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Freiburg im Breisgau

Die Stadt Freiburg hat eine der prachtvollsten Lagen unter den Städten Deutschlands, die sich im Bilde nicht ausdrücken und überschauen läßt. Aber der Reisende mag von Wien oder Dresden, von Heidelberg oder vom Bade Baden kommen, satt von Bewunderung und ungläubig gegen Weiteres: Hier wird er von neuem seine Augen auftun und, wenn ihn ein blauer Himmel und die schönste Jahreszeit – Spätfrühling oder Herbst – begünstigt, sich an Nähe und Ferne nicht satt sehen können. Das Münster von Freiburg entschädigt für Burgruinen, Paläste oder andern Schmuck der Gegend von Menschenhänden; es ist gerade dadurch eine so hohe Zierde der Stadt und ganzen Gegend, weil es die einzige ist und kein anderes Gebäude auch nur über seinen Fuß emporragt. An der schönen protestantischen Kirche, die jetzt eben, aus einem Gebirgsdorfe hierher verpflanzt, emporsteigt und die unsere Zeichnung antizipiert hat, wird es, in gehöriger Ferne, einen edeln, aber sehr bescheidenen Nebenbuhler erhalten.

Freiburg liegt fast in der Mitte des Breisgaues, dessen Hauptstadt sie ist, dicht am Fuße der Schwarzwälder Gebirgskette, die hinter ihren Mauern emporsteigt. Ihr zunächst erhebt sich der Schloßberg, von allen Seiten in frisches Rebgrün gekleidet, aus dem hier und da dunkle Trümmer der Vergangenheit hervorblicken; an ihn schließt sich der freundliche Johannisberg und, beide weit überschauend, der Roßkopf. Gegenüber beherrschen der Schönberg, Kibfels, Schauinsland und tiefer hinein der Belchen und des Schwarzwaldes höchste Spitze, der Feldberg, die obere Gegend.

Zwischen diesen Bergreihen rauscht aus dem Tale von Kirchzarten die Dreisam herab, links am Saume der Stadt vorüber. Hier ist einer der Hauptpässe des Schwarzwaldes, der sich durch das genannte Tal, das Himmelreich und die Schluchten des Höllentales hinaufzieht und zum benachbarten, eigentlichen Schwabenlande den Zugang öffnet.

Vor der Stadt aber entwickelt sich in einer Ausdehnung von mehrern Stunden eine ungemein fruchtbare und bevölkerte Fläche, ähnlich einem ununterbrochenen, lieblich wechselnden Garten, längs dem Ufer des Rheines, noch vor diesem aber begränzt durch das waldgekrönte Rebgebirge des für Botaniker und Mineralogen so merkwürdigen Kaiserstuhls, über welchem in dunkler Ferne die Häupter der Vogesen emporragen.

An diese Orientierung, die wir fast wörtlich von dem trefflichen Geschichtsschreiber und Topographen Freiburgs entlehnen, dessen Werke hier unser Leitstern sind, »Freiburg im Breisgau mit seinen Umgebungen, von Heinrich Schreiber«, Freiburg, Herder, 1825. – »Das Münster von Freiburg«, von demselben, 2te Aufl., ebendas., 1829. schließe sich die begeisterte Schilderung des Dichters, der hier im J. 1814 in der Morgenröte der deutschen Freiheit, ohne Ahnung der Gewitter, die eine zu stechende Sonne zusammenziehen sollte und die er nicht erlebt hat, voll Jugend und Hoffnung sang: »Der Schwarzwald«, von Max v. Schenkendorf.

Wie fröhlich hier im reichen Tal
Die lieben Bäume stehn,
Gereift an Gottes mildem Strahl,
Geschützt von jenen Höhn.

Ihr Kirschen und ihr Kästen sollt
Noch manches Jahr gedeihn,
Auch du, Gutedel, fließend Gold,
Auch du, Markgrafenwein.

Doch höher, immer höher zieht,
Zum Walde zieht mich's hin,
Dort nach dem dunkeln Gipfel sieht
Mein liebetrunkner Sinn.

O Dreisam, süßer Aufenthalt,
O Freiburg, schöner Ort,
Mich ziehet nach dem höchsten Wald
Die höchste Sehnsucht fort.

Nicht schrecket mich im Höllentor
Der grause Felsensteg,
Weit über Land und Fels empor
Zum Gipfel geht mein Weg.

Du mit dem weißen Wälderhut
Und mit dem schwarzen Band,
O Mägdlein, sittig, schön und gut,
Grüß mir das deutsche Land!

Ich muß hinauf zum schwarzen Wald,
So liebend und allein,
Dort soll fortan mein Aufenthalt
Und meine Kirche sein!

Die erste Lichtung dieser dichten Urwälder, die sich bis tief ins Tal und in die Ebene erstreckten, verdankte das Land den Römern, welche den wichtigen Engpaß, wo die Dreisam aus den Bergen tritt, aufs sorgfältigste besetzt hielten. Ihr Tarodurum lag unfern von Freiburg, wahrscheinlich oberhalb des Dorfes Zarten, wo eine quer das Tal durchlaufende Verschanzung, der »Heidengraben«, mit steilen Abhängen und darunter hinrauschenden Waldbächen, die Niederlassung gegen die wilden Gebirgsalemannen verteidigen half. Auch auf dem Schlosse von Freiburg mag eine römische Warte gestanden haben, welche das nahe Tarodurum mit dem fernen Mons Briscanus (Breisach) verband und von der noch zahlreiche Bruchstücke roher Mosaik zeugen, die vor etwa fünfzehn Jahren hier gefunden worden sind.

