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3. Kapitel

Während der folgenden Tage war Herr Andreas täglich in Wodockt und täglich kam er verliebter zurück, täglich bewunderte er seine Olenka mehr. Den Kumpanen lobte er sie bis in den Himmel, bis er endlich eines Tages zu ihnen sprach:

»Meine lieben Lämmer, heute fahrt ihr nach Wodockt, dem Fräulein eure Ehrerbietung darzubringen. Wir haben uns mit meinem Mädchen besprochen, daß wir alle zusammen nach Mitrun fahren, um die Schlittenbahn im Walde zu genießen und das dritte Gut in Augenschein zu nehmen. Sie wird uns dort gastfrei bewirten und ihr werdet euch anständig betragen, denn ich haue denjenigen zu Mus, welcher ihr irgendwie zu nahe tritt.«

Die Kavaliere eilten, sich umzukleiden, und bald fuhr die vergnügungslustige Jugend mit vier Paar Schlitten nach Wodockt. Herr Kmiziz saß im ersten schöngeschmückten, welcher die Gestalt eines versilberten Bären hatte. Er wurde von drei Kalmücken-Pferden gezogen, die mit buntem Geschirr, Bändern und Pfauenfedern nach Smolenskischer Art geschmückt waren, was die Smolensker wieder von ferneren Nachbarn übernommen hatten. Ein Knecht, welcher im Halse des Bären saß, kutschierte. Herr Andreas, der mit einem grauen, mit Zobel gefütterten und einer goldenen Klammer geschlossenen Pelzoberrock bekleidet war und auf dem Kopfe eine Mütze von Zobelpelz mit einer Reiherfeder trug, war heiter, fröhlich und sagte zu dem neben ihm sitzenden Herrn Kokosinski:

»Höre, Kokosch! Wir sind wohl an den letzten zwei Abenden zu übermütig gewesen, besonders den ersten Abend, als es an die Totenköpfe und Bilder ging. Die Geschichte mit den Mägden war noch schlimmer. Der Teufel neckt den Zend immer, und wer muß das Bad ausschütten? – ich! Ich fürchte, daß die Leute davon sprechen, und es handelt sich hier um meine Reputation.«

»Hänge dich an deiner Reputation auf, denn sie taugt ebenso viel wie die unsere.«

»Wer ist schuld daran, wenn nicht ihr? Denke daran, daß ich auch im Orschanschen nur euretwegen für einen unruhigen Geist galt und alle mich auf ihre scharfen Zungen nahmen.«

»So? wer hat denn den Herrn Tumgrat im Winterfrost ans Pferd gebunden? wer jenen Kronenherrn erschlagen, der da fragte, ob man in Orschan schon auf zwei Füßen gehe oder noch auf vieren? Wer hat die Herren Wyschinski, Vater und Sohn, halbtot geschlagen? wer den letzten Landtag auseinandergetrieben?«

»Den Landtag löste ich im Orschanschen, nirgendwo anders, das war eine häusliche Angelegenheit. Herr Tumgrat verzieh mir sterbend und das Uebrige ist nicht der Rede wert, denn ein Duell kann auch dem Unschuldigsten vorkommen.«

»Ich habe dir auch längst nicht alles vorgeworfen; von den Kriegskontributionen spreche ich gar nicht, die Strafe für zweie wartet deiner im Lager.«

»Nicht meiner, sondern euer, denn ich war nur so viel Schuld daran, daß ich euch erlaubte, bei den Bürgern zu plündern. Aber lassen wir das. Halte das Maul, Kokosch, und erzähle nichts von dem allen der Olenka, weder von den Duellen, besonders aber nichts von dem Schießen nach den Bildern und von den Mägden. Wenn das herauskommt, schiebe ich alle Schuld euch in die Schuhe. Dem Gesinde habe ich es schon gesagt, ebenso den Mägden, daß ich denjenigen, der nur ein Wort darüber verlauten läßt, in Stücke reiße.«

