William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweyte Scene.

Leontes, Antigonus, und einige Herren vom Hofe treten auf.

Leontes. Ihr traffet ihn dort an, sagt ihr? Seine Leute? den Camillo bey ihm?

Ein Hof-Cavalier. Hinter dem kleinen Fichten-Wald traf ich sie an; in meinem Leben hab' ich keine Leute solche Schritte machen gesehen: Ich folgte ihnen mit den Augen bis in ihre Schiffe.

Leontes. O! wie vollkommen ist nun mein Verdacht gerechtfertiget! Wie richtig treffen meine Muthmassungen zu! Nur gar zu richtig! Wenn ich weniger wißte, würd' ich weniger unglüklich seyn – – Es kan eine Spinne in den Becher gefallen seyn, und einer trinkt; er schlukt sie unbemerkt mit herunter, und es schadet ihm nichts, bloß darum weil er nichts davon weiß; aber wenn einer das ekelhafte Ding im Schluken noch gewahr worden ist, wenn er weiß, daß er's hinunter geschlukt hat – – Das erschüttert seine Brust und seine Seiten mit Grauen und heftigen Erbrechungen – – Ich habe getrunken, und die Spinne gesehen – – Camillo half ihm dazu; es ist ein Anschlag gegen mein Leben, und gegen meine Crone auf dem Tapet – – Mein Mißtrauen befindet sich nur allzuwahr – – Der treulose Bube den ich gebrauchte, war schon von ihm gedungen: Er hat ihm mein Vorhaben verrathen, und ich bin nun der Narr im Spiele; nun können sie aus mir machen was sie wollen: Wie kam es dann, daß sie die Hinter-Thüren so leicht aufkriegen konnten?

Hof-Cavalier. Das konnte Camillo leicht erhalten, da sie ihm schon öfters aufgemacht werden mußten, wenn er euern Befehl dazu hatte.

Leontes. Ich weiß es nur zu wol – – Gebt mir den Jungen; (zu Hermione) ich bin froh, daß ihr ihn nicht gesäugt habt: Und doch, wenn er schon einige Züge von mir hat, so hat er doch zuviel von euerm Blut in sich – –

Hermione. Was soll das seyn – – Scherz?

Leontes. Tragt mir den Jungen weg; er soll nicht wieder zu ihr kommen; weg mit ihm, sie mag sich die Zeit mit dem vertreiben, mit dem sie schwanger geht; es ist doch Polixenes, der dir diese Geschwulst gemacht hat.

Hermione (ruhig.)
Und ich wollte wol sagen das hat er nicht; und ich wollte drauf schwören, ihr würdet mir glauben was ich sage, ungeachtet ihr das Gegentheil vorgäbet.

Leontes. Ihr, meine Herren, schaut sie an, faßt sie wol ins Auge – – Eure Augen werden euch sagen, daß sie eine schöne Frau ist – – Dieses Lob muß ihr eingestanden werden – – Wie Schade, daß die Gerechtigkeit selbst euch zurük hält, wenn ihr hinzusezen wollt, sie sey so tugendhaft als sie schön ist – – Daß sie euch ein Hem! und ein Achsel-Züken abnöthigt, eh ihr die Worte sie ist tugendhaft, herausbringen könnt – – Ich will euch von diesem Zwang befreyen; wisset, und vernehmet es von demjenigen, der am meisten dadurch gekränket wird, sie ist eine Ehebrecherin.

Hermione. Würde der schändlichste Bube, der in der Welt ist, so sagen, so würde er ein desto schändlicherer Bube seyn: Aber ihr, mein Herr, seyd bloß in einem Irrthum, wenn ihr so redet.

Leontes. Ihr habt euch geirret, Madam, wie ihr den Polixenes für Leontes angesehen habt. O du, dein rechter Name würde den Mund eines Prinzen zu sehr befleken – – Ich habe es gesagt, sie ist eine Ehbrecherin; und ich habe gesagt mit wem: Ich sage noch mehr; sie ist eine Verrätherin, und Camillo ist ihr Mit-Verschworner – – er weiß um das, was sie erröthen sollte, sich selbst bewußt zu seyn – – er weiß daß sie nichts besser ist als diejenige, denen der Pöbel die unehrbarsten Titel giebt; ja, und daß sie an ihrer Flucht Antheil hat.

