William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Fünfte Scene.

Paulina mit einem Kinde auf dem Arm tritt auf.

Ein Herr vom Hofe, an der Thüre.
Ihr könnt nicht vorkommen.

Paulina. Ihr solltet euch vielmehr meiner annehmen, meine guten Herren. Ach Gott! ist euch mehr daran gelegen, seine tyrannische Leidenschaft als das Leben der Königin zu schonen? Einer tugendhaften, schuldlosen Seele; welche reiner ist, als er eifersüchtig.

Antigonus. Laß es genug seyn.

Ein Bedienter vor der Thüre.
Gnädige Frau, er hat diese Nacht nie geschlaffen; wir haben ausdrüklichen Befehl, niemand vor ihn zu lassen.

Paulina. Nicht so hizig, Herr; ich komme deßwegen, um ihm wieder zu seinem Schlaffe zu helfen. Solche Leute wie ihr, die wie seine Schatten neben ihm her kriechen, und jedem seiner unnöthigen Seufzer mit einem schmeichlerischen Nach-Seufzen antworten – – Solche Leute nähren die Ursache seiner Schlaflosigkeit. Ich komme ihm Wahrheiten zu sagen, die ihn so gewiß curieren können als sie wahr sind – – Laßt mich; ich werde mich nicht abweisen lassen.

Leontes. Was giebts für ein Getöse hier, he?

Paulina. Kein Getöse, Gnädigster Herr, sondern eine nothwendige Audienz für ein paar ehrliche Gevatterinnen.

Leontes. Wie? – – Weg mit dieser zudringlichen Frau – – Antigonus, befahl ich dir nicht, sie sollte nicht vor mich kommen? Ich wußte, daß sie es im Sinn hatte.

Antigonus. Gnädigster Herr, ich verbott es ihr, auf Gefahr sich euern Unwillen zuzuziehen, und den meinigen – – aber – –

Leontes. Was? Kanst du sie nicht besser im Zaum halten?

Paulina. Von allem was unrecht wäre, kan er's; aber in dieser Sache, verlaßt euch darauf – – er müßte es denn nur machen wie ihr, und mich einsperren lassen, weil ich rechtschaffen gehandelt hätte – – in dieser Sache soll er mich nicht zurükhalten können.

Antigonus. Seht ihr nun, ihr hört es selbst; wenn sie einmal den Zaum zwischen die Zähne genommen hat, so muß ich sie rennen lassen; aber doch stolpert sie nicht.

Paulina. Mein Gnädigster Oberherr, ich komme – – und ich bitte euch, hört mich an, eure getreue Magd, euern Arzt, und euere aufrichtige wolmeynende Rathgeberin; ich bin es, ob ich schon weniger Credit habe, als diejenigen, die euch am ergebensten zu seyn scheinen, ohne daß sie den Muth haben, eure Wunde anzurühren – – Ich sage, ich komme von eurer guten Königin.

Leontes. Guten Königin?

Paulina. Guten Königin, Gnädigster Herr; ja, von eurer guten Königin, sag' ich noch einmal, und wollt' es mit Schwerdt und Lanze gegen den Schlimmsten unter euch beweisen, wenn ich ein Mann wäre.

Leontes. Treibt sie hinaus.

Paulina. Unterstehe sich einer Hand an mich zu legen, wenn ihm seine Augen nur Kleinigkeiten sind: Ich will von mir selbst wieder gehen, aber zuvor will ich meine Commission ausrichten. Die gute Königin, denn sie ist gut, hat euch eine Tochter gebracht; hier ist sie, und bittet um euern Segen.

(Sie legt das Kind vor ihm nieder.)

Leontes. Hinaus! weg mit der Hexe! zur Thüre hinaus: Die verschmizte Kupplerin!

Paulina. Das nicht; ich bin so unwissend in dieser Kunst als ihr, wenn ihr mich so betitelt; und nicht weniger ehrlich als ihr unsinnig seyd; und das ist, ich versichre euch, so wie die heutige Welt geht, genug um für ehrlich zu passieren.

