William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Vierte Scene.

Ein Knecht vom Hause tritt auf.

Knecht. O Herr, wenn ihr nur den Hausirer vor der Thür hörtet, ihr würdet in euerm Leben mehr nach keiner Schellen-Trummel tanzen: Nein, der Dudelsak selbst könnt' euch nicht von der Stelle bringen; er singt euch eine Menge Töne, geschwinder als ihr Geld zählen könnet; es geht ihm vom Munde weg, als ob er lauter Balladen im Magen hätte; alle Leute laufen ihm nach, und können sich nicht satt an seinen Liedern hören.

Hans. Er hätte nie gelegner kommen können; er soll herein kommen; ich bin ein gar zu grosser Liebhaber von Balladen, wenn die Historie recht erbärmlich ist, und die Melodie fein lustig geht; oder auch etwas recht lustiges aber nach einer kläglichen Weise.

Knecht. Er hat Lieder für Manns- und Weibs-Bilder, lang und kurz, wie man's haben will; kein Krämer kan seine Kundsleute besser mit Hand-Schuhen versehen; er hat die artigsten Liebes-Lieder für junge Mädel, und so züchtig, alles so verblümt gegeben, daß ihr euch wundern werdet; wo ein andrer unverschämter Bursche die grosse Gloke anziehen würde, da läßt er das Mädel sagen – – Hi, sachte, du wirst mir doch kein Leid thun wollen, guter Freund – – und damit ist er abgewiesen.

Polixenes. Der Bursche gefällt mir.

Hans. Du kanst mir's glauben, der Mann muß Grüze im Kopfe haben; hat er auch hübsche Galanterie-Waaren?

Knecht. Er hat Bänder von allen Farben im Regenbogen; Spizen; mehr als alle Advocaten in ganz Böhmen zu ihrem Handwerk verbrauchen könnten, wenn sie gleich Regimenterweise zu ihm kämen; Halstücher, Krausen, Nesseltuch, Leinwand; beym Wetter! er singt euch seine Sachen nach einander herunter, als ob es lauter Götter und Göttinnen wären – –

Hans Wurst. Ich bitte dich, bring ihn herein; aber er muß singend hereinkommen.

Perdita. Aber verbietet ihm, daß er keine unartige Worte in seinen Liedern gebrauche.

Hans Wurst. Es giebt unter diesen Hausierern Leute die mehr hinter den Ohren haben als ihr euch einbildet, Schwester.

Perdita. Oder als ich jemals Lust haben werde mir einzubilden.

Autolicus kommt herein, und trägt singend alle seine Galanterie-Waaren an. Mopsa zieht ihren Liebhaber, Hans, auf, daß er ihr Bänder und parfümirte Handschuh kauffen solle; dieser entschuldigt sich damit, daß ihm sein Geld gestohlen worden sey, und erbietet sich endlich ihr Lieder zu kauffen.

Hans Wurst. Was hast du hier? Lieder?

Mopsa. Nun, kauffe etliche, ich bitte dich; ich liebe ein gedruktes Lied, wie mein Leben; denn so weiß man doch auch gewiß, daß sie wahr sind.

Autolicus. Hier ist eins, das nach einer überaus kläglichen Weise geht, wie eines Wucherers Frau auf einmal mit zwanzig Geld-Säken ins Kindbette gekommen; und wie sie einen Gelust gehabt, Schlangen-Köpfe und geröstete Kröten zu essen.

Mopsa. Meynt ihr, es sey wahr?

Autolicus. Sehr wahr, und erst einen Monat alt.

Dorcas. Behüte mich Gott davor, einen Wucherer zum Manne zu kriegen!

Autolicus. Hier ist auch noch der Name der Hebamme, eine gewisse Frau Mährchen-Trägerin, und fünf oder sechs ehrliche Frauen, die bey der Niederkunft zugegen waren. Meynt ihr ich werde Lügen im Lande herum tragen?

Mopsa. O, ich bitt' euch, kauft es.

Hans Wurst. Nun, so legt es bey Seite, und laßt uns noch mehr Balladen sehen; wir wollen um die andern Sachen hernach handeln.

Autolicus. Hier ist eine andre Ballade, von einem Fisch, der sich an einem Mittwoch den achtzigsten April vierzigtausend Faden hoch über dem Wasser an der See-Küste sehen ließ, und dieses Lied gegen die hartherzigen Mädchen sang; man glaubte, es sey ein Weibsbild gewesen, und in einen Fisch verwandelt worden, weil sie ihrem Liebhaber so unbarmherzig begegnet; das Lied ist überaus beweglich, und eben so wahr.

Dorcas. So meynt ihr würklich, es sey wahr?

Autolicus. Fünf Beamtete haben es eigenhändig unterschrieben; und Zeugschaften sind mehr da, als mein ganzer Pak fassen könnte.

Hans Wurst. Legt es auch auf die Seite: Ein anders – –

Autolicus. Hier ist ein lustiges, gar ein artiges Lied.

Mopsa. Wir müssen auch etliche lustige haben.

Autolicus. O, wenn euch damit gedient ist, hier ist eins, das seines gleichen nicht hat, und geht nach der Melodie zwoo Mädchen buhlten um Einen Mann; es ist kaum ein Mädel im ganzen Oberland, die es nicht singt: Man reißt sich darum, das kan ich euch sagen.

Mopsa. Wir können beyde die Melodie; wenn du eine Stimme nehmen willst, so kanst du's hören; es hat drey Stimmen.

Dorcas. Es ist noch kein Monat, so hatten wir die Melodie – –

Autolicus. Ich will eine Stimme für mich nehmen; ihr müßt wissen, das ist mein Handwerk: Nun, gebt Achtung auf eure Stimmen.

(Sie singen das Lied mit einander.)

Hans (der sie unterbricht.)
Wenn ihr singen wollt, so wollen wir hinausgehen; mein Vater und diese Herren sind in einem ernsthaften Gespräch begriffen, und wir wollen sie nicht stören: Kommt, nehmt euern Kram mit. Mädel, ich will euch beyden was kauffen; aber wir müssen die Auswahl haben, Krämer; Kommt, ihr, Schleppsäke – –

Autolicus. Aber ihr müßt auch brav für sie bezahlen.

(Hans, Autolicus, Mopsa und Dorcas gehen ab.)


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