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Es waren die zwei Kreolen, die mit der Dame in den letzten zwei Wagen angekommen waren. Der erste, der unter dem Namen Graf von San Jago angekündigt wurde, war ein Mann mittlerer Größe, von seinem, schmächtigem Gliederbau; sein Alter mochte zwischen vierzig und fünfzig sein, obwohl ein unverkennbarer Zug von Gram ihm das Aussehen von vielleicht fünf Jahren mehr gab; seine Gesichtszüge waren fein und edel, mit den scharf markierten Umrissen, welche die Nachkommen der römischen Nation charakterisieren; sein Auge durchdringend und klar; sein fester Tritt und seine bestimmte Haltung bekundeten Gelassenheit und hohe innere Würde; sein Anzug war nach dem neuesten damals in Europa herrschenden Geschmack; ein einfach schwarzer Tuchrock, ebensolche Beinkleider, seidene Strümpfe und Schuhe. Indem er sich den Stufen des Thrones näherte, glitt sein Blick ruhig und achtungsvoll über die Versammlung hin, von der mehrere, ihren freundlich aufwallenden Gesichtszügen nach zu schließen ebenso angenehm als wohltuend überrascht wurden.
Sein Begleiter war noch sehr jung und konnte kaum das achtzehnte Jahr überschritten haben; eine unverkennbare Familienähnlichkeit bezeichnete ihn als einen nahen Verwandten. Ein schwarzer Lockenkopf, eine breite, offene Stirne mit herrlichen Brauen und ein paar Augen, so prachtvoll, so glühend, daß die weibliche Hälfte der Assemblee unwillkürlich in Bewunderung ausbrach. Sanft gebräunte Wangen mit einer fein geformten römischen Nase gaben dem jugendlichen Gesichte einen Ausdruck von anmutiger Männlichkeit, deren sich der stolze Jüngling vollkommen bewußt zu sein schien. Als die beiden von dem Oberkammerherrn vor die Stufen des Thrones geführt waren, verbeugten sie sich und standen einige Sekunden in ehrfurchtsvoller Erwartung.
Das Gesicht des Vizekönigs hatte einen Ausdruck von zutraulicher Freundlichkeit angenommen, und sein Auge ruhte wohlgefällig auf beiden.
»Der Graf von San Jago ist willkommen!« sprach er mit einer tieferen Verbeugung, als er bisher, den Erzbischof ausgenommen, noch zu machen für gut befunden hatte. »Der Karneval hat endlich bewirkt, worauf wir trotz unsern freundlichen Zumutungen so lange vergebens gehofft haben«.
»Eure Exzellenz geruhen, dies einer Ursache zuzuschreiben, die schwerlich für uns Veranlassung werden konnte« erwiderte der Graf. »Wir sind gekommen«, setzte er im bestimmteren Tone hinzu, »um dem erlauchten Repräsentanten der Majestät unsere Ehrfurcht zu bezeigen und uns dem Born der Gnade zu nähern, dem Mexiko so vieles verdankt«.
»Und dem Schutze der Mutter der Gnaden«, murmelte der Erzbischof, ohne jedoch in die Rede selbst einzufallen.
»Und dem guten spanischen Schwerte«, fügte der Generalkapitän etwas lauter hinzu.
»Wir haben den Trost der gerechten Sache und des Beistandes des Allerhöchsten und der Jungfrau, die die Stütze Spaniens ist«, bemerkte der Vizekönig in einem Tone, der einen spöttischen Nachklang hatte. »Und dieser junge Kavalier?« fragte er mit einem fremden Blicke auf den Jüngling, der dem Grafen zur Seite stand.
Dieser, im höchsten Grade, wie es schien, überrascht, errötete und geriet dermaßen in Verlegenheit, daß er wirr und scheu um sich und dann zu Boden blickte.
»Euer Exzellenz untertänigst aufzuwarten, der Sohn unseres Vetters, Don Sebastian«, sprach der Graf mit einem Blick, der nicht minder befremdet bald auf dem Vizekönige, bald auf dem Jüngling ruhte.
Die hohe Person hatte gleichfalls ihre Fassung verloren, die sie erst wieder gewann, als die Stimme des Generalkapitäns hörbar wurde.
