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Hohenstaufen
O denk an jenen Berg, der hoch und schlank
Sich aufschwingt, aller schwäbischen Berge schönster,
Und auf dem königlichen Gipfel kühn
Der Hohenstaufen alte Stammburg trägt!
Und weit umher, in milder Sonne Glanz,
Ein grünend fruchtbar Land, gewundne Täler,
Von Strömen schimmernd, herdenreiche Triften,
Jagdlustig Waldgebirg und aus der Tiefe
Des nahen Klosters abendlich Geläut.
Dann fernhin, in den Burgen, in den Städten,
Gesegnetes Geschlecht, treufeste Männer,
Die Frauen aber sittig und verschämt,
Ja, wie uns Walther sang, den Engeln gleich.
So läßt Uhland in seinem Fragmente »Konradin« einen deutschen Freund zu dem letzten Hohenstaufen-Sprößling sprechen, um ihn durch die Erinnerung an seinen schönen Stammsitz aus dem verhängnisvollen Süden zurückzuziehen. Der Dichter hat mit diesen Worten ein anschaulicheres Bild von dem Berg und seiner Umgebung entworfen, als eine weitläufige prosaische Ortsbeschreibung es zu liefern vermöchte. Nichts ist aus diesem Bilde verschwunden als die Stammburg selbst, von welcher auf dem kahlen Kegel nichts übrig geblieben ist als ein kaum sichtbares, bereits in Staub zerfallendes Mauerstück. Es war nur ein Traumgesicht, wenn der edle Max von Schenkendorf im April 1813 den Berg bestiegen und dem Feuer des Himmels gerufen hat, ihm den Weg zu zeigen:
Kommt, ihr Blitze, brecht hervor,
Daß ich finden mag das Tor
Zu der Burg der Hohenstaufen!
Und es hieß in der Tat nicht hoch geschworen, wenn er prophezeite, daß der neue deutsche Bund diese Steine überdauern soll – die längst nicht mehr vorhanden waren.
Doch begünstigt gerade jene gänzliche Kahlheit des Berges das Spiel der Phantasie, und es wird ihr leichter, die Burg »herrlich wieder aufzubauen«, als wenn sie ihren alten Plan aus dürftigen, gestaltlosen Trümmern zusammenzusetzen sich abmühen müßte.
Der Berg steht wieder vor unsern Augen, wie er vor achthundert Jahren oder früher dagestanden, öde und unüberbaut. Nun steigt aus der benachbarten Tiefe im 11ten Jahrhundert ein schwäbischer Edler, Friedrich von Büren, Friedrichs Sohn, empor zu der luftigen Höhe und baut sich hier auf dem Stwipfen (dem Stufenberge) sein hohes Haus; er nannte sich sofort von Staufen, Kaiser Heinrich IV. macht ihn zum Herzog in Schwaben und gibt ihm seine Tochter zum Weib, und Friedrich selbst wird der Ahnherr eines Kaiserhauses. Sechsmal saß die Krone auf dem Haupte seiner Nachkommen; das Haupt des siebenten fiel vom Rumpf, als seine Jünglingshand darnach greifen wollte. In diesen hundertsiebzehn Jahren sehen wir die Burg sich allmählig ausdehnen. Der erste hohenstaufische Kaiser Konrad III. wahrt ihren Besitz gegen die Mönche von St. Denis; sein Sohn Barbarossa hält die väterliche Burg in hohen Ehren; doch scheint sie noch nicht sehr geräumig gewesen zu sein, denn er hatte nicht einmal eine Burgkapelle. Ein besonderer Weg führte ihn zu der kleinen steinernen Dorfkirche herab, die der Hohenstaufen- Verein als das einzige Denkmal der Staufen auf jenem Berge denn das Dorf Hohenstaufen liegt nur wenige Minuten unter dem höchsten Gipfel – zu erhalten sich vorgesetzt hat. Eine Inschrift, der Form nach aus dem sechzehnten Jahrhundert, über einer zugemauerten Türe angebracht, berichtet uns dieses mit den schlichten Worten:
Hic transibat Caesar.
Der großmächtigst Kaiser wohlbekannt,
Fridericus Barbarossa genannt,
das demütig edel deutsche Blut
übt ganz und gar keinen Übermut,
auf diesem Berge hat Hof gehalten,
wie vor und nach ihm die Alten,
zu Fuß in diese Kirch ist gangen,
ohn allen Pracht, ohn Stolz und Prangen,
durch diese Tür, wie ich bericht,
ist wahrlich wahr und kein Gedicht.
