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Vergl. Jägerschmieds »Murgtal«, Klübers und Schreibers »Baden«.
Im tiefen Schwarzwalde, auf dem im Revolutionskriege beim Rheinübergang der französischen Truppen unter Moreau berühmt gewordenen Kniebis, entspringen drei Quellen, welche vereinigt die Murg bilden, einen der merkwürdigsten Bergflüsse Schwabens. Auf dem fichtenbeschatteten »Ruhstein« nimmt die Rotmurg zwischen Felsen ihren Ausgang und ergießt sich unmittelbar in einen Kessel, den nacktes Gestein umgibt; die Weißmurg quillt ebenfalls aus Felsen im sogenannten Buhlenbach hervor. Sie wird von der Rotmurg beim »Weißen Kreuz« ereilt, und beide ziehen nun unter wildem Geräusch das Baiersbronner Tal hinab, die Ufer von vielen Hütten taglöhnender Holzhauer besäet. Die dritte Quelle, der Fohrenbach, entspringt beim württembergischen Kniebis-Zollhaus, treibt, durch das »Rotwasser« verstärkt, im Christophstale eine Mahlmühle und viele Hammerwerke, in welchen zyklopische Laboranten schmieden, läßt am rechten Ufer Freudenstadt, ursprünglich (1599) eine Kolonie aus Steiermark, Kärnten und Mähren vertriebener und in Württemberg evangelisch-brüderlich aufgenommener Protestanten, liegen und vereinigt sich vor dem württembergischen Dorfe Baiersbronn mit den beiden andern Quellen. So bildet sich die Murg, die hier schon ihren Namen führt und etwa dreißig Fuß breit sein mag. Ihre beiden Ufer sind hier durch die erste hölzerne Brücke verbunden.
Der Lauf dieses Flüßchens, welches sich von Osten nach Westen durch eine Strecke von fünfzehn Stunden schlangenförmig fortwindet, durcheilt eines der tiefsten und wildesten Täler in jener großen Gebirgskette des Schwarzwaldes. Sechzehn Brücken verbinden seine Ufer, und achtundvierzig Waldbäche nimmt es während seines Laufes auf. Solange die Murg noch im hohen Gebirgstale fließt, zeigt sich das Tal noch ziemlich breit, und sie befindet sich mitten zwischen den gedehnteren Gipfeln der Berge. So ist sie bei dem ehemaligen Benediktinerpriorate und nunmehrigen Dorfe Reichenbach, so bei Hesselbach, wo die Aussicht, welche die erhöhte Lage des Dorfes hier dem Auge erlaubt, sogar zierlich genannt werden kann; das heitere Tal umzingeln Bergesgipfel, deren entferntere Häupter sich durch Lichtblau malerisch auszeichnen. In der Nähe wimmelt es von kleinen hölzernen Scheunen, die, am schroffen Abhang der Bergwiesen hingestreut, notdürftig das kräftige Heu für den Winter bergen. Keine Gegend, mit Ausnahme der Schweiz, hat einen beträchtlicheren Viehstand, und die herrlichen Waldungen liefern eine Menge vortrefflichen Brennholzes. Doch sieht der Wanderer ganze Strecken verheert, öde und schwarz daliegen. Diese noch immer sichtbare Verwüstung rührt von dem großen Waldbrande des heißen Sommers von 1800 her. Der Verfasser dieses Textes erinnert sich aus seinen Kinderjahren noch sehr gut, wie viele Wochen lang die Schulknaben mit banger Sorge einander jeden Morgen fragten, ob der Schwarzwald noch brenne. Die Phantasie malte sich dabei diesen Waldbrand als ein furchtbar herrliches Schauspiel aus und dachte sich die unzähligen Tannen und Föhren des Gebirges als ebenso viele Pechfackeln, deren Flamme durchs ganze Land hin sichtbar lodere. Die Augenzeugen schildern aber jene Verheerung ganz anders. Sie besteht in einem langsam fortschleichenden Verglosen der Bäume zu Kohle und ist nur in ihren Wirkungen entsetzlich. Der Brand des Jahres 1800 dauerte vom 4. bis zum 21. August und fraß über 7000 Morgen württembergischer Waldungen. – Die Wälder dieser Gegend bestehen meistens aus Föhren, Fichten, Weißtannen, wenigen Buchen und noch selteneren Ahornen. Föhren und Fichten bilden die stolzesten Säulenhallen und erreichen gar häufig eine Höhe von fünfzig Fuß.