Dieser hatte sein stieres Auge forschend auf den Jüngling gerichtet, den er mit einem Interesse musterte, das allenfalls ein Werbeoffizier einem wohlgewachsenen Rekruten schenkte, und dann sich zum Vizekönig gewandt, dem er einige Worte zuflüsterte. Aus der Unterhaltung, die zwischen den beiden sich entsponnen, waren bloß die abgebrochenen Sätze zu vernehmen: »Den fünfundzwanzig beigesellen, die sich erfrechten, mit den geheiligten Mußestunden Sr. Majestät ihren Spott zu treiben« und das »Furchtbar! Furchtbar!«, das dem Virey in demselben leisen Tone entfuhr; dann wurden ihre Stimmen abermals zum unverständlichen Gezisch.
Der Graf war während des kurzen, aber einigermaßen peinlichen Zwischenspieles ruhig gestanden, sein Auge abwechselnd auf den Vizekönig und den Generalkapitän gerichtet, als der erstere, sich zur Hälfte an ihn, zur andern zum Generalkapitän wendend, sprach:
»Wie waren ohnedem gewillt, Sr. Herrlichkeit dem Grafen Jago einen Beweis von Wohlwollen zu geben, der den hohen Privilegien, deren sich seine hohe Familie erfreut, angemessener sein dürfte als Euer Exzellenz gütiger Vorschlag –«
Der Generalkapitän erwiderte:
»Wir sind so frei, zu bemerken, Exzellenz, daß auf Privilegien in unserer Lage Rücksicht zu nehmen dem Interesse unseres allergnädigsten Herren, den die heilige Jungfrau schützen möge, nicht anders als hinderlich sein könnte. Se. geheiligte Majestät haben sie gegeben und nehmen sie wieder, und zu letzterem sind wir bevollmächtigt, wenn immer der Dienst Sr. Majestät es erheischt«.
»Euer Exzellenz Bemerkungen«, versetzte der Vizekönig, »sind ebenso wahr als richtig, und wir würden nicht anstehen, wenn der Dienst Se. Majestät –«
»Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen«, fiel der Erzbischof ein.
»Es erheischte« fuhr der Virey fort. »Allein Se. Exzellenz werden auch nicht vergessen, daß Gerechtigkeit und Milde zu paaren das angeborene Attribut des Herrschers beider Indien ist und seit Fahrhunderten gewesen ist«.
»Euer Exzellenz kennen Ihre Vollmachten«, versetzte der Generalkapitän, »aber meine Meinung ist, zuerst rein Werk und dann Milde, so viel Sie wollen«.
»Wir kennen unsere Vollmachten, wie Euer Exzellenz gütig zu bemerken belieben«, fiel der Virey etwas hastig ein, »und die des Obersten Kriegsrats, deren Präsident wir zu sein die Ehre haben; aber wir glauben, auch die Privilegien in ihrem Ansehen erhalten zu müssen, so viel Klugheit und Vorsicht erlauben«, fügte er mit einem bedächtigen, etwas tückischen Lächeln hinzu. »Wir haben einen Weg eingeschlagen, der ebensosehr unsere Achtung für die Privilegien der Familie des Grafen als das Interesse unseres allergnädigsten Herrn und Gebieters vereinen wird«.
Und nachdem er diese Worte in einem etwas lauteren, und zwar jenem bestimmten, obwohl immer noch versöhnenden Tone gesprochen, der Widerrede ebenso unnütz als unschicklich machen sollte, verbeugte er sich etwas leichter und kälter gegen den Grafen, als es beim Empfang der Fall gewesen.
Letzterer, nachdem er auf diese mysteriöse Weise abgefertigt worden war, wich mit seinem Neffen von den Stufen des Thrones zurück, während der Virey, in Begleitung des Erzbischofs, des Generalkapitäns und seines Gefolges, ihren erhabenen Standpunkt ebenfalls verließen, um gleichsam den verschiedenen Personen eine Art Gegenbesuch abzustatten.
So steif und formell der letzte Empfang geendet hatte, so freundlich, gefällig und herablassend wurde nun wieder der Repräsentant der absoluten Gewalt; ja, es schien, als ob dieser mit Verstellungsgabe so sehr ausgerüstete Mann seine höchste Kraft aufböte, um seine Rolle einem glücklichen Ende entgegenzuführen.
