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1. Kapitel

Das neue Jahr 1655 war gekommen. Der Januar war frostig, aber trocken; der harte Winter hatte die heilige Erde der Smudz mit einem ellendicken weißen Pelz bedeckt. Die Wälder beugten sich und brachen unter der Last der Eiszapfen, der Schnee blendete tagsüber beim Sonnenlicht die Augen, und des Nachts hüpfte es wie Funken, die allsobald verlöschten, über die steif gefrorene Fläche. Das Wild näherte sich den menschlichen Wohnungen und die armen grauen Vögel pickten mit dem Schnabel an die mit Eis- und Schneeblumen bedeckten Fensterscheiben.

Eines Abends saß Fräulein Alexandra mit den Hofmädchen in der Gesindestube. Es war früher so Sitte bei den Billewitsch, daß sie, wenn keine Gäste da waren, die Abende mit der Dienerschaft verbrachten, fromme Lieder singend und das ungebildete Völkchen durch ihr Beispiel erbauend. So that es auch Fräulein Alexandra und das um so lieber, als ihre Hofmädchen, fast alle vom Kleinadel, sehr arme Waisen waren. Diese verrichteten alle Arbeiten, selbst die gröbsten, und bedienten die Damen; dafür lernten sie dort seine Sitten und erfuhren eine bessere Behandlung als die gewöhnlichen Mägde. Es befanden sich jedoch unter ihnen auch Bauernmädchen, sich deutlich von ihnen durch die Sprache unterscheidend, denn viele derselben verstanden nicht polnisch. Fräulein Alexandra saß mit ihrer Verwandten, dem Fräulein Kulwiez, in der Mitte der Stube, die Mädchen an den Wänden auf Bänken; alle spannen am Rocken. Im mächtigen Kamin brannten kieferne Klafterscheite und Wurzelstöcke, bald erlöschend, bald hoch aufflammend oder funkensprühend, je nachdem der neben dem Kamin stehende halbwüchsige Knabe kleines Birkenholz oder Kien hinzuwarf. Flammte das Feuer lichter auf, so sah man die dunklen Holzwände der sehr großen Stube mit der niedrigen, balkendurchzogenen Decke. Von den Balken herab hingen an Fäden verschiedenfarbige Sternchen aus Oblaten geschnitten, in der Wärme hin und her zitternd, und hinter den Balken hervor lugten Tocken gehechelten Flachses, an beiden Seiten derselben herabhängend, ähnlich eroberten türkischen Roßschweifen. Fast die ganze Stubendecke war so voll gesteckt davon. An den dunklen Wänden umher blitzten gleich Sternen größere und kleinere, auf langen eichenen Gesimsen aufgestellte oder angelehnte zinnerne Gefäße.

Im Hintergrunde an der Thür drehte ein zottiger Smudzer sausend eine Handmühle, unter der Nase ein monotones Lied brummend. Fräulein Alexandra ließ schweigend die Perlen eines Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten, die Spinnerinnen spannen, ohne nur ein Wort zu sprechen. Das Licht der Flammen fiel auf ihre jungen, rosigen Gesichter, sie selbst spannen mit erhobenen Händen – die linke den weichen Flachs vorzupfend, mit der rechten die Spindel drehend, eifrig wie um die Wette, von dem strengen Blick des Fräulein Kulwiez angefeuert. Mitunter blickten sie sich auch mit munteren Augen gegenseitig an, mitunter nach dem Fräulein Alexandra hin, als erwarteten sie bald, daß diese dem Smudzer gebieten würde, mit dem Mahlen innezuhalten, um ein frommes Lied anzustimmen; aber sie hörten dabei nicht auf zu arbeiten, sie spannen und spannen, die Fäden drehten sich, es surrten die Spindeln, es blinkten die Stricknadeln in den Händen des Fräulein Kulwiez und der zottige Smudzer drehte sausend die Mühle. Auf Augenblicke jedoch unterbrach er zuweilen die Arbeit, augenscheinlich war bei der Handmühle etwas nicht in Ordnung, denn gleichzeitig hörte man ihn dann mit zorniger Stimme rufen:

»Paddas!«

Fräulein Alexandra erhob das Haupt, wie erweckt durch die Stille, welche jedesmal den Rufen des Smudzers folgte; dann beleuchtete die Flamme ihr Gesicht und die ernsten, himmelblauen Augen, welche unter schwarzen Wimpern hervorsahen.

Sie war ein schönes Fräulein, mit aschblondem Haar, blasser Gesichtsfarbe und feinen Zügen. Sie besaß die Schönheit einer weißen Blume. Die Trauerkleider gaben ihrem Wesen etwas Ernstes. So vor dem Kamine sitzend, war sie so in Gedanken versunken, als ob sie schliefe: jedenfalls dachte sie wohl über ihr eigenes Geschick nach, da ihr Loos noch ein so ungewisses war. Das Testament bestimmte sie zur Frau eines Mannes, den sie seit zehn Jahren nicht gesehen hatte, und da sie eben erst das zwanzigste Jahr zu erreichen im Begriff war, so blieb ihr nur die undeutliche kindliche Erinnerung an einen gewissen ungestümen jungen Burschen, welcher mit Pfeil und Bogen sich mehr in den Sümpfen umhertrieb, als sie beachtete.

