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Badenweiler

Willst du der Natur dich freuen,
      Willst du sinnen ungestört
Über alles, was der neuen,
      Was der alten Zeit gehört,

O so komm in dieses Eden,
      Wo mit Sonne, Mond und Tau
Bäch' und Nachtigallen reden
      Zwischen heitrem Grün und Blau.

Hier, dem Erdenqualm enthoben,
      Trinkst du rein des Himmels Luft,
Siehst von Strahlen dich umwoben,
      Wallst umweht von Blumenduft.

Kämst du mit zerrißnem Herzen,
      Mit geheiltem gingest du;
Schnell entfliehn des Grames Schmerzen,
      Lacht dir dieses Tales Ruh.

Schau umher! Die Menschenalter
      Brausten, stürmten durch das Tal,
Folgten wechselnd sich, wie kalter
      Winter folgt dem Sonnenstrahl.

Zartes siehst du Rauhes mildern,
      Blütenglanz im Fels verstreut,
Allwärts bei des Lebens Bildern
      Bilder der Vergänglichkeit.

Tief des Römerbades Trümmer,
      Wo im Tal der Heilquell floß;
Hoch im reinsten Ätherschimmer
      Ein zerfallnes Ritterschloß.

Blumenreiche Wiesen grünen,
      Wo der Adler Roms geglänzt,
Und der deutschen Burg Ruinen
      Voll Gesang ein Hain umkränzt.

Hinter segenvollen Auen,
      Hell durchströmt vom stolzen Rhein,
Sind im Ferngedüft zu schauen
      Bläulicher Vogesen Reihn.

Holde Gegend! Wunderselig
      Wall' in deinen Tälern ich;
Manches Bild erblich allmählig,
      Stets verklärt das deine sich!

J. H. v. Wessenberg

Der edle und liebenswürdige Sänger dieser Zeilen, dessen Namen Deutschland mit Verehrung nennt, verlebte einen der lieblichsten Maimonate in diesem paradiesischen Tale, und wir konnten uns keinen bessern Führer durch dasselbe wählen. Hören wir ihn zuerst über die Aussicht, die ihm durch seine Fenster im »Römerbad« (so wird das neueste und ansehnlichste Gasthaus zu Badenweiler genannt) entgegenlachte. »Es gibt zwar«, schreibt er, »viele Aussichten, die ausgedehnter, die großartiger, die romanesker sind, aber gewiß wenige, die dieser an Reizen gleichkommen, die für das Auge stets erquickend sind und zu jeder Tagesstunde sich durch Abwechselung erneuen und verjüngen. Den äußersten Fernkreis bilden die sanft gezeichneten bläulichen Vogesen; an ihrem Fuß die fruchtbaren Fluren des Elsasses, belebt von Ortschaften, darunter die Stadt Mühlhausen sich deutlich zeichnet; dann näher der vielfach sich windende und oft durch Inseln durchbrochene Rheinstrom, der mit allerlei Lichtern wie ein Band von Edelsteinen hervorglänzt. Von dieser Herrlichkeit zeigt sich den Blicken nur ein Abschnitt, der aber auf das Übrige schließen läßt. Mäßige Anhöhen in der Umgebung machen als der nächste Gränzkreis die Einfassung jener Fernsicht. Nur wenige Schritte vom Gebäude, das sich Römerbad nennt, erhebt sich der gefällig gestaltete Hügel, den die Trümmer des alten Schlosses des erloschenen Geschlechts der Herren von Badenweiler krönen. Diese malerischen Trümmer, deren Unterlage zunächst von einem buschigten Hain, den angenehme Gänge durchkreuzen, und weiter unten teils mit Schattengängen, teils mit Wiesen und Rebgeländen geschmückt ist, dienen rechts der Landschaft zu einem angenehmen Vorgrund. Links wird ein solcher von übereinander ragenden grünen Hügelreihen gebildet, an deren Fuß die Orte Niederweiler und Müllheim sich hindehnen. Über den letztern Ort hinaus erblickt man die Landstraße, die von Freiburg nach Basel führt, und noch weiter, dicht am Rhein, das Städtchen Neuenburg. Die Menge von Obst- und Nußbäumen, die in dieser weiten Talbucht vortrefflich gedeihen, trägt viel zum Reichtum und zur Verschönerung der Landschaft bei.«

Einen Teil der hier geschilderten Aussicht zeigt auch unser Bild, und der Künstler hatte nur zu bedauern, daß der Flecken Badenweiler selbst dem Malerischen der Gegend nicht gehörig entspricht und sozusagen nicht in der Landestracht gebaut ist.