»Wir haben«, sprach er mit der freundlichsten Miene und dem heitersten Lächeln zu unserem Grafen, als er endlich in seiner Tour zu diesem herabgelangt war, »uns eine kleine Mühe und selbst einen kleinen Zwist Ihretwegen zugezogen, teurer Graf, die, wie Sie ersehen haben, uns schiefen Bemerkungen ausgesetzt; allein diese sollen uns nicht abhalten, der Stimme unseres Herzens, die für unsere Freunde spricht, zu folgen«.
Ein vielsagender Blick, ein freundliches Nicken begleitete diese huldreich geheimnisvolle Zusicherung, und dann schritt der Mann weiter.
Der Graf hatte kein Wort gesprochen, und während er sich vor dem weltlichen Gewalthaber verbeugte, trat der Geistliche heran.
Das Erscheinen dieses Priesters konnte würdevoll genannt werden; das malerische violettfarbige Seidengewand, welches in weiten Falten seine hohe, dünne Gestalt umfloß, und dessen Schleppe von einem reichgekleideten Pagen getragen, gab seinem Ehrfurcht gebietenden Wesen etwas Antikes, das jedoch, wie gesagt, wieder durch eine gewisse Verlegenheit gestört wurde, die ihn selbst während der langen Aufwartung nicht ganz verlassen hatte. Er trug um seinen Hals eine goldene Kette von der feinsten mexikanischen Arbeit, die in einem mit Juwelen besetzten Kreuze endigte, das auf die Brust zu liegen kam.
»Alles mit der heiligen Jungfrau angefangen. Sie verleiht ihren Beistand nicht bloß durch Fürbitte, sondern, wie die allein seligmachende Kirche ausdrücklich lehrt, auch aus eigener Machtvollkommenheit. Ja, ja, Señor,« sprach der Erzbischof nach dieser gottselig sein sollenden Auseinandersetzung des Schutzverhältnisses seiner Patronin: »Wir selbst wollen das allerheiligste Meßopfer in unserer Kapelle darbringen; es ist zwar eine halbe Stunde früher als wir es gewohnt sind –«
»Ich küsse die Hände meines gnädigsten Herrn Erzbischofs«, erwiderte der Graf etwas trocken, »aber Vergebung, erlauchte Herrlichkeit, wenn ich meine Unwissenschaft über die Veranlassung dieser hohen Gnade zu erkennen geben muß«.
Die Verlegenheit des geistlichen Würdenträgers stieg um ein Bedeutendes bei diesen Worten. »Señoria«, erwiderte er finster, »werden die Veranlassung unfehlbar seinerzeit kennen lernen, und wir, wie gesagt, ein Gebet für einen Reisenden, für Ihren Neffen nämlich, zu machen uns bewogen finden, der morgen früh um sechs Uhr nach Veracruz und von da nach Spanien abzugehen von Sr. Exzellenz unserem gnädigsten Vizekönig beordert werden wird«.
»Eine Reise nach Spanien? Und mein Neffe!« fuhr der Graf heraus im Tone des höchsten Erstaunens und mit einem Blicke, in dem sich ein empörtes Gemüt deutlich verriet.
Der Erzbischof schien nicht minder erstaunt über diese Wahrzeichen des gräflichen Unwillens; sein finsterer Blick fiel einen Augenblick durchbohrend auf den Mann.
»Se. Exzellenz unser gnädigster Virey«, fuhr er verweisend fort, »haben mit Hochdero eigenem Munde uns eröffnet, wie Don Manuel abgehen werde, und uns zugleich ersucht, Befehle wegen des allerheiligsten Meßopfers, das er noch vor seinem Abgange hören wird, zu erlassen«.
Und mit diesen Worten ließ der Priester sein Haupt mit einem plötzlich abgemessenen Rucke sinken, daß das spitze Kinn auf die Brust zu liegen kam und, es mit einem ebenso abgemessenen Rucke zurückwerfend, schritt er mit devot arroganter Gravität weiter.
