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Es war ein herrlicher Tag zu einer Fußwanderung, einer jener entzückenden Februartage, in denen die Frische eines mexikanischen Winters gleichsam kosend in die tropische Sommerglut verschmilzt, um nach einigen Stunden lieblicher Vereinigung sich wieder zu trennen. Ein wunderbarer Wechsel in diesen wenigen Stunden! Das Tal und die grandiosen Berge und Felsenmassen, die es in eirunder Form umschließen, werden in diesen Stunden glänzend licht, was man in der südwestlichen Zone licht nennt, mit einem Himmel, so rein und durchsichtig und tief! Das Auge dringt unwillkürlich tiefer und tiefer in dieses goldige Blau, als wollte es eindringen in die fernen Himmel. Und die sinkende Sonne erglänzt so strahlend in diesem blauen Firmamente! Und die Lüftchen wehen so leicht, so kosend! Alles ladet zum Lebensgenüsse in diesen Stunden ein. Die großartigen Basalt- und Porphyrgebirge des Tales glänzen am hellsten, die weiße Frau Itztaccihuatl. erscheint verjüngt zur Feier des neuen Jahres, und jugendlich prachtvoll zieht die ganze Natur herauf vom üppigen Süden. Es sind wonnevolle Stunden, diese erste, zweite und dritte Nachmittagsstunde, für jeden, der nicht Mexikaner ist; denn dieser schläft seine Siesta.
An diesem Tage jedoch war keine Siesta in Mexiko, und die Volksschar, mit der unser junger Stutzer Don Pinto die Tacubastraße herauf kam, war nicht die einzige, die in den sonst öden Straßen von Mexiko schwärmte.
»Ein ganz eigenes Leben, dieses Leben in Mexiko!«
»Gerade, als ob kein Morelos in Cuautla Amilpas wäre«, erwiderte Don Pinto. »Du siehst, das spanische Phlegma bleibt sich getreu; drei rendezvous in einer Straße. Welche hat dir ein Stelldichein gegeben?«
»Das Stumpfnäschen«, bemerkte der Kreole.
»Das geht nicht; sie wohnt zu weit die Adlergasse hinab aus unserem Wege. Nimm die meinige; es ist Isidra, ein allerliebstes Dingelchen.«
»Meinethalben,« erwiderte der Gefährte gleichmütig, »wenn –«; aber er endigte seinen Satz nicht, sondern verschluckte die letzten Worte.
Mit der sie begleitenden Schar würdiger Männer war auf einmal eine seltsame Veränderung vorgegangen. Sie waren schlendernd in der besten Laune die Tacubastraße hinaufgezogen, und der Xerez und Sangaree des Grafen hatten offenbar vieles zu dieser guten Laune beigetragen. Von dem Schmerze, den bittern Täuschungen, die auf den Gesichtern der meisten früher zu sehen gewesen, war auch keine Spur übrig geblieben; dafür war etwas einer Schadenfreude Ähnliches in ihren Zügen hervorgetreten; man sah es ihnen an, daß sie etwas wußten. Jetzt hatte sich auf einmal dieser Zug von Schadenfreude auf allen Gesichtern in Schrecken und Angst umgewandelt, und dieses so auffallend, daß der Begleiter unseres jungen Stutzers verwundert um sich sah. Eine Totenstille war eingetreten unter den hundert Leuten; sie sahen sich eine Weile erschrocken an und schlichen sich dann auseinander, ohne Adios zu sagen, ohne ein Wort mehr zu sprechen.
»Was ist das?« fragte der Begleiter Don Pinto.