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Badenweiler

Hinter sich hat Badenweiler ein stilles, überaus liebliches Wiesental von sanften Hügeln, die zu Bergen ansteigen und deren Nadelholz durch untermischten Laubwald freundlich gemildert ist, amphitheatralisch umschlossen. Hinter den südlichen Anhöhen dieser Kette verbirgt sich der mächtige Blauen, nächst dem Feldberg und Bölchen zu den höchsten Gipfeln des Schwarzwaldes gerechnet. Die Bewohner zeigen gewaltigen Respekt vor seiner Höhe und betrachten seine Besteigung als ein Wagestück, das den weichlichen, städtischen Badegästen nicht wohl zugemutet werden könne. Indessen führt in zwei vollen Gebirgsstunden ein sehr gebahnter Weg unter Leitung eines Führers den Fremden durch herrliche Buchen- und Tannenwaldung zu seinem Gipfel, der aus freier Heide besteht, empor, und die Aussicht von dieser luftigen Höhe ist eine der herrlichsten, die der Schwarzwald gewähren kann, noch belohnender als die vom bedeutend höheren, aber ins Gebirge zu tief versteckten Feldberge gebotene. Der Blauen ist diejenige Bergspitze der Schwarzwaldskette, die den vorgeschobensten Posten gegen den Rhein behauptet und daher dem majestätischen, weithin auf- und abwärts zu verfolgenden Laufe dieses Stromes am nächsten ist. Außer der fruchtbaren Rheinebene überschaut hier das staunende Auge vier Gebirgsstöcke, den vielköpfigen Schwarzwald gegen Osten, gegen Westen die Kettenberge der Vogesen, gegen Süden die Vormauer des Jura und hinter ihr, bald mit den Wolken sich mischend, bald über sie hervorragend, die schneeblinkenden Kanten der bernerischen Hochalpen, diese jedoch freilich nur bei besonders günstiger Witterung.

Wir steigen wieder hinab ins Tal und sehen uns etwas näher nach dem Geschichtlichen von Badenweiler um. Die ganze Umgegend bildete einst eine Herrschaft in der obern Markgrafschaft Baden, machte ein Oberamt aus, das zu Müllheim seinen Sitz hatte, und war in dreizehn evangelische Vogteien, zu welchen noch eine katholische kam, eingeteilt. Berge und Hügel neben fruchtbaren Ebenen schmücken diese Landschaft mit schönen Waldungen, Getreidebau, Wiesen, vortrefflichen Weinbergen, und die Eingeweide des Gebirges sind mit Mineralien, vorzüglich mit Eisen, gesegnet. In der Nähe des Fleckens ist auch ein Silber- und Bleibergwerk, das jetzt ein Privatmann aus dem benachbarten Frankreich besitzt und betreibt.

Schloß und Herrschaft ist durch die Hände vieler Besitzer gegangen. Sie kamen vom Herzoge Heinrich dem Löwen an den Kaiser Friedrich, dann an die Grafen von Strazberg und nach Aussterben dieses Hauses an die Grafen von Fürstenberg. Als die Stadt Freiburg im Breisgau sich von ihrem Grafen Egon loskaufen wollte, brachte sie Badenweiler ums J. 1368 um fünfundzwanzigtausend Gulden an sich und übergab sie dem Grafen. Sein Sohn Konrad verpfändete sie an Österreich, sie wurde aber wieder eingelöst und von dem letzten Grafen von Freiburg im Jahre 1444 an Markgraf Rudolf von Hochberg-Sausenberg verschenkt. Jahrhunderte lang zankten sich nun Österreich und Baden um ihren Besitz; der langweilige Streit wurde erst im Jahre 1741 beigelegt, und Baden, das durch das Aussterben der Hochbergschen Linie seit 1503 im faktischen Besitze jener Herrschaft gewesen war, sicherte sich deren rechtliches Eigentum durch eine ansehnliche Summe.