Hermione. Nein, bey meinem Leben, ich weiß von allem diesem nichts: Wie wird euch das schmerzen, wenn euch dereinst die Augen aufgehen werden, daß ihr mich öffentlich so beschimpft habt! Mein liebster Gemahl, ihr werdet mir dann schwerlich eine hinlängliche Genugthüung geben können, wenn ihr sagt, daß ihr euch geirret habet.

Leontes. Die Umstände, auf welche mein Urtheil sich gründet, lassen keiner Möglichkeit, mich geirret zu haben, Raum – – Hinweg mit ihr ins Gefängniß – – Derjenige, der nur ein Wort zu ihrem Vortheil spricht, muß eine Ursache dazu haben, die ihn mehr als doppelt schuldig macht.

Hermione. Es regiert irgend ein böser Planet: Ich muß Geduld haben, bis der Himmel günstigere Aspekten giebt. Meine guten Herren, ich bin nicht so fertig zum Weinen, als es unser Geschlecht gröstentheils ist; der Mangel dieses eiteln Thaues wird vielleicht euer Mitleiden auftroknen; aber der ehrenvolle Schmerz den ich schweigend hier verschliesse, brennt heftiger, als daß ihn Thränen löschen könnten – – Ich bitte euch alle, meine Herren, denket das beste von mir was euer gutes Herz euch eingeben mag; und so geschehe dann des Königs Wille!

Leontes. Werd ich Gehorsam finden?

Hermione. Wer soll mit mir gehen? – – Ich bitte Eu. Hoheit, meine Kammer-Frauen bey mir zu lassen; denn, wie ihr sehet, so macht meine Figur ihre Gegenwart nothwendig – – Weint nicht, ihr närrischen Dinger, ihr habt keine Ursache dazu; wenn ihr jemals finden werdet, daß eure Frau diese Begegnung verdient hat, dann weint was ihr weinen könnt; die Widerwärtigkeit, die izt über mich kommt, dient zu meinem Besten. Adieu, mein Gemahl – – es ist mir schmerzlich, daß ich erlebt habe, euch bekümmert zu sehen; Kommt, meine Weiber, ihr habt Erlaubniß.

Leontes. Geht, thut was ihr wollt – – fort.

(Die Königin, mit einer Wache, und ihre Frauen, gehen ab.)

Ein Herr von Hofe. Ich bitte Euer Hoheit, ruffet die Königin zurük.

Antigonus. Sehet wohl zu, was ihr thut, Gnädigster Herr; wenn ihr Unrecht habt, so leiden drey Personen, und keine geringere als Ihr selbst, eure Königin, und euer Sohn.

Ein andrer Herr von Hofe. Ich wollte mein Leben für sie sezen können, Gnädigster Herr – – und ich will es hiemit gethan haben, wenn ihr es annehmen wollt – – daß die Königin in den Augen des Himmels selbst unschuldig an dem, wessen ihr sie beschuldiget, ist.

Antigonus. Findet sich's, daß sie es nicht ist, so will ich mich mit Ketten an mein Weib schmieden lassen; so will ich ihr nicht weiter trauen als ich sie sehe und fühle – – Wenn die Königin ungetreu ist, so ist jedes Quintchen Weiber-Fleisch, jeder weibliche Bluts-Tropfe in der Welt falsch.

Leontes. Schweigt – –

Einige Herren. Gnädigster Herr – –

Antigonus. Was wir reden ist zu euerm Besten, nicht zum unsrigen – – Ihr seyd betrogen, und von irgend einem Ohrenbläser, der dafür zur Hölle fahren wird – – Wollte Gott ich wißte wer der Bube ist, er sollte sein leztes Brodt gegessen haben: Wenn Sie ihre Ehre verwirkt hat – – ich habe drey Töchter; die älteste ist eilf Jahre alt, die andre neun, und die dritte fünf oder sechs – – Wenn sich's so befindet, so sollen sie dafür büssen. Bey meiner Ehre, ich will sie alle verschneiden lassen; sie sollen nicht vierzehn Jahre alt werden, um Mütter von andern Spizbübinnen zu werden; sie sind meine einzigen Erben, und ich wollte mich lieber selbst aufhängen, als daß sie keine schöne Nachkommenschaft zur Welt bringen sollten.