»Laß dich beschlagen, Andrusch, wenn du dein Mädchen so fürchtest. Zu Hause in Orschan warst du anders. Ich sehe es schon kommen, du wirst am Gängelbande gehen, und das taugt nichts. Ein Philosoph des Altertums pflegte zu sagen: »Wenn du die Kachna nicht hast, so hat sie dich!« Du bist schon total gefangen.«

»Du bist dumm, Kokosch! Und was Olenka betrifft, so wirst du auf den Zehen ihr entgegengehen, wenn du sie erblickst, denn einen Blondkopf mit so artigem Verstande findest du nicht wieder. Was gut ist, das lobt sie gleich, und was schlecht ist, das versäumt sie nicht zu tadeln, denn sie schätzt jeden nach seinen Tugenden und hat ein bestimmtes Maß dafür. So hat sie der verstorbene Unterkämmerer erzogen. Wenn du dich als flotter Kavalier vor ihr zeigen und dich etwa damit brüsten wolltest, daß du das Recht mit Füßen getreten hast, so schämst du dich hinterher, denn sie wird dir gleich sagen, daß ein ehrenhafter Kavalier das nicht thun dürfe, da es gegen die Vaterlandsliebe verstößt. So würde sie dir sagen und dir würde dabei zu Mute, als hättest du eine Maulschelle bekommen, und wunderst dich, daß du das früher nicht selbstverständlich gefunden hast ... Pfui! Schande! Wir haben uns fürchterlich herumgehadert, jetzt müssen wir vor der Tugend und Unschuld die Augen niederschlagen ... Das schlimmste war die Geschichte mit den Mägden! ...«

»Das war gar nicht das Schlimmste. Ich habe gehört, daß hier in den Stellen kleinadelige Mädchen wohnen wie Milch und Blut, die durchaus nicht spröde sind.«

»Wer hat dir das gesagt?« fragte Kmiziz lebhaft.

»Wer? Nun, wer sonst als Zend. Als er gestern den Rotschimmel probieren wollte, ritt er nach Wolmontowitsch zu; aber er ritt nur über den Weg, da sah er eine Menge Mädchen, die aus der Vesperandacht heimkehrten. ›Ich fiel fast vom Pferd vor Staunen, so sauber und schön waren sie‹, sagte er. Und sah er eine an, gleich wies sie ihm lachend die Zähne. Das ist kein Wunder! Die Männer vom Kleinadel sind nach Reußen gegangen und den Mädchen wird allein die Zeit lang.«

Kmiziz stieß den Gefährten mit der Faust in die Seite:

»Wir fahren hin, Kokosch, einmal abends, etwa so, als hätten wir uns verirrt – was?«

»Und deine Reputation?«

»Zum Kuckuck! Halt's Maul. Wenn es so ist, so fahrt allein, oder besser, laßt ihr es auch bleiben! Es ginge ohne Lärm nicht ab und ich will mit dem hiesigen Adel in Frieden leben, denn der verstorbene Unterkämmerer hat sie alle zu Olenkas Vormündern eingesetzt.«

»Du sprachst davon, aber ich wollte es nicht glauben. Woher kam ihm diese Vertraulichkeit mit den Grauröcken?«

»Weil er mit ihnen in den Krieg zog; ich habe schon in Orschan gehört, wie er sagte, daß ein braves Blut in diesen Landadern fließe. Aber, um die Wahrheit zu sagen, Kokosch, so war auch mir das anfangs wunderlich, denn das sieht so aus, als hätte er sie zu Wächtern über uns gemacht.«

»Du mußt dich ihnen also anbequemen und ihnen Verbeugungen bis auf die Stiefelspitzen machen.«

»Eher möge sie eine böse Luft wegraffen. Sei still, denn es ärgert mich! Sie werden sich mir beugen und mir dienen. Das ist eine Fahne, auf jeden Ruf bereit.«