Badenweiler ist ein uralter Badeort und strömt über von warmen Quellen, die sich hier in solchem Überflusse finden, daß selbst das Trinkwasser erst abgekältet werden muß. Schon die Römer streckten ihre Heldenglieder in diesen Sprudeln und haben hier in großartigen Überbleibseln eines prachtvollen Bades das stolzeste Denkmal ihrer Weltherrschaft hinterlassen, das in ganz Deutschland zu finden ist. Der Sturm späterer Zeiten hatte dieses Römerbad zerstört und mit Erde zugedeckt. Ein Zufall führte aus Veranlassung von Neubauten im J. 1784 auf die Entdeckung dieser und anderer Altertümer, die jetzt, unter Dach und Fach gebracht, friedlich neben den Burgruinen der Alemannen gelagert sind. Ein einheimischer Dichter schaut von den Höhen auf beide in Gewitterbeleuchtung herab und bricht in die Worte aus:

Der Römer und der Ritter
Erscheinen im Gewitter
Vor Gottes Wolkenthron. Aus dem fliegenden Blatte »Badenweiler« von Pfarrer Graf.

Kein Fremder darf Badenweiler verlassen, ohne diesen glänzenden Ruinen, die zur Fürsorge mit einer hölzernen Hülle überbaut sind, einen aufmerksamen Blick zu schenken.