Wo ist er und wie mag er jetzt sein? – das waren die Gedanken, welche sich in dem Kopfe des ernsten Mädchens drängten. Zwar kannte sie ihn noch aus den Erzählungen des verstorbenen Unterkämmerers, welcher vier Jahre vor seinem Tode die weite Reise nach Orschan unternommen hatte. Nach diesen Erzählungen mußte er ein schwärmerischer, wenn auch ungeheuer heißsporniger Kavalier sein. Nach jenem Uebereinkommen, betreffend die Ehe der Kinder, abgeschlossen zwischen dem alten Billewitsch und dem Vater des Kmiziz, sollte jener Kavalier gleich nach Wodockt kommen, um sich dem Fräulein vorzustellen; unterdeß war ein großer Krieg ausgebrochen, der Kavalier ging in die Berestetscher Felder, anstatt zu seiner Dame zu reisen. Dort verwundet, mußte er sich zu Hause heilen; später pflegte er den totkranken Vater, dann war wieder Krieg, und auf diese Weise waren wieder vier Jahre verflossen. Jetzt war seit dem Tode des alten Hauptmanns schon wieder ein Stück Zeit verflossen und Kmiziz blieb verschollen.

Fräulein Alexandra hatte also Ursache zum Nachdenken, vielleicht sehnte sie sich nach ihrem Unbekannten. Sie trug in ihrem reinen Herzen, wohl deshalb, weil sie die Liebe noch nicht kannte, eine große Liebessehnsucht. Es bedurfte nur des Funkens, um auf diesem Herde eine ruhige, aber helle Flamme zu entzünden, gleichmäßig und unverlöschlich wie die litauische Treue.

So war sie von Unruhe ergriffen; diese war zuweilen angenehm, oft aber quälend, und sie stellte sich Fragen, auf welche es keine Antwort gab oder doch nur eine solche, welche erst aus weiter Ferne kommen mußte. Die erste Frage war die, ob er sie wohl aus eigenem freien Willen nehmen und ihr mit gleicher Bereitschaft entgegenkommen würde wie sie ihm? In jenen Zeiten waren die elterlichen Verträge, betreffend die Verheiratung ihrer Kinder, etwas Alltägliches und die Kinder, welche mit elterlichem Segen auf diese Weise versprochen waren, hielten meist diese Verträge.

In der Verkuppelung selbst sah das Fräulein gerade nichts Außergewöhnliches, aber da der eigene Wille nicht immer mit der Pflicht Hand in Hand ging, so beschwerte auch diese Sorge das Köpfchen des Fräuleins: »Ob er mich lieben wird?« Und mit dieser Frage überfiel sie eine Schar Gedanken, gerade wie eine Schar Vögel auf Bäumen sich niederläßt, die einsam im weiten Felde stehen. Wer bist du? wie bist du? wandelst du noch lebend auf Erden? oder bist du schon irgendwo gefallen? ... bist du fern oder nahe? ... Das Herz des Fräuleins, welches Thür und Thor zum Empfange des lieben Gastes weit geöffnet hielt, rief wider Willen nach der weiten Ferne, nach den Wäldern und schneeigen nachtbedeckten Feldern hin: »Komm her, du junger Ritter! denn nichts ist schlimmer in der Welt als das Warten!«

Und eben jetzt ertönte von außen, gerade aus der Richtung jener schneeigen nachtbedeckten Ferne her, der Ton eines Glöckleins, wie eine Antwort auf ihren Ruf.

Das Fräulein zuckte zusammen, schnell gefaßt erinnerte sie sich jedoch, daß man jeden Abend aus Pazunel nach Arzneien für den jungen kranken Obristen in ihre Hausapotheke schickte; diesen Gedanken teilte Fräulein Kulwiez, sie sagte:

»Die Gaschtowts schicken nach Theriak.«

Das unregelmäßige Läuten des an der Deichsel hin- und hergerissenen Glöckleins tönte immer näher; plötzlich verstummte es, der Schlitten hielt augenscheinlich vor der Thür.

»Sieh nach, wer angekommen ist,« sagte Fräulein Kulwiez zu dem die Handmühle drehenden Smudzer. Derselbe verließ die Gesindestube, nach einer kleinen Weile aber kehrte er zurück, und wieder nach dem Stabe seiner Mühle langend, sagte er phlegmatisch:

»Herr Kmiziz.«

»Und das Wort ist Fleisch geworden!« rief das Fräulein Kulwiez aus.

Die Spinnerinnen sprangen auf, die Rocken und Spindeln fielen zu Boden. Fräulein Alexandra stand ebenfalls auf; das Herz schlug ihr wie ein Hammer, ihr Antlitz bedeckte Purpurröte, welche dann einer tiefen Blässe wich. Aber sie wendete sich absichtlich vom Kamin hinweg, um ihre Bewegung zu verbergen.

Eben erschien in der Thür eine hohe Gestalt im Pelzrock, mit einer Pelzmütze auf dem Kopf. Der junge Mann trat bis in die Mitte der Stube vor, und erkennend, daß er sich in der Gesindestube befinde, fragte er mit wohlklingender Stimme, ohne die Mütze abzunehmen:

»Heh! wo ist euer Fräulein?«

»Ich bin hier!« antwortete mit sicherer Stimme Fräulein Billewitsch.

Als dies der Ankömmling hörte, nahm er die Mütze ab, warf sie zu Boden und sagte, sich verneigend:

»Ich bin Andreas Kmiziz.«

Wie ein Blitz streiften die Augen des Fräuleins das Gesicht Kmiziz', dann senkten sie sich wieder zu Boden. Dieser eine Blick hatte jedoch genügt, um sie einen strohgelben, kurzgeschorenen Kopf mit brauner Hautfarbe, zwei scharf vor sich blickenden grauen Augen, einem dunklen Schnurrbart und ein junges, fröhliches und keckes Gesicht mit Adlernase bemerken zu lassen.