Die Stelle, wo Freiburg steht, war indessen noch zu Anfang des eilften Saeculums, wie aus einer Urkunde erhellt, mit Walde bedeckt. Erst zu Ende dieses Jahrhunderts sollen Jäger, Fischer und, um der reichen Erzgruben willen, die bis auf die neueste Zeit in den umliegenden Bergen bearbeitet werden, Bergleute sich in einem Dorfe hier angesiedelt, und nach einer Chronik soll ein Graf von Kyburg seinem Schwager, einem Herzoge von Zähringen, die Erlaubnis erteilt haben, auf dem jetzigen Schloßberge von Freiburg ein Jagdhaus aufzuführen. Der eigentliche Begründer der Stadt Freiburg ist Herzog Berthold III., aus dem uralten Geschlechte der Bertilonen, die schon im 8ten Jahrhundert der Bertholdesbara ihren Namen gaben, von einem Schlosse bei Freiburg, das, am Rande des Schwarzwaldes über dem gleichnamigen Dorfe gelegen, bis 1111 sein Vater Berthold II. bewohnte, der Zähringer zubenannt. Mitten in unruhigen Zeiten gründete er hier, nach dem Muster Kölns, das er als mächtige rheinische Handelsstadt persönlich kennen gelernt hatte, ein freies Gemeinwesen, eine freie Burg, der eine eigene Verfassungsurkunde bestimmte Rechte zusicherte und die er und seine Nachkommen bald, so wie im Osten des Schwarzwaldes das neu begründete Villingen, zu fröhlichem Blühen brachten. Unter seinem Bruder Konrad (1122-1152) läßt die Sage den herrlichen Münsterbau beginnen, und als im J. 1146 der h. Bernhard, das Kreuz predigend, in diese Gegenden kam, verweilte er zwei Tage zu Freiburg und bezeichnete viele Reiche und Vornehme zur Fahrt nach Palästina mit dem Kreuze. Der Letzte des Zähringerstammes, Berthold V., starb in dieser Stadt (1218) und liegt im Münster, wo noch sein riesiges Steinbild Ehrfurcht gebietet, begraben.

Sein Erbe ward zerstückelt. Die Stadt Freiburg überließ der Kaiser, der sie als vorgebliches Reichslehen an sich gezogen hatte, dem Grafen Egon I. von Urach, dem Schwager Bertholds. Unter seinen Nachfolgern nahm die Stadt an Kraft und Umfang zu. Zünfte treten hervor (1293), und mit ihnen erscheint der erste Bürgermeister. Aber die Grafen von Urach versanken in schwere Schuldenlast, und als die Stadt diese bezahlen sollte, gerieten Herr und Land, die Waffen in der Hand, aufs feindseligste aneinander. Graf Egon III. belagerte sie (1299) vergebens, ein kühner Fleischer erschlug ihm seinen eigenen Schwager, Konrad von Lichtenberg, den Bischof von Straßburg. Seitdem nahm Achtung und Gewalt der Grafen ab, und die Stadt wurde so mächtig, daß sich selbst die Markgrafen von Hochberg um ihr Bürgerrecht bewarben. Sie verordnet sich jetzt unter einer Schattenbestätigung der Grafen ihre Obrigkeiten selbst und erkauft sich bald (1327) eine förmliche Freiheitsurkunde, vermöge der sie mit den bedeutendsten Städten, Fürsten und Edeln nah und fern Schutz- und Trutzbündnisse schloß. Handel und Gewerbe standen jetzt in voller Blüte. Neue Straßen entstanden; begüterter Adel ließ sich in Freiburg nieder, und lange behauptete die ›Stube zum Ritter‹ die Oberhand über die ›Bürgerstube‹.

Aber als Graf Friedrich im J. 1356 ohne männliche Erben dahinstarb, geriet die Stadt in mancherlei Unglück, in die Acht und endlich einem aufgedrungenen Herrn, dem Bruder des Verstorbenen, dem Grafen Egon, in die Hände. Die Stadt erwehrte sich seiner, er aber brütete mit Fürsten und Edeln im Bunde einen Überfall aus. Ein verwiesener Bettler, der der Herren Anschlag in einem nahen Dorf belauscht hatte, verriet ihn den Bürgern, und den in der Stille heranziehenden Feind empfing die Sturmglocke. »O weh«, rief er bei diesen Tönen, »heute Herr zu Freiburg und nimmermehr!« Jetzt brachen die Bürger das Schloß ob der Stadt, eine der schönsten Festen Deutschlands, zogen siegestrunken vor die Burg zum Weiher bei Emmendingen und gewannen auch diese. Aber die mutwillige Ermordung zweier Edeln zog ihnen die Feindschaft der Herren und Städte zu, und mit dieser Hülfe bezwang sie Graf Egon in einer großen Schlacht am 18. Okt. 1366. Über 1000 Freiburger wurden erschlagen, bei 400 in den Rhein getrieben, wohl 400 gefangen. Doch ermannte sich die Stadt, und nach langen Unterhandlungen erkauft sie sich durch Burg und Herrschaft Badenweiler die Befreiung von dem verhaßten Grafen und unterwirft sich infolge ihrer Bedrängnis dem Hause Habsburg, das auf diese Weise leichten Kaufes zur Perle seiner Vorlande kam.

Jetzt war Freiburgs kräftige Jugendzeit vorüber; es kränkelte an einer unerschwinglichen Schuldenlast, und Sempachs Schwert fraß seine edelsten Söhne. Darüber gewannen die Bürgerlichen die Oberhand in der Stadt, die zugleich der Juden ledig wurde. Als Herzog Friedrich von Österreich, ihr nunmehriger Herr, zur Zeit des Konzils von Konstanz dem entsetzten Papste Johann XXIII. treu geblieben, verlor der Geächtete mit seinen übrigen Landen auch Freiburg, und die Stadt schwor am 15. Mai 1415 dem Reiche, aber schon am 10. Nov. 1427 wieder dem Herzoge. Hochverdient machte sich Erzherzog Albrecht VI. um Freiburg durch die Stiftung der Hochschule im J. 1456. Seine Nachfolger aber verpfändeten und versetzten von der Stadt, was sie konnten; unter Erzherzog Sigmund kam die ganze Stadt als Pfand an Karl den Kühnen von Burgund, der ihr einen tyrannischen Mann zum Vogte setzte. Endlich kam Sigmund, mit den Schweizern verbündet, seinen alten Landen zu Hülfe. Der böse Vogt wurde zu Breisach in einem Aufstande gefangen und nachher dort hingerichtet. Mit Jubelgesängen empfingen an Ostern die treuen Bürger zu Freiburg ihren Sigmund. »Christ ist erstanden, der Landvogt gefangen!« sangen sie. Granson und Murten demütigten den racheschnaubenden Burgunder, und vor seinem eigenen Nancy sank er in den Staub (1477). Seitdem entwickelten sich die Landstände zu Freiburg, und dieses wurde der entschiedene Mittelpunkt des Staatslebens in den österreichischen Vorlanden.