Die ganze Länge dieser Römerbäder, die zu einem einzigen Gebäude vereinigt waren, beträgt 324 Fuß, die Breite etwa 100 Fuß und da, wo ein etwa 100 Fuß langer Vorsprung angesetzt ist, gegen 120 Fuß. Das Ganze ist mit der den Römern eigentümlichen und bekannten Präzision und Dauerhaftigkeit gebaut. Ring- und Zwischenmauern des Gebäudes, die von Viertels- zu ganzer Manneshöhe noch stehen, sind aus kleinen festverkitteten Steinen gebaut, Fußböden und Treppen der Bäder selbst aus bläulichweißen Marmorplatten. Diese sind meist gleich groß, lang und dick und passen auf das genaueste zusammen. An den beiden äußersten Seiten des ganzen Gebäudes gegen Abend und Morgen sind große Vorhöfe (atria) befindlich. An jeden Vorhof schließen sich, durch einen breiten Gang oder Vorsaal getrennt, zwei geräumige Zimmer an, wovon je das eine, nordwärts gelegene, von unten geheizt wurde und deswegen, vielleicht zu voreilig, für ein Schweißbad (calidaria cum hypocaustis) erklärt wird. Den innern Raum zwischen diesen Zimmern und Vorsälen nehmen nun größere und kleinere Bäder ein. Die Hauptbäder, vier große Bassins, liegen symmetrisch geordnet in einer Linie. Die zwei äußersten sind die größten und haben unten gegen Süden einen halbzirkelförmigen runden Auslauf, der sich über die äußere Linie erhebt. An der südlichen Seite schweift der Stufeneingang zu diesen beiden Bädern in ein zierliches Rondell aus. Die zwei mittleren, kleinern Bassins sind dagegen ununterbrochene Vierecke. Alle vier Becken sind 5 Fuß tief und in ihrem innern Umfange mit dreifachen Absätzen versehen, die anderthalb Fuß voneinander stehen, so daß die Badenden sich mehr oder weniger tief ins Wasser tauchen konnten. Wände und Böden sind mit jenen schönen Marmorplatten belegt, an welchen sogar hier und da noch die Politur bemerkbar ist; sie sind in einen sechs bis acht Zoll dick aufgetragenen, nach Römersitte aus Kalk und Ziegelmehl zusammengehärteten Kitt eingesetzt, zum Teil auch schon wieder ausgefallen. Die Gelehrten haben diese Bassins für Schwimmbäder (frigidaria, natationes, baptisteria), die zwei unheizbaren Zimmer aber für Auskleidezimmer (apodyteria, spoliaria) erklärt. In jenen 4 Becken zusammen konnte wenigstens ein Manipel, vielleicht eine ganze Kohorte auf einmal, den Schweiß der Märsche und das Blut der Schlachten abwaschen. An die beiden Seiten dieser vier größern Bäder sind neun kleinere Badegemächer, deren jedes ungefähr für zwei Personen Platz hat, im genauesten Ebenmaße angehängt. Zwei dieser nischenartigen Plätzchen sind rund, die andern viereckig, alle aber mit größern Platten belegt als die Hauptbäder; auch sind sie nicht, wie jene, fünf Fuß tief ausgegraben, sondern stehen mit dem Boden in gleicher Höhe, mit drei bis viertehalb Fuß hoch aufgesetzten Platten, so daß man zu ihrem Gebrauche hinaufsteigen mußte. Andere länglichrunde Nischen in den Quergängen zwischen den verschiedenen Becken könnten Lararien gewesen sein. Auf der Südseite befinden sich hinter den Bädern durch ein Kabinett in der Mitte geschieden zwei breite, einst bedeckte Spaziergänge (xysti). Auf der Nordseite, wo ein Vorsprung dem Gebäude größere Breite gibt, zeigt sich ein ganz neuer Komplex von Zimmern und Bädern: rechts und links zwei mit Marmor belegte, ziemlich große Rondelle, welche die Erklärer zu Unctorien (Salbezimmern) machen, dazwischen wieder drei von unten geheizte Calidarien. Auf dem äußersten Vorsprung sieht man eine Reihe von Gemächern, welchen die Erklärung verschiedene Bestimmungen anweist: Teils sollen es Heizstübchen mit Öfen sein, um Wasser in Kesseln siedend zu machen, teils gewölbte Kohlenbehälter, teils Holzplätze, teils kleine unterirdische Kanäle zum Ablaufe des Wassers, wie sie sich auch sonst in dem Gebäude finden.

Unter dem östlichen Vorhofe öffnet sich ein gewölbter Gang von sechs bis sieben Fuß Höhe, in welchem die Steine ohne Mörtel nach dem Fugenschnitte gespitzt sind. Dieser merkwürdige Gang durchschneidet unter der Erde von Norden nach Süden das fast 100 Fuß breite Vestibül, lauft sodann im Süden hinter den Bädern, ihrer ganzen Länge nach 260 Fuß, fort und kommt wieder durch den westlichen Vorhof in schiefer Richtung gegen Nordwesten heraus, so daß man durch ihn ganz unter der hintern Seite dieser Bäder durchgehen kann. Welches die Bestimmung dieses unterirdischen Kanals gewesen sei, läßt sich nicht mehr mit Gewißheit ermitteln; daß er zur Abführung des Wassers gedient habe, ist kaum wahrscheinlich, da auf der nördlichen Seite des Gebäudes noch zwei aus Stein gehauene Ablaufskanäle zu sehen sind, welche das Wasser aus den Bädern unmittelbar abgeführt haben. Auch laufen von den beiden Vorhöfen aus, unter die Hauptbäder selbst, ähnliche kurze Abzugskanäle. So mag jener große Kanal irgendein Kommunikationsgang zu uns unbekannten Zwecken gewesen sein.