Amor bonorum, terror malorum.
Als König Philipp, Friedrich Barbarossas jüngster Sohn, der seinem Bruder Heinrich VI. auf dem Kaiserthrone gefolgt war, bei Bamberg durch Otto von Wittelsbach erschlagen worden (1208), floh seine Gemahlin, die griechische Kaiserstochter Irene, auf die Stammburg ihres Gatten und starb hier an einer unzeitigen Geburt. Ihr Leichnam ward im nahen Kloster Lorch beigesetzt.
Die letzten Kaiser des Hauses nahmen sich nicht Zeit, sich nach ihrer Stammburg umzusehen, sie betrachteten sie als Reichsburg, und so blieb Hohenstaufen auch in der Folge Reichsdomäne, bis sie aus Karls IV. Besitz durch Pfandschaft an Eberhard den Greiner von Württemberg kam (1347). Dies Land freute sich später ihres ungestörten Besitzes anderthalb Jahrhunderte lang, bis im J. 1525 die aufrührerischen Bauern das Tal herunter kamen und sich am Fuße des Berges lagerten. Der Überfall geschah bei Nacht, und obgleich der feindliche Haufen nur klein war, warfen doch die Wächter des Schlosses in der Angst die Schlüssel von der Zinne herunter, verbargen sich oder machten sich nach kurzer Gegenwehr, den Hauptmann Michael von Reißenstein an der Spitze, davon. So ward die ehrwürdige Burg von den zügellosen Bauern eingenommen, ausgeraubt und verbrannt. Die ergriffenen Knechte wurden von den Zinnen herabgestürzt.
Martin Crusius sah 63 Jahre nach der Zerstörung des Schlosses die Trümmer, die von ihrer Größe zeugten, und hat sie ausführlich beschrieben. »Lieber Gott«, ruft er in seiner Chronik aus, »soll eine so große Herrlichkeit der mächtigsten Fürsten zu einem so scheußlichen Anblicke gediehen sein? Alles ist verschwunden wie ein Rauch, alles ist hinweggeflogen wie ein Vogel. Ein Bauernschultheiß hat jetzt die Schlüssel zu dem Tor, welches vor Alter wurmstichig ist; er mähet das Gras, das im Schloßhofe hoch steht; der Holunderbaum wächst da und dort in den Winkeln.« Doch sah Crusius noch deutlich die zwei Hauptteile des Schlosses, den Mannsturm, die Behausung des Frauenzimmers, den Bubenturm und eine sieben Fuß dicke Mauer von Quadern, welche die ganze Burg umschloß, alles noch schwarz vom Brande des Bauernkrieges. Aber »in allen Teilen des Schlosses ist kein Bildnis, keine Inschrift, kein Wappen, keine Farbe mehr. Alles ist durch Feuer, Regen oder böse Zeiten ausgetilgt. Was ein schöner Körper war, ist jetzt nur ein Beingerippe«. So sah es im J. 1588 aus. Jetzt ist auch dieses Gerippe verschwunden; die Herzoge von Württemberg haben mit den Überbleibseln ihr Schloß zu Göppingen gebaut. Aber das Auge des Dichters erblickt die alte Burg in ihrer vorigen Herrlichkeit:
Es steht in stiller Dämmerung
Der alte Fels, öd' und beraubt;
Nachtvogel kreist in trägem Schwung
Wehklagend um sein moosig Haupt.
Doch wie der Mond aus Wolken bricht,
Mit ihm der Sterne klares Heer,
Umströmt den Fels ein seltsam Licht,
Draus bilden sich Gestalten hehr.
Die alte Burg mit Turm und Tor
Erbauet sich aus Wolken klar,
Die alte Linde sproßt empor,
Und alles wird, wie's ehmals war.
So Harfe wie Trompetenstoß
Ertönt hinab ins grüne Tal,
Gezogen kommt auf schwarzem Roß
Rotbart der Held, gekleid't in Stahl.
Und Philipp und Irene traut,
Sie wall'n zur Linde Hand in Hand:
Ein Vogel singt mit süßem Laut
Vom schönen griech'schen Heimatland.
Und Konradin, an Tugend reich,
Der süße Jüngling, arm, beraubt,
Im Garten steht er stumm und bleich:
Die Lilie neigt ihr trauernd Haupt.
Doch kündet jetzt aus dunklem Tal
Den bleichen Tag der rote Hahn,
Da steht der Fels gar öd' und kahl,
Verschwunden ist die Burg fortan.
