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Leontes. Camillo, dieser grosse Matador will noch länger bey uns bleiben.
Camillo. Ihr hattet viel zu thun, seinen Anker halten zu machen; er hatte immer eine Ausrede – –
Leontes. Merktest du das?
Camillo. Er wollte sich durch euer Bitten nicht bewegen lassen zu bleiben; seine Geschäfte schlugen immer vor.
Leontes. Hast du das beobachtet – – (vor sich.) Es war ein Gelispel und Gemurmel um mich herum, wie sie noch hier waren; ich weiß nun was ich bin – – es ist weit gekommen, wenn ich der lezte bin der es merkt – – Wie kam es denn, Camillo, daß er blieb?
Camillo. Auf das Anhalten der guten Königin.
Leontes. Der Königin, das mag seyn – – gut, ist eine andre Frage – – Gut sollte immer so seyn – – Aber sind noch mehr Leute als du, die das gemerkt haben? Dein Verstand ist von einer feinern Composition als gewöhnliche Köpfe – – du und einer oder zween, welche weiter sehen als andre, können es ausfündig gemacht haben – – Die übrigen werden doch vielleicht nichts von der Sache gewahr worden seyn? Sprich.
Camillo. Von der Sache, Gnädiger Herr? Ich denke, das kan jedermann gewahr werden, daß der König von Böhmen länger hier bleibt.
Leontes. Ha?
Camillo. Länger hier bleibt.
Leontes. Ja, aber warum?
Camillo. Um Euer Majestät, und unsrer gnädigsten Königin zu willen zu seyn.
Leontes. Um der Königin zu willen zu seyn – – zu willen? Mehr brauch ich nicht – – Höre Camillo; ich habe dir immer das Innerste meines Herzens anvertraut – – Du bist immer in meinen besondern Angelegenheiten wie in meinen öffentlichen, mein Beichtiger gewesen; ich habe dich für einen rechtschaffnen Mann gehalten: Aber nun seh ich, daß ich mich betrogen habe, daß mich der Schein betrogen hat.
Camillo. Das verhüte der Himmel, Gnädiger Herr – –
Leontes. Nein, du bist kein ehrlicher Mann, oder wenn du ja ehrlich bist, so bist du eine furchtsam Memme, und das hindert die Ehrlichkeit immer, daß sie den Weg nicht geht den sie gehen sollte: Du bist also entweder ein Verräther, der sich durch sträfliche Nachlässigkeit meines Vertrauens unwürdig gemacht hat; oder ein Thor, welcher ruhig zusieht, wie ich betrogen werde, und alles für blossen Spaß hält.
Camillo. Mein Gnädigster Oberherr, ich kan nachlässig, thöricht und furchtsam gewesen seyn; das sind Gebrechen, von deren jedem kein Mensch in der Welt zu allen Zeiten frey bleibt – – Ich bitte Eu. Majestät deutlicher mit mir zu reden, und mich meinem Verbrechen ins Gesicht sehen zu lassen; wenn ich es verläugne, so ist es nicht mein.
Leontes. Hast du nicht gesehen, Camillo, (aber das braucht nur nicht gefragt zu werden, du must es gesehen haben oder dein Augapfel ist diker als ein Hahnrey's-Horn) oder gehört, (denn bey einer Sache, die so offenbar in die Augen fällt, kan das Gerücht nicht stumm seyn) oder gedacht, (denn wer bey solchen Umständen nichts dächte, müßte gar nichts denken können) daß meine Gemahlin mir ungetreu sey – – Gesteh es wenn du willst – – oder sey unverschämt genug mir abzuläugnen, daß du Augen, Ohren oder Gedanken habest – – Gesteh es, und sage also, mein Weib sey ein Steken-Pferd, verdiene einen garstigern Namen, als irgend ein Flachs-Mensch, die sich beschlaffen läßt, eh sie zu Kirchen und Strassen gegangen ist – – Sag es, und rechtfertige dich.