Allmählich war in dem Audienzsaale ein Gemurmel hörbar geworden, das, so viele Mühe man sich auch gab, es zu unterdrücken, auf ebenso inhaltsschwere, wenn nicht unangenehmere Mitteilungen von seiten des Virey schließen ließ als diejenigen waren, die dem Conde zuteil geworden. Das Gemurmel schien immer lauter werden zu wollen, als auch die Stimme des Vizekönigs sich stärker erhob, worauf eine Todesstille eintrat. Seine Worte waren an einen Kreolen gerichtet, dessen Gegenvorstellungen etwas lauter gewesen waren als die spanische Etikette bei solchen Gelegenheiten zu gestatten für gut befunden hatte.
»Don Garcia!« sprach er, »es sollte uns leid tun, wenn wir uns getäuscht hätten und, wo wir einen loyalen Verehrer des Willens Sr. geheiligten Majestät unseres allergnädigsten Herrn und Gebieters zu sehen glaubten, der nicht anstehen würde, Gut und Blut für seinen angebeteten Monarchen zu opfern, – einen räsonnierenden Unzufriedenen wahrnehmen sollten –«
»Von den Lehren des ketzerischen liberalen Windes, der in diesem unglücklichen Reiche nur zu sehr zu wehen anfängt, umhergetrieben«, fiel der Erzbischof ein.
»Nein, nein, Exzellenz«, fuhr der Virey, zum Generalkapitän gewendet, fort, der finster und drohend den armen Kreolen maß, »ich versichere Ihnen, Don Garcia ist ein zu loyales Glied der mexikanischen Nobilitad, um nicht die unangenehmen Folgen zu gewahren, die der leiseste Widerspruch um so mehr in einem Zeitpunkte haben müßte, da wir, Sr. Majestät loyale Diener, fest entschlossen sind, das Ansehen der von Allerhöchstderselben uns allerhuldreichst übertragenen Gewalt in seinem ganzen Umfange aufrecht zu erhalten und so dieses Königreich wieder in den Zustand zurück zu bringen, ein würdiger Gegenstand der Gnade unseres Herrn zu werden«.
Es war bei diesem höfischen Amtstone wieder so viel süß Schmeichelndes oder vielmehr perfid Kokettierendes in den Worten des Satrapen, daß die Augen der meisten Kreolen mit einer Art fieberisch peinlicher Spannung an dem Sprecher hingen.
»Exzellentissimo Señor«, sprach der Kreole, an den die Anrede gerichtet, die aber so laut gesprochen worden war, daß alle leicht einsehen konnten, sie gelte ihnen ebensowohl, »Exzellentissimo Señor!« wiederholte der zuckende und bebende Kreole mit halb erstickter Stimme, »nur eine Gnade gewähren Sie dem Vater, dessen Sohn so plötzlich und unverschuldet aus den Armen seiner Familie gerissen wird. Was hat er verbrochen?«
»Der getreue Untertan forscht nicht, räsonniert nicht, er gehorcht«, sprach der General mit starker, herrischer Stimme.
Eine Todesstille folgte auf diese Worte in dem ganzen Saale; nur ein leises, kaum merkbares Knirschen mit den Zähnen verriet den heißen Ingrimm der gedemütigten Kreolen. Doch wagte es keiner, auch nur ein Wort zu entgegnen.
»Wir sind der Hoffnung«, fuhr der Virey fort, »Sr. geheiligten Majestät allergetreueste Untertanen dieses Königreiches werden fortfahren, sich der Allerhöchsten Gnaden würdig zu erhalten. Und es geschieht mit dem größten Vergnügen«, fuhr der Virey mit seinem süßesten Lächeln fort, »daß wir den Großen dieses Königreiches eröffnen, daß die allerhuldreichsten Gnadenbeweise Sr. geheiligten Majestät bereits angelangt und des glücklichen Zeitpunktes harren, wo das Allerhöchste Namensfest unseres angebeteten Monarchen uns gestatten wird, über diese allerhuldreichsten Merkmale Allerhöchstdero Gnade, nach Allerhöchstdero gnädigster Willensmeinung, alleruntertänigst gehorsamst zu verfügen«.