In beiden Vorhöfen beim Einzug in die Bäder standen Altäre, von welchen der westliche, ziemlich erhaltene und nur an der Inschrift beschädigte noch seinen Platz behauptet. Die Inskription lautet: DIANAE ABNOB. Nicht ABNOP., wie die Inschrift aus einem mangelhaften Kupferstiche hier und da aufgeführt wird. Der Augenschein belehrte uns, daß der letzte sichtbare Buchstabe kein P, sondern ein beim Aufgraben des Altars durchhauenes B ist. »Der Diana des Abnoba-Gebirges, d. h. des Schwarzwaldes, heilig.« Der östliche Altar wurde in Trümmern gefunden, auf welchen jedoch auch noch der Name Diana zur Hälfte erscheint. Außerdem fanden sich unter den Ruinen viele Münzen aus den Kaiserzeiten und Stücke von Hausgeräten. Die Hoffnung, eine Inschrift zu finden, welche auf den Erbauer dieser Bäder und auf den Namen der bedeutenden römischen Niederlassung, die hier gestanden haben muß, leiten könnte, ist jedoch nicht verwirklicht worden. Zwar liegt vor uns in gedoppelter Abschrift der Buchstabeninhalt eines silbernen Täfelchens, dessen Original, in diesen Bädern gefunden, zu Karlsruhe aufbewahrt wird. Es ist dies indessen nur ein sinnloses Aggregat griechischer Buchstaben, und in der ganzen Schrift erscheint nichts Zusammenhängendes als der Name »Lukiolos« (Luciolus). Das Genauere der beiden Faksimiles verdankt der Verfasser der zuvorkommenden Güte des um die Geschichte Freiburgs hochverdienten Gelehrten Herrn G. Rats und Professors zu Freiburg Heinrich Schreiber, der ihm darüber folgenden Aufschluß erteilt:

»Aug. Gottl. Preuschen, in seinen ›Denkmälern der physischen und politischen Revolutionen in Deutschland, besonders in den Rheingegenden‹ (Frankf., bei Varrentrapp, 1787, S. 209ff.), hielt die Tafel für das Schreiben eines gewissen Nathan aus Alba Akra an einen Freund Fagel im Römerbade zu Badenweiler und geriet dadurch auf die abenteuerlichste Deutung. Der berühmte Oberlin von Straßburg dagegen erkannte das Täfelchen sogleich für das, was es ist, nämlich für ein sogenanntes Amulett, und nannte es: Phylacterium gnosticum Lucioli.«

Der befreundete Künstler, mit welchem der Berichterstatter diese Merkwürdigkeiten durchwanderte und welcher fast zwei Jahre unter den Denkmalen Roms zugebracht hat, konnte sich über den Umfang und die Wohlbehaltenheit dieser Bäder nicht genug wundern. Er stand keinen Augenblick an, dieselben der gewaltigen Trümmermasse der Caracallasbäder zu Rom, deren Höhebau nur viel erhaltener ist, an die Seite zu stellen. Wer weiß, ob sie nicht auch den gleichen Erbauer mit denselben haben, da ja auch die nicht allzu entfernte Römerstadt Aurelia Aquensis (Baden-Baden) ihren Namen dem Kaiser Caracalla zu Ehren führt.

Nachdem uns die alte Römerwelt zu Badenweiler genug beschäftigt, kehren wir zur alemannischen Welt zurück, und zwar zu derjenigen Periode derselben, die durch Hebels Poesie in steter Jugendfrische erhalten und gewissermaßen unvergänglich geworden ist.

Badenweiler selbst ist von Hebel nicht verherrlicht worden; gewiß störten seine deutsche Phantasie eben jene Römerbäder. Dessenungeachtet ist es für denjenigen, der in die reizenden Gegenden des badischen Oberlandes Wanderungen anstellen will zu der Natur, die Hebels alemannische Poesie mit dem Zauberdufte der Dichtung übergössen hat, als Haupt- und Standquartier vortrefflich gelegen.

Nur eine halbe Stunde von dem Bade liegt das freundliche Städtchen Müllheim, zu welchem der Alemannen-Dichter den durstigen Wanderer mit so saftigen Worten einladet: »Der Schwarzwälder im Breisgau.«

Z' Müllen an der Post,
Tausigsappermost!
Trinkt me nit e gute Wi!
Goht er nit wie Baumöl i,
      Z' Müllen an der Post!