Aber der Erzherzog war aufs neue bereit, die Stadt an den Meistbietenden loszuschlagen. Da fand sie einen festen Anker an König Maximilian, der die Vorlande liebte und manche Abenteuer des Teuerdanks in diesen Gegenden bestanden haben soll. Ihm huldigte die Stadt am Pfingstmontage (31. Mai) 1490, und als Reichsstadt sah sie acht Jahre darauf, blühend und durch den Kaiser von ihrer Schuldenlast befreit, den herrlichen Reichstag zur Einleitung des Schweizerfriedens in ihren Mauern.

Der Bauernkrieg drohte auch Freiburgs Mauern Zerstörung. Joß Fritz, ein Flüchtling des Speyerer »Bundschuhes«, hatte sich im J. 1513 an die Spitze von zweitausend unter 10 Hauptleute verteilten Bettlern gestellt und wollte unter einer Fahne, die das Leiden Christi zwischen Papst und Kaiser darstellte, Befreiung von den Herren, von Zöllen und Abgaben, vom Rotweiler Hofgericht, Freigebung der Wälder und Wasser, bedingte Tilgung der Schuldbriefe mit Feuer und Schwert erobern. Die Verschwörung wurde zu guter Stunde an den Markgrafen von Baden und an Freiburg verraten, das schleunige und abschreckende Maßregeln zur Unterdrückung des Aufruhrs ergriff. Im spätem Verlaufe dieses Krieges wurde von einem 50 000 Mann starken Bauernhaufen das Blockhaus auf dem Schloßberge genommen und die Stadt selbst gebrandschatzt. Bald aber sagte sie den Bauern, durch Zuzug verstärkt, feierlich ab, und der Krieg endete allerorten mit einer furchtbaren Treibjagd auf die Bauern, wobei jedoch Freiburg und der Umgegend das Lob ehrenvoller Mäßigung gebührt. Im Verlaufe des sechzehnten Jahrhunderts erholte sich die Stadt von ihren Anstrengungen, aber im folgenden sah es sich unerwartet schnell in den Dreißigjährigen Krieg hineingezogen und mußte alle seine Verheerungen in vollem Maße teilen. Im Dezbr. 1632 wurde es von dem schwedischen Obersten Schaffalizki belagert. Zwei verkleidete Jesuiten bedienten das Geschütz der Stadt, die endlich in Brand geriet, erobert und geplündert wurde. Zum zweiten Mal ergab sich das wieder geräumte Freiburg dem Herzog Bernhard von Weimar (11. April 1638) und wurde erst im J. 1644 von dem bayrisch-kaiserlichen Feldherrn Mercy dem Feind im Sturme wieder genommen. Ruhmvoll behauptete sich dieser gegen den später so genannten großen Condé und Turenne im Besitze der Stadt. Der Westfälische Frieden gab Freiburg, während alles rings umher an Frankreich fiel, noch Frist, aber im Herbst 1677 wurde die Stadt, deren neue Befestigungen ihr einen verderblichen Reiz gaben, von den Franzosen überfallen und nach sechs Tagen erobert. Volle zwanzig Jahre, bis zum Riswycker Frieden (30. Oktbr. 1697), blieb Freiburg, bald förmlich abgetreten, unter französischer Botmäßigkeit und wurde von Ludwig XIV. nach Vaubans Planen unter großer Verwüstung der Stadt zu einer Hauptfestung umgestaltet, die auf der obersten Spitze des Schloßberges das Adlerschloß (Fort de l'aigle), auf dem untern Vorsprunge das Sankt-Peters-Schloß (Fort St. Pierre) beschützte, dessen Werke sich bis zur Stadt herabsenkten. Beide vermittelte die sehr feste Sternschanze (Fort de l'étoile) durch verdeckte Wege. Noch jetzt überschaut man mit Staunen die Überbleibsel dieser Schlösser, ungeheure Mauerblöcke, in Felsen angelegte Gewölbe, tiefe Brunnen, über den Bergrücken laufende Gräben und Verbindungslinien, alles in kurzer Zeit, aber mit Verwüstung von Kirchen, Türmen, Klöstern und Bürgerwohnungen ausgeführt. Im übrigen bestätigte Ludwig die alten Rechte und Freiheiten der Stadt; aber Freiburg verblutete durch Auswanderung, und Ludwigs Riesenwerk wurde spottweise la dernière folie de Louis XIV genannt.

Die Zurückgabe an das Reich führte eine gehässige Reaktion gegen die Stadt und ihre Beamten herbei, und den Frauen Freiburgs wurde urkundlich vorgeworfen, daß sie sich den französischen Truppen geneigter erwiesen als den Österreichern. Endlich, mitten unter den Drohungen des Spanischen Erbfolgekrieges, erhielt die Stadt ihre alten Rechte wieder; aber am 21. Septbr. 1713 erschien das französische Heer unter Villars, 150 000 Mann stark, vor der Stadt, die nach verzweifelter Gegenwehr mit den Schlössern sich ergab, im folgenden Jahre jedoch mit dem Frieden unter ihre vorige Oberherrschaft, das Erzhaus Österreich, zurückkehrte. Unter diesem mannichfaltigen Kriegsjammer war Freiburg zu einer ausgebrannten Stadt mit 500 Bürgern zusammengeschmolzen, die regelmäßig eine Besatzung von 5 – 6000 Mann zu beherbergen hatten. Eben erst fing ihr Wohlstand an, sich wieder zu erheben, als der Polnische Thronfolgekrieg sie in den vorigen trostlosen Zustand zurückwarf. Nach Kaiser Karls VI. Tode (1740) huldigte sie Marien Theresien, wurde aber bald im blutigen Kriege mit österreichischen und darauf mit französischen Truppen überschwemmt. Der Marschall Coigny beschoß im September 1744 die Stadt mit einziger Schonung des Münsters, während der König von Frankreich selbst auf dem Lorettoberge (demselben, von dem aus unser Künstler das Bild der Stadt entworfen hat) eine Nacht zubrachte und den Truppen Geschenke austeilte. Die Belagerung der 8000 Mann starken kaiserlichen Besatzung dauerte fort bis in den November und endigte mit einer Kapitulation. Die Franzosen zerstörten jetzt die Festung, ihr eigenes Wunderwerk; die drei unbezwungenen Schlösser wurden in große Schutthaufen verwandelt, Straßen wurden aufgerissen, die Häuser vom Pulverdampfe geschwärzt, die Dächer durchgeschlagen, die Fenstergestelle zertrümmert, die zwei- und dreifachen Gürtel von Mauern und Wällen zerrissen, das Münster selbst schwer beschädigt. Das alte Freiburg war nicht mehr zu erkennen. Seitdem verlor es seine historische Bedeutsamkeit. Es wurde nach dem Aachener Frieden (1748) nicht wieder befestigt, die Trümmer seiner Feste dafür in blühende Gärten und Rebgelände umgeschaffen, auf dem Schloßberge selbst fing anstatt seiner Schlösser ein Hain von anmutigen Bäumen und Büschen zu ergrünen an.