Ein eigentümlicher Gegenstand der Waldbenutzung ist hier das Teerschwelen oder, wie es die Gegend nennt, das Schmierbrennen. Der Teerschweler pachtet einen großen Distrikt und erbaut sich seinen Destillierofen aus Backsteinen selbst. Auf einer kleinen Blöße, welche trocken an einem etwas flachen Berghange liegt, ringsum aber durch Wald oder Hügel vor dem Winde geschützt ist, wird hier, wie in den Urwäldern Amerikas von den Auswanderern Europas, durch den Teerschweler zuerst ein Blockhaus aus übereinander gelegten Baumstämmen erbaut. Das Dach ist flach, mit Schindeln belegt und mit Steinen beschwert; die Ritzen der Blöcke werden mit Moos verstopft. Die ganze Hütte mag 30 Fuß lang, 15 breit, 8 hoch sein bis ans Dach. Ein Lehmofen sorgt für die Nahrung und Winterfeuerung; die sparsamen Fensterluken geben das notdürftige Licht für die häuslichen Geschäfte. Dies ist der Palast, in welchem der Schweler mit seiner Familie in der tiefen Waldesabgeschiedenheit lebt und oft Tage lang keine fremde menschliche Seele erblickt. Von der eingeschneiten Hütte bahnt er sich mühsam einen Weg, um auf einen Gang für sich und die Seinigen die Nahrungsmittel einer ganzen Woche herbeizuschaffen. Neben der Hütte legt er sich einen mit Reisig bedeckten Schuppen an, um die Kienstöcke zu zerkleinern und aufzubewahren. Dann wird der Teerofen gebaut und kunstreich eingerichtet; fünf stets beschäftigte Personen sind nötig, um für die Destillation einer Woche in zwei Tagen die nötigen Kienstöcke auszugraben und zur Hütte zu bringen. Am dritten Tage zerkleinen die Arbeiter das Kienholz, am vierten Tage wird eingesetzt, und in dreimal vierundzwanzig Stunden ist die Destillation vollendet. Vor dem Ofen holen Händler die Teerschmiere ab und verkaufen sie im Kleinen; das schwarze Pech aber wird in großen und kleinen Partien an Kaufleute abgelassen.
Wir kehren aus dem Waldgewerbe an die Murg zurück. Das kleine Dorf Röt auf dem linken Ufer, aus 17 Lehenshöfen zusammengesetzt, ist das rechte Ideal eines Schwarzwalddorfes. Die ziemlich langen, zweistöckigen Häuser sind sämtlich von Holz mit wenig Lehm aufgeführt, die Zimmer mit Borden vertäfelt. Scheuer und Stallung ist unter der Erde, die ländliche Wohnung darüber von Rauch geschwärzt und glänzend. Reichliche Fensteröffnungen geben einen Überfluß von Licht. Frühmorgens stehen die Knechte auf, säubern den Stall, tränken das Vieh und führen es auf die Weide. Wie unterrichtet vom Marsche machen einige glockentragende Kühe in bester Ordnung den Anfang, und alt und jung folgt dem ruhigen Gange der Voranschreitenden. Rinder und Ziegen klettern einzeln an der Bergwand und bemächtigen sich der sparsam aus den Felsritzen hervorkeimenden Gräser und der stärkenden Bergkräuter. Ohne Hirten, ohne Aufsicht durchstreift das Vieh die Waldungen und Äcker seiner Besitzer, und erst die Abenddämmerung führt es in die Ställe zurück.
Unerfreulicher als die Viehzucht ist in diesen Gegenden der Ackerbau; Unebenheiten und Abhänge setzen sich fast überall dem Pflug entgegen, und an den meisten Orten muß man sich des Karsts und der Hacke bedienen, nachdem der Boden mit der Asche angezündeter Tannen- und Föhrenscheiter gedüngt worden ist. Von Obstbau ist bei den sparsam vorhandenen Fruchtbäumen keine Rede. Dafür pressen die Bewohner ihren Nadelhölzern den Saft ab, und fast immer qualmt hier der Kessel des Harzreißers. Ein anderes Waldgewerbe ist die Kienrußbrennerei, wozu man sich in den Schwarzwaldgegenden eigener Öfen bedient.