Camillo. Wenn ein andrer meine Königliche Gebieterin so lästerte, so würde ich nicht so da stehen, und zuhören, ohne ihn auf der Stelle zur Rechenschaft zu ziehen – – Gütiger Himmel! was für Reden! Sie zu wiederholen wäre eine grössere Sünde als was ihr argwohnet, wenn es sich auch so befände.
Leontes. Ist Flüstern nichts? Ist die Baken an einander anlehnen, ist Nasen-zusammensteken – – mitten im Lachen mit einem Seufzer innhalten – – ist Fuß auf Fuß sezen – – in Winkel zusammenkriechen – – wünschen, daß die Gloke schneller, daß Stunden Minuten – – daß der Mittag, Mitternacht, und alle Augen, ausser den ihrigen, stokblind wären – – ist das nichts? Nun, wenn das nichts ist, so ist die ganze Welt und alles was drinn ist nichts; so ist dieser umwölbende Himmel nichts; der Böhme nichts; mein Weib nichts; so ist kein Unterscheid zwischen nichts und etwas, wenn das nichts ist.
Camillo. Mein Gnädiger Herr, laßt euch in Zeiten von dieser kranken Einbildung heilen; denn sie ist sehr gefährlich.
Leontes. Sag, es sey so, denn es ist so.
Camillo. Nein, nein, Gnädigster Herr.
Leontes. Du lügst, es ist so; du lügst; ich sage du lügst, Camillo, und ich hasse dich; gesteh, daß du ein plumper Tölpel, ein gedankenloser Sclave, oder ein wankender Temporisierer bist, der nach Zeit und Umständen, die nemliche Sache für gut und böse ansehen kan. Wäre meines Weibs Leber so angestekt, wie ihre Sitten, sie hätte keine Stunde mehr zu leben.
Camillo. Wer ist dann ihr Verführer?
Leontes. Kanst du fragen? Wer anders als der, der sie wie eine Medaille um seinen Hals hangen hat – – der Böhme, der wenn ich Diener hätte, die mir getreu wären, und eben so wohl auf ihren eigenen Vortheil als auf meine Ehre sähen – – Sie würden sich nicht lange mahnen lassen das zu thun, was mich allein gegen das was er thut, sicherstellen kan – – Du, sein Mund-Schenke, (du den ich aus dem niedrigen Stande hervorgezogen, und zu Würde und Ansehen erhoben habe; du, der so gewiß als der Himmel die Erde und die Erde den Himmel sieht, sehen mußt, wie ich beleidiget werde) du könntest meinem Feind einen Becher zubereiten, der ihn auf ewig einschläfern und für mich eine Herzstärkung seyn würde.
Camillo. Mein Gnädigster Herr, es ist gewiß, daß ich das könnte, und mit einer Art von langsam-würkendem Gift, welches zu keinem Argwohn Anlaß geben würde – – Aber ich kan nicht, nein, ich kan nicht glauben, daß die Königin zu einer so niederträchtigen Verrätherey herabgesunken seyn könne.
Leontes. Ich liebte dich – – Denke der Sache nach – – Meynst du, daß ich fähig sey aus blosser Laune und leerem Argwohn mir selbst einen so garstigen Handel zuzuziehen? Die Reinigkeit meines Ehebettes zu besudeln – – Die Ehre des Prinzen meines Sohnes, zweifelhaft zu machen, den ich für mein halte, und als mein liebe – – Denkst du daß ich das thun würde, wenn ich nicht die wichtigsten Gründe vor mir hätte? Welcher Mann könnte sich so weit vergehen?
Camillo. Ich muß mich überwunden geben, mein Königlicher Herr; ich will es thun – – ich will den König von Böhmen aus dem Wege schaffen; aber mit dieser Bedingung, daß wenn er fort ist, ihr eure Gemahlin wieder in eure Liebe aufnehmen, und wenn es auch nur aus Liebe zu euerm Sohne wäre, eben so halten sollet wie vorher, damit alle Zungen versiegelt, und keine nachtheilige Gerüchte in auswärtige und befreundete Höfe ausgestreut werden mögen.
Leontes. Du rathest mir das nemliche, was ich selbst schon bey mir festgesezt hatte; ihre Ehre soll keinen Fleken bekommen.