Schade, daß der Reisende, der in der Post zu Müllheim anlangt, um Hebels Markgräflerwein zu trinken, nur das unfruchtbare Postamtszeichen anstatt des Wirtsschildes an das Posthaus angeheftet findet und daß ihm die Pforte jetzt mit dem Donnerworte aufgetan wird: »Mer wirtet nümme!« (Wir schenken keinen Wein mehr aus.)

Gegen Süden führt der Fußpfad von Badenweiler in zwei Stunden über Berg, Wald und Wiese nach der höchst anmutig und zur Fernsicht/nach dem Rheine, den Vogesen, dem Jura und den Alpen einladend gelegenen ehemaligen Kommenturei des Klosters Sankt Blasien, Bürglen, von welchem Hebel in demselben Liede singt:

Z' Bürglen uf der Höh',
Nei, was cha me seh'!
O, wie wechsle Berg Und Tal,
Land und Wasser überal,
      Z' Bürglen uf der Höh'!

In das schöne Schloß, seine bilderreichen Säle und Zimmerreihen teilen sich jetzt zwei Besitzer, S.K. Hoheit der Großherzog von Baden und ein wohlhabender Bauersmann. Den herrschaftlichen Teil bewohnt ein freundlicher, gebildeter Pfarrherr; in dem bäuerlichen finden Gäste von Badenweiler gastliches Gelaß. Der Verfasser dieser Zeilen wird den schönen Abend und Morgen, den er hier in echt Hebelscher Umgebung zugebracht hat, nicht vergessen. Um ihn her schnurrten die Spinnräder schmucker Alemannentöchter, auf deren Stirn, über dem oft bleichen, oft rosigen Angesicht mit sanft gekrümmter Vogelsnase, ein paar malerisch geschleifte schwarze Bänder flatterten, welche die Ausläufer eines kleinen seidenen Schüsselchens sind, das an Haubenstatt den Scheitel deckt; schlanke, rotwangige Bauernknechte mit langen blonden Haaren schnitten sich, sittsam um den Tisch gelagert, ihr schwarzes Abendbrot; auch das Abendessen war eine ganz Hebelsche Szene: Ein Lichtspan aus Buchenholz, der, von Zeit zu Zeit erneuert, in eine eiserne bewegliche Beißzange gesteckt war, die auf einem langen hölzernen Stocke mit breitem Gestelle ruhte, erleuchtete die ganze Stube und gab mit seinem flackernden Lichte den Gesichtern der um den Tisch gelagerten Hausgenossen einen seltsamen Ausdruck. Am andern Morgen schien die Sonne in das erheiterte Gemach, und aus Südosten blickte von ihrem Ätherthrone die Jungfrau des Berner Oberlandes mit ihren Silberhörnern durchs Fenster auf den sein ländliches Frühstück gemächlich genießenden Wanderer herab.

Eine Stunde von Bürglen lauert Hebels »Gespenst auf der Straße von Kandern«.

In nördlicher Richtung von Badenweiler zeigt das Alemannenland städtischere Szenen:

Z' Staufen uffem Märt (Markt)
Hent se, was me gert,
Tanz und Wi und Lustberkeit,
Was eim numme 's Herz erfreut,
      Z' Staufen uffem Märt.

Z' Friburg in der Stadt
Sufer isch's und glatt.
Riehe Here, Geld und Guet,
Jumpfere wie Milch und Bluet,
      Z' Friburg in der Stadt.

Nach Nordosten und Osten führt der Weg durchs Gebirge auf den vielbesungenen Feldberg und zu Feldbergs Tochter, der lieblichen Wiese, über Todtnau, Schönau, Marnbach, Zell, Schopfheim, am Röttlerschlosse vorbei, nach Lörrach, lauter durch die »Alemannischen Gedichte« vielfach verherrlichte Stellen, bis wo in der Nähe von Basel »der Chlei-Hüninger Pfarrer« die Oberlandsmaid mit »Gotthards großem Bueben« traut.