Bei allen solchen zum Teil harten Beschäftigungen trifft man in diesen Wäldern stille, friedliche Menschen, blaß wie das Dunkel ihrer Tannen, verlassen von der heitern menschlichen Gesellschaft und doch zufrieden, bei einfacher Lebensart und Sitteneinfalt bedürfnislos und genügsam.
Von Röt an schließen auf eine halbe Stunde immer höher werdende Berge von beiden Seiten das enger werdende Tal ein. Die Murg eilt ihrem gekrümmten Wege nach und drängt sich beschwerlich zwischen Felsen hindurch. Auf der Höhe zeigen sich amphitheatralisch gelegen die Schönengründer Höfe. Hinter ihnen nimmt die Murg einen Rang, das Tal wird ganz enge, und man meint die jenseitigen Berge mit einem Steinwurf erreichen zu können. Bald verstärkt sich die Murg von beiden Seiten durch sprudelnde Felsenbäche, den Dobelbach und Füllebach; eine hölzerne Brücke von mehr als hundert Fuß führt hier auf das linke Ufer, mit welchem sich ein größeres und etwas flacheres Tal eröffnet, in dessen Tiefe die Straße neben der Murg hinzieht. Die linke Seite des Tals bildet einen Halbkessel durch ziemlich entfernte Berge, deren Fußgestelle sich in grasbewachsene Hügel verflachen. Auf diesen Erhöhungen ziehen sich fünfundzwanzig Höfe, zum Dorfe Huzenbach vereinigt, wovon fast jeder von dem andern abgesondert auf einem der sich wellenförmig ineinander verschlingenden Hügel gelegen ist. Die Wiedendrehereien, Wieden heißen in der Sprache der Landwirtschaft biegsame Ruten. die sich hier finden, sind dem Waldnachwuchse nicht eben günstig; aber merkwürdig ist es zu schauen, wie junge Fichten von zwei Zoll Dicke und sechzehn Fuß Länge hier gleich einer biegsamen Schnur zusammengedrillt werden. Die Vorrichtung hierzu, die einer Gesellschaft von Holzhändlern gehört, ist einfach; sie besteht in einem hohen, geräumigen Hause, dessen Wände mit Brettern verwahrt sind.
Bei dem Dorfe Schwarzenberg, das im Schutze einer Felsmasse ruht und in dessen Nähe auf einer Felsenspitze die Ruinen von Königswart, einem alten Jagdschlosse, zu sehen sind, das Graf Rudolf von Tübingen im J. 1209 erbaut hat, nimmt das Murgtal seinen hochromantischen Charakter an, der an die wildesten Schweizergründe erinnert. Das Fortströmen des Flusses wird von jetzt an durch ein Gewirre vorgeschobener Felsmassen immer mühsamer gemacht. Durch die zusammenhängenden, schroffen Wände des Urgebirges zu sehr im Laufe beschränkt, durch die in ihr eigenes Bett geworfenen, emporragenden Trümmer des Gesteins aufgewiegelt, verwechselt die Murg ihren früher so ruhigen und steten Lauf mit dem heftigsten Geräusch, durchwühlt schäumend die engen Klüfte zerstückter Felsen und bahnt sich tobend den mühsamsten Weg zu einem friedlichen Ausflusse.
Zwei Waldbäche vermehren jetzt die Murg; davon ist der stärkste aller ihrer Einflüsse die Schönmünzach, die aus einem mit Felstrümmern übersäeten Tale der linken Murgseite herausfließt. Bei trockener Witterung kaum sechs Schritte breit, wird sie vom schneeschmelzenden Frühling und seinen Regengüssen zu einem furchtbaren Waldstrome angeschwellt, der das ganze Tal unter Wasser setzt. Bei diesem Zusammenflusse legten die Österreicher im Revolutionskriege eine hölzerne Brücke an, die unvollendet geblieben ist. Über derselben liegt die sehenswerte Schwarzenberger Glashütte und unterhalb eine Wasserstube der Calwer Floßholz-Kompanie. Denn da in der immer beschwerlicher sich durchs Gestein fortwälzenden Murg das Verflözen des Holländer Holzes beinahe unmöglich wird, so mußte auf künstliche Schwellungsanstalten gedacht werden. In einer solchen Wasserstube sind Hunderttausende, in einer Schwellung Millionen Kubikfuß Wasser aufgespart, um zusammengetragene Holzberge unter fürchterlichem Getöse zertrümmert fortzureißen und ihre Scheiter durch die Granitblöcke der Gewässer taumelnd zu Tale zu jagen.
