William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Sechste Scene.

Verwandelt sich in eine einöde Gegend in Böhmen nahe an der See.Wie die See nach Böhmen kommen könne, war ein Umstand, den sich unser Autor vielleicht von darum nichts anfechten ließ, weil man in Mährchen auf die Geographie nicht zu achten pflegt.

Antigonus tritt mit einem Kind auf dem Arm und einem Schiffer auf.

Antigonus. Du bist also gewiß, daß unser Schiff an die Wüsten von Böhmen angeländet hat?

Schiffer. Ja, Gnädiger Herr, und ich besorge nur daß es zur Unzeit geschehen ist. Der Himmel sieht fürchterlich aus und droht mit einem gegenwärtigen Sturm. Auf mein Gewissen, die Götter sind über das was wir in Handen haben erzörnt, und geben's uns zu erkennen.

Antigonus. Ihr heiliger Wille geschehe! Geh du an Bord zurük; sorge für deine Barke, ich will dir bald wieder ruffen.

Schiffer. Eilet was ihr könnet, und waget euch nicht zu weit in das Land hinein; wir werden, allem Ansehen nach, ein heftiges Ungewitter bekommen – – Und zudem ist diese Gegend wegen der wilden Thiere berüchtiget, die sich hier aufhalten.

Antigonus. Geh du nur; ich will dir auf dem Fusse folgen.

Schiffer (vor sich.)
Ich bin von Herzen froh, daß ich dieser Bürde los werde.

(Er geht ab.)

Antigonus. Komm, armes Geschöpf; ich habe gehört, obgleich nie geglaubt, daß die Geister der Verstorbnen wieder kommen können; wenn sowas ist, so erschien mir deine Mutter in verwichner Nacht; denn nie hat ein Traum dem Wachen so gleich gesehen. Eine Creatur stellte sich mir vor, deren Haupt bald auf die eine bald auf die andere Seite hieng; nie sah ich ein Gefäß von solchen Schmerzen angefüllt – – und doch so viel Anstand in ihrem ganzen Wesen; ganz weiß gekleidet, wie das Bild der Unschuld, näherte sie sich der Cajüte worinn ich lag; sie neigte sich dreymal vor mir, aber wie sie den Mund zum reden öffnete, barsten ihre Augen in Thränen; endlich da sie sich erleichtert hatte, brachen diese Worte von ihr: Redlicher Antigonus, weil doch nun das Schiksal, gegen deine bessere Gesinnung dich zum Werkzeug der Wegwerfung meines armen Säuglings gemacht hat, so leg es in Böhmen nieder – – es sind Wildnisse genug dort, und sie sind weit genug von Sicilien entlegen, daß dein Eid nicht dadurch gebrochen wird; und weil dieses Kind für immer verlohren geschäzt wird, so gieb ihm, ich bitte dich, den Namen Perdita. Für dieses unfreundliche Geschäfte, das dir mein Gemahl aufgelegt hat, wirst du dein Weib Paulina niemals wieder sehen – – und hier that sie einen ängstlichen Schrey, und zerfloß in Luft. So erschroken ich war, so erholt' ich mich doch bald wieder, und dachte bey mir selbst, daß es etwas wirkliches und kein Traum gewesen seyn müsse: Träume sind Tand; aber für dieses einzige mal kan ich mir nicht verwehren abergläubisch zu seyn, und Reflexion auf dieses Gesicht zu machen. Ich glaube, daß Hermione den Tod erlidten haben wird; und daß Apollo, weil er weiß, daß dieses Kind wirklich dem König Polixenes angehört, haben will, daß es hieher, es sey nun zum Leben oder Tod, auf seines wahren Vaters Grund und Boden gelegt werde. (Er legt das Kind nieder.) So gerathe dann wol, du kleiner Sprößling! Hier liege, und hier dein Name; und hier Dinge, welche, wenn das Glük günstig ist, deine Erhaltung befördern, und doch dein bleiben können – – Es fängt an zu stürmen – – Armes unglükliches Geschöpf! das für seiner Mutter Fehler so grausam büssen muß – – Wie wird es dir gehen? – – Weinen kan ich nicht, aber mein Herz blutet – – O des unseligen Eids, durch den ich mich so gebunden habe! – – Lebe wohl! – – Der Tag wird immer dunkler; es sieht aus, als ob du ein rauhes Wiegen-Lied bekommen werdest; nie hab ich bey Tage einen so düstern Himmel gesehen – – Was für ein wildes Geschrey ist das – – ich habe hohe Zeit an Bord zu eilen – – Das ist eine Jagd – – Himmel! Ich bin verlohren.

(Er flieht, von einem Bären verfolgt.)


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