»Da ist schon ein anderer, welcher die Fahne führen soll. Zend erzählte mir, daß hier irgend ein Obrist unter ihnen ist; ich habe den Namen vergessen, Wolodyjowski oder sonst wie! Er hat sie bei Schklow angeführt. Sie sollen fest gestanden haben, aber man hat sie dort tüchtig ausgehechelt.«

»Ich hörte von einem gewissen Wolodyjowski, einem tapferen Soldaten ... aber – dort sieht man Wodockt schon.«

»Es muß den Menschen sehr wohl sein hier in Smudz, denn überall herrscht die peinlichste Ordnung. Der Alte muß ein ausgezeichneter Wirt gewesen sein ... und das Herrenhaus, es läßt sich sehen. Der Feind muß hier seltener hausen, da haben sie Zeit, sich auszubauen.«

»Ich denke, sie kann von dem Uebermut in Lubitsch noch nichts gehört haben,« sagte Kmiziz wie zu sich selbst.

Darauf wendete er sich zum Gefährten:

»Mein lieber Kokosch, ich sage dir, und du wiederhole es den anderen, daß ihr euch hier anständig betragen müßt, denn wenn einer von euch sich die geringste Freiheit erlaubt, so schlage ich ihn zusammen.«

»Nun, sie haben dich hier gut gezäumt.«

»Gezäumt oder nicht, das geht dich nichts an!«

»Sieh dir mein Mädchen nicht an,
Denn sie geht dich nichts an!«

sagte phlegmatisch Kokosinski.

»Knalle mit der Peitsche!« rief Kmiziz dem Kutscher zu.

Der Knecht, welcher im Halse des silberfarbenen Bären stand, drehte die Peitsche und knallte so geschickt mit ihr, daß es wie ein Schuß schallte, die anderen Kutscher folgten seinem Beispiel und so fuhren sie, unter Peitschenknall, fröhlich und heiter, wie bei einem Fastnachtsscherz, vor.

Nachdem sie ausgestiegen waren, gingen sie zuerst in den großen ungeweißten, einem Speicher ähnlichen Flur; von dort führte sie Herr Kmiziz in das Eßzimmer, welches ebenso wie in Lubitsch, mit den Köpfen erlegter Tiere geschmückt war. Hier blieben sie, unverwandt nach der Thür blickend, durch welche Fräulein Alexandra hereinkommen sollte. Unterdeß unterhielten sie sich, eingedenk der Warnung des Herrn Kmiziz, leise, wie in einer Kirche.

»Du kannst gut reden,« flüsterte Uhlick dem Kokosinski zu, »du kannst sie in unser aller Namen begrüßen.«

»Ich habe mir unterwegs schon eine Rede zurecht gelegt, aber ich weiß nicht, ob sie schön genug sein wird, denn Andrusch hat mich fortwährend gestört.«

»Wenn sie nur Schwung hat! Was kommen soll, kommt. Seht, da ist sie schon!«

In der That trat jetzt eben Fräulein Alexandra ein; sie blieb einen Augenblick an der Schwelle stehen, wie verwundert über eine so zahlreiche Begleitung, und Herr Kmiziz stand wie angewurzelt beim Anblick ihrer Schönheit. Er hatte sie bis jetzt nur des Abends gesehen, am Tage erschien sie ihm noch schöner. Ihre Augen hatten die Farbe der Kornblume, die ebenholzschwarzen Brauen über ihnen hoben sich dunkel von der weißen Stirn ab und das lichte Haar glänzte darüber wie die Krone auf dem Haupte einer Königin. Ihr Blick war ruhig, ihr rosiges Gesicht, welches noch mehr durch ein schwarzes, hermelinbesetztes Jäckchen gehoben wurde, strahlte. Ein so ernstes und erhabenes Mädchen hatten jene Krieger noch nicht gesehen; sie waren an Weiber anderen Zuschnittes gewöhnt. So standen sie denn auch in Reih' und Glied wie bei einer militärischen Musterung, sie machten auch eine steife Verbeugung, nur Herr Kmiziz trat vor, und nachdem er ihr einige Male die Hände geküßt hatte, sagte er:

»Hier, mein Kleinod, habe ich euch die Gefährten gebracht, mit welchen ich den letzten Krieg mitmachte.«

»Es ist für mich keine kleine Ehre,« entgegnete das Fräulein Billewitsch, »in meinem Hause so ehrenwerte Kavaliere zu empfangen, von deren Tugend und vorzüglichen Sitten der Herr Fähnrich mir schon erzählt hat.«

Indem sie dies sagte, faßte sie mit den Spitzen ihrer Finger das Kleid, und dasselbe ein wenig emporziehend, verneigte sie sich ungewöhnlich ernst. Herr Kmiziz biß sich in die Lippen, gleichzeitig aber errötete er vor Freude, daß sein Mädchen so dreist sprach.

Die ehrenwerten Herren machten fortwährend Kratzfüße, indem sie den Kokosinski anstießen.

»So tritt doch vor.«

Herr Kokosinski trat einen Schritt vor, räusperte sich und fing so an:

»Erlauchte Unterkämmererstochter –«

»Jägermeisterstochter« – verbesserte Kmiziz.

»Erlauchte Jägermeisterstochter und unsere liebwerte Wohltäterin,« wiederholte verlegen Herr Jaromir. »Verzeiht, wenn ich den Titel verwechselte ...«

»Das ist ein unschuldiger Irrtum, welcher die Redekunst eines so wortreichen Kavaliers nicht beeinträchtigt,« antwortete Fräulein Alexandra.

»Erlauchte Jägermeisterstochter, Wohlthäterin und vielgeliebte Herrin! Ich weiß nicht, was mir zukommt, im Namen des ganzen Orschan mehr zu loben, eure ungewöhnliche Schönheit und Tugend oder die unaussprechliche Glückseligkeit des Rittmeisters, unseres Kommilitonen, des Herrn Kmiziz. Denn wollte ich mich auch in die Wolken erheben, könnte ich thatsächlich die Wolken erreichen, die Wolken selbst ... sage ich ...«

»Aber steige doch schon einmal von den Wolken herab!« rief Kmiziz.

Die Kavaliere platzten alle in ein ungeheures Gelächter heraus, aber plötzlich des Befehls des Herrn Kmiziz gedenkend, langten sie an die Schnurrbärte, um dasselbe zu verbeißen.

Herrn Kokosinskis Verlegenheit stieg auf das Höchste, er errötete und sagte:

»So sprecht euren Willkommen selbst, ihr Heiden, wenn ihr mich unterbrecht!«

Eben faßte Fräulein Alexandra wieder mit den Fingerspitzen ihr Kleid.

»Ich bin eurer Redefertigkeit nicht gewachsen, meine Herren, ich weiß nur, daß ich diese Huldigungen, die ihr mir im Namen von ganz Orschan zu Füßen legt, nicht verdiene.«

Und wieder verneigte sie sich würdevoll, und den Orschaner Raufbolden fing es an etwas unbehaglich zu werden in der Nähe dieser höfischen Dame. Sie bemühten sich, als zuvorkommende Leute aufzutreten, und dies wollte ihnen nicht gelingen. So fingen sie denn an, sich an den Schnurrbärten zu zupfen, unter der Nase zu brummen, die Hände auf die Säbel zu stützen, bis Kmiziz sagte:

»Wir sind eigentlich hergekommen, um das gnädige Fräulein nach Mitrun abzuholen, durch die Wälder zu fahren, wie wir es gestern besprochen. Die Schlittenbahn ist herrlich und das Wetter ist frostig.«

»Ich habe schon die Muhme Kulwiez nach Mitrun geschickt, damit sie uns einen Imbiß zurecht macht. Und jetzt bitte ich die Herren, ein wenig zu warten, ich will mich nur etwas wärmer ankleiden.«

Indem sie dies sagte, kehrte sie um und ging hinaus. Herr Kmiziz sprang schnell zu seinen Gefährten.