An ihrer Stätt' ein Dornbusch steht,
Kalt weht der Morgen auf den Höhn –
Und wie der Fels so kalt und öd'
Scheint auch das deutsche Land zu stehn.
So sang vor 25 Jahren Justinus Kerner. »Dichtungen«, S. 231 f. Auf dem Berge sieht man noch außer jenem Stückchen Mauer zwei enge Höhlen am westlichen Hange des Berges, die den gemeinschaftlichen Namen Heidenloch führen, den schon Crusius kannte, und die dem Besucher des Berges so lange zur Zuflucht gegen Unwetter dienen müssen, bis der Hohenstaufen-Verein, wie er denn auch dieses beabsichtigt, für ein bescheidenes, den Gipfel nicht verunstaltendes Obdach gesorgt hat.
Der Emporblick an dem Gipfel von der letzten Stufe vor dem Dorfe aus hat im Anfang etwas Finsteres und Wildes. Man steht nun selbst schon auf einem hohen Bergrücken, am Fuße des Kegels, der sich über dem Dorfe Hohenstaufen erhebt, von dem nur wenige Häuser sichtbar werden. Links sieht man auf einem Hügel hangende Kalksteinfelsen, als wenn sie die Lava wären, die ein ehemaliger Vulkan heruntergestürzt hätte. Eine Ziegelhütte liegt einsam daneben. Die Stille der Umgebungen, die Höhe, auf der man schon steht, das hingestreute Dorf, die Gestalt der Bergspitze, alles das gemahnt den Wanderer mehr an die Schweiz als irgendeine andere Stelle des Landes.
Die Aussicht vom Hohenstaufen wie vom Rechberg herab zeichnet sich vor andern Albaussichten dadurch aus, daß der Fernblick nach allen Seiten frei ist, indem er selbst gegen Süden und Osten noch über Hügel und Ebenen schweift, ehe er auf der Albwand, von der diese beiden Ausläufer nebst dem dritten, dem Stuifenberg, mehrere Stunden vorwärtsspringen, zu ruhen kommt. Das bewaffnete Auge erblickt bei günstigem Himmel in dieser Richtung sogar Tiroler- und Schweizeralpen hinter der Schwäbischen Alb. Zuäußerst gegen Osten gekehrt hat man das Albuch-Gebirge mit seinem Fürsten, dem trümmer- und höhlenreichen Rosenstein, vor sich. Gegen Süden verweilt der Blick vom Hohenstaufen aus zuerst auf dem Rechberg, dessen Schloß auf dem tieferen Vorsprung, dessen Wallfahrtskirche auf dem kahlen Gipfel, dessen freundliches Dorf an der Seite dem seltsam gestalteten Höcker ein lachenderes Ansehen gibt, als der etwas kahle Rücken sonst haben würde, und das Ganze zu einer eigentümlichen, aber anmutigen Erscheinung macht. Um den Rechberg her lagern sich die nähern und fernem Albrücken: der Hornberg, der Stuifen, der Bernhardusberg mit einer Wallfahrt; weiter rechts winkt aus der Tiefe das alte Schlößchen Staufeneck, dann kommen die Berge des Geißlinger Tales, in weiterer Ferne Teck, Neufen, Achalm, Hohenzollern, kurz die ganze obere Alb, alles auf engen Raum zusammengedrängt und hintereinandergeschoben. Westlich dehnt sich die hügelige Fläche bis zum Schwarzwald aus, nordwestlich die hohen Hügelketten des württembergischen Unterlandes und dahinter wohl gar der Odenwald; im Vordergrund wellenförmiges Land mit einzelnen Tannenhainen; im Norden ein Stück des alten Herzynischen Waldes, der Welzheimer Wald, die Löwensteiner Berge, blaue Gipfel des Frankenlandes in der Richtung von Schwäbisch Hall.
Unser Bild konnte von dieser Ferne, da es den Anblick beider Berge zu geben bestimmt ist, nur etwa ein Vierteil des Kreises mitteilen, nach Süden die Alb von Boll bis Teck, nach Norden den Stromberg und die zwischen beiden liegende Landstrecke.