Er stemmte seine linke Hand in die Seite, erhob die rechte bis an den Schnurrbart und fuhr fort zu sprechen:

»In Lubitsch war ich noch nicht; mit der Eile des Vogels kam ich hierher, um der Jägermeisterstochter mich zu Füßen zu neigen. Direkt aus dem Lager hat der Wind mich hergeweht. Gott gebe, daß er ein glücklicher war.«

»Euer Gnaden haben vom Tode meines Großvaters, des Unterkämmerers, gehört?« fragte das Fräulein.

»Ich wußte nichts davon, aber ich habe meinen Wohlthäter mit heißen Thränen beweint, als ich von den Grauröcken, welche aus dieser Gegend zu mir kamen, seinen Tod erfuhr. Er war ein aufrichtiger Freund, fast ein Bruder meines verstorbenen Vaters. Dem gnädigen Fräulein ist wohl bekannt, daß er vor vier Jahren bis nach Orschau zu uns kam. Damals hatte er mir euch versprochen und euer Konterfei gezeigt, zu welchem ich seitdem nächtelang seufzte. Ich schwur, schon eher hierher zu kommen, aber der Krieg ist keine liebende Mutter, der kuppelt die Menschen dem Tode.«

Diese dreiste Rede verwirrte das Fräulein etwas; um derselben eine andere Wendung zu geben, sagte sie:

»So haben Euer Gnaden euer Lubitsch noch nicht gesehen?«

»Dazu ist noch Zeit. Hierher führte mich mein Dienst zuerst, und das teure Legat, welches ich vorerst in Besitz nehmen möchte. Aber Fräulein – ihr wendet euch mir so vom Kamin fort, daß ich euch noch nicht einmal in die Augen schauen konnte. Seht! so! dreht euch herum und ich stelle mich gegen den Kamin! – seht – so!« Indem er dies sagte, faßte der kecke Soldat das sich einer solchen That nicht versehende Fräulein Olenka (Abkürzung für Alexandra) an der Hand und drehte sie wie einen Kreisel dem Herde zu.

»So wahr mir Gott lieb ist, eine Rarität! Ich lasse hundert Seelenmessen für meinen Wohlthäter lesen dafür, daß er euch mir verschrieb. Wann soll die Hochzeit sein?«

»Nicht so bald, noch bin ich nicht die eure,« entgegnete Olenka.

»Aber ihr werdet es – und sollte ich darum dies Haus niederbrennen! Um Gott! ich dachte, das Konterfei sei geschmeichelt, hier sehe ich, daß der Maler sich ein hohes Ziel gesteckt, aber weit gefehlt hat. Hundert Peitschenhiebe gehören ihm und das Recht, Oefen zu malen, nicht aber solche Raritäten wie die, an denen ich eben meine Augen weide. Es ist angenehm, ein solches Legat zu bekommen, so wahr mich Feindeskugeln treffen!«

»Wie recht hatte mein Großvater, als er mir erzählte, ihr seiet ein Heißsporn.«

»So sind wir im Smolenskschen Alle, nicht wie eure Smudzer. Entweder – oder! Es muß sein, wie wir wollen, wenn nicht, so suchen wir den Tod!«

Olenka lächelte und sagte schon etwas sicherer, indem sie die Augen zu dem Kavalier erhob:

»Ei! so müssen höchstens Tartaren bei euch wohnen!«

»Das ist einerlei! Ihr, gnädiges Fräulein, seid mein, nach dem Willen der Eltern und des Herzens.«

»Ob nach dem Willen des Herzens, weiß ich noch nicht.«

»Wäret ihr es nicht, so würde ich mich niederstechen!«

»Ihr sagt das mit lachendem Munde, gnädiger Herr. Aber – wir sind noch immer in der Gesindestube. Ich bitte, in die Gemächer. Nach der langen Reise wird euch ein Abendessen gut thun, ich bitte!«

Hier wendete sich Olenka an Fräulein Kulwiez:

»Mühmchen, kommt ihr mit uns?«

Der junge Fähnrich blickte um sich:

»Mühmchen?« fragte er – »was für eine Muhme?«

»Die meinige, Fräulein Kulwiez.«

»So ist sie auch die meinige!« entgegnete er, indem er sich anschickte, ihr die Hände zu küssen. »Bei Gott! ich habe da in meiner Fahne einen Gefährten, welcher Kulwiez Hippocentaurus heißt. Ist das ein Verwandter, bitte?«

»Ich stamme von denselben ab,« nickte die alte Jungfrau.

»Ein guter Junge, aber ein Sausewind, wie ich!« setzte Kmiziz hinzu.

Unterdeß hatte der Bursche Licht gebracht, sie gingen in den Flur, wo Herr Andreas den Pelzrock ablegte, und von dort auf die andere Seite in die Gastgemächer.

Gleich nach dem Fortgange der Herrschaft hatten die Spinnerinnen einen engen Kreis gebildet und, eine die andere überschreiend, ihre Bemerkungen ausgetauscht. Der geschmückte Jüngling gefiel ihnen sehr, sie sparten daher auch nicht mit Worten, um die Wette sein Lob zu singen.