»Nun, was, liebe Lämmer? ist das nicht eine Fürstin? Was, Kokosch? du sagtest, sie hätte mich gezäumt, weshalb standest du denn vor ihr wie ein Schulbube? Hast du je so ein Mädchen gesehen?«

»Ich hätte den Mund nicht so voll nehmen sollen, denn ich dachte nicht, daß ich zu einer solchen Persönlichkeit sprechen würde.«

»Der selige Unterkämmerer,« sagte Kmiziz, »war sehr viel mit ihr in Kiejdan am Hofe des Fürsten Wojewoden oder bei den Hlebowitsch, dort hat sie die feinen Manieren gelernt. Und schön ist sie, nicht wahr? Ihr könnt noch nicht zu Atem kommen!«

»Wir haben uns blamiert wie die Narren«, sagte Ranizki zornig, »aber der größte Narr ist Kokosinski!«

»O, Verräter, du hast mich mit dem Ellenbogen gestoßen, du hättest mit deinem punktierten Gesicht vortreten sollen.«

»Frieden! Haltet Frieden!« sagte Kmiziz. »Es ist erlaubt, sie zu bewundern, aber streiten dürft ihr nicht.«

»Ich würde für sie durch das Feuer gehen,« meinte Rekutsch. »Schlag' mich nieder, Andrusch, ich kann es nicht leugnen!«

Kmiziz jedoch dachte gar nicht daran, ihn niederzuschlagen, vielmehr war er sehr zufrieden damit, er drehte seinen Schnurrbart und blickte triumphierend auf die Geführten. Unterdeß erschien Fräulein Alexandra in einem Iltispelz und Käppchen, unter dem hervor ihr helles Gesicht noch strahlender erschien. Sie traten auf den Gang.

»In diesem Schlitten sollen wir fahren?« fragte das Fräulein, auf den silbernen Bären zeigend, »einen so schönen Schlitten habe ich noch nicht gesehen, so lange ich lebe.«

»Ich weiß nicht, wer ihn früher benutzte, denn es ist ein Beuteschlitten. Jetzt werden wir Beide darin fahren und er paßt ganz für uns, da in meinem Wappen eine Jungfrau auf einem Bären sich präsentiert. Es giebt noch eine andere Linie der Kmiziz, welche eine Fahne im Wappen führen, diese stammen von Filion Kmita Tscharnobylski, und der war kein Nachkomme desselben Hauses, aus welchem die großen Kmiziz herkommen.«

»Und wann habt ihr denn diesen Schlitten erobert?«

»Jetzt, in diesem Kriege. Wir arme Exilierte, die das Glück verlassen hat, haben nur das, was wir erbeuten, und da ich meinem Herrn treu gedient habe, so hat er mich auch belohnt.«

»Gott gebe einmal einen glücklichen Krieg, denn der jetzige belohnt den Einen und preßt dem ganzen Vaterlande Thränen aus.«

»Gott wird das ändern und die Hetmane!« Indem er dies sagte, hüllte er das Fräulein in den Schurz aus weißem, mit weißem Wolfsfell gefütterten Tuch ein, dann setzte er sich selbst hinein und rief dem Kutscher zu, zuzufahren, worauf die Pferde gleich anzogen.

Die kalte Luft schnitt ihnen ins Gesicht, sie verstummten; man hörte nur das Knistern des gefrorenen Schnees unter den Kufen, das Schnaufen und Getrappel der Pferde und die Zurufe der Kutscher.

Endlich beugte sich Herr Andreas zu Olenka hinüber:

»Gefällt es euch, Fräulein?«

»Wohl! es gefällt mir,« antwortete sie, den kleinen Muff bis zum Munde erhebend, um sich vor dem Winde zu schützen.