Wir fügen nun noch ein Wort bei von
Hohenrechberg
Die Burg steht um ein Ziemliches tiefer als der Gipfel des Berges auf einem abgesonderten Hügel, den eine große steinerne Brücke mit der Bergspitze, auf welcher die Kirche steht, verbindet und dessen Mittelfelsen sie ernst und altertümlich noch unter Dach und Fache krönt und dadurch einen starken Kontrast mit dem kahlen Hohenstaufen bildet, der einst einen Kaiserpalast trug. Aus mehreren Vorhöfen ragt das hohe Schloß in Form eines Hufeisens, das auf dem nördlichen Flügel durch ein zweites Gebäude fortgesetzt und geschlossen ist, hervor. Verfallener als das von einem gräflich rechbergischen Beamten bewohnte Schloß sind seine Mauern und Türme.
Eine Volkssage läßt die Stammherren des Geschlechts schon im 7ten Jahrhundert im sogenannten Christental an einer großen Schlacht der bekehrten Alemannen teilnehmen und darauf die Burg erbauen. Geschichtliche Nachrichten finden wir erst im zwölften Jahrhundert (um 1165). Ein Ulrich von Rechberg († 1202) war Marschall der Hohenstaufen, ein anderer Ulrich Bischof von Speyer († 1195), ein Siegfried († 1227) Bischof von Augsburg. Die Kriegstaten eines Hans von Rechberg schildert Joh. v. Müller in seiner Schweizergeschichte. Die Burg erscheint erst im J. 1300 bestimmt als Besitztum des Geschlechts und hat ihren Namen von dem Rehgebirge, auf dessen Vorsprunge sie liegt. Die Familie führte auch auf dem Helm einen Rehbock. Unter den spätem Rechbergen machte sich um 1489 Wilhelm bemerklich, der, als Diener eines Bayernherzogs, einen päpstlichen Legaten den schriftlich gedrohten Bannfluch des Heiligen Vaters buchstäblich verschlucken ließ und dann den Brief samt dem Pfaffen spießte. S. G. Schwabs Romanze in dessen »Schwäb. Alb«, S. 324f. Die Heldentat zog dem Ritter den Bann zu und vertrieb ihn vom Hofe.
Im Städtekrieg 1449 und am Schlüsse des Dreißigjährigen Krieges 1648 litt das Schloß gewaltig, doch steht es noch fest und würdig von Gestalt bis auf diesen Tag, bewacht von dem Rechberger Klopfer, einem Familiengeiste, der in seinen Hallen umgeht und jeden Todesfall in dem jetzt in den Grafenstand erhobenen Geschlechte durch sein Pochen verkündet. Den Ursprung erzählt die Sage so: Ulrich II. von Rechberg wurde im J. 1496 vergeblich von seiner Gemahlin, Anna von Wenningen, von ferner Fahrt erwartet. Früher hatte er seinen treuen Hund von Zeit zu Zeit mit Briefen geschickt; jetzt blieb auch dieser aus. Endlich, als sie brünstig in der Burgkapelle für ihren fernen Gatten betete, störte sie im Beten ein lautes Pochen, so daß sie unmutig ausrief: »Ich wollte, du müßtest ewig klopfen.« Als sie das Tor öffnete, stand der Hund davor, aber ohne Brief. Sein Herr war tot, und bald brachte man seine Leiche. Die Frau unterlag dem Kummer; auf dem Sterbelager hörte sie ein Pochen, bis ihr Auge sich schloß.
Erfüllt ist, was im herben,
Erkrankten Sinn sie bat:
Will wo ein Rechberg sterben,
Der ew'ge Klopfer naht.
S. die zweite Romanze a.a.O., S. 227ff.
Eine Brücke verbindet das Schloß mit dem Gipfel des Rechberges, auf welchem ursprünglich eine Einsiedelei mit einem aus Lindenholz geschnitzten Marienbilde stand und wo später die Herren von Rechberg eine schöne Wallfahrtskirche nebst Pfarrhaus gebaut haben. Ein guter Tubus steht hier dem Besucher dieser Höhe zu Dienste, mit welchem er bei einigermaßen günstiger Witterung in Südosten die Gipfel der Schneeberge leicht erkennen wird. –
Nordwestlich von beiden Bergen liegt, von beiden herab in ihrer ganzen Ausdehnung sichtbar, die ehemalige alte Reichsstadt Gmünd, katholischer Konfession, mit merkwürdigen Kirchen und Kapellen geschmückt. Wenige unserer Leser dürften wissen, daß diese Stadt vor Jahrhunderten den Baumeister ausgesandt hat, der den Prachtbau des Mailänder Doms aufführte. Der Italiener Gamodea nennt in seinem Werke über Mailand als Baumeister des Domes Heinrich Arier von Gmünd.