Gegenüber einer kühlen, klaren Quelle, der Frondbrunn genannt, bezeichnet jetzt auf der rechten Murgseite das Wasser Rennelbach die Gränze zwischen Württemberg und Baden. Ein immer rauheres Bett durchströmt jetzt die Murg; schäumend tobt sie durch die Tiefen waldüberwachsener Höhen, deren Grundfeste sie benetzt; immer düsterer wird das felsbegränzte Tal, und außer dem Wassergeräusch herrscht feierliche Stille. Der Fluß zwängt sich immer mehr westwärts und füllt eine beträchtliche Strecke lang das Tal ganz. Bald nimmt er von der linken Seite aus einem Bergeinschnitte die Hornbach und aus einem Gewirre zertrümmerter Felsen die mit Ungestüm herabtobende Rauhmünzach auf, deren Bette man zu den höchsten Bergen aufwärts verfolgen kann; ihr Wasserstrom selbst geht in der Tiefe zwischen viel tausend Granitblöcken hindurch. Von der zweiten ihrer vier mächtigen Schwellungen, am Fuße des Hohenkopfs, dem einsamsten Plätzchen im ganzen Gebirge, ist es nur noch eine Stunde nach der hinter diesem Berge gelegenen »Herrenwiese«, wo man, bei fast ganz erstorbener Vegetation, in einem andern Klima zu atmen glaubt. Auf dieser rauhen Waldkoppe zeitiget die Kirsche in denselben Tagen, in denen unten am Rheine die Trauben reifen. Nicht mit Unrecht sind ihre Steppen das badische Sibirien genannt worden.
In dieser Gegend befindet sich der Hauptsitz jenes ausgebreiteten Floßholzgeschäftes, das eine Handelskompanie von Privatleuten betreibt, die das Holz teils durch die Schwellungen der Waldströme, teils mit unsäglicher Anstrengung und gefahrvollen Arbeiten in Rießen (Kanälen), durch Kähnelwerke, auf Schlittwegen und mit Seilen zu Tale fördert und auf dem Rheine nach Holland verführt. –
Unsere Schilderung wendet sich nun wieder der Murg zu. Die Straße zieht jetzt am linken Ufer derselben, von den steilsten Bergen eingeschlossen, weiter westwärts. Das Tal bleibt einsam und düster; schroffe Felsen begränzen es auf der rechten Seite. Die Landstraße aber ist vortrefflich und wird nicht leicht in einem Felsgebirge besser getroffen werden.
Hier nähern wir uns dem Dorfe
Forbach,
dem reizendsten Punkte des Murgtals, wo die wilde und die freundlichere Natur sich wieder die Hände reichen und der daher zur künstlerischen Darstellung von uns ausgewählt worden ist.
Auf dem Wege dahin begegnet man rechts und links von der Straße häufigen Kohlenstätten. Weil die steilen Berge nicht erlauben, sie auf der bloßen Erde anzulegen, so sind sie meist von Holz gefertigt und werden an den Baumhängen von Bäumen unterstützt oder von Felsen getragen. Die Kohlenbrennerei wird im Murgtale und auf dem Schwarzwalde auf eine eigentümliche, durch die Lokalität bestimmte Weise betrieben, und die Meiler, in Gestalt einer Halbkugel aufsteigend, dick mit satt angedrückter Kohlenerde überdeckt und mit einem dichten Rasendache verwahrt, zieren den Wald, statt ihn zu verunstalten.
Die Ackergrundstücke verlieren sich vor dieser Gegend, zwischen der Rauhmünzach und dem Dorfe Forbach, ganz; nur Nadelholz und weniger Buchenwald bedecken die hohen giebelartigen Berge und reichen herunter bis an Straße und Fluß. Dieser arbeitet mit heftigem Geräusch durch das enge, felsige, einsame Tal. Die unvermerkt gestiegene Landstraße, welche den murrenden Fluß tief unter sich im Grunde dahinfließen ließ, senkt sich allmählig wieder und führt endlich eben in die reinlichen Gassen Forbachs hinein. Den Namen führt das Dorf von dem Waldstrome gleichen Namens, der zwei Mahlmühlen treibt.