Leontes. Hört auf; nichts mehr; ihr habt zu stumpfe Sinnen für eine solche Sache; ich seh und fühle sie; es ist hier von keinen Muthmassungen die Rede; ich bin gewiß – –

Antigonus. Wenn das ist, so brauchen wir kein Grab, um die Ehrlichkeit darein zu legen; es ist kein Gran von ihr übrig, nicht ein Gran, um den Gestank der ganzen in Unrath versunknen Erde erträglicher zu machen.

Leontes. Wie? hab ich keinen Credit mehr, daß ihr noch zweifelt?

Ein Herr vom Hofe. In dieser Sache wünschte ich daß ihr keinen hättet, Gnädiger Herr; ich wollte lieber, daß sich ihre Unschuld als daß sich euer Argwohn wahr befände, ihr möchtet auch getadelt werden so viel man wollte.

Leontes. Was haben wir nöthig hierüber mit euch zu conferieren? Es war eine Wirkung unsrer natürlichen Leutseligkeit, daß wir mit euch in einer Sache redeten, wozu ihr keine Stimmen zu geben habt. Wenn ihr also so dumm seyd, oder euch geflissentlich so stellt, und die Wahrheit mit uns nicht sehen könnt, oder nicht sehen wollt; so behaltet eure Meynung für euch; wir bedürfen keiner weiteren Erinnerungen von euch; die Sache, der Gewinn und der Verlust, und die Disposition darüber, alles geht lediglich uns selbst an.

Antigonus. Ich wünschte auch nur, mein Gebietender Herr, daß ihr sie noch länger bey euch selbst behalten, und nicht so öffentlich kund gemacht hättet.

Leontes. Wie war das möglich? Entweder hat dich das Alter dummer gemacht, oder du bist zum Narren gebohren worden. Nachdem Camillo's Entweichung noch zu ihrer vorigen Vertraulichkeit, (welche so in die Augen fallend war, daß zur gänzlichen Evidenz nichts fehlte als sie in der wirklichen That zu ergreiffen) nachdem, sage ich, Camillo's Entweichung noch dazu gekommen, so war ich gezwungen, auf diese Art zu Werke zu gehen. Indessen und um in einer Sache von solcher Wichtigkeit nichts zu unterlassen, was zu mehrerer Bestätigung der Wahrheit dienen kan, hab' ich bereits mit fliegender Eilfertigkeit Dion und Cleomenes nach dem geheiligten Delphi, in Apollo's Tempel, abgesandt: Ihr wisset, daß es Leute sind, auf die man sich verlassen kan: Und die Antwort, die sie uns von dem Orakel bringen werden, soll mich zurükhalten, oder spornen. Hab ich nicht wol gethan?

Ein Herr vom Hofe. Sehr wohl, Gnädigster Herr.

Leontes. Wenn ich gleich für meine eigne Person Proben genug habe, und nicht weiters zu wissen brauche als was ich weiß, so wird das Orakel doch dazu dienen, die Gemüther der übrigen zu beruhigen, deren unwissende Leichtgläubigkeit sie unfähig macht, die Wahrheit durch sich selbst zu entdeken. Inzwischen haben wir für gut angesehen, sie von uns zu entfernen, und in sichre Verwahrung bringen zu lassen; um ihr die Gelegenheit abzuschneiden, das verräthrische Complot der beyden, die sich auf flüchtigen Fuß gesezt haben, auszuführen. Kommt, folgt uns; wir sehen uns bemüssiget öffentlich zu reden; denn dieser Handel wird uns alle aufweken – –

Antigonus. Ja, zum Lachen, denk' ich, wenn die echte Wahrheit bekannt wäre.

(Sie gehen ab.)


 << zurück weiter >>