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Neunzehntes Kapitel

»Willkommen Alonso und Pedro und Cosmo im Quartiere der Freiheit!« rief der Kapitän den Dienern entgegen, indem er zugleich mit wahrer Kapitänsgrandezza einige Schritte vortrat und ihnen seine Hand entgegenstreckte. »Willkommen, willkommen!«

»Verdammter Ketzer!« schrie ihm Alonso zu, seinen Karabiner anlegend: »Hund! so du es wagst!« Die übrigen Diener streckten jedoch ihre Hände freudig dem Patriotenkapitän entgegen, und die Arieros verneigten sich vor ihrem ehemaligen Gewerbsbruder.

»Noch immer der alte werte Don Alonso,« lachte der Kapitän verächtlich. »Höre, lieber Alonso, wenn meine Leute, verstehst du, Soldaten der Patriotenarmee, dich so mit ihrem Capitán sprechen hören, bei der heiligen Jungfrau, ich stehe dir nicht dafür, daß du nicht in den nächsten fünf Minuten baumelst; doch mit Hunden ist schlecht reden«, fuhr er, zum Edelmann sich wendend, fort. »Ja, Señor! Hidalgo, das war ein ganzer Mann; hat mich die Bedientenseele da ganz aus meinem guten Humor gebracht; ja, Señor; morgen sind's gerade siebzehn Monate und drei Wochen, daß es losging. Don Hidalgo saß mit seinen Musikanten bei der Tertulia, war just neun Uhr abends, da stürzte Don Ignacio Allende y Unzaga totenbleich in den Saal, war auf Leben und Tod von Valladolid geritten, wo Don Iturriaga, um in den Himmel zu gelangen, seine verschworenen Gebrüder in die Hölle lieferte. Hatte Don Gil gebeichtet und dieser die Beichte getreulich der Audienzia wieder gebeichtet. In der Verwirrung ward der Corregidor von Valladolid als das Haupt der Verschwörung ergriffen, und der Lärm, den dies verursachte, drang glücklich zu den Ohren Allendes und Aldamas, die sofort Fersengeld gaben und, so viel ihre Pferde rennen wollten, zu dem einzigen Mann eilten, der in dieser Teufelei Rat schaffen konnte. Und Rat schaffte er. Eine Stunde überlegte er mit dem Capitano, und dann sprang er lustig auf und erklärte sich zum Losschlagen bereit.

Don Hidalgo war ein tüchtiger Cura, aber ein erzschlechter General, der in seiner Armee nicht einmal Ordnung halten konnte. Er hatte in seinem Zorn auf die Criollos, die ihn sitzen ließen, »Tod den Spaniern!« geschrien, und nun schrien es ihm die achtzigtausend Indianer nach und mordeten und sengten und brannten, wo sie hinkamen, wie eingefleischte Teufel. So hatte er es mit den Criollos verdorben, und meine Mutter selig hatte immer die Gewohnheit, wenn sie nach Guadalupe wallfahrtete, zwei Lichter einzustecken, ein weißes und ein schwarzes, der allerseligsten Jungfrau das eine und dem Teufel das andere. Man wisse nicht, wo man hinkomme, pflegte sie zu sagen.«

Don Manuel und seine Leute waren immer aufmerksamer geworden.

»Als wir von Guanaxuato auszogen,« fuhr Jago fort, »waren wir über achtzigtausend Mann stark; aber noch nicht mehr als dreitausend und vierhundert Gewehre. Die gente irracional hatten in ihrer blinden Wut selbst die Musketen der Spanier nicht geschont. Noch immer stieg unsere Anzahl. Hidalgo zog im Triumph auf der Straße von Marabatio, Tepetengo, Jordana, Istlahuaca und Indaparapea auf Mexiko los. Am siebenundzwanzigsten Oktober waren wir zu Toluca. Am achtundzwanzigsten trafen wir auf Truxillo bei Las Cruces, der mit seinen fünfzehnhundert Mann über den Haufen gerannt wurde wie eine Herde Schafe. Zwei Tage darauf hatten wir Mexiko vor uns – –«