»Er verbreitet Licht um sich,« sagte die eine, »als er eintrat, glaubte ich, er sei ein Königssohn.«

»Und Augen hat er wie ein Luchs, er durchbohrt einen förmlich,« antwortete die andere, »mit so einem läßt sich nicht spaßen!«

»Zu spaßen ist gefährlich!« sagte eine Dritte.

»Das Fräulein drehte er wie eine Spindel herum. Aber man sah, sie gefiel ihm sehr, denn wem gefiele sie auch nicht?«

»Bah, er ist auch nicht schlechter als sie, fürchte das nicht. Wenn dir so einer käme, gingst du mit ihm auch bis Orschan, obgleich das am Ende der Welt sein soll.«

»Glückliches Fräulein!«

»Den Reichen ist es immer wohler in der Welt. Ei! Ei! Das ist reines Gold, kein Ritter.«

»Die Pazulner Mädchen sagen, daß auch der Obrist, welchen der alte Pakosch bei sich hat, ein schöner Kavalier ist.«

»Ich habe ihn nicht gesehen, aber wie könnte er sich mit Kmiziz messen! Einen zweiten solchen giebt es in der Welt nicht mehr.«

»Paddas!« rief plötzlich der Smudzer, dem an der Handmühle wieder etwas in Unordnung geraten war.

»Wirst du Zottelbube mit deinem Schimpfen aufhören! Sei still, man hört sein eigenes Wort kaum! Ja, ja! es dürfte schwer fallen in der Welt, einen Besseren zu finden als Herrn Kmiziz! Auch in Kiejdan giebt es wohl keinen solchen.«

»Von so einem könnte man träumen.«

»Nun ja, man könnte ...«

In dieser Weise unterhielten sich die adeligen Mädchen in der Gesindestube. Unterdeß deckte man schleunigst im Eßzimmer den Tisch und in der Gaststube unterhielt sich Fräulein Alexandra allein mit Herrn Kmiziz, denn die Muhme Kulwiez war mit dem Zurichten des Abendessens beschäftigt.

Herr Andreas verwandte keinen Blick von Olenka und die Augen leuchteten ihm immer lebhafter; endlich sagte er:

»Es giebt Menschen, welchen Vermögen über alles geht, andere jagen der Kriegsbeute nach, noch andere sind Pferdenarren, aber ich gäbe das gnädige Fräulein für alle Schätze der Welt nicht hin! So wahr Gott lebt, je länger ich euch anschaue, desto größer wird mein Verlangen, mich zu verheiraten; am liebsten geschähe es morgen! Diese Augenbrauen! Ihr malt sie wohl mit einem gebrannten Korken?«

»Ich habe wohl gehört, daß leichtfertige Mädchen das thun, aber ich gehöre nicht zu ihnen.«

»Und die Augen, die sind wie vom Himmel! Mir fehlen vor Verwirrung die Worte.«

»Ihr scheint mir nicht sehr verwirrt, da ihr so spornstreichs auf mich eindringt, daß ich mich darüber wundern muß.«

»Das ist so bei uns in Smolensk Brauch, den Frauen muß man wie dem Feuer dreist entgegentreten. Ihr müßt euch daran gewöhnen, meine Königin, denn so wird es immer zwischen uns sein.«

»Ihr müßt euch das abgewöhnen, denn so darf es nicht sein.«

»Vielleicht ergebe ich mich drein, so wahr man mich niederhaut! Wißt ihr, Fräulein, für euch möchte ich den Himmel herunterholen, glaubt ihr es? Für euch, meine Königin, bin ich auch bereit, andere Sitten anzunehmen, denn ich weiß sehr gut, daß ich ein roher Soldat bin, weil ich mich mehr im Lager aufhielt als in den Gemächern der Höfe.«

»Das schadet nichts, denn auch mein Großvater war Soldat, aber ich danke für den guten Willen!« entgegnete Olenka und ihre Augen blickten dabei so süß auf Herrn Andreas, daß sein Herz wachsweich wurde; er antwortete:

»Ihr werdet mich um den Finger wickeln können!«

»Ihr seht mir gar nicht darnach aus, als ob ihr euch am Bändel führen lassen wolltet! Das fällt bei solch Unbeständigen am schwersten.«

Kmiziz lächelte und zeigte dabei seine Zähne, die so weiß waren wie die eines Wolfes.

»Wieso!« sagte er, »haben denn die Brüder im Konvent noch wenig Ruten an mir gebrochen, damit ich gesetzter werde und verschiedene schöne Maximen mir einpräge als Führer auf dem Lebensweg?«

»Und welche habt ihr am besten behalten?«

»Diejenige, welche sagt: »wen du liebst, dem falle zu Füßen« – seht so! Dies sprechend, lag Herr Kmiziz schon auf den Knieen, das Fräulein aber zog schnell ihre Füße zurück unter den Tisch und rief:

»Bei Gott! das lehrten sie euch im Konvent nicht! Lasset das, sonst werde ich ernstlich böse ... auch kommt die Muhme bald ...«

Er aber blieb knieend, hob den Kopf in die Höhe und blickte in ihre Augen.

»Ach, mag doch eine ganze Fahne Muhmen heranziehen, ich verleugne meine Liebe nicht!«

»Steht doch auf!«

»Ich stehe schon.«

»Setzt euch!«

»Ich sitze schon.«

»Ihr seid ein Verräter, ein Judas!«

»Das ist nicht wahr, denn wenn ich küsse, so thue ich das aus vollem Herzen, aufrichtig! Wollt ihr euch überzeugen?«

»Wagt es nicht, gnädiger Herr!«

Aber Fräulein Alexandra lachte dennoch; von seiner Person ging der Zauber der Jugend und des Frohsinns aus, der sie bestrickte. Die Nüstern waren bei ihm in Bewegung, wie bei einem edlen Rassefüllen.

