimme, wird es den Schweden warm werden. Es giebt keinen zweiten solchen Herrn in der Republik; vergleichen lassen sich mit ihm nur Fürst Jeremi und dann Herr Koniezpolski, der Vater. Das ist nicht das erste beste jener Kastellänchen, welche, der erste seines Geschlechtes, den Senatorenstuhl einnimmt, sich darauf den Hosenboden noch nicht abgesessen hat und doch schon die Nase aufstülpt, den jüngeren Adel »liebe Brüderchen« nennt und sein Konterfei gleich malen läßt, damit er selbst während des Essens seine Senatorenwürde sieht, da es sich nicht verlohnt, zurückzublicken ... Herr Michael, ihr seid zu Vermögen gelangt. Man sieht, daß man nur mit dem Radziwill zusammenzustoßen braucht, um den schäbigen Rock gleich zu vergolden. Hier sind die Beförderungen, wie es scheint, wohlfeiler als bei uns ein Maß Pilze. Man steckt die Hand bei geschlossenen Augen in das Wasser und fängt einen Hecht. Das ist mir ein Herr der Herren. Glückauf, Michael, ihr seid ausgestattet wie die Braut zur Hochzeit. Aber das ist nichts! Wie heißt denn euer lebenslängliches Lehen, Dudkowo oder wie? Die Namen sind so heidnisch in diesem Lande; sie klingen, als ob man Nüsse an die Wand wirft. Aber wenn das Geschenk nur gut ist, so schadet ein wenig Zungenbrechen nicht.«

»Es ist wahr, meine Verhältnisse haben sich aufgebessert, aber wenn ihr meint, daß das Befördern hier so leicht zu erreichen ist, da irrt ihr,« sagte Herr Michael. »Ich hörte oft alte Soldaten über den Fürsten bezüglich dessen klagen; jetzt aber jagt, wie es scheint, unvermutet eine Gnade die andere.«

»Steckt euer Dokument hinter den Gürtel, thut es mir zu Liebe ... Und wenn jemals einer den Fürsten des Undanks bezichtet, so schlagt ihn damit auf den Mund. Ein besseres Argument findet ihr nicht.«

»Ich sehe nur eins klar,« sagte Johann Skrzetuski, »und zwar, daß der Fürst die Menschen zu gewinnen sucht, daß er sich mit Plänen trägt, zu denen er Hilfe braucht.«

»Hast du denn nichts von diesen Plänen gehört?« versetzte Sagloba. »Hat er denn nicht gesagt, daß wir die Zerstörung Wilnas rächen sollen? Man erzählt sich, daß er Wilna beraubt haben soll; er aber will zeigen, daß er nicht nur fremdes Eigentum nicht braucht, sondern bereit ist, das eigene zu opfern ... Das zeigt ein schönes Ehrgefühl. Gott gebe uns mehr solcher Senatoren!«

Unter diesen Gesprächen kamen sie wieder auf den Schloßhof, auf welchem alle Augenblicke bald Abteilungen Reiter, bald eine Gesellschaft bewaffneten Adels, bald Kutschwagen mit hohen Herren aus der Gegend, welche ihre Frauen und Kinder ins Schloß brachten, anlangten.

»Wer weiß, Herr Michael, ihr habt heute einen Glückstag, vielleicht kommt unter all den adligen Damen auch eine Gattin für euch mit,« sagte Herr Sagloba. »Seht einmal! da nähert sich eben eine Kutsche, in welcher etwas Weißes sitzt.«

»Das ist noch nicht meine Zukünftige, aber der, welcher mich einst mit ihr trauen kann,« entgegnete der scharfsehende Herr Wolodyjowski. »Ich erkenne von weitem, daß dort der Bischof Partschewski mit dem Archidiakon Bialosor kommt.«

»Wollen sie wohl den calvinischen Fürsten besuchen?«

»Was bleibt ihnen anderes übrig? Wenn es die öffentlichen Angelegenheiten erfordern, müssen die Herren einander artig entgegenkommen.«

»Ei, wie volkreich es hier ist, wie lebendig!« sagte Herr Sagloba fröhlich. »Man verrostet auf dem Dorfe wie ein alter Schlüssel im Schloß ... Hier kommen uns bessere Zeiten in Erinnerung. Ich will ein Schelm heißen, wenn ich nicht noch heute einem schmucken Mädchen den Hof mache.«

Weitere Ausführungen Saglobas unterbrachen die Soldaten am Thor, welche eben zum Empfange des Bischofs in die Waffen stürzten und sich in zwei Reihen aufstellten. Er fuhr vorüber, mit dem Zeichen des Kreuzes die Soldaten und die umstehende Menge segnend.