Der Kapitän hielt inne. Seine Stimme hatte während des letzteren Teiles der Erzählung öfters gestockt, und er hatte die Worte häufig mehr herausgestoßen als ausgesprochen. Man sah, daß es ihm Anstrengung kostete, fortzufahren. Seine Zuhörer waren jedoch immer gespannter geworden, und er sprach weiter:

»Ah Mexiko, du Stern der Welt! Wohl konnte dein Glanz den Verstand eines schwachen Cura blenden. Armer Hidalgo! Er hatte den seinigen rein verloren. Statt gerade auf die Stadt los zu marschieren, ließ er sie vom General Ximénez auffordern, dem furchtsamsten Wichte, der ihm und der ganzen Armee die Köpfe mit den übertriebensten Schilderungen von den verzweifelten Vorbereitungen warm machte, die der Hasenfuß gesehen haben wollte. Dann schickte ihm Vanegas noch ein ganzes Regiment von Glatzköpfen, die dem armen Cura die Hölle so heiß machten, daß er schwor, es wäre die größte Gottlosigkeit, Mexiko, diesen Sitz der Frömmigkeit und der heiligen Religion, der gente irracional zu überliefern. Und unser Sánchez war bei Queretaro von Calleja geschlagen worden, dieser selbst hatte sich mit dem Conde de Cadena vereinigt. Hidalgo rannte wie besessen umher. Heilige Jungfrau!« stöhnte Jago, »statt Mexiko mit seinen hundertundzehntausend Indianern und viertausend Linientruppen anzugreifen, wo sich Vanegas bereits zum Abzuge nach Veracruz anschickte, seine zweitausend Mann schon in den Alamedas Vuccarelli und Piedad aufgestellt hatte; statt Mexiko anzugreifen, retirierte er, nachdem wir es wie Narren den ganzen Tag angeschaut; retiriert und läuft Calleja und Cadena gerade in den Rachen. Don Allende, wir alle baten, beschworen, vergebens; wir liefen über Hals und Kopf nach Aculco.« –

Jago hielt wieder inne; er sammelte sich wie zu einem gewaltigen Ansätze, seine Brust hob sich, der Jüngling und seine Diener waren nun im höchsten Grade gespannt geworden. Kein Atemzug war zu vernehmen.

»Ich war«, fuhr der Erzähler fort, »in der Division des Señor Allende, der mich mit General Ximénez an die Exzellenz mit Depeschen absandte. Die Exzellenz, das war Hidalgo, und sie war auf dem Hügel von Aculco stationiert, um sie herum ihr Generalstab und die vierzehn Kanonen, die wir hatten. – Ihr wißt, es war am siebenten November. Als wir von Señor Allende und seinem Generalstab weg waren, wandte sich Don Ximénez zu mir und händigte mir die Depesche, die auf ein Agave-Blatt geschrieben war, mit den Worten ein: – ›Eilen Sie, und übergeben Sie dieses Don Hidalgo.‹

Ich sah den Mann mit großen Augen an. – ›Don Hidalgo?‹ fragte ich. ›General – aber – –‹

›Kein Aber, habe zehn Jahre unter den Truppen Sr. Majestät gedient und nie geabert. Fort in alle siebzehn Höllen, oder alle hunderttausend Teufel –‹