Tief im Gebirge endlich, nordöstlich von Schopfheim, liegt das Dörfchen Herrischried, zu welchem sich Hebel mit so schalkhafter Liebe wendet:

Won i gang und stand,
Wär's e lustig Land.
Aber zeig mer, was de witt,
Numme näumis find i nit
      In dem schöne Land.

Minen Augen gf allt
Herrischried im Wald.
Won i gang, se denk i dra,
's chunnt mer nit uf d' Gegnig a,
      Z' Herrischried im Wald.

Imme chleine Huus
Wandelt i und us –
Gelt, de meinsch, i sag der, wer?
's isch e Sie, es isch kei Er,
      Imme chleine Huus.

Doch zurück endlich nach Badenweiler. Das Gasthaus zum Römerbade, so genannt, weil ein alter Römerstein, unter spätern Ausgrabungen gefunden, dem Wirtshause zum Grundstein diente, steht jetzt über zehn Jahre. Seine Lage, sagt Herr v. Wessenberg, konnte nicht glücklicher gewählt werden, und das Freundliche seiner innern Einrichtung entspricht der heitern Lage. Der geräumige hohe Speise- und Tanzsaal, der den ganzen Raum im Gebäude zwischen den zwei Doppelreihen von Wohnzimmern einnimmt und in welchen man von den Gängen vor diesen Gemächern hinabschaut, gibt dem Ganzen ein schmuckes, zierliches, beinahe zauberhaftes Aussehen, und es weilt sich hier mit wahrem Behagen. Die Bewirtung ist trefflich, und die große Reinlichkeit, die sich überall zeigt, erhöht die Annehmlichkeit des Aufenthalts. Im Erdgeschoß befinden sich die Bäder, die ohne überflüssige Verzierung ganz nur zur Bequemlichkeit eingerichtet sind. Auch das Gasthaus zur Stadt Karlsruhe hat sich sehr erweitert und verbessert. Diesem ist jetzt ein großer und zierlicher Speise- und Tanzsaal angebaut. Es gibt Tage im Jahre, wo dieser Saal und der im »Römerbade« die Gäste kaum zu fassen vermögen, die hier Belustigung suchen. Auch der Gasthof zur Sonne hat guten Fortgang, und es fehlt sonst im Orte nicht an guten Mietwohnungen für Kurgäste.

In dem kleinen Gesellschaftshaus auf dem Schloßberg ist jetzt eine Leseanstalt errichtet. Der Standpunkt von hier bietet dem Betrachter einen seltenen Verein von weiter Fernsicht in ein lachendes Land von der einen Seite und vom Anblick eines weiten, reich bewachsenen Talgrundes, der von ansehnlichen Waldgebirgen umfaßt ist, dar; zugleich zeigen sich hier auf beschränktem Räume die Trümmer der stolzen Römerzeit und des rauhen, aber kraftvollen Mittelalters nebeneinander.

Das Geschlecht, das jetzt hier wohnt, ist von sanftem und mildem Charakter und trägt alle Wahrzeichen einer aufgeklärten und gebildeten Sinnesart. Die Fremden sind gern gesehen, und man begegnet ihnen mit zuvorkommender Freundlichkeit und bedächtlichem Wohlwollen, ohne Kriecherei und Niedertracht. Dieses Wesen geht auch auf die Kinder über:

Wie freundlich sind die Kinder!
Viel williger, geschwinder
      Dient hier die Achtsamkeit
Als in dem Fürstensaale
Bei Tanz und reichem Mahle
      Der schnöden Üppigkeit. Grafs »Badenweiler«.

Kein Wunder, daß der Dichter, dem wir diese Worte entlehnen, hier sein Hüttchen bauen und in Natur und Geschichte schwelgen möchte.

Des Römerbades Trümmern,
Der Bergruine Flimmern
      Im Abendsonnengold,
Des Heilquells reicher Kammer,
Dem Schacht, dem Eisenhammer
      Ist meine Seele hold.

Natur, mit alter Kunde
Stehst du im Schwesterbunde,
      Erquickst hier Geist und Sinn.
Frei von der Sorgen Schwarme
Ruh' ich in deinem Arme,
      Du Freudengeberin!


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