William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Zweyte Scene.

Verwandelt sich in einen Gerichts-Hof.

Leontes, die vornehmsten Herren vom Hofe, und verschiedene Beysizer und Officianten des Hof-Gerichts, im Cirkel sizend.

Leontes. Dieses niedergesezte Gericht (mit tiefstem Schmerz müssen wir es sagen) führt den tödtlichen Stoß in unser Herz. Der beklagte Theil ist nichts geringeres als die Tochter eines Königs, unsre Gemahlin, und eine, welche wir nur zu sehr geliebt haben – – Dieses feyrliche Gericht wird uns, hoffentlich, gegen allen Vorwurf der Tyranney sicher stellen; dieses Gericht, wobey die Gerechtigkeit allein den Vorsiz haben, wo der Schuldigen ihre Vertheidigung nicht versagt und nur das Verbrechen gestraft werden soll – – Führet die Gefangene vor – –

Ein Officiant. Es ist Sr. Hoheit Wille, daß die Königin vor Gericht gebracht werde. Stille!

Hermione wird mit einer Wache herein geführt; Paulina und ihre Cammer-Frauen folgen.

Leontes. Leset die Anklage.

Officiant (ließt.)
Hermione, Königliche Gemahlin des Durchlauchtigsten Leontes, Königs von Sicilien, du wirst hier vorgeladen und des Hochverraths angeklagt, darinn von dir begangen, daß du mit Polixenes, König von Böhmen, geehbruchet, und mit Camillo dich in ein Verständniß gegen das Leben unsers Gnädigsten Herrn, des Königs deines Gemahls, eingelassen; und daß, da dieser Anschlag durch zufällige Umstände zum Theil offenbar worden, du, Hermione, gegen die Treue und Pflicht eines getreuen Unterthanen, ihnen gerathen und Vorschub gethan, um sich bey nächtlicher Weile durch die Flucht zu retten.

Hermione. Da alles was ich zu sagen haben kan, in dem blossen Widerspruch meiner Anklage besteht; und ich keine andre Zeugschaft meiner Unschuld aufstellen kan, als meine eigne; so wird es mir schwerlich etwas helfen, wenn ich sage, ich bin nicht schuldig: Das gegen meine Redlichkeit einmal gefaßte Vorurtheil, wird alles was sie sagen kan, zu falschen und leeren Ausflüchten machen. Aber, wenn Göttliche Mächte auf unsre menschlichen Handlungen herabschauen, (wie sie es gewiß thun) so zweifle ich nicht, daß Unschuld doch zulezt eine falsche Anklage zu Schanden machen, und Tyranney vor Geduld zittern wird – – Ihr, mein Herr und Gemahl, ihr wißt am besten, ob ihr es gleich am wenigsten zu wissen scheinet, daß mein vormaliger Lebens-Wandel so keusch, so ehrlich, und so untadelhaft gewesen ist, als ich izt unglüklich bin; und das ist mehr als irgend eine Geschichte, ja mehr als irgend ein Trauerspiel, obgleich mit allem Fleiß ausgesonnen, um Zuschauer herbey zu loken, aufweisen kan – – Denn hier steh' ich, die Genossin des Königlichen Bettes, die Theilhaberin des Throns, die Tochter eines grossen Königs, die Mutter eines hoffnungsvollen Prinzen, stehe und schwaze für Leben und Ehre, vor einem jeden, dem es gefällig ist zu kommen und zu hören. Was mein Leben betrift, das hat in meinen Augen alles verlohren, was es der Erhaltung werth machen könnte: Aber meine Ehre ist mein eigen, und für diese steh' ich hier. Ich appelliere an euer eignes Gewissen, mein Herr, wie ich bey euch in Gnaden gestanden, eh Polixenes an euern Hof kam, und ob ich es verdiente – – und, seitdem er gekommen ist, wie sorgfältig ich bemüht gewesen, mich eurer guten Gedanken von mir würdig zu erhalten; bin ich in Werken oder Gedanken nur Ein Jota über die Schranken der Ehre hinaus gegangen, so möge sich das Herz eines jeden der mich hört, verhärten, und meine nächste Blutsverwandten Fy über mein Grab ruffen!

Leontes. Ich habe noch nie gehört, daß es einer, welche Muth genug hat so grobe Verbrechen zu wagen, an Verwegenheit gefehlt hätte, sie mit eben der Unverschämtheit wieder wegzuläugnen, womit sie selbige begangen hat.