In der Revolution erschienen im Juli 1794 die Franzosen wieder zu Freiburg, aber Moreaus Rückzug gab die Stadt den Österreichern zurück. Der Frieden von Campo Formio (17. Okt. 1798) warf die arme deutsche Stadt dem Herzog von Modena als Entschädigung zu, aber der Frieden von Preßburg führte einen erwünschten Regentenwechsel herbei. Dem würdigen Nachkommen seiner ältesten geliebten Fürsten, der Herzoge von Zähringen, dem Großherzog Karl Friedrich von Baden, öffnete Freiburg am 30. Juni 1806 Tore und Herzen. Große Ereignisse gingen seitdem an Freiburg vorüber, aber es blieb bei seinem alten Regentenhause.

Außer diesem besitzt die verjüngte, kleine Stadt von ihrem Altertume nur noch ihr Gebirge, ihre Hochschule und ihr Münster. Wir verweilen bei diesem letztern, wie unser Auge, dem Bilde der Stadt zugekehrt, auf diesem ätherischen Kolossen ausruht.

Das Münster, durchaus von rotem Sandstein aufgeführt, ist in der gewohnten Kreuzform angelegt und, wie alle christlichen Tempel, von Abend gegen Morgen gerichtet. Der Turm erhebt sich an der Abendseite in gleicher Breite mit dem Mittelschiffe, dem er zum vordem Strebepfeiler dient. Durch ihn führt der Haupteingang zur Kirche. Zwei Nebenschiffe treten aus dem Hauptschiffe zu beiden Seiten und von gleicher Weite hervor. Niedriger als das Hauptschiff, höher als die Nebenschiffe, folgt sodann der Querbau, an dessen Rückseite, gegen Osten, sich kleinere Türme erheben. An ihn reiht sich der Chor, nicht breiter, aber beträchtlich höher als das Hauptschiff, von einem Kreuzgang und einer Kapellenreihe umgeben. Von diesen verschiedenen Teilen stellt der Querbau mit den »Hahnentürmchen«, als ältester Teil der Kirche, den byzantinischen Stil in seiner Auflösung und seinem Übergang in den deutschen Stil dar, weiter vorwärts im Langhause nur noch an den Bogenstellungen, womit die Wände der Seitenschiffe bekleidet sind, und einigen Säulenknäufen sichtbar; das Ganze stellt die deutsche Baukunst in ihrem ersten Erwachen und ihrer raschen Ausbildung dar. Aus gleicher Zeit und in gleichem Stil ist der Turm selbst bis zur obern Hälfte und zur Pyramide, die beide, reicher und köstlicher als die großen und einfachen, wiewohl würdig geschmückten Massen der untern Hälfte, die kühnste Höhe der altdeutschen Kunst bezeichnen. Der älteste Teil der Kirche dürfte von Herzog Konrad von Zähringen (reg. von 1122-1152) herrühren, das Langhaus unter Graf Konrad von Freiburg (reg. von 1236-1272) nebst dem alten Chore vollendet worden sein. Um Jahrhunderte weiter vorgerückt zeigt sich die deutsche Kunst am jetzigen Chor, der an die Stelle jenes älteren (1354-1513) aufgeführt worden. Hier erregen die künstlicheren Gewölbe, die kühnen, weitgespannten Bogen, der köstlichere Bilderschmuck auf Strebepfeilern und über Türen, endlich die phantasiereicheren Ausschmückungen der Fensterbogen unsere Bewunderung, aber die feierliche Größe der Anordnung und die ernste, wohltätige Harmonie der altem Kunst wird vermißt. Gleichzeitig mit dem Chor scheinen die obern Stockwerke der beiden Hahnentürmchen zu sein.

Das Ganze zusammen macht dennoch den Eindruck eines in sich Vollendeten; Plan und Kräfte wirkten bei dem Freiburger Münster mehr als irgendwo im Einklang und schufen ein Werk, das unter die ersten Zierden des deutschen Vaterlandes zu rechnen ist.