Der General hielt es für gut, rückwärts zu gehen; die Wahrheit zu gestehen, so sah er schläfrig aus. Vielleicht wollte er auch seine Person nicht ohne Not den Kugeln der Spanier bloßlegen, die nun wie polierte stählerne Mauern von Aculco her angezogen kamen. An die hundertunddreißigtausend Mann, und eine Stille auf der weiten Fläche. – Ihr konntet an dem Morgen jede Stimme einzeln hören und jeden Mann sehen, und das Staunen und die kindische Freude und die Neugier unserer Indianer, die zum ersten Male in ihrem Leben eine Armee in Reih und Glied mit Artillerie und Kavallerie schauten, der Jubel war wie toll. Wie Kinder frohlockten sie und tanzten und sprangen, und wie Kinder fing der Übermut an sie zu jucken, und sie warfen ihre Steine und schleuderten und freuten sich wie Kinder. Die feindliche Armee stand, ohne sich zu rühren. Man sah, es war ihr bange vor unserer Menge; aber Pfeile und Steine flogen, und so mußte sie, da der Anfang gemacht war, die Fortsetzung liefern. Als ich so im gestreckten Galopp hinritt, kamen ihre Scharfschützen heraus aus den Kaktushecken und Aloefeldern wie Heuschrecken und pufften und knackten. Mir wurde wärmer und wärmer; denn das Feuern begann nun in gutem Ernste. Aus den Gräben, hinter den Hecken, aus den Hütten kamen die Kugeln herausgeflogen, in so pfeifender Harmonie, daß es eine Herzenslust wurde. In kurzen Zwischenräumen blitzten aus dem Hintergründe ein Dutzend blaßrote Feuerströme in die Tageshelle hinein, just zur Not mit einem lichtgrauen Dampfe schattiert, und nieder purzelten einige Schock Indianer, um das Aufstehen für alle Tage ihres Lebens zu vergessen. Die verteufelte Musik wurde immer ärger. Meinerseits war der Weg nicht schwer zu finden; ich hatte nur dem dicksten Rauche und dem mörderischsten Feuer nachzugehen; denn an die Hügel gelehnt standen unsere Regimenter Zelaya und Valladolid, und die Kavallerieregimenter Reina und Principe deckten den Rücken. Als ich dem Hügel näher kam, brachen ein zehntausend Indianer, ungeduldig über das mörderische Kanonenfeuer, in einem ungeheuren Klumpen an die feindlichen Batterien heran, wie eine Herde wilder Büffel, und wie eine solche würden sie den Feind bloß durch die Gewalt ihrer Leiber über den Haufen gerannt haben. Die vordern hatten sich bereits auf die Feuerschlünde geworfen, und da sie in ihrem Leben keine derlei Dinge Feuer speien gesehen hatten, so rissen die armen Teufel ihre Strohhüte von den Häuptern und versuchten damit die Kanonen zu verstopfen. Ich betete zu allen Heiligen. Da kommt ein Regiment feindlicher Reiter auf sie angaloppiert, bricht in sie ein und zerstreut sie wie Spreu. Die Konfusion hatte auf dieser Seite begonnen; auf dem Hügel hielten sich noch unsere Regimenter.

›Wo ist er?‹ fragte mich bereits das zweitemal ein spanischer Major, der sich vorwärts in seinem Sattel lehnte, seine Füße fest in den Steigbügeln, mit seiner Hand die Mähne seines Rosses festhaltend; der Pulverdampf und der Kanonendonner machte einem Hören und Sehen vergehen; ich wußte nicht mehr, wo ich war, er aber auch nicht, denn er fiel sanft vom Gaule; der Major hatte ausgemajort; denn eine Kugel hatte ihm während seiner Frage das Lebenslicht ausgeblasen. Mein Tier war zu Schanden geritten; ich sprang ab, warf mich auf des Toten Pferd, und hatte kaum den Tausch getroffen, als eine neue Eskadron Flanqueadores im vollen Galopp auf mich herankam und mich mit sich fortnahm, wie Wirbelwind eine Feder; wohin, wußte die heilige Jungfrau allein.