»Ei! ei!« sagte er, »was sind das für Augen, für Wangen! Alle Heiligen, rettet mich, ich halte es nicht aus!«

»Man braucht nicht erst alle Heiligen anzurufen. Ihr saßet vier Jahre, ohne nur einmal hierherzusehen, so sitzet auch jetzt ruhig weiter!«

»Bah! ich kannte nur das Konterfei. Ich werde diesen Maler erst in Pech tauchen und dann in Federn setzen lassen und dann den Befehl geben, ihn mit der Peitsche, um den Marktplatz von Upit zu treiben. Ich will euch offen alles bekennen, Fräulein, verzeiht mir – thut ihr es nicht, so muß ich mir den Hals abschneiden! Ich dachte also, indem ich jenes Konterfei betrachtete: Das ist ein glattes Würmchen, ein glattes, aber es giebt mehr solcher glatter Würmchen in der Welt und ich habe Zeit! Der verstorbene Vater trieb fortwährend zur Reise, ich antwortete stets nur – ich habe noch Zeit! Die Heirat läuft mir nicht davon, denn die Jungfrauen gehen nicht in den Krieg und werden nicht totgeschlagen. Ich widersetzte mich dem Willen des Vaters nicht gerade, Gott ist mein Zeuge! aber ich wollte vorher den Krieg genießen und ich habe ihn genossen an meiner eigenen Haut. Jetzt erst erkenne ich, wie dumm ich war, denn ich konnte verheiratet auch in den Krieg ziehen, und hier warteten meiner Wonnen. Gott sei gelobt, daß ich nicht ganz in Stücke gehauen wurde. Erlaubt mir, Fräulein, euch die Hände zu küssen.«

»Es ist besser, ich erlaube es nicht.«

»So werde ich nicht erst darum bitten; bei uns in Orschan sagen sie: bitte – und wird dir die Bitte nicht gewährt, so nimm es dir selbst!«

Hier griff Herr Andreas nach den Händen Olenkas und bedeckte sie mit Küssen; das Fräulein wehrte ihm nicht zu sehr, damit er nicht an eine Abneigung ihrerseits denken solle.

Eben trat Fräulein Kulwiez ein und war über das, was sie sah, nicht besonders entzückt. Sie erhob die Augen, aber wagte doch nicht zu schelten, dafür lud sie zum Abendessen.

Sie gingen Beide, Arm in Arm, wie Geschwister, in das Eßzimmer, in welchem ein gedeckter, reich mit allerlei Speisen besetzter Tisch stand. Besonders waren ausgezeichnete Räucherwaren vertreten und eine mit dem Siegel des Alters bedeckte riesige Flasche stärkenden Weines zierte die Mitte des Tisches. Die jungen Leute waren fröhlich und heiter miteinander. Das Fräulein war schon nach dem Abendessen, so nahm nur Herr Kmiziz Platz am Tische und aß jetzt mit eben derselben Lebhaftigkeit, wie er vordem geplaudert hatte.

Olenka sah ihm von der Seite zu und freute sich, daß er aß und trank, später, als er den ersten Appetit gestillt hatte, fing sie wieder an zu fragen:

»Ihr kommt also nicht direkt von Orschan?«

»Ich weiß selbst nicht, woher! ... Heut war ich hier, morgen dort! Ich habe den Feind beschlichen, wie der Wolf eine Schafherde umschleicht, und was dort zu gewinnen war, das nahm ich.«

»Es wundert mich, daß ihr gewagt habt, einer Macht zu opponieren, welcher der Großhetman selbst weichen mußte.«

»Daß ich es wagte? Ich bin zu allem bereit, das liegt in meiner Natur!«

»Der Großvater erzählte mir davon ... Es ist ein Glück, daß ihr nicht ums Leben kamt.«

»O! sie haben mich oft so mit Hand und Mütze niedergedrückt, aber so oft sie mich auch zudeckten, ich entschlüpfte und stach sie an einer anderen Stelle. Ich bin ihnen so lästig geworden, daß sie einen Preis auf meinen Kopf gesetzt haben ... Die Gänsebrust ist ausgezeichnet.«

»Im Namen des Vaters und des Sohnes!« rief in unverstelltem Schreck Olenka, während sie gleichzeitig mit wahrer Verehrung zu diesem Jüngling aufblickte, der zugleich von dem auf seinen Kopf gesetzten Preis und einer Gänsebrust redete.

»Ihr habt wohl eine große Heermacht zu eurem Schutz gehabt?«

»Allerdings hatte ich meine vorzüglichen Dragoner bei mir, aber sie waren in einem Monat aufgelöst. Dann zog ich mit Freiwilligen umher, welche ich ohne Wahl sammelte, wo ich konnte. Gute Kriegsknechte, aber Gauner über Gauner! Diejenigen, welche noch nicht tot sind, werden früher oder später doch eine Beute der Krähen ...«

Indem er dies sagte, lachte Herr Andreas laut auf, und den Becher leerend, setzte er hinzu:

»Solche Strauchdiebe habt ihr, Fräulein, noch nicht gesehen. Der Henker möge ihnen leuchten! Es sind Offiziere, alles Adel aus unserer Gegend von guter Familie, sonst ehrenwerte Menschen, aber fast ein jeder steht unter Gerichtsaufsicht. Sie sitzen jetzt in Lubitsch, denn was sollte ich mit ihnen machen?«