Camillo. So lasset nun mich für alles sorgen, Gnädigster Herr; und nehmet indessen gegen den König und eure Gemahlin ein so offnes Betragen an, wie die Freundschaft bey einem vertraulichen Gastmahl zeigt: Ich bin sein Mund-Schenke; wenn ihm der Trank, den ich ihm mischen will, wohl bekommt, so haltet mich nicht mehr für euern Diener.
Leontes. Das ist alles was ich will; thu es, so hast du die Hälfte meines Herzens; thu es nicht, so zersplitterst du dein eignes.
Camillo. Ich will es thun, Gnädiger Herr.
Leontes. Und ich mich freundlich stellen, wie du mir gerathen hast.
(Er geht ab.)
Camillo (allein.)
Unglükliche Dame! Aber in was für einem Falle befind' ich mich selbst? Ich soll der Vergifter des rechtschaffnen Polixenes seyn, und was mich dazu bewegen soll, ist der Gehorsam gegen meinen Herrn; der in der Wuth seiner Leidenschaft haben will, daß alle die ihm angehören, von ihr erfüllt seyn sollen. Thu ich's, so folgt Beförderung. Aber wenn ich tausend Exempel von solchen, die ihre Hand an gesalbete Könige gelegt hätten, und glüklich dadurch worden wären, finden könnte, so wollt' ich's nicht thun – – Nun aber, da weder Erzt, noch Stein, noch Pergament nur eines aufweisen kan, muß die Ruchlosigkeit selbst eine solche That verschwören! Ich muß nur dem Hof gute Nacht sagen – – Gehorsam und Ungehorsam würde mir beydes den Hals brechen – – O, was für ein glüklicher Stern regiert! Hier kommt Polixenes – –
Polixenes bezeugt dem Camillo seine Befremdung über die Veränderung die er an dem König von Sicilien wahrnehme; er sieht nicht anders aus, (spricht er) als ob er eine Provinz verlohren hätte, und eine Provinz, die er wie sich selbst geliebt hätte – – Das trokne, verdrießliche und durch einen sichtbaren Zwang nur wenig bedekte Betragen seines Freundes beunruhigt ihn desto mehr, da er gewahr worden, daß es ihn angehe, ohne daß er begreiffen kan, warum. Camillo läßt sich eine Weile bitten, bis er auf des Polixenes dringendes Anhalten, ihm den erhaltnen Auftrag und die Eifersucht des Königs ohne Umschweiffe entdekt. Der bestürzte Polixenes schwört eine ganze Reihe poetischer Eidsformeln herab, daß er unschuldig sey: Aber Camillo versichert ihn, daß er mit so vielen Schwüren als Sterne am Himmel seyen, die einmal gefaßte Meynung aus dem Gehirn des rasenden Leontes nicht wegschwören könnte. Er schlägt ihm also zu ihrer beyder Rettung vor, daß sie sich, ohne Abschied zu nehmen, in der nemlichen Nacht heimlich davon machen wollten. Polixenes läßt es sich gefallen – – ich habe, (sagt er zu Camillo) die Bestätigung dessen was du mir entdekt hast, in seinen Augen gesehen – – Seine Eifersucht hat eine höchst liebenswürdige Creatur zum Gegenstand; so vortreflich diese ist, so groß muß jene seyn; da er Macht hat, so ist natürlich, daß er auf Rache bedacht ist; und da er sich gerade vor dem Mann, der sich jederzeit für seinen besten Freund ausgegeben hat, beleidigt hält, so muß dieser Umstand seine Rache um so viel bittrer machen – – Polixenes macht aus diesen Prämissen den Schluß, daß er alle Ursache habe, sich in der äussersten Gefahr zu glauben. Er verspricht dem Camillo, daß er ihn als einen Vater ehren wolle, wenn er ihn lebendig von Palermo wegbringen werde. Zu gutem Glüke liegen die Schiffe des Königs zur Abreise bereit, und Camillo hat, seines Hof-Amts wegen, über alle Schlüssel zu disponieren. Weil sie nun keine Zeit zu verliehren haben, so gehen sie ab.