Das artige Dorf nährt neunhundert Menschen von den beschriebenen Waldgeschäften, die seine Lage ausnehmend begünstigt. Auch die Arbeiten der Forbacher Waffenschmiede sind geschätzt. Die Häuser sind in aufsteigendem Halbzirkel gebaut, und die ringsum sich hintereinander versteckenden Berge, deren Gipfel nur bemerkbar werden und die deswegen hier minder hoch erscheinen, stellen dem Auge eine liebliche Landschaft dar, besonders wenn man, wie auf unserm Standpunkte, sich ostwärts von dem Dorfe befindet und so die Gegend überblickt. Die Kirche, deren hinterer Teil mit dem Chor erst vor wenigen Jahren gebaut worden, heiter und im neuern Geschmack über das Dörfchen sich erhebend, ist kein geringer Schmuck desselben. Aus dem reichen Kirchenfonds sind zwei große Altarbilder von neuern badischen Künstlern angekauft worden, die von Kennern gelobt werden.
Man besieht in Forbach noch ferner die bedeckte Hängebrücke mit weitem Bogen, von Fahsold, einem Karlsruher, verfertigt; sie hat durch den anstoßenden jenseitigen Granitfelsen eine sichere Landfeste. Über diese Brücke zieht die Straße auf das rechte Murgufer und erhebt sich dann allmählig. Die Aussicht öffnet sich jetzt immer mehr, das Tal erweitert sich und wird heiterer, die Straße führt talab, für Wagen ganz bequem und sicher. Es ist daher kein Wunder, daß die Kurgäste Badens das Murgtal gewöhnlich nur die vier bequemeren Stunden bis nach Forbach bereisen und tiefer in die Berge einzudringen sich scheuen. Doch tun sie unrecht daran, da der Weg durchaus gut und gefahrlos ist und die eigentlichen Gebirgsschönheiten und Eigentümlichkeiten, wie wir sie bisher beschrieben haben, erst hier ihren Anfang nehmen.
Die hiesigen Forsten hat sich, der ergiebigen Auerhahnjagd wegen, der Großherzog vorbehalten, den eben diese Jagd jährlich einmal in die Gegend von Forbach führt.
Unterhalb des Dorfes treten die noch immer sehr hohen Berge weiter auseinander. Hier fallen mehrere dicht an die Murg gelagerte Sägemühlen dem Wanderer ins Auge. »Droben im Bergwald tönt die Waldaxt. Hohe Tannen, fünfhundertjährige Eichen fallen auf ihren Hieb. Während hier unten auf dem Flusse die knarrende Mühlsäge mit eisernem Fleiße den dicken Stamm in dünne Bretter gleichförmig vereinzelt und Bretterhaufen hoch aufgetürmt werden, fügt man nahebei ganze Reihen von Dickstämmen in Flöße zusammen«, die, von einem unerschrockenen Steuermann sicher geleitet, auf dem Wege selbst, einer zum andern gesellt, anwachsen, bis auf dem Rheine mehr als hunderttausend solcher Bretter, zu einem einzigen Floße vereinigt, als eine Gesamtladung Holland zuschwimmen, wo sie sich zum Schiffsbau fügen und den Handelsmann, den Auswanderer zum fernen Eilande tragen. Vergl. Klübers »Baden«, II, 144.
Auf dem rechten Ufer folgen nun die Dörfer Gausbach, Langenbrand und Weißenbach, wo die hoch über Felslager geführte Straße sich wieder zur tiefen Murg herabsenkt. Hier fängt die Natur, wenn auch sparsam, wieder an, den Ackerbau zu begünstigen; Abhänge sind künstlich gefestigt und hier und da mit Weinstöcken bepflanzt. Dem Dorfe Weißenbach gegenüber, dicht an dem linken Ufer der Murg, zeichnet sich der kleine Kirchhof des Dorfes Au, vereinzelt auf einem rebenbepflanzten Hügel angelegt, aus, und die Spitze seiner kleinen Kapelle ragt malerisch hinter Bäumen und Gesträuch hervor.
Der Weg rechts führt so dicht an dem Flusse vorbei, daß aufgesetzte Steine den Wanderer sichern müssen, nicht ins Wasser zu stürzen. Nicht ferne liegt hier, hinter Bergen versteckt, das Dorf Reichental, wo viel Pottasche versotten wird und die Auslaugung der Asche in mächtigen hölzernen Mulden, die aus den stärksten Schwarzwaldtannen verfertigt sind, vorgenommen wird; zum Versieden werden sodann Kessel von Gußeisen gebraucht, in welchen 30 Jahre lang gesotten werden kann.