Was die Einzelheiten betrifft, so nimmt zuvörderst der untere Teil des Turmes unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Sein Viereck, dessen Stützpfeiler weit hervortreten, bildet einen Vorplatz, in welchem einst öffentlich Gericht gehalten wurde, was mehrere Zeichen und Inschriften an den Wänden andeuten. In der vordern Turmmauer befindet sich das äußere, säulenreiche Portal, das bis zur Spitze seines Bogens offen ist und in seiner Giebelverdachung eine Vertiefung mit schönen Hochbildern hat. Eine mit dem reichsten Bilderschmucke versehene Vorhalle zieht sich von hier aus nach dem innern Hauptportale. Seine Seiten sind mit dichtgedrängten Stäben bekleidet und in vier im Spitzbogen zulaufende Höhlungen geteilt, welche mit Bildern verschiedener Größe ausgefüllt sind. Auch die durch einen Mittelpfeiler in zwei Teile geschiedene Türe ist vom Gesimse bis zur Bogenspitze ganz mit Bildwerk bedeckt. Über der Dachhöhe des Mittelschiffes wird die viereckige Form des Turmes durch eine vortrefflich konstruierte zwölfeckige Galerie in ein Achteck umgebildet. Vier große spitzige Winkel, welche über den rechten Winkeln des untern Gebäudes hervorspringen und durch ihren Anschluß an den Turm zu gleichschenkeligen Dreiecken werden, lassen die frühere Form des Vierecks vorherrschend bleiben; dabei wird auch das Achteck nicht aus den Augen verloren, denn jene vier spitzwinkeligen Vorsprünge dürfen als die Strebepfeiler des mittleren Turmes genommen werden, ohne welche das Achteck seine volle Reinheit haben würde.

Von der untern Galerie führt eine Wendeltreppe von 56 Stufen auf die Plattform, den schönsten Standpunkt auf dem ganzen Turme. Acht kolossale Fensterräume öffnen in hohem und reichem Spitzbogen die Wände des völlig ausgebildeten Achtecks, und auf den schmalen Pfeilern zwischen diesen Bogen ruht die hochgetürmte, gleichfalls in ihren acht Seiten kühn durchbrochene Pyramide; man findet sich in einem Tempel voll wunderherrlicher Kunst, und doch geben diese Wände und dieses Dach die Aussicht nach dem Himmel und nach der entzückenden Ferne fast ganz frei. Die Fensterbogen sind zweimal durchschnitten und oberhalb reich verziert. Hohe Giebel mit geschmückten Feldern krönen sie, und bis zu ihrem Scheitel steigen an vier Seiten die zarten Schlußsäulchen der mit der untern Galerie hervortretenden vier spitzen Vorsprünge herauf. Von der Plattform führen 70 weitere Stufen zur obern Galerie. Die Pyramide hat hier an ihrem Fuße einen Umfang von 120 Schuh. Ihre weitgeöffneten Rosen sind mannichfaltig und wechseln auf gefällige Weise. Ausführung und Dimensionen sind in dieser höchsten Region des Turmes weise und glücklich auf die Ferne berechnet.

Der an den Strebepfeilern angebrachte Bilderschmuck hat zum großen Teile historische Bedeutung; man glaubt vier Grafen von Freiburg, mehrere Herzoge von Zähringen, die Grafen von Urach und Kyburg mit ihren Gemahlinnen zu erkennen.

Die ganze Höhe des Turmes wird zu 513 Werkschuh oder 355 Pariser Fuß, nach einer andern Berechnung zu 385 Fuß 10 Zoll rhein. Maßes angeschlagen.

Das Langhaus der Kirche besteht aus einem Mittelschiffe und zwei Abseiten. Die Wände des ersteren werden auf jeder Seite von sechs freistehenden Pfeilern und je einem Wandpfeiler getragen; gegen die Abseiten ist es durch tiefer gesprengte, gegen Querbau und Chor durch einen hoch geschwungenen Bogen geöffnet; 140 Fuß rhein. lang, 35 breit; die Breite jeder Abseite beträgt 16 Fuß. Die Pfeiler sind mit Standbildern von Engeln und Aposteln geschmückt. Die sechs Fuß dicken Mauern haben an den innern Wänden im Kleeblatt geschlossene Bogenreihen; die Knäufe der darunter freistehenden kleinen Säulen umfassen eine ganze Pflanzenwelt. Unter den Fenstern sind am Mittelschiffe und an den Abseiten durchbrochene Galerien angebracht. Die Gewölbe sind einfache deutsche Kreuzgewölbe; die Höhe des mittlern beträgt 82 Fuß. Von außen stützen sechs Strebepfeiler das Langhaus und senden, nachdem sie das Dach der Seitenschiffe weit überstiegen haben, hochgespannte, größtenteils durchbrochene, auf ihrem Rücken mit Blumen bekleidete Bogen nach dem Mittelschiffe herauf. Die Strebepfeiler enden sich in schmale Giebeldächer, an deren Schlüsse nach hinten hohe, schlanke Türmchen aufsteigen. Sehr auffallend ist es, daß sich in der rechten oder südlichen Seite des Langhauses ein weit heitrerer Geist und eine üppigere Kunstblüte ausspricht als in der gegenüberliegenden nördlichen. Die erstere ist mit weit mehr Bildern geschmückt, die Laubverzierungen sind gedrängter und mannichfaltiger, die Giebel mit Schmuck bedeckt, ihre Türmchen in zahllose Blumensäulchen gespalten; ganze Gruppen von Tiergestalten drängen sich in kühner Verbindung zusammen. In gleichem Verhältnisse erscheinen auch die Fenster der verschiedenen Teile, deren zusammen die Schiffe allein 26 zählen. Von später Ausführung, wiewohl gewiß früh beabsichtigt, sind die durchbrochenen, schmuckvollen Galerien, die sich ah den Dächern des Mittelschiffs und der Abseiten fortziehen und die schmalen Gänge schützen, die daran herumführen. Noch hat dieser Teil der Kirche einige Angebäude aus verschiedener Zeit.

Eine herrliche Zierde des Langhauses, die von keiner andern Kirche in der Welt übertroffen wird, sind die gemalten Scheiben seiner Fenster, in denen das Münster eine Reihe der schätzbarsten Kunstdenkmale besitzt. Die ältesten reichen in das vierzehnte Jahrhundert hinauf. Hier ist das Glas sehr dick, durch und durch gefärbt und stückweise zusammengesetzt. Die Umrisse der Figuren sind mit schwarzer Farbe, und zwar von innen aufgetragen und eingebrannt. Daher das lebendige Farbenspiel und die unzerstörbare Haltbarkeit dieser ältesten Glasgemälde. In solcher Verschwendung und Fülle, mit Ausschließung jedes ungefärbten Tageslichtes aus dem zauberisch durch sie beleuchteten Tempel, versichert auch unser Künstler sie nirgends auf seinen Wanderungen angetroffen zu haben. »Als wenn durchsichtige, leuchtende Decken in Farbenpracht vom hohen Gewölbe niederhingen, so harmonisch verbinden sich die schönen Fenster mit dem ehrwürdigen schattenreichen Gebäude.« Wenn irgendwo, so ist Uhlands verlorene Kirche hier wieder gefunden:

      Der Himmel war so dunkelblau,
Die Sonne war so voll und glühend,
      Und eines Münsters stolzer Bau
Stand in dem goldnen Lichte blühend.
      Mir dünkten helle Wolken ihn,
Gleich Fittigen, emporzuheben,
      Und seines Turmes Spitze schien
Im sel'gen Himmel zu verschweben.