»So seid ihr mit eurer ganzen Fahne zu uns gekommen? ...«

»So ist es. Der Feind hat sich in den Städten befestigt, denn der Winter ist furchtbar. Meine Leute sind auch abgerissen, wie Besen vom fortwährenden Fegen, da hat mir der Fürst Wojewode die Ueberwinterung in Poniewiersch bestimmt. So wahr Gott lebt, es ist dies eine wohlverdiente Ruhe!«

»Eßt nur, ich bitte.«

»Ich würde Gift von euch nehmen! ... Ich habe daher einen Teil meines Gesindels in Poniewiersch, einen anderen Teil in Upit gelassen und nur die würdigsten Kumpane nach Lubitsch eingeladen ... Diese werden kommen, dem gnädigen Fräulein ihre Ehrfurcht zu erweisen.«

»Und wo haben die Landaer Männer euch gefunden?«

»Die fanden mich schon unterwegs nach Poniewiersch; ich würde auch ohne sie hergekommen sein.«

»Trinket nur ...«

»Ich würde von euch Gift trinken ...«

»Aber vom Tode des Großvaters und von dem Testament haben die Laudaer euch erst gesagt?«

»Vom Tode ja. Der Herr leuchte der Seele meines Wohlthäters. Habt ihr diese Leute nach mir geschickt?«

»Das dürft ihr niemals denken. Ich dachte nur an meine Trauer, an das Gebet und sonst an nichts ...«

»Die Leute sagten mir das auch ... Das sind ja stolze Burschen! Ich wollte ihnen eine Belohnung geben für ihre Mühe, da schnauzten sie mich noch an und meinten, daß wohl der Orschaner Adel Trinkgelder nehme, nicht aber der Laudaer! Sie sagten mir häßliche Worte! Als ich das hörte, dachte ich: Wollt ihr kein Geld, so lasse ich euch jedem hundert Stockschläge geben.«

Fräulein Alexandra faßte sich mit beiden Händen am Kopfe.

»Jesus, Maria! und ihr habt das gethan?« Kmiziz sah sie verwundert an.

»Erschreckt nicht so sehr, Fräulein ... ich habe es nicht gethan, obgleich ich über diesen Kleinadel empört bin, der sich immer uns gleichstellen will. Aber ich dachte mir: sie würden mich unschuldig als einen Gewaltthäter ausschreien und mich vor euch anschwärzen.«

»Das ist ein großes Glück!« sagte, tief aufatmend, Olenka. »Hättet ihr es gethan, so könnte ich euch nicht mehr in die Augen sehen.«

»Und warum das?«

»Sie sind vom Kleinadel, der aber uralt und berühmt ist. Der verstorbene Großvater liebte sie sehr und zog immer in den Krieg mit ihnen. Ein ganzes Menschenalter haben sie so zusammen gedient und in Friedenszeiten empfing er sie bei sich im Hause. Das sind alte Freunde unseres Hauses, die ihr achten müßt. Ihr habt doch ein Herz und werdet den heiligen Frieden, in welchem wir bis jetzt lebten, nicht stören!«

»Das alles habe ich nicht gewußt; möge ich verdammt sein, wenn ich es gewußt habe. Aber ich bekenne, daß mir dieser barfüßige Adel gar nicht imponiert. Bei uns bleibt der Bauer Bauer, die Uebrigen sind alle vom angesehenen Adel, welche nicht zu zweien auf einem Pferde sitzen ... Bei Gott! Diese ungeschliffenen Menschen haben weder mit den Kmizizs noch mit den Billewitschs etwas zu thun, ebenso wie der Peisker nicht zum Hecht paßt, obgleich das ein Fisch ist, und das auch.«

»Der Großvater pflegte zu sagen, daß das Vermögen nichts bedeutet, nur das Blut und die Bravheit, und es sind brave Menschen, sonst hätte der Großvater sie mir nicht zu Vormündern eingesetzt.«

Herr Andreas staunte und öffnete weit die Augen.

»Also sie hat der Großvater zu euren Vormündern eingesetzt? Den ganzen Laudaer Adel? ...«

»So ist es. Seht nicht so mürrisch drein, denn der Wille des Verstorbenen ist heilig. Ich wundere mich, daß die ausgeschickten Männer euch nichts davon gesagt haben.«

»Ich hätte sie ... aber das kann nicht sein! Es giebt hier ja mehrere Stellen ... halten die alle Rat über euer Wohl? Werden sie auch über mich ratschlagen, ob ich nach ihrem Sinne bin oder nicht? ... Treibt keinen Scherz, Fräulein, denn mein Blut gerät in Wallung darüber!«

»Ich scherze nicht, Herr Andreas ... es ist die heilige und wahrhafte Wahrheit, die ich spreche. Sie werden euch nicht bevormunden; wenn ihr sie nicht abstoßend behandelt und ihnen nicht stolz entgegentretet, so werdet ihr nicht nur ihre Herzen, sondern auch mein Herz gewinnen. Ich werde zusammen mit ihnen euch zeitlebens dankbar sein ... zeitlebens, Herr Andreas ...«

Die Stimme zitterte ihr, ihre Bitte klang schmeichelnd, aber die Falten zwischen den Brauen des Herrn Andreas wichen nicht, er sah düster vor sich hin. Zwar hielt er seinen Zorn noch zurück, aber er blitzte ihm aus den Augen und hochmütig und stolz sagte er:

»Das habe ich nicht erwartet! Ich ehre den Willen des Verstorbenen, aber ich denke mir, daß der Herr Unterkämmerer dieses adelige Kruppzeug nur bis zur Zeit meiner Ankunft zu euren Vormündern gemacht hat, da ich aber einmal den Fuß hierher gesetzt habe, so wird von jetzt ab niemand anders Vormund sein als ich. Nicht nur diese Grauröcke, nein, selbst die Birzer Radziwills haben hier nichts zu bevormunden!«

Fräulein Alexandra wurde ernst und sagte nach einer Weile tiefen Schweigens: »Ihr thut nicht gut, daß ihr so stolz euch überhebt. Das Vermächtnis des verstorbenen Großvaters muß entweder ganz verworfen oder ganz angenommen werden, einen andern Rat weiß ich nicht. Die Laudaer werden sich nicht aufdrängen und nicht lästig fallen, denn es sind würdige und friedliche Menschen. Ihr dürft nicht annehmen, daß sie euch lästig werden. Wenn hier bei uns Streitigkeiten entständen, so hätten sie wohl ein Wort mitzureden, ich denke aber, es wird Frieden und Ruhe bei uns herrschen und dann ist die Vormundschaft so gut wie gar nicht vorhanden.«

Er schwieg noch eine Weile, dann sagte er, mit der Hand winkend:

»Es ist ja wahr, die Trauung macht allem ein Ende. Es giebt da nichts zu streiten, mögen sie nur ruhig sitzen und sich nicht in meine Angelegenheiten drängen, denn, so wahr Gott lebt, ich lasse mir nicht in den Bart blasen; im übrigen, was kümmern sie mich! Willigt nur in eine baldige Vermählung, Fräulein, so wird es am besten!«

»Es schickt sich gar nicht, in der Trauerzeit davon zu sprechen ...«

»Ei! muß ich lange warten?«

»Der Großvater selbst hat geschrieben, daß dies nicht länger als ein halbes Jahr dauern soll.«

»Bis dahin trockne ich aus wie eine Schindel. Aber ärgern wir uns nicht mehr. Ihr habt mich schon so ernst angeblickt wie einen Missethäter. Das dürft ihr nicht, meine goldene Königin! Was kann ich für meine Natur. Wenn ich auf jemanden böse werde, da faßt mich der Zorn so, daß ich ihn zerreißen könnte, und ist der Zorn vorüber, so möchte ich ihn wieder zusammennähen!«

»Mit so einem Hitzkopf muß man sich ja fürchten, zusammen zu leben!« sagte Olenka schon etwas heiterer.

»Nun, eure Gesundheit, Fräulein! Das ist ein schöner Wein und bei mir ist der Säbel und der Wein die Hauptsache. Weshalb das Zusammenleben mit mir fürchten? Ihr werdet mich mit euren Aeugelein im Netz halten und mich zum Sklaven machen, mich, der niemanden über sich dulden kann. Wie z. B. jetzt zog ich vor, auf eigene Faust mit meiner Fahne umherzuziehen, als mich den Herren Hetmanen zu beugen. Mein goldener König! wenn euch etwas an mir nicht gefällt, so verzeiht mir, denn ich habe Manieren hinter den Kanonen gelernt, nicht im Frauenzimmer – im Lärm des Soldatenlebens, nicht bei der Laute. Bei uns ist die Gegend unruhig, man darf den Säbel nicht aus der Hand lassen. Und so kommt es, daß, wenn dort auch auf jemandem ein Urteilsspruch lastet, das nichts bedeutet, selbst wenn man ihn damit verfolgt. Die Menschen achten ihn, sobald er Kavaliergeist besitzt. Zum Beispiel: meine Kumpane, die anderswo längst im Turm säßen, gehen ruhig ihres Weges als angesehene Kavaliere. Sogar die Mädchen gehen bei uns in Stiefeln; den Säbel an der Seite führen sie Parteien an, wie die Frau Kokosinska, die Muhme meines Hauptmannes, gethan hat, welche jetzt den Kavaliertod gestorben ist. Ihr Bruderssohn hat unter meinem Kommando ihren Tod gerächt, obgleich er sie bei Lebzeiten gar nicht liebte. Wo sollten wir, selbst die vom höchsten Adel, die Artigkeiten lernen? Aber das verstehen wir: im Kriege heißt es – festgestanden, bei den Landtagen – gut reden, und wo die Worte fehlen, da muß der Säbel helfen. Und was ist's! So wie ich bin, hat mich der selige Unterkämmerer kennen gelernt, so hat er mich für euch gewählt.«

»Ich folgte stets gern dem Willen des Großvaters,« entgegnete mit niedergeschlagenen Augen das Fräulein.

»O, laßt mich euch die Hände küssen, mein süßes Mädchen! Bei Gott! Ihr seid mir sehr ans Herz gewachsen. Das Testament hat mich so außer mir gebracht, daß ich nicht weiß, wie ich mich nach diesem Lubitsch, welches ich noch nicht gesehen habe, finden werde.«

»Ich werde euch einen Führer mitgeben.«

»Es wird ohne ihn gehen. Ich bin daran gewöhnt, mich während der Nächte herumzuschlagen. Mein Diener ist aus Poniewiersch, der muß den Weg kennen. Dort aber erwartet mich Kokosinski mit den Kumpanen, sie sind sehr angesehene Menschen bei uns, die Kokosinskis, sie tragen den Pips im Wappen. Diesen Menschen haben sie ganz unschuldig für ehrlos erklärt, dafür, daß er dem Herrn Orpischewski das Haus niederbrannte, die Braut entführte und seine Leute niederhieb ... Ein würdiger Gefährte! ... Gebt noch einmal die Hände; ich sehe, es ist Zeit, aufzubrechen.«

Eben fing die große Danziger Uhr im Eßzimmer ganz langsam an Mitternacht zu schlagen.