Die Schlitten flogen pfeilgeschwind dahin; der Tag war hell und frostig; der Schnee blitzte, als ob er mit Funken bestreut wäre; aus den Dächern der beschneiten Häuser, welche wie große Schneehaufen aussahen, stiegen Säulen rosigen Rauches empor. Ganze Scharen Krähen flogen laut krächzend zwischen den blätterlosen Bäumen vor den Schlitten her. Etwa zwei Gewände hinter Wodockt fuhren sie in einen dunklen Wald ein, welcher uralt und totenstill dastand wie ein unter dem dicken Schnee schlafender Greis. Die Bäume flogen an ihnen vorüber; es war, als ob sie weit hinter die Schlitten zurückflohen, und die Schlitten glitten schnell und schneller, als hätten die Rosse Flügel. Bei solcher Fahrt schwindelt einem und eine gewisse Trunkenheit überkommt die Fahrenden; so geschah es auch Fräulein Alexandra. Sich zurücklehnend, schloß sie die Augen und überließ sich diesem Gefühl. Ein süßes Gefühl der Machtlosigkeit überkam sie und ihr war zu Mute, als ob dieser Orschaner Bojar sie entführe und sie in ihrer Ohnmacht vermöge nicht, sich dagegen zu wehren und nicht zu schreien. Schneller, immer schneller fliegen sie dahin, Olenka fühlt, daß Arme sie umschließen, fühlt auch auf den Lippen etwas wie ein glühendes Siegel, sie vermag die Augen nicht zu öffnen, wie im festen Schlaf. Und weiter geht die Fahrt! Das träumende Fräulein erwacht erst, als eine Stimme sie fragt:

»Liebst du mich?«

Sie öffnet die Augen:

»Wie meine Seele!«

»Und ich auf Tod und Leben!«

Und wieder beugt sich die Zobelmütze des Herrn Kmiziz über Olenka. Sie wußte jetzt selbst nicht, was sie trunkener machte, die bezaubernde Fahrt oder die Küsse. Und weiter ging es, immer im Walde! Die Bäume flogen in Haufen vorüber, der Schnee sauste um sie, die Pferde schnauften und sie – waren glücklich.

»Ich möchte bis an das Ende der Welt so fahren!« rief Kmiziz.

»Was thun wir? Das ist Sünde!« flüsterte Olenka.

»Was heißt Sünde! Laß mich noch einmal sündigen.«

»Es darf nicht sein. Mitrun ist ganz in der Nähe.«

»Nah oder weit, das ist einerlei!«

Und Kmiziz erhob sich im Schlitten, hob die Hände hoch in die Höhe und fing an zu rufen, als könnte er das große Glücksgefühl nicht mehr in der Brust bergen:

»Heh – hah – heh – hah!«

»Heh! a Hop! hoop!« antworteten die Geführten aus den zurückgebliebenen Schlitten.

»Weshalb ruft ihr Herren so?« fragte das Fräulein.

»Nur so, vor Freude! Bitte ruft ihr auch einmal, Fräulein.«

»Heh! hah!« schallte es fein und lieblich durch den Wald.

»Meine Königin! Ich falle dir zu Füßen.«

»Die Gefährten würden lachen.«

Nach der Trunkenheit überkam Beide eine ausgelassene Fröhlichkeit, toll, wie ihre Fahrt toll war. Kmiziz fing an zu singen:

»Es blickt ein schön Mädchen, es blickt aus dem Herrenhaus
Ins üppige Feld ein Stück!
O, Mutter! es kommen viel Ritter zum Walde heraus,
O, du mein glücklich Geschick!
Ach, Töchterlein! schau' nicht nach ihnen, die Aeuglein deck' zu
Mit den Händen, den weißen!
Es zieht ihnen nach in den Krieg, dein Herz, ohne Ruh',
Den Krieg, den so heißen!«

»Wer hat euch die schönen Lieder gelehrt?« fragte Fräulein Alexandra.