›Vorwärts! Vorwärts!‹ krächzte eine schrille, heisere Stimme, inmitten blutiger Leichen aus einer Rauchwolke heraus. Ich kannte die Stimme; es war die des Würgengels Mexikos. Nun denn oder nimmer, dachte ich, und gab meinem Rosse die Sporen; aber die Eskadron tat es auch, und statt links gegen den Hügel, brachte uns der Sturm rechts, mitten durch ein Regiment Lanceros. Einige hunderttausend Flüche begleiteten uns und einige Dutzend Pistolenschüsse, denn wir waren mitten durch das Regiment gebrochen. ›Vorwärts!‹ kreischte die gellend zänkische Stimme. ›Vorwärts! Tod den Rebellen, zur Ehre Sr. Majestät und der allerheiligsten Jungfrau und des Erlösers von Atolnico!‹ Bei einem wahren Spanier kommt immer die geheiligte Majestät seines Königs zuerst, dann die heiligste Jungfrau und zuletzt der liebe Herrgott, und Calleja war ein Spanier, wie er leibt und lebt; aber er war totenbleich und hing mehr tot als lebendig im Sattel; in der einen Hand hing sein Degen und von der andern der Rosenkranz herab, und eine Reliquie, die er küßte und wieder küßte, und dann verzog er sein Gesicht so greulich; der Mensch stand Höllenqualen aus. Und ungeduldig, zänkisch keifend, schrie er wieder: ›Vorwärts! Vorwärts!‹

Unsre Regimenter Zelaya und Valladolid hielten wie Mauern; wo ein Mann fiel, sprang einer der Offiziere aus dem Karree in die Linie.

›Vorwärts, Soldaten!‹ kreischte der in ohnmächtiger Wut in seinem Sattel sich krümmende Calleja. Alles vergebens: da kommt ein Schwarm von frischen zehntausend Indianern vom linken Flügel, um hinter unsern Leuten Schutz vor dem mörderischen Feuer der Kanonen zu finden. Das Regiment Lanceros schwenkt, nimmt die Indianer in die Mitte, treibt sie an unsere Regimenter an; die Karrees sind gebrochen. Adiós Mexiko!

Noch gellt mir das Wutgeschrei der Unsrigen, der höllische Jubel unserer Feinde in die Ohren. Ich brach durch die Mörder und Metzger und fand mich auf dem Wege nach Guanaruato wieder mit Allende zusammen, dem einzigen, der den Kopf nicht verloren hatte. Aber es war der vorige Allende nicht mehr; ein Geist, ein Gerippe war es; die letzten acht Tage hatten seine Haare weiß gefärbt. Er wollte das unglückliche Guanaxuato retten, nochmals dem Feinde die Spitze bieten. Wir boten sie mit fünftausend Indianern und achthundert Rekruten. Wir fochten wie Löwen um ihre Jungen, – vergebens! Wir mußten der Überzahl weichen. Hidalgo in seiner Angst war bereits nach Guadalaxara aufgebrochen und hatte uns im Stich gelassen. Wir folgten.

Vier Tage nach der Schlacht von Marfil sprach Allende zu mir: ›Jago, um Gottes und aller Heiligen willen! gehe zurück nach Guanaxuato. Sieh', wie es mit dem unglücklichen Guanaxuato steht! Jago! um Gottes und aller Heiligen willen!‹

Ich verstand ihn; denn seine Haare standen zu Berge, seine Augen drehten sich im Kreise, der Schweiß drang aus allen Poren; er fiel bewußtlos in meine Arme. Ich ging und nahm fünfzig meiner Indianer mit; wir waren alle beritten. Ei, ich hätte ebenso gern den Befehl vernommen, in die Hölle zu gehen! Aber Allende war ein edler, ein großer Mann, ein wahrer Mexikaner. Guanaxuato hatte uns mit offenen Armen empfangen; vierzehnhundert Spanier waren bei Erstürmung der Alhóndiga geblieben. Ich schauderte bei dem Gedanken an Guanaxuato, stellte mir es aber nicht so schlimm vor.

Es waren zwei Tage, seit ich den Leutnant Mexikos verlassen hatte. Don Allende hatte mir befohlen, zu eilen, und ich eilte; zwei Tage waren noch nicht ganz vorüber, und wir ritten in Burras ein.