»Der Fürst ist ein artiger Herr, daß er dem Bischof Ehren erweist,« sagte Sagloba, »trotzdem er selbst die kirchliche Oberhoheit nicht anerkennt. Gebe Gott, daß es der erste Schritt zur Bekehrung ist.«

»Eh! daraus wird nichts. Seine erste Frau hat sich genug Mühe darum gegeben und starb aus Gram, nichts ausrichten zu können. Aber warum verlassen die Schotten die Wache nicht? Es muß wieder jemand von Bedeutung kommen.«

Man sah auch bald von weitem einen ganzen Zug bewaffneter Soldaten daherkommen.

»Ich erkenne die Dragoner Ganhofs,« sagte Wolodyjowski, »sie führen Wagen in ihrer Mitte.«

Jetzt fingen die Trommeln an zu wirbeln.

»Oho! das muß noch etwas Höheres sein als der Bischof von Smudz,« rief Sagloba.

»Wartet, Herr, hier sind sie schon.«

»Zwei Kutschen in der Mitte.«

»So ist es. In der ersten sitzt Herr Korf, der wendische Wojewode.«

»Was?« rief Johann aus, »das ist ein Bekannter von Sbarasch her ...«

Der Wojewode erkannte sie auch; zuerst den Herrn Wolodyjowski, welchen er öfter sah. Er lehnte sich im Vorüberfahren aus der Kutsche und rief:

»Willkommen, ihr Herren, alte Waffenbrüder! ... Seht, wir bringen Gäste!«

In der zweiten Kutsche, welche das Wappen des Fürsten Janusch schmückte und die mit vier weißen Hengsten bespannt war, saßen zwei Herren von majestätischer Gestalt, fremdländisch gekleidet, mit breitrandigen Hüten, unter denen hervor die Locken blonder Perücken bis auf die Schultern, die mit weißen breiten Spitzenkragen bedeckt waren, herabfielen. Der eine von ihnen, ein sehr dicker Mann, trug einen blonden Spitzbart und einen struppigen Schnurrbart, dessen Enden nach oben gedreht waren. Der zweite, jüngere, ganz schwarz gekleidet, sah weniger ritterlich aus, bekleidete wohl aber gar ein höheres Amt, denn am Halse glänzte ihm eine goldene Kette, an welcher ein Orden herabhing. Beide waren sicher Fremdlinge, denn sie schauten neugierig auf das Schloß, die Menschen und deren Kleidung.

»Was sind das für Teufel?« fragte Sagloba.

»Ich kenne sie nicht, habe sie niemals gesehen,« antwortete Wolodyjowski.

Da fuhr eben die Karosse vorbei und umkreiste den Schloßhof, um vor dem Hauptportale vorzufahren, während die Dragoner vor den Thoren zurückblieben.

Wolodyjowski erkannte den befehlshabenden Offizier.

»Tokaschewitsch!« rief er, »kommt doch einmal herüber!«

»Zu dienen, Herr Obrist!«

»Was für eine Sippschaft bringt ihr da?«

»Es sind Schweden.«

»Schweden?«

»Jawohl, und vornehme Leute. Der Dicke ist der Graf Löwenhaupt und jener Schlanke, das ist Benedikt Schitte Baron von Duderhoff.«

»Duderhoff?« sagte Sagloba.

»Was wollen die hier?« fragte Herr Wolodyjowski.

»Gott weiß es,« entgegnete der Offizier. »Wir eskortieren sie von Birz aus. Sie wollen wohl mit unserem Fürsten verhandeln, denn in Birz haben wir gehört, daß der Großhetman Truppen zusammenziehe, um in Liefland einzufallen.«

»Ha! Schelme! Befällt euch die Furcht?« rief Sagloba. »Erst überschwemmt ihr Großpolen, vertreibt den König und hier wollt ihr dem Radziwill katzenbuckeln, damit er Liefland in Ruhe läßt. Wartet nur! Ihr sollt zu euren Duderhoffs ausreißen, daß ihr die Schuhe verliert! Wir wollen euch schon beduderhoffen. Es lebe Radziwill!«

»Er lebe!« wiederholte der Adel am Thore.