»Der Krieg, Olenka. Im Lager haben wir aus Bangigkeit gesungen.«

Die weitere Unterhaltung wurde unterbrochen durch ein lautes Rufen von den hinteren Schlitten her: »Steh! steh! He doch – steh!«

Herr Andreas drehte sich verwundert und zornig um; was war den Gefährten in den Sinn gekommen, daß sie ihn durch ihr Rufen aufhalten wollten? Da sah er einige hundert Schritte hinter seinem Schlitten einen Reiter, welcher sich näherte, so schnell das Pferd laufen konnte.

»Um Gotteswillen! das ist mein Wachtmeister Soroka; es muß etwas geschehen sein!« sagte Herr Andreas.

Unterdeß hatte der herangekommene Wachtmeister das Pferd derartig pariert, daß es auf die Hinterfüße aufsaß, und sagte ganz außer Atem ...

»Herr Rittmeister!«

»Was giebt es, Soroka?«

»Upit brennt; man kämpft dort!«

»Jesus Maria!« schrie Olenka.

»Fürchtet euch nicht, Fräulein ... wer kämpft?«

»Die Soldaten mit den Einwohnern. Der Markt steht in Flammen! Die Einwohner haben sich hinreißen lassen und haben zum Präsidium nach Poniewiersch geschickt und ich bin hierher geeilt zu euer Gnaden. Ich kann kaum noch atmen.«

Während dieser Unterredung waren die zurückgebliebenen Schlitten herangekommen. Kokosinski, Ranizki, Kuliwiez Hippocentaurus, Uhlick, Rekutsch und Zend sprangen auf den Schnee und umgaben die Sprechenden.

»Worum handelt es sich?« fragte Kmiziz.

»Die Einwohner wollten keine Nahrungsmittel geben, weder den Menschen, noch den Pferden, weil sie keine Anweisungen hätten, da wollten die Mannschaften mit Gewalt dieselben nehmen. Wir belagerten die Bürgermeisterei mit denjenigen, welche sich auf dem Markt verbarrikadiert hatten. Man fing an zu feuern, wir zündeten zwei Häuser an; jetzt ist die Not groß, sie läuten mit allen Glocken.«

Die Augen Kmiziz' leuchteten zornig.

»So ist unsere Hilfe dort nötig!« rief Kokosinski.

»Das Militär wird die Kleinstädter gut zurichten!« schrie Ranizki, dessen Gesicht rote, weiße und dunkle Flecke ganz bedeckten. »Schach! Schach! meine Herren!«

Zend lachte gerade so wie eine Nachteule, die Pferde wurden scheu und Nekutsch pipste, die Augen zum Himmel erhoben:

»Schlag zu, wer an Gott glaubt. Laßt die Städte im Rauch aufgehen.«

»Schweigt!« brüllte Kmiziz, daß der Wald dröhnte und der nahestehende Zend zurücktaumelte wie ein Betrunkener. »Ihr seid dort nicht nötig, es bedarf keiner Metzelei. Setzt euch alle in zwei Schlitten, mir laßt einen hier, und fahrt nach Lubitsch. Dort habt ihr zu warten, bis ich etwa nach euch schicke.«

»Was soll das?« protestierte Ranizki. Aber Herr Andreas faßte ihn unter dem Halse und blickte noch zorniger mit den Augen.

»Kein Wort mehr!« sagte er drohend. Sie schwiegen still. Man sah, sie fürchteten ihn, obgleich sie für gewöhnlich vertraulich mit ihm waren.

»Olenka, kehrt nach Wodockt zurück,« sagte Kmiziz, »oder fahrt nach Mitrun, die Muhme zu holen. Die Schlittenfahrt hat kein gutes Ende genommen. Ich dachte es mir, daß sie es nicht in Ruhe aushalten würden. Aber es soll dort bald ruhiger werden, wenn erst ein paar Köpfe abgeschlagen sind. Seid unbesorgt, Fräulein, und bleibt gesund, ich werde meine Rückkunft beschleunigen.«

Er küßte ihr die Hände und hüllte sie warm ein: dann setzte er sich in einen anderen Schlitten und rief dem Kutscher zu:

»Nach Upit!«

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