William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Der Königliche Hof in Böhmen.

Polixenes und Camillo treten auf.

Polixenes. Ich bitte dich, guter Camillo, laß von mir ab; es ist mir schmerzlich dir irgend etwas abzuschlagen, aber dieses zu bewilligen, wäre gar der Tod.

Camillo. Es ist nun bereits fünfzehn Jahre seit ich mein Vaterland zum leztenmal gesehen habe; und ob ich gleich den grössesten Theil meines Lebens ausser demselben zugebracht, so wünsch ich doch, daß meine Gebeine dort liegen möchten. Ueberdieß hat der bußfertige König, mein Herr, nach mir gesendet; vielleicht kan ich ihm in seinem kummervollen Zustand zu einigem Troste dienen; wenigstens bild ich mir's so ein, und das ist ein neuer Antrieb zu meiner Abreise.

Polixenes. Wenn du noch einige Liebe für mich hast, Camillo, so zernichte nicht alle deine mir bisher geleistete Dienste, indem du mich izt verlässest; schreib' es deiner eignen Güte zu, daß ich dich nicht mehr entbehren kan: Es wäre mir besser, dich nie gehabt zu haben, als künftig ohne dich zu seyn. Du hast mir Geschäfte gemacht, die niemand als du, zu Stande bringen kan; gehen und das Angefangene unvollendet lassen, das würde alle Verdienste auslöschen, die du dir dabey um mich gemacht hast. Bin ich dafür nicht erkenntlich genug gewesen, (wie ich es denn nie genug seyn kan,) so will ich beflissen seyn, meine Dankbarkeit besser zu beweisen – – Nur sage mir, ich bitte dich, nichts mehr von diesem fatalen Sicilien – – Der blosse Name davon martert mich mit der Erinnerung an diesen bußfertigen König, wie du ihn nennest, an dessen noch immer blutenden Schmerz über den Verlust seiner Gemahlin und seiner Kinder ich nun gedoppelten Antheil nehme, seitdem uns unsre Aussöhnung wieder zu Brüdern gemacht hat – – Sage mir, wie lang' ist es, seit du den Prinzen Florisell meinen Sohn gesehen hast? Könige sind nicht unglüklicher, wenn sie übelgerathene Kinder haben, als sie es durch die Furcht sind, liebenswürdige zu verliehren.

Camillo. Gnädigster Herr, es sind drey Tage seitdem ich den Prinzen sah; was für angenehme Angelegenheiten er haben mag, ist mir unbekannt; aber ich vermisse ihn so ungern, daß ich nothwendig habe wahrnehmen müssen, daß er sich seit einiger Zeit öfters von Hof entfernt, und seinen fürstlichen Uebungen nicht mehr mit dem vorigen Eifer obliegt.

Polixenes. Das hab' ich auch wahrgenommen, Camillo, und es hat mir wichtig genug geschienen, seine Abwesenheiten durch wachsame Augen beobachten zu lassen. Ich habe durch dieses Mittel erfahren, daß er seine meiste Zeit in dem Hause eines gewissen Schäfers zubringe, eines einfältigen, gemeinen Landmanns, der, wie sie sagen, von nichts, und auf eine seinen Nachbarn unbegreifliche Weise, zu einem unsäglichen Reichthum angewachsen sey.

Camillo. Ich habe von einem solchen Mann gehört, Sire, der eine wunderschöne Tochter haben soll; man sagt so viel ausserordentliches von ihr, daß es unbegreiflich ist, wie sie das alles in einer Bauer-Hütte habe werden können.

Polixenes. Auch diß ist mir gesagt worden, und ich fürchte das sey der Angel, der meinen Sohn dahin zieht. Ich habe mir vorgesezt, mich in einer schiklichen Verkleidung selbst dahin zu verfügen, und du sollst mich begleiten; ich will mich mit dem Schäfer in Unterredung einlassen; ich denke, daß seine Einfalt mir leicht machen soll, die Ursache warum mein Sohn sich so viel bey ihm aufhält, heraus zu bringen – – Ich bitte dich, theile dieses Geschäfte mit mir, und leg indessen die Gedanken an Sicilien auf die Seite.

Camillo. Ich bin gänzlich zu euern Diensten.

Polixenes. Mein bester Camillo! – – Komm, wir müssen uns verkleiden.

(Sie gehen ab.)


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