›Alles ist ruhig, gnädige Herren Patrioten!‹ sagte mir die Zamba, die wie ein Gespenst in der Tür stand, die einzige Lebende im ganzen Dorf; ›alles ist ruhig!‹ sprach sie schaudernd, indem sie mit der verdorrten Hand hinauf gegen die Schlucht von Marfil deutete. Sie war das erste lebendige Wesen, das wir auf unserm Wege seit zwei Tagen gesehen hatten. Ich sah in die Schlucht hinein. Heiliger Gott! sie war blutrot, der Schlamm roter, gefärbter Lehm, – es war geronnenes Blut. ›Schon seit drei Tagen‹, grinste die Zamba, ›läuft es so.‹

Ich warf das Glas Aguardiente weg, das sie mir gereicht; denn es roch nach Blut. Tausend, Hunderttausende von Geiern, Wölfen, Zepilots liefen und flogen zu und ab von der unglücklichen Stadt.

Guanaxuato genommen! Ich schauderte.

Es war ein kühler Novembermorgen, der Himmel so blau, die Lüfte so rein, so durchsichtig; über der Schlucht schwankte eine Schicht lichten, bläulichen Qualmes, der wohl eine Stunde lang sich über ihr hinanzog; hie und da war der bläuliche Qualm rötlich und wieder an Stellen so chaotisch, so schweflig, als ob die Teufel aller siebzehn Höllen da ihre Seelen geröstet hätten. Dann und wann leckte noch eine Flamme aus dem Qualme heraus; es war ein höllisch unheimlicher Anblick.

Ja, diese lange Schicht bedeutete Guanaxuatos Vorstadt, Marfil genannt, und Guanaxuato selbst, mit seinen siebzigtausend Einwohnern; was es aber bei unserm Eintritte war, kann ich jetzt noch nicht sagen; denn Calleja war darin gewesen und hatte Strafgericht gehalten. Aber es war Todesstille überall in der Stadt und den Bergwerken und den Algamierwerken und den Schmelzöfen; kein Hammer, kein Rad, kein Fußtritt, keine Stimme war zu hören. Wir betraten nun die Vorstadt, und die Vorboten der blutigen Hochzeit fingen an, sich zu zeigen; die Leichname fingen an, häufiger zu werden; die Schlucht war schon hie und da halb mit ihnen angefüllt, und zur Abwechslung lagen gebrochene Munitionswagen, tote Maultiere und Pferde in pittoresken Schichten untereinander. An den Wolldecken der armen Patrioten zerrten Geier und Wölfe. An einer Hacienda nahe an der Straße hingen an der Mauer, gleichsam als Vorgeschmack, hundert Indianer; ebenso viele waren zur Abwechslung wie Erz gestampft worden, und ihre Köpfe und Schenkel lagen so zerrissen umher, daß selbst die Wölfe auf die Seite wichen. Ei, das mußte ein wahrer Festtag für Calleja gewesen sein! dachte ich;– sollte aber noch ärger kommen. Die Brücke über die Schlucht war niedergerissen; aber eine neue war aufgerichtet: die Pfeiler bestanden aus Leichen, über die Bretter gelegt waren. Und jetzt sollte Guanaxuato anfangen, das heißt ein paar tausend Häuser und Hütten, so schön und wieder so erbärmlich, wie sie je in einer reichen Stadt zu schauen waren, wo es Menschen gab, die Millionen zu Dutzenden besaßen, und andere, die nicht ein Dutzend Duros ihr Eigentum nennen konnten. Calleja hatte reine Wirtschaft gemacht. Von den Häusern, die sich so schön an den Rand des Schlundes hingenistet hatten – es waren ihrer einige Tausend gewesen – war nichts zu sehen, als die bläuliche Schicht und darunter die schwarz geräucherten Mauern und die noch rauchenden Trümmer der niedergebrannten Hütten, aber es waren noch andere Dinge darunter, fettige, stinkende Dinge, und Klötze und Klumpen, die einzeln und aufgeschichtet auf den Trümmern umher lagen. Wir hielten sie anfangs für angeräucherte Steine und Felsstücke; es waren aber die Einwohner Guanaxuatos – scheußliche Massen! die Füße, Hände und Köpfe weggebrannt und die Klötze geröstet. In vielen Hütten, oder wo wenigstens Hütten gestanden waren, hatten sich diese Rümpfe in eine Masse zusammengebraten, – ein scheußlicher Gestank. Kein lebendiges menschliches Wesen; aber Tausende von Wölfen und Zepilots und Geiern, und diese so scheu, so ängstlich! Die Tiere kreischten nicht, man sah es ihnen an, sie fühlten den Greuel. Meine Indianer hatten kein Wort gesprochen; unsere Maultiere schauderten vor ihrem eigenen Hufschlage; sie richteten die Ohren auf, ihre Mähnen sträubten sich, sie zitterten mehr und mehr, sie wollten nicht vorwärts, sie schraken, – viele fielen zusammen. Kein Wunder! Ihr Weg ging über Leichen.