»Der Retter des Vaterlandes! Unser Schutz und Schirm! Los, auf die Schweden, meine Herren, auf die Schweden!«

Man schloß einen Kreis. Immer mehr Adlige eilten vom Schloßhofe herbei, und Sagloba, das bemerkend, sprang auf einen vorspringenden Thorpfeiler und fing an zu sprechen:

»Meine Herren, hört mich! Wer mich nicht kennt, dem will ich sagen, daß ich ein alter Sbarascher bin, welcher Burlaj, den größten Hetman Chmielnizkis, seht, mit dieser alten Hand erschlagen hat. Wer noch nicht von Sagloba gehört hat, der muß zur Zeit des ersten Kosakenkrieges Erbsen ausgeschält, Hühner gegriffen und Kälber gemästet haben. Das aber kann ich von so edlen Kavalieren nicht glauben.«

»Er ist ein großer Ritter!« riefen zahlreiche Stimmen, »der größte der Republik! Hört ihn!«

»Hört mich, meine Herren! Die alten Knochen begehrten nach Ruhe. Es wäre wir zuträglicher, in einer Backstube zu liegen, Quark mit Sahne zu speisen, im Garten Aepfel zu sammeln oder mit auf dem Rücken gefalteten Händen die Schnitter zu beaufsichtigen und mit den Mägden zu scherzen. Auch die Feinde hätten mir zu ihrem eigenen Vorteil die Ruhe gegönnt, denn Schweden sowohl als Kosaken wissen, daß meine Hand schwer ist, und Gott gebe, daß mein Name so gut gekannt wäre als meine Thaten.«

»Was für ein Hahn kräht denn dort?« fragte plötzlich eine Stimme.

»Nicht unterbrechen! Daß du tot wärest!« riefen andere.

Sagloba hörte es.

»Verzeiht, ihr Herren, dem Hühnchen!« rief er. »Es weiß noch nicht, wo der Schwanz und wo der Kopf ist.«

Die Zuhörer brachen in ein schallendes Gelächter aus und der verlegene Störer verschwand eilig in der Menge, um ferneren Spöttereien zu entgehen.

»Ich komme zur Sache zurück!« sagte Sagloba. »Also – ich wiederhole – mir käme die Ruhe zu, aber da das Vaterland in fieberhafter Aufregung sich befindet, da die Feinde unsere Erde betreten, so bin ich hier, meine Herren, um gemeinschaftlich mit euch ihnen entgegenzutreten im Namen des Vaterlandes, das uns alle ernährt. Wer sich heute nicht erhebt und zu seiner Rettung eilt, der ist nicht der rechte Sohn unserer Mutter Erde und nicht wert, daß sie ihn trägt. Ich bin alt und gehe mit, und ist es mir bestimmt, zu fallen, so werde ich mit meinem letzten Atemhauch rufen: »Nieder mit den Schweden, meine Brüder, nieder mit ihnen!« Schwören wir, daß wir nicht eher den Säbel aus der Hand lassen, bis wir sie aus dem Lande gejagt haben! ...«

»Wir wollen das auch ohne Schwur thun!« riefen zahlreiche Stimmen. »Wir gehen dahin, wo unser Fürst-Hetman uns führen wird, dahin, wo es Not thut!«

»Meine Herren Brüder! ... Ihr habt gesehen, daß zwei Schweden in vergoldeter Karete angekommen sind. Sie wissen, daß der Radziwill nicht mit sich spaßen läßt. Sie werden ihm durch die Gemächer nachschleichen, ihm die Hände küssen und ihn bitten, daß er sie in Ruhe läßt. Der Fürst aber, meine Herren, versicherte mich im Namen von ganz Litauen, daß kein Vergleich zustande kommen würde, nur Krieg und abermals Krieg!!«

»Krieg! Krieg!« tönte es von den Stimmen der Zuhörer wieder.

»Aber da der Feldherr,« fuhr Herr Sagloba fort, »um so sicherer handeln kann, je mehr er sich der Anhänglichkeit seiner Soldaten bewußt ist, so laßt uns, meine Herren, unseren Gefühlen Luft machen. Auf! Gehen wir unter die Fenster des Schlosses und rufen wir: Nieder mit den Schweden! Mir nach, meine Herren!«

Indem er das sagte, sprang er von dem Pfeiler herab und lief voraus. Ihm nach stürmte die Menge bis dicht unter die Fenster, unter immer größerem Lärmen, welcher zuletzt in dem einen gewaltigen Schrei gipfelte:

»Nieder mit den Schweden!«

Im nächsten Augenblick stürzten Herr Korf, der wendensche Wojewode, und Ganhof, der Oberst der fürstlichen Reiterei, aus dem Schlosse und beide bemühten sich, den Adel zu beruhigen und zu bitten, daß die Massen sich zerstreuen möchten.