»Um Gotteswillen! es ist Zeit! es ist Zeit!« rief Kmiziz. »Hier richte ich doch nichts mehr aus. Liebt ihr mich auch nur ein ganz klein wenig?«

»Ein anderes Mal antworte ich darauf. Ihr werdet mich doch hoffentlich besuchen?«

»Täglich! Außerdem: die Erde versinke mir unter den Füßen. Man soll mich niederhauen!«

Indem er dies sagte, stand Kmiziz auf, sie gingen Beide in den Flur. Der Schlitten wartete schon vor dem Gange, er zog den Pelzrock an und abschiednehmend bat er, sie möge in die Gemächer zurückgehen, da es im Gange kalt sei.

»Gute Nacht, meine liebe Königin,« sagte er, »schlaft wohl, denn ich werde wohl kein Auge schließen können, wenn ich an eure Schönheit denke.«

»Wenn ihr euch nur nicht etwas Häßliches erseht. Aber ich werde euch lieber einen Mann mit einer Fackel mitgeben, denn es fehlt an Wölfen nicht bei Wolmontowitsch.«

»Bin ich denn eine Ziege, daß ich die Wölfe fürchten sollte? Der Wolf ist des Soldaten Freund, denn die Hand desselben verhilft ihm gar oft zur Nahrung. Man hat auch eine Flinte in den Schlitten genommen. Gute Nacht, Geliebteste, gute Nacht!«

»Fahrt mit Gott!«

Mit diesen Worten zog sich Olenka zurück und Herr Kmiziz ging nach dem Gange zu. Unterwegs aber sah er durch die Ritze der angelehnten Thür zur Gesindestube noch ein Paar Mädchenaugen blitzen, welche sich noch nicht schlafen gelegt hatten. Diesen sendete er nach Soldatenart einen Handkuß. Bald darauf ertönte das Glöckchen erst laut, dann immer leiser, bis es zuletzt nicht mehr zu hören war.

Es war still geworden in Wodockt und diese Stille verwunderte Fräulein Alexandra fast, denn noch immer klangen ihr die Worte des Herrn Andreas in den Ohren, noch immer hörte sie sein Lachen, stand vor ihren Augen die üppige Gestalt des Jünglings, und nun nach diesen stürmischen Worten, dem Lachen und der Fröhlichkeit war es wundersam still geworden. Das Fräulein horchte hinaus, ob es nicht wenigstens noch das Glöcklein am Schlitten läuten höre. Aber nein, dasselbe läutete jetzt schon irgendwo in den Wäldern bei Wolmontowitsch. Eine große Bangigkeit befiel sie, niemals hatte sie sich so allein in der Welt gefühlt wie heute.

Allmählich nahm sie das Licht, ging hinüber in das Schlafgemach und kniete zum Gebet nieder. Sie begann wohl fünf Mal damit, ehe sie es mit gebührender Andacht sprechen konnte. Und dann flogen ihre Gedanken wie auf Flügeln zurück zu jenem Schlitten und der daraufsitzenden Gestalt. Auf beiden Seiten Wald, mitten drinnen ein breiter Weg und er – Herr Andreas fährt dahin. Hier schien es ihr, als sähe sie den aschblonden Kopf, die grauen Augen, den lachenden Mund mit den weißen Wolfszähnen dicht vor sich. Mit Mühe nur konnte das ernste Mädchen vor sich selbst die Thatsache verbergen, daß dieser übermütige Kavalier ihr sehr gefiel. Etwas beunruhigte er sie, etwas erschreckte er sie, aber zugleich zog er sie durch seine Fröhlichkeit, seinen Freimut und seine lebhafte Phantasie an. Fast schämte sie sich, daß ihr sogar sein übermütiger Stolz gefiel, als er bei der Bemerkung über die Vormünder den Kopf, wie einen Türkenbund rot, erhob und sagte: »Selbst die Radziwill aus Birz haben hier nichts zu bevormunden.« Das war kein Weichling, das war ein wirklicher, echter Mann! sagte sich das Mädchen. Ein Soldat, wie der Großvater sie am meisten liebte ... und er war es wert!

So grübelte Olenka und bald umfing sie ein süßer Friede, bald faßte sie eine große Unruhe, aber auch diese Unruhe war süß. Dann fing sie an sich auszukleiden, als die Thür knarrte und die Muhme Kulwiez mit einem Licht in der Hand eintrat.

»Ihr habt schrecklich lange gesessen!« sagte sie. »Ich wollte euch nicht stören, damit ihr euch zum ersten Male ordentlich aussprechen könntet. Er scheint mir ein artiger Kavalier zu sein, wie hat er dir gefallen?«

Fräulein Alexandra antwortete zuerst gar nichts, sie kam mit den barfüßigen Füßchen zur Muhme geeilt, legte ihre Arme um den Hals derselben, und indem sie ihren hellblonden Kopf auf deren Brust sinken ließ, sagte sie schmeichelnden Tones:

»Mühmchen, ach Mühmchen!«

»Oho!« brummte das alte Fräulein, indem sie den Kopf und das Licht erhob.

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