»Siehst du nicht, wir sind auf der Plaza-Mayor.«
»Und was weiter?«
»Wir sind vor dem Palaste.«
»Welchem Palaste?«
»Mein Gott, welche Frage! Des großen Zauberers, der Mexiko umstrickt hält, so wie die Spinne den armen Kolibri; vor dem Palaste des Virey. Meiner Seele! In seinem Kabinette regt es sich. Bleibe ruhig!« flüsterte er seinem Begleiter zu, »so ruhig als möglich. Lege deinen Arm recht breit in den meinigen; weniger militärische Haltung; bewege den Mund, als ob du mit mir sprächest.«
Der junge Kreole tat, wie ihm vorgeschrieben.
»Bist du und Mexiko zu Narren geworden?« fragte er. »Was Teufel soll alles dies?«
»Bei meiner Seele, er war es selbst!«
»Wer?« fragte der Kreole.
»Der Virey«, flüsterte Don Pinto leise und schaudernd
»Pah«, erwiderte der junge Mann, den Kopf schüttelnd. »Ist aber bei alledem merkwürdig; diese Leute kommen den Paseo herauf, lustig und fröhlicher Dinge. Kaum sehen sie die Höhle dieses Tigers, so sind sie, als wenn das gelbe Fieber sie berührt hätte.«
»Hast du bemerkt« fragte Don Pinto, tiefer Atem holend, »wie sie die ganze Stunde ihre Sinne zusammennahmen, um recht betrunken zu scheinen und ja die eigentliche Ursache ihrer Lustigkeit den Spürhunden nicht zu verraten. Ein einziger Blick auf den Palast hat sie alle nüchtern gemacht.«
»Möchte doch wirklich den Mann sehen; ist er denn gar so furchtbar?«
»Im Gegenteil, das angenehmste Gesicht, das du sehen kannst, der beste Plauderer, der beste Ehemann, der beste Vater. Du wirst ihn nie ausfahren sehen, ohne daß ihm eines seiner jüngsten Kinder zwischen oder auf den Knien säße – –«
Der Fremde schüttelte den Kopf stärker.
»Siehe,« fuhr Don Pinto fort, »wäre er die blutige Hyäne, Calleja, Mexiko wäre schon frei; aber er ist die Katze, und solange er Virey ist, bleibt Mexiko gefangen. Alle Mühe ist vergebens. Es traut einer dem andern nicht. Wir hatten es schon dreimal darauf angelegt. Jedesmal verdorben.«
Beide schwiegen einen Augenblick.
»Also der Unglückliche ist verschwunden?« fragte Don Pinto.
»Don Manuel muß in Mexiko sein«, erwiderte der andere. »Einige unserer Indianer sahen ihn auf dem Weg von Ajotla. Der General sandte mich mit dem Auftrage, du mögest alles aufbieten.«
»Danke schönstens für das Zutrauen. Bei meiner Seele! Dieser Mestize weiß schon recht artig zu befehlen. Sag' ihm, er möge derlei Kommissionen nicht oft wiederholen.«
»Er war schrecklich mitgenommen«, bemerkte der Fremde.
»Verdammte Raserei, unsinnige Raserei! Kann zehntausend Mädchen haben, hat wirklich das schönste Mädchen Mexikos, und wirft sich einer solchen Blutsaugerin an den Hals.«
»Sie soll schön sein, diese Isa –«
»Still!« sprach Don Pinto und trat in einen Laden, dessen Besitzer auf eine Falltür wies. Diese führte in ein oberes Gemach, das mit Mangas, Röcken, Beinkleidern angefüllt war. »Bleibe du hier bis ich zurückkomme. Du nennst dich Santa Ana, verstehst du mich. Es haben dich drei unserer verschmitztesten Polizeispione ins Auge gefaßt; diese müssen zuerst beschwichtigt werden, sonst bist du verloren! Adios! In einer, höchstens zwei Stunden bin ich zurück.«
Er drückte dem Fremden, der niemand anderer als unser Major Galeana war, die Hand, verließ das Gemach und verschwand in den Windungen des Basar.
Bald darauf flogen die Hauptpforten des Palasttores auf, zum Zeichen, daß der vizekönigliche Hof von seinem Nachmittagsschlafe erwacht sei.