       Wie mir in seinen Hallen war,
Das kann ich nicht mit Worten schildern.
      Die Fenster glühten dunkelklar
Mit aller Märt'rer frommen Bildern;
      Dann sah ich wundersam erhellt
Das Bild zum Leben sich erweitern,
Ich sah hinaus in eine Welt
      Von heil'gen Frauen, Gottesstreitern.

Die Kunst der neuesten Zeit hat an dieser teils unvollendet gebliebenen, teils wieder zertrümmerten Welt fortgeschaffen, und der Münster ist in diesem seiner Teile aufs glücklichste restauriert worden. Freiburg gehört zu den Städten, welche die ersten Versuche in der wiedererfundenen Kunst der Glasmalerei mit glücklichem Erfolg anstellten. Die Münsterhütte setzte sich mit den Glashütten auf dem Schwarzwald in Verbindung und errichtete eigene Öfen. Bald gingen aus diesen unter der Leitung des berühmten Glaskünstlers Hermann aus Neustadt die schönen Scheiben hervor, welche die Rundfenster westwärts an den Abseiten des Langhauses zieren und an sonnigen Abenden ein zauberisches Farbenspiel über den Estrich und an den Pfeilern verbreiten. Ihm folgte Maler Andreas Heimle von Breitenau, der sich nicht mehr mit bloßer Färbung und Mosaik des Glases begnügte, sondern Gemälde von vortrefflicher Zeichnung und Schattierung lieferte. Von ihm sind die vier Evangelisten im fünften Fenster des südlichen Seitenschiffes und die köstliche Leidensgeschichte Christi in den beiden Kapellen des Abendmahles und der Grablegung (dort über der steinernen Darstellung des Nachtmahls vier, hier acht Bilder), lauter Vorstellungen nach Dürerschen Zeichnungen. Unser Künstler konnte in den letztern die sichere Hand, die hier mit flüssigen, glühenden Farben so tadellos geschaffen hat, nicht genug bewundern, und uns beide zog es immer wieder nach jenen Meisterwerken hin. Der Freiherr von Rheinach-Werth hat diese herrlichen Bilder dem Andenken seiner Eltern gestiftet.

Wir gehen zu dem uralten Querbau der Kirche über, zu dem zwei rundbogige Türen führen. Auch hier ist die nördliche Seite wieder die einfachere und rohere, während die südliche Türe ein schönes Portal bildet. Auch in seinem Innern ist der nördliche Teil des Querbaues schmucklos; der südliche zeigt eine seltsame Gesimsverzierung: links eine Sirenenfamilie, daneben ein Krieger, der gegen einen Greifen ausholt, endlich eine Gruppe von zwei sich bekämpfenden Centauren. Am Gesimse zur rechten Seite gehen Wolf und Widder bei einem Mönch in die Schule; der Wolf ergreift den Widder und wird von dem Mönche gezüchtigt; ein Weib reißt einem Löwen den Rachen weit auf; zween Greifen hält ein Mann an Stricken gebunden. Ein uraltes Hochbild in der Halle stellt die Krönung Davids durch Samuel vor.

Auf fünf freien Stufen steigt man zu dem neuen Chor empor, der sich zu seinem Umfange verhält wie das Mittelschiff zu den Abseiten. Er ist in der Mitte abermals erhöht, und auf vier weiteren Stufen erhebt sich fernhin sichtbar der schöne Hochaltar, dessen Schnitzwerk erst seit wenigen Jahren kunstreich ergänzt und erneut worden ist. Der Altar enthält vortreffliche Gemälde von Hans Baidung aus Gmünd in Schwaben, dessen Name zum erstenmal im J. 1513 erscheint und der sich später auch durch Holzschnitte und Kupferstiche berühmt gemacht hat; er starb am Lorenztag 1552. Diese Gemälde bestehen aus zwei Hauptbildern, welche auf dieselbe hölzerne Tafel des freistehenden Altars nach vorn und hinten gemalt sind, und aus acht kleineren Vorstellungen, die auf gleiche Weise die Vorder- und Rückseite der vier Flügel zieren.

Das Hauptbild gegen den Chor enthält die Krönung der Jungfrau Maria, die im Goldstoffgewande, die Hände abwärts gefaltet, das Haar gescheitelt, in der Mitte sitzt, zur Linken Gott den Vater, zur Rechten den krönenden Heiland, über ihr schwebend der Heilige Geist und Musikchöre von Engeln; im Hintergrund ein lichtstrahlendes Wolkenmeer, aus lauter verschwebenden Engelsgestalten gebildet. Die beiden Flügel dieses Bildes zeigen als Zuschauer der feierlichen Szene die Apostel, lauter Köpfe voll scharfer Zeichnung und kräftiger Haltung. Geschlossen stellen sich auf diesen Flügeln vier kleinere Gemälde dar: die Verkündigung, durch Farbenschmuck und Idee ausgezeichnet; die Heimsuchung, mit freundlicher Landschaft; Haupt und Brust der Jungfrau, eine der lieblichsten Schöpfungen; die Geburt Christi, ein Nachtstück, bei dem, wie in Correggios »Nacht«, alle Beleuchtung, ein mondartiger Glanz, vom Kinde ausgeht und besonders die liebliche Mariengestalt beleuchtet; endlich die Flucht nach Ägypten, vielleicht das gelungenste Bild von allen: die h. Familie an einem Dattelbaum vorüberziehend, Maria auf einem Maultier, das Kind mit der Linken umfangend, mit der Rechten den Zügel führend, Joseph, mit ausdrucksvollem Gesicht, zu Fuße, den Rosenkranz in der Linken, den Wanderstab, an dem eine Flasche hängt, in der Rechten, über die Achsel gelegt. An dem Baume klettern vier Engel in der gefälligsten Anordnung, ein fünfter läßt sich am äußersten Aste auf das Tier herab und reicht dem Kinde, das schon mehrere Früchte im Schöße hat, mit der Linken drei Datteln.