»Um Gotteswillen,« sagte Herr Korf, »dort oben zittern die Scheiben von eurem Geschrei und ihr Herren wißt gar nicht, wie zur Unzeit ihr dasselbe anhebt. Wie konntet ihr die Gesandten so beleidigen und ein solches Beispiel der Zuchtlosigkeit geben. Wer hat euch dazu aufgefordert?«

»Ich!« antwortete Sagloba. »Sagt dem Fürsten von uns allen, daß wir ihn bitten, er solle standhaft bleiben, denn wir halten zu ihm, bis auf den letzten Blutstropfen!«

»Ich danke den Herren im Namen des Großhetman, aber zerstreut euch. Ueberlegung, meine Herren! Um Gotteswillen, Ueberlegung, denn ihr bringt das Vaterland in immer größere Gefahr! Wer heute die Gesandten beleidigt, der leistet dem Vaterlande Wolfsdienste.«

»Was scheeren uns die Gesandten! Wir wollen uns schlagen, nicht paktieren!«

»Eure Kriegslust freut mich. Die Zeit zum Dreinschlagen kommt bald, nur zu bald. Ruht euch jetzt vor dem Ausmarsch aus: es ist Zeit zum Essen und zum Trinken und mit leerem Magen kämpft sichs schlecht.«

»Das ist wahr!« rief wiederum zuerst Herr Sagloba.

»Er hat das Rechte getroffen. Da der Fürst jetzt unsere Gesinnung kennt, haben wir hier nichts mehr zu thun!«

Die Menge fing an sich zu zerstreuen. Die Meisten drängten nach den Nebengebäuden, wo schon die Tische zahlreich aufgestellt waren, Herrn Sagloba an der Spitze. Herr Korf begab sich mit Ganhof zurück zum Fürsten, welcher mit den schwedischen Gesandten, dem Bischof Partschewski, dem Archidiakon Bialozow, mit Herrn Adam Komorowski und Herrn Alexander Mieschejewski, einem Herrn vom Hofe Johann Kasimirs, welcher zeitweise in Kiejdan sich aufhielt, großen Rat hielt.

»Wer war denn der Urheber des Tumultes?« fragte der Fürst, dessen Löwenantlitz noch die Zornesfalten trug.

»Jener neu angekommene Edelmann, der berühmte Herr Sagloba!« antwortete der wendensche Wojewode.

»Ein tapferer Ritter das«, entgegnete der Fürst, »aber er fängt zu früh an zu kommandieren.«

Indem er das sagte, winkte er dem Obrist Ganhof und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Herr Sagloba schritt indessen, froh seiner selbst, mit feierlichen Schritten nach den unteren Sälen, an der Seite die Herren Skrzetuskis und Wolodyjowski, denen er leise zuraunte:

»Nun, Freunde, kaum habe ich mich blicken lassen und schon habe ich den ganzen Adel für das Vaterland begeistert. Dem Fürsten habe ich dadurch die Abweisung der Gesandten erleichtert, denn er braucht sich nur auf uns zu berufen. Das wird, so hoffe ich, nicht unbelohnt bleiben, obgleich es mir nur um die Ehre zu thun ist. Was bleibt ihr stehen, Herr Michael, und starrt wie versteinert in jene Kutsche am Thor?«

»Das ist sie!« sagte, mit den Lippen zuckend, Herr Michael. »Beim lebendigen Gotte, sie selbst!«

»Wer das?«

»Das Fräulein Billewitsch.«

»Dieselbe, welche euch den Korb gab?«

»Dieselbe! Seht nur, meine Herren, seht! Ist es nicht zum Umkommen vor Herzeleid?«

»So wartet doch!« sagte Sagloba, »ich will sie mir ansehen.«

Die Kutsche war indessen näher gekommen. Darinnen saß ein imposanter Edelmann mit ergrauendem Bart, neben ihm Fräulein Alexandra, schön wie immer, ruhig und ernst.

Herr Michael heftete gerührt den Blick auf sie und verneigte sich tief; sie aber sah ihn unter der Menge nicht. Sagloba aber sagte, ihre feinen, edlen Züge betrachtend:

»Das ist ein feines Kind, Herr Michael, und für einen Soldaten zu zart. Ich muß sagen, sie ist sehr schön, aber ich ziehe ein Mädchen vor, von der man auf den ersten Blick nicht gleich zu sagen vermag, ob sie ein verkappter Mann oder ein Weib ist.«

»Wißt ihr vielleicht, wer eben angekommen ist?« fragte Herr Michael einen neben ihm stehenden Edelmann.

»Wie sollte ich nicht!« entgegnete dieser. »Das ist Herr Thomas Billewitsch, der Schwertträger von Reußen. Er ist allen hier wohlbekannt und ein alter Diener und Freund des Radziwillschen Hauses.«

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