Leontes. Verräther, wollt ihr sie nicht hinausschmeissen? (Zum Antigonus.) Gieb ihr den Bastard; du alter Weiber-Narr, der sich von seiner Henne aus dem Hüner-Stall herauspiken läßt. Nimm den Bastard auf, nimm ihn auf, sag ich; gieb ihn deiner alten Schnarr-Pfeiffe.

Paulina. Auf ewig ehrlos seyen deine Hände, wenn du die Princessin unter der gewaltthätigen Beschimpfung, womit er sie belegt, aufhebst.

Leontes. Seht, er muß sein Weib fürchten.

Paulina. Ich wollte, ihr machtet's so; so würdet ihr ohne Zweifel eure Kinder nicht verläugnen.

Leontes. Ein Pak Verräther!

Antigonus. Ich bin keiner, beym Gott des Tages!

Paulina. Ich auch nicht, noch sonst jemand hier, als einer; und der ist er selbst – – Er, der die geheiligte Ehre seiner Selbst, seiner Königin, seines hoffnungs-vollen Sohns und seiner neugebohrnen Tochter Preiß gegeben und mit einer Schande gebrandmalet hat, die wenn sie sich einmal in die Meynung der Welt eingefressen hat, durch keinen Widerruf, durch keine ersinnliche Genugthüung wieder auszulöschen ist.

Leontes. Eine natter-züngichte Beze, die kürzlich ihren Mann geprügelt hat, und nun mich anfällt! – – Diese kleine Roznase geht mich nichts an; Polixenes ist ihr Vater, weg mit ihr und ihrer Alten; werft sie ins Feuer.

Paulina. Sie ist euer, und wenn wir das alte Sprüchwort auf euch applicieren dürften, sie sieht euch so gleich, daß sie nicht desto schöner ist. Seht hier, meine Herren, so klein der Format ist, das natürliche leibhafte Ebenbild ihres Vaters; Augen, Nase, Lippen, der Zug seiner Augbrauen, seine Stirne, das Grübchen in seinem Kinn, und in den Wangen, sein Lächeln, die völlige Bildung seiner Hand, seine Finger und Nägel. Und du, gute Göttin Natur, die du sie dem, der sie zeugte, so ähnlich machtest, wenn du auch die Gestaltung des Gemüths hast, so brauch alle Farben dazu, nur kein Gelb; sonst könnte die Königin wol, eben sowol wie er, auf den Argwohn gerathen, daß ihre Kinder nicht ihrem Manne gehörten.

Leontes. Der garstige Schleppsak! Und du, Flegmatischer Geselle, verdienst gehangen zu werden, daß du ihr das Maul nicht stopfest – –

Antigonus. Wenn ihr alle Männer hängen lassen wollt, die das nicht können, so wird euch schwerlich ein einziger Unterthan übrig bleiben.

Leontes. Noch einmal, schafft sie fort.

Paulina. Der unwürdigste, unnatürlichste Herr könnte nicht mehr thun.

Leontes. Ich will dich zu Asche brennen lassen.

Paulina. Sey es; so ist der der Kezer, der das Feuer anzünden läßt, nicht ich, die verbrennt wird. Ich will euch eben keinen Tyrannen nennen, aber diese höchst grausame Behandlung eurer Königin, (gegen welche ihr doch nicht im Stande seyd einen andern Zeugen aufzubringen, als eure eigne wakelnde Einbildung) schmekt ein wenig nach Tyranney; und wird euch verächtlich, ja abscheulich in den Augen der Welt machen.

Leontes. Ich befehl es euch, bey euern Pflichten; werft sie aus dem Zimmer hinaus. Wär' ich ein Tyrann, wo wär' ihr Leben? Sie würde mich gewiß nicht so nennen, wenn sie wißte daß ich einer wäre. Weg mit ihr.

Paulina. Ich bitte euch, stoßt mich nicht, ich will gehen. Seht zu euerm Kinde, Gnädigster Herr, es ist euer; die Götter mögen ihr einen bessern Schuzgeist senden! – – Hiemit gehabt euch wol, wir gehen.

(Sie geht ab.)


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