Das Hauptblatt der Hochaltarbilder auf der Rückseite stellt die Kreuzigung Christi dar, reich an Figuren voll Kraft und Ausdruck; Christus eben vollendet, der Schacher links gläubig aufblickend, der Schacher rechts in Qual sich windend. Am Kreuze Magdalena verzweiflungsvoll emporblickend; todesblaß zusammengesunken Maria, die Johannes in den Armen hält. Hinten trauernde Frauen; links gegenüber Gruppen von Kriegern und Zuschauern, darunter das helle, freundliche Antlitz eines Mannes mit rotem Barett, der ohne Zweifel der Künstler selbst ist, denn vor ihm steht sein kindlich staunendes Söhnlein, das auf einem Täfelchen das Monogramm des Malers trägt. Die Flügel stellen einerseits die Heiligen Georg und Laurentius, andererseits Johannes den Täufer und den heil. Hieronymus vor.

Zur Seite des Hochaltars zeichnet sich durch treffliche Arbeiten des Meißels der Sitz der Priester aus. Das Gewölbe des Chors bildet ein kunstreiches, netzförmiges Gewebe und ist bedeutend höher als das des Langhauses. Eine Scheidewand sondert von Pfeiler zu Pfeiler den Umgang mit seinen Kapellen vom Chore. Dreizehn Strebepfeiler, Fortsetzungen der Mauern, wodurch die Kapellenräume im Innern voneinander geschieden werden, stützen den Chor durch hochgespannte Bogen, die sie über das flache, mit Quadersteinen belegte Dach der Abseiten werfen und die an ihrem Anschluß an das Chordach dreimal durchbrochen sind. Nur wenige dieser Pfeiler haben Verzierungen. Die Reihe der Kapellen nimmt nordwärts mit der Sankt-Alexanders-Kapelle ihren Anfang; unter den Glasgemälden, die den Chor schmücken, enthält sie das ausgezeichnetste, dessen Zeichnung von dem trefflichen Hans Baidung selbst herrührt. Überhaupt ist die Erfindung der Glasgemälde in dem Chor phantasiereicher und die Zeichnung richtiger als bei jenen im Langhause. Dennoch bringen sie nicht dieselbe Wirkung hervor, denn das Glas ist nicht mehr selbst gefärbt, sondern weiß, und die Farben sind nur auf beiden Flächen eingebrannt; daher sind auch gegen die Wetterseite hin ganze Teile abgefallen. Die Universitätskapelle bewahrt auf zwei nicht sehr großen Altarflügeln, die nur von einer Seite bemalt sind, Gemälde von Hans Holbein dem Jüngern; der eine Flügel stellt die Geburt Christi vor, wieder ein Nachtstück. Der Mond blickt nur schwach durch zerrissenes Gewölke; das Hauptlicht geht von dem Kinde aus, das in einer weiten Halle, von fünf Engeln umgeben, in einer Wiege ruht. Joseph und Maria neigen sich zu ihm, und in unübertrefflicher Beleuchtung tritt ein alter Hirt hinter einer Säule hervor. In der Ferne verkündet ein Engel den Hirten die Geburt. Im Bilde des zweiten Flügels ist die Opferung der drei Könige dargestellt. In goldener Schale reicht der eine kniend dem Kinde, das die sitzende Mütter im Arme hält, seine Gabe. Der zweite steht mit seinem goldenen Gefäße neben Marien. Ihm gegenüber hält mit einem Begleiter, der, wie geblendet, die Hand vor die Augen hält und zu dem Sterne emporschaut, im goldverbrämten Kleide der Mohrenkönig. Vor ihnen geht ein Windspiel, im Hintergrunde sind einige Krieger, in der Ferne die Mauern von Bethlehem sichtbar, über dessen Brücke dichtgedrängte Soldatenscharen ziehen. Unter dem Gemälde, das Holbein wahrscheinlich vor seiner Abreise nach England (1526) ausgeführt hat, sind die Donatoren abgebildet. Wahrscheinlich kamen die Bilder durch ausgewanderte Domherren in die Hände der Universität. Schon den Kaiser Rudolf II. gelüstete nach ihrem Besitze; vor dem 30jährigen Kriege flüchteten sie nach Schaff hausen; die Franzosen entführten sie mit Hans Baidungs Altarbildern im Jahre 1796, und vergebens forschte die verwaiste Stadt nach allen; endlich wurden sie ihr im J. 1808 zurückgegeben.

Außerdem ist im Chor noch der Giebel der nördlichen Türe merkwürdig durch eine Höhlung in dem Spitzbogen, der ihn umzieht, in welcher ganz eigentümliche Vorstellungen der Schöpfungstage vorkommen, die unser Auge unwillkürlich als Ironie auffaßt. Da ballt z. B. Gott in Greisengestalt Kugeln zu Sonne, Mond und Sternen; in den Giebelreihen bearbeitet Adam die Erde, Eva spinnt, und ihr Erstgeborener füllt im Hintergründe ein Fäßchen am Felsenquell.

Noch manches andere Bild- und Schnitzwerk fesselt unsere Neugierde und selbst unsere Bewunderung, und nur weil der Raum uns mahnt, hören wir auf, aus der reichen Quelle zu schöpfen, die uns noch so viel Interessantes spenden könnte.