Wir waren an der Plaza-Mayor angekommen. Da hatte Calleja seinen Hauptschmaus gefeiert und seine Spanier sich im mexikanischen Blute besoffen. Wir wateten durch einen roten Schlamm, der sechs Zoll hoch sich über die ganze Plaza hingelagert hatte; die Leichen lagen aufgeschichtet wie Maissäcke. Als wir zur Alhóndiga kamen – die Mauern standen noch schwarz und rot gebrannt – fanden wir so tausend Mädchen da, in Lagen und Stellungen – Gott gnade unserer armen Seele! Jesus, Maria und Josef! Möchte doch wissen, ob der Spanier auch vom Weibe geboren ist, Señores!« sprach der Kapitän ernst. »Auf dem Marktplatze allein waren vierzehntausend Mexikanern, Mädchen, Weibern, Kindern, Männern und Greisen die Hälse und andere Glieder abgeschnitten und abgerissen worden – Das hatte Calleja so tun lassen, weil sie zu erschießen zu viel Pulver gekostet haben würden und die Cavilla einen solchen Aufwand nicht wert war.«

Tränen liefen bei diesen Worten über des Mannes Wangen; seine Stimme war von Wut erstickt. Eine Weile hielt er inne; dann fuhr er fort:

»Wir hatten genug gesehen. Unsere Mägen konnten etwas ertragen; aber das war zu viel. Wir kehrten um nach Guadalaxara, mehr tot als lebendig. Das übrige ist kaum mehr der Mühe wert zu sagen. Wir wollten vor Guadalaxara nochmals standhalten, brachten dreiundvierzig Kanonen von San Blas herauf, verschanzten uns an der Brücke von Calderón – aber alles umsonst! Der Engel des Todes hatte uns gezeichnet; Guanaxuato hatte unsern Mut verwittert; wir waren die vorigen Menschen nicht mehr. Vielleicht hätten wir aber Guanaxuato doch noch gerächt. Unsere Indianer schlugen sich wie rasend; aber ohne Ordnung, ohne Befehl stürzten sie sich Rache schnaubend auf die Armee Callejas. Alles wich; die Schlacht war für uns gewonnen. Da geht inmitten des rasenden Kampfes ein Pulverwagen in die Luft; die Indianer glauben festiglich, der leibhaftige Satan sei unter sie gefahren, nehmen auf einmal Reißaus; die Spanier fassen Mut; ein letztes Regiment, das Calleja als Reserve in petto gehalten, bricht nun auf uns ein. Alles war vorbei.

Mit Hidalgo war es aus, das sahen wir alle. Armer Teufel! Er floh. Aber von seinen eigenen Landsleuten verraten und ausgeliefert zu werden, das war hart. Doch basta! Die Rechnung war für Anno Tausendachthundertundelf geschlossen.«


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