Bei dem Dorfe Hilgertsau verläßt die Straße auf einer hölzernen Brücke das rechte Murgufer, und mit jedem Schritte wird die Aussicht freier und offener. Obertsrot, ein kleiner Weiler, hat eine Tabaks- und Ölmühle unter einem Dache; die letztere empfahl schon lange ihre zweckmäßige Einrichtung und Reinlichkeit und eine vortreffliche Ölpresse.
Die beiden Ufer der Murg bleiben immer noch von ziemlich hohen Bergen umschlossen; aber zusehends vertauscht der Strom seinen ungestümen Lauf mit steterem Fortströmen. Die Straße zieht auf der linken Seite mit Krümmungen weiter westwärts. Auf dem jenseitigen Berge zeigt sich sehr schön gelegen das Dorf Scheuern. Diesseits an der Straße ragt auf einer schroffen Höhe, zwischen den Wipfeln hochstämmiger Tannen, die zu einem großherzoglichen Lustschloß mit schonendem Geschmack umgeschaffene Burg Neueberstein hervor, von deren Sälen man teils das wilde Tal hinansieht, teils eine Durchsicht in den lieblichsten Teil der offeneren Gegend bis zum Rhein hin genießt.
Am Fuße des Schloßberges stehen mehrere Mühlen. Bald nimmt den Wanderer das auf der rechten und linken Murgseite über Hügel und Ebene sich anmutig ausbreitende Städtchen Gernsbach auf, das sich durch große Gewerbsamkeit, namentlich treffliche Leimsiedereien, auszeichnet. Hier tritt die Murg in ein weit offeneres Tal. Die Hänge und Fußgestelle der beiderseitigen Berge sind von Felsen frei, mit Reben und andern Pflanzungen bekränzt; Berg und Tal schmückt sich mit Obstbäumen. In der Tiefe werden ergiebige Wiesen von Quellen bewässert. Die Murg, die wir jetzt sich selbst überlassen, dient bald nicht mehr dem Schmuck einer seltenen Natur, sondern einzig dem Kunstfleiße der Menschen, bis sie 6 Stunden von Gernsbach, nachdem sie noch viel lachende Dörfer ohne Murren mit glatten Wellen bespült hat, eine Stunde unterhalb dem badischen Städtchen Rastatt, das durch den Gesandtenmord von 1801 eine traurige Berühmtheit in der ganzen Welt besitzt, sich mit dem Rheine vereinigt.
Doch sind noch nicht alle Merkwürdigkeiten des Murgtales berichtet. Während drunten in der Tiefe der Mensch im Schweiße des eigenen Angesichtes den Bäumen ihren Saft abpreßt, die Fichten bald zu Ruten drillt, bald schwimmen lehrt und dem Schiffsbau ans Meergestade zusendet, bald in Kohlen und Asche verwandelt und die Natur in jedem Sinne zwingt, sein eigenes, hinfälliges Leben zu fristen, treibt auf den Höhen dieses Gebirges die Geisterwelt ihr freies Spiel.
Auf der Teufelskanzel oberhalb Gernsbach predigte einst der Fürst der Hölle in Person, was er jetzt durch seine Jünger im flachen Lande tut, vor einem zahlreichen Auditorium sein Höllentum, bis ein guter Engel vom Himmel gesandt ward, auf dem entgegengesetzten Berge, bei Eberstein, seine Kanzel zu errichten und die Menschenkinder mit himmlischer Beredsamkeit auf den guten Weg zu leiten. Das verdroß den Satan, er tobte in sieben Felsenkammern des Hochgebirges, oberhalb Loffenau, wie ein Erdbeben, spielte mit den ungeheuern Blöcken Ball, baute in der Nähe der Wolken die Teufelsmühle, legte sich, ermüdet von der Arbeit, so schwer in ein Felsenbett nieder, daß seine Gestalt noch ausgedrückt in dem Gestein, mit Pferdehuf und Schweife, sichtbar ist; er stampfte, rasselte, tobte in seiner Mühle, sooft der Engel drüben predigte. Von der Herrenwiese sah Gott der Vater dem Unwesen zu und schleuderte den gefallenen Engel in seine eigene Teufelsmühle hinab, so gewaltig, daß auf dem Hochgebirge der Fußtritt des Stürzenden noch sichtbar ist. Hier verstummte er und regt sich nur zu Zeiten murrend im Ungewitter. Auf einem andern Gipfel, beim festen Turm von Yberg, präsentierte sich der Satan einem ganzen Klub von Hexen, Hexenmeistern, Zauberern und Unholden. Sie beteten ihren Herrn und Meister an, sie opferten ihm Kinder, sie tanzten, sie schmausten mit ihm, doch ohne Salz und Brot. Das dauerte so lange, bis fromme Franziskaner das Kloster Fremersberg erbauten und den ganzen Spuk in den Klipfengraben bannten.