Der Virey, nachdem er solchergestalt das nun dem Lande zuteil gewordene Heil verkündet hatte, übersah nochmals mit einem gnädigen Lächeln die glänzende Versammlung und wandte sich dann zu den Damen. Die anwesenden Spanier brachen in ein abgemessenes, mäßig lautes »Es lebe Se. geheiligte Majestät, Ferdinand VII.« aus, in welches Vivat mehrere Kreolen einstimmten, die gleichsam, um dem vizeköniglichen Gedächtnis bei Verleihung der Gnadenbezeigungen nicht zu entschlüpfen, sich in demutsvoller Hast vorgedrängt hatten. Der Satrap lächelte diesen gnädig zu, übersah die übrigen mit etwas stolzerem Blicke, und nachdem der hohe Mann, ebenso formell als gnädig, von den geistlichen und weltlichen Würdenträgern Abschied genommen, entfernte er sich unter dem Vortritte seines Hofpersonales auf dieselbe Weise wie er gekommen war.
Eine lange Weile nach der Entfernung des Vizekönigs herrschte noch Todesstille im ganzen großen Saale; die Kreolen sahen sich an wie Menschen, die plötzlich aus dem Schlafe aufwachen und erst allmählich wieder zum Bewußtsein zurückkehren. Als wäre aber jede Äußerung durch eine unsichtbare Gewalt untersagt, so erstarben die Worte auf ihren Zungen. Kein Laut war zu vernehmen, nur ein dumpfes Geflüster, das, als wäre es noch zu gefährlich, schnell abgebrochen wurde, um durch eine Sprache ersetzt zu werden, in der es die südlichen Völker infolge des auf ihnen lastenden Druckes bekanntlich so weit gebracht haben. Wirklich schienen sich die Anwesenden in dieser ebenso bestimmt und deutlich verständigen zu können, als wenn sie sich ihre Ideen durch Worte mitgeteilt hätten. Ihre Blicke waren schnell und sprechend, und so rasch folgten nun die Verständigungen dieser Augen- und Gebärdensprache, daß ein plötzlich Eintretender sich in einer Versammlung aufgeregter Taubstummer geglaubt haben würde. Nicht weniger lebhaft war die Augensprache der Damen, deren Mantillas sich nun mit den heftigeren Gebärden der Männer vereinigten, um ein Schauspiel aufzuführen, das nur in einem spanischen Lande wieder gesehen werden kann.
Diese Beweglichkeit der Schleier und Fächer, diese glänzenden, rollenden und wieder Liebe schmachtenden Flammenblicke, die Unmut, Verachtung, Zorn und die heftigsten Leidenschaften zu sprühen schienen, sie wechselten so pfeilschnell auf den Gesichtern mit den sanfteren der Liebe und Annäherung, daß die ganze Assemblee, sichtlich selbst von dieser inneren Kraftäußerung ergriffen, nicht länger imstande war, ihre Empfindungen zu verbergen und wie getrieben aus dem Saale zu drängen begann. Unser Graf allein war ruhig gestanden; die meisten der anwesenden Kreolen hatten sich um ihn gesammelt. Auf einmal jedoch schien auch er seine Haltung zu verlieren, sein Blick, auf einen Punkt gerichtet, begann stier und düster zu werden.
Beim Sitze des Erzbischofs auf der ersten Stufe, wo die Gemahlin des Satrapen noch immer Abschied von den Damen nahm, stand eine junge stolze Dame; ihr erhabener Standpunkt verriet einen hohen Rang, das höhnische Lächeln, mit dem sie die herannahenden Kreolinnen begrüßte, verschmolz wieder in den schmachtendsten Blick, sobald ihr Auge auf einen entfernteren Gegenstand im Saale hinabglitt. Auch sie schien den Grafen prüfend zu messen, doch wandte sich ihr Flammenblick unwillkürlich wieder und wieder auf den entfernteren und, wie es schien, begünstigten Gegenstand. Die Vizekönigin hatte nun von sämtlichen Damen Abschied genommen; noch einen Blick warf die stolze Schönheit herüber, und dann wandte auch sie sich.
»Teuerster Oheim!« mit diesen Worten stürmte Don Manuel heran.
Eine Wolke hatte sich über der Stirn des Grafen gelagert. Er sah den Jüngling mit einem wehmütigen ernsten Lächeln an, ergriff dann seine Hand und verließ den Saal.
Noch trat einer der Camarerios vor, zu verkünden, daß Ihre Exzellenzen und Se. erzbischöfliche Gnaden das Theater mit ihrem Besuche beehren würden. Und nachdem alle so den stillschweigenden Befehl empfangen hatten, sich gleichfalls dahin zu begeben, zogen sie sich aus dem Audienzsaale zurück.