William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Zweyte Scene.

Ein Hof-Bedienter zu den Vorigen.

Hofbedienter. Einer der sich für den Prinzen Florisell, Sohn des Königs Polixenes ausgiebt, bittet mit seiner Gemahlin, der schönsten Dame die ich jemals gesehen habe, vor Euer Majestät gelassen zu werden.

Leontes. Wie geht das zu? Er kommt nicht, wie es der Grösse seines Vaters anständig ist; eine so überraschende Erscheinung, ohne Veranlassung, ohne Ankündigung sagt uns, daß dieses kein vorsezlicher Besuch, sondern das Werk irgend eines Zufalls und der Nothwendigkeit seyn müsse. Hat er ein Gefolge?

Hofbedienter. Nur wenige, und dem Ansehn nach, gemeine Leute.

Leontes. Und seine Gemahlin, sagt ihr, bey ihm?

Hofbedienter. Ja; das schönste Geschöpf in meinen Augen, das jemals die Sonne beschienen hat.

Paulina. O Hermione, so wie die gegenwärtige Zeit sich allemal über eine bessere, die vergangen ist, selbst zu erheben pflegt, so muß deine Grabschrift nun auch dem was man izt siehet, Plaz machen. Ihr selbst, mein Herr, ihr habt einst gesagt, und geschrieben: Sie habe nie ihres gleichen gehabt, und könne nicht ihres gleichen haben; so hoch flog einst eure Muse zum Preiß ihrer Schönheit empor; das ist ein gewaltiger Abfall, nun zu sagen, ihr hättet eine Schönere gesehen.

Hofbedienter. Um Vergebung, Gnädige Frau; in sechszehn Jahren vergißt sich die grösseste Schönheit, die nicht mehr ist; was diese betrift von der ich rede, so beruf ich mich auf eure eignen Augen, wenn ihr sie gesehen haben werdet; es ist ein Geschöpfe, die, wenn sie eine neue Secte aufbringen wollte, den Eifer aller andern Bekenner auslöschen, und mit ihrem blossen Anblik mehr Proselyten machen würde, als andre mit aller ihrer Redekunst.

Paulina. Proselyten? Unter diesen würden wol wenig Weibsbilder seyn?

Hofbedienter. Warum nicht? Die Weiber müssen sie lieben, weil sie ein Weibsbild ist, das alle Männer demüthig machen kan; und die Männer, weil sie die liebenswürdigste unter allen Weibern ist.

Leontes. Gehe, du, Cleomenes, und führe ihn zu unsrer Umarmung – – Es ist seltsam, daß er uns so unvermuthet überraschen soll!

Paulina. Hätte unser Prinz diese Stunde gesehen, er würde mit diesem jungen Herrn ein schönes Paar gemacht haben; es war kein voller Monat zwischen ihrem Alter.

Leontes. Ich bitte dich, nicht weiter; du weissest, daß er für mich wieder stirbt, wenn von ihm gesprochen wird: In der That, deine Reden werden machen, daß mich der Anblik dieses jungen Prinzens ganz aus der Fassung bringen wird – – Da kommen sie ja schon.


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