Ein friedlicheres Geisterleben webt in den beiden Mummelseen bei dem wildschön gelegenen Kloster Allerheiligen auf dem Seekopf und, eine Meile von der Herrenwiese, auf dem Katzenkopf. Hier haust ein unschuldiges, zwerghaftes Gnomengeschlecht. Einmal kam ein kleiner Bewohner des zweiten Mummelsees, in Rattenpelz gekleidet, in das jenseitige Gebirgsdorf Kappel und holte eine Hebamme ab, seinem Gnomenweibchen bei der Niederkunft beizustehen. Vor seiner Birkenrute teilte sich das Wasser, eine alabasterne Wendeltreppe führte die Staunende in ein goldenes Prunkzimmer, vor ein Bett von Karfunkeln. Hier verrichtete die Wehemutter ihr Geschäft, und der Rattenpelz gab sie der Oberwelt zurück. Ein Strohbündel war ihr Lohn, den sie unwillig wegwarf und erst schätzen lernte, als sie einen an ihrem Kleide hängen gebliebenen Strohhalm in lauteres Gold verwandelt sah. – Ein andermal taucht ein wundersames Seefräulein aus dem Bergsee, bezaubert einen schönen Hirtenknaben und schenkt ihm im Tal ihre Liebe, unter der Bedingung, nie nach ihrem Aufenthalt zu spähen. Der sehnsuchttrunkene Knabe hält seinen Eid nicht und schleicht ihr nach an den See. Da dringt das dumpfe Ächzen eines Sterbenden aus der Tiefe zu ihm empor, und mit den breiten Blättern der Nymphaea bedeckt färbt sich der See blutrot. Ein Greis mit Schneebart und Karfunkelaugen beherrscht dies Nymphengeschlecht. Nächtlicherweile und am frühen Morgen mischen sie sich hülfreich und teilnehmend unter die Arbeiten und Freuden der Talbewohner. Verführt sie ein Sterblicher, so verfallen sie schwerer Buße; verlocken sie ein Menschenkind, so versinkt es zu ihnen in den Abgrund; aber der Greis hält gerechtes Gericht, straft die Verführerinnen und entläßt die Versunkenen aus dem See. Wer einen Stein in die stillen Wasser wirft, den drohen sie unter plötzlich entstandenem Ungewitter zu verschlingen. – Diese Geister sind nicht unsterblich. Selbst ihr König, der silberhaarige Greis, ist dem Tode verfallen, und ein anderer wird seine Stelle einnehmen: Das folgende Lied aus Ed. Mörikes »Maler Nolten«, Bd. I, S. 190f.
Vom Berge, was kommt dort um Mitternacht spät
Mit Fackeln so prächtig herunter?
Ob das wohl zum Tanze, zum Feste noch geht?
Mir klingen die Lieder so munter.
Ach nein!
O sage, was mag es wohl sein?
Das, was du da siehest, ist Totengeleit,
Und was du da hörest, sind Klagen;
Gewiß, einem Könige gilt das Leid,
Doch Geister nur sind's, die ihn tragen.
Ach wohl!
Sie singen so traurig und hohl.
Sie schweben hernieder ins Mummelseetal,
Sie haben den See schon betreten,
Sie rühren und netzen den Fuß nicht einmal,
Sie schwirren in leisen Gebeten.
O schau
Am Sarge die glänzende Frau!
Nun öffnet der See das grünspiegelnde Tor,
Gib acht, nun tauchen sie nieder!
Es schwankt eine lebende Treppe hervor,
Und drunten schon summen die Lieder.
Hörst du?
Sie singen ihn unten zur Ruh.