Hermione. Das ist wahr genug, aber es ist eine Beobachtung, mein Herr, die gar nicht für mich gemacht ist.

Leontes. Ihr wollt sie euch nur nicht zueignen.

Hermione. Mehr Fehler, als ich würklich habe, kan und soll ich auch nicht für mein erkennen. Was den Polyxenes mit dem ich hier angeklagt bin, betrift, so gestehe ich, ich liebte ihn, so wie es seine guten Eigenschaften verdienten, mit solch einer Art von Liebe, wie einer Frau, wie ich, anständig seyn kan; mit einer Liebe, gerade so einer und keiner andern, wie ihr selbst mir ihn zu lieben befahlet; wenn ich weniger gethan hätte, würde ich geglaubt haben, ungehorsam gegen euch, und undankbar gegen euern Freund zu seyn; einen Freund, den ihr mir selbst als den Freund eures Herzens angepriesen habt, und der euch von der Kindheit an bewiesen hatte, daß er's sey. Was eure Zusammen-Verschwörung betrift, so gestehe ich frey, daß ich gar nicht verstehe was ihr damit wollt: Alles was ich weiß ist, daß Camillo ein ehrlicher Mann war; aber warum er euern Hof verlassen hat, das wissen die Götter selbst nicht, wenn sie nicht mehr davon wissen als ich.

Leontes. Ihr wußtet so gewiß um seine Flucht, als ihr wisset, was ihr in seiner Abwesenheit zu thun vorhattet.

Hermione. Mein Herr, ihr redet eine Sprache, die ich nicht verstehe; mein Leben hängt nun einmal von euern Träumen ab; ich überlaß es euch.

Leontes. Eure Thaten sind meine Träume – – wie? Ihr habt einen Bastart vom Polixenes, und ich träumt es nur so? – – Diese Frechheit hat nur an eurer Schaamlosigkeit ihres gleichen – – Doch läugne immerhin; das kan uns in Erstaunen sezen, aber dir kan es nichts helfen; denn so wie dein Wechselbalg, wie es sich für eine solche Brut schikt, von der niemand Vater seyn will, (ein Umstand der freylich bey ihr nur ein Unglük, aber bey dir ein desto schwereres Verbrechen ist) wie sie hinausgeworfen worden ist, so sollt du unsre Gerechtigkeit fühlen: Erwarte von ihrer äussersten Milde nichts geringere als den Tod.

Hermione. Sparet eure Drohungen, mein Herr; den Popanz, womit ihr mich schreken wollt, den such ich; Leben kan für mich kein Gut mehr seyn. Die Crone und das Vergnügen meines Lebens, eure Gunst, geb ich verlohren, denn ich fühle, daß sie verlohren ist, ob ich gleich nicht weiß, wie. Meine zweyte Freude, mein Sohn, mein erstgebohrner, von dem werd ich, wie eine angestekte Person durch Schlösser und Riegel versperrt. Mein dritter Trost, (ach! unter einem allzu-unglüklichen Stern gebohren!) ist von meiner Brust (die unschuldige Milch noch in seinem ganz unschuldigen Munde) weggerissen und ermordet worden; ich selbst bin mit einem Haß der keine Grenzen hat, als eine Meze durch alle Strassen ausgeruffen – – Sogar die Kindbett-Freyheiten, die dem geringsten Weibsbild zugestanden werden müssen, sind mir verweigert – – Zulezt, um das Maaß voll zu machen, habt ihr mich an diesen Plaz schleppen lassen in die freye Luft, vor der Zeit, da ich die Kräfte wieder erlangt hätte, es auszuhalten. Nun, mein gebietender Herr, sagt mir, wo sind die Glükseligkeiten, die ich mit dem Leben verliehren könnte? Schreitet also immer zur Sentenz: Aber das höret noch – – Verstehet mich nicht unrecht – – Nicht um mein Leben – – das acht' ich nicht soviel als einen Stroh-Halm – – Aber um meiner Ehre willen, muß ich euch sagen, wenn ich auf Bezüchtigungen, die keinen andern Beweis als eure Eifersucht haben, verurtheilt werde, so ist es Härte, nicht Justiz – – Meine Herren alle, ich unterwerfe mich dem Ausspruch des Orakels; Apollo soll mein Richter seyn!


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