Auf dem Wege nach dem herrlichen Gebäude hatte mich ein liebenswürdiger junger Landsmann, ein Studierender der Medizin auf der Freiburger Hochschule, begleitet und mich von den Resultaten seiner Wissenschaft unterhalten. Er sitzt mit Eifer zu den Füßen eines berühmten und ernsten Lehrers der Anatomie und erzählte von den Versuchen seines Meisters, dem Sitz der Seele auf die Spur zu kommen, die, zum Kummer des Lehrers wie des Schülers, auf ein nicht sehr tröstliches Ergebnis zu führen schienen. So hatte unser Gespräch eine schmerzliche Wendung genommen, als wir die Kirche zusammen betraten. Das ahnungsvolle Zauberlicht, das hier herrschte, hatte uns bald umgestimmt; aber erst, als wir wieder vor dem kolossalen Werke menschlicher Andacht standen und von außen den herrlichen Bau, der ins wolkenlose Morgenhimmelblau hineinstieg, mit weit zurückgeworfenem Nacken maßen, fand unsere Hoffnung und unser Glaube wieder Worte; wir gaben einander die Hand und schieden mit dem Ausrufe: »Nein, der Menschengeist, der dieses Werk ersonnen hat, ist kein Produkt der Nervenreibung; die Monaden, in welchen der Entwurf so erhabener Schönheit zum Bewußtsein, durch welche er zur Ausführung und zur Dauer für Jahrhunderte kam, können keine Eintagsfliegen gewesen sein; sie müssen ihre Besinnung zum Schöpfer, den sie verherrlichen wollten, mit hinübergetragen haben, sie müssen dauern und ihr Werk in Ewigkeit überleben!« –

Freiburgs Hochschule darf in unserm Texte nicht übergangen werden. Sie gehört zu den ältesten Deutschlands. Ihr Stifter, Albrecht VI., Erzherzog von Österreich, begleitete ihre Gründung am 21. Sept. 1457 mit denselben schönen Worten, deren sich zwei Jahrzehende später Herzog Eberhard im Bart von Württemberg bei der Stiftung der Universität Tübingen bediente und die somit eine ältere Formel wiederholt zu haben scheinen. Beide wollten »einen Brunnen des Lebens graben, daraus von allen Enden der Welt das Wasser der Weisheit unaufhörlich möge geschöpft werden«. Die ersten Lehrer kamen von Heidelberg, Wien und Erfurt. Unter den ersten Schülern befand sich der durch seinen Freimut so berühmt gewordene, nachmalige Domprediger von Straßburg, Gailer von Kaisersberg, der nach wenig Jahren schon Lehrer und Rektor wurde, und (um 1463) Johannes a Lapide, der einige Jahre darauf in der Sorbonne die erste Buchdruckerei in ganz Frankreich errichten half und in der Folge Beförderer der Universität Tübingen ward. Schnell wuchs der Ruhm der hohen Schule Freiburg; Fürsten, Grafen und Edle strömten hier aus Deutschland, Burgund, der Schweiz, Frankreich und Polen zusammen und verschmähten selbst die Rektorswürde nicht; aus ihren Lehrern wählte der edle Kaiser Maximilian seinen Kanzler Stürzel, das Hochstift Augsburg seinen Weihbischof Kerer, Herzog Eberhard von Württemberg seinen Leibarzt und Begleiter auf der Römerreise, Widenmann. Noch mehr Glanz brachte ihr das sechzehnte Jahrhundert. Hier lehrten jetzt die ersten Rechtsgelehrten, Theologen, Arzneikundige und Philologen, und der erste Enzyklopädist jener Zeit, Georg Reisch, hieß sogar Oraculum Germaniae. Das Land erhielt aus der Schule seine ersten Räte, Augsburg zwei, Wien drei Fürstbischöfe und die Wiener Universität einen Kanzler. Während der Reformation zeigte die katholische Universität große Mäßigung, mehrere Professoren standen in freundschaftlichem Briefwechsel mit Luther, Calvin und Zwingli; Luther selbst berief sich auf das Urteil der hohen Schule Freiburg, und der Senat duldete nicht, daß Glarean auf Luthern in seinen Vorlesungen schimpfte. Das siebzehnte Jahrhundert begann die Universität mit einem Kampfe gegen die Jesuiten, in welchem sie besiegt ward. Der Eintritt dieses Ordens verscheuchte den schützenden Genius der hohen Schule; ihr Ruhm sank, und ihre Erhaltung wurde immer mehr gefährdet. Der Dreißigjährige Krieg brachte sie ihrem Untergang nahe und verzehrte ihr Kapital. Kaiser Leopold I. nahm sich endlich der Universität väterlich an, aber während der französischen Okkupation lag sie begraben. Im achtzehnten Jahrhundert begann mit der Aufhebung der Jesuiten (1773) eine glückliche Epoche für sie, ihr Ruhm wuchs wie ihr Vermögen, und unter Josephs weiser Regierung erhielt ein Protestant nicht nur ein Lehramt, sondern wiederholt die Rektorswürde. Blutige Wunden schlug ihr der Revolutionskrieg; aber im neunzehnten Jahrhunderte kam sie unter Badens Szepter in neuen Flor, und eben jetzt sind berühmte Ärzte, Chirurgen, Anatomen, Theologen, Geschichtsforscher, Juristen und Staatsmänner eine Zierde ihrer Lehrstühle oder doch ihrer Mauern, und treffliche Institute stehen der Universität zur Seite.

Neben der Hochschule blühen ein Gymnasium und zwei bescheidene, aber nicht minder ehrwürdige Töchteranstalten, die eine in dem Gebäude des ehemaligen Klosters Adelshausen (Neukloster) seit Kaiser Joseph, die andere bei den Ursulinerinnen, schon seit 1695. In jener erhalten 500, in dieser 450 Mädchen einen zweckmäßigen und gründlichen Unterricht und stehen unter vortrefflicher Leitung.

Für geistigen und geselligen Genuß ist in Freiburg durch ein Museum, ein Casino, Lesezirkel, Leihbibliotheken, Konzerte und zeitweilige Schauspiele hinreichend gesorgt, die Umgegend bietet die anmutigsten näheren und entfernteren Ausflüge in eine teils reiche, teils großartige Natur dar, so daß die Stadt gewiß nicht weniger als Heidelberg und Baden der Sommersitz glücklicher Fremden zu werden verdiente, die den Grundsatz »Ubi bene, ibi patria« wenigstens monatweise geltend zu machen Lust und Mittel haben.


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