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Wenn sich die kryptogamische Pilzform auch in die Welt der Geschlechtspflanzen herein verlor, so ist das nicht der einzige Fall in der Natur. Auch die kryptogamische Form der Schachtelhalme (Equisetaceen), die wir schon in der Uebergangsperiode näher kennen lernten, combinirt sich noch heute mit einem Typus der Geschlechtspflanzen. Es ist die wunderbare Gattung der Casuarinen. Sie wiederholt die Laubbildung der Schachtelhalme und verbindet sie mit der Blüthen- und Fruchtform der Nadelhölzer. In dieser Gestalt trägt der imposante Baum nach Art der Trauerweiden lange, herabhängende, schlanke Zweige, von denen jeder aus einer Menge von Gliedern besteht. Jedes Glied steckt in dem vorigen, ohne eine besondere Blattbildung zu erzeugen, aus den Gliedern brechen die blumenblattlosen Staubfäden nackt hervor, die Frucht bildet sich zu einem Zapfen aus, männliche und weibliche Blumen bewohnen getrennt verschiedene Stämme. So vertreten die Casuarinen auf den Mascarenen, den Südseeinseln, in Neuholland, auf den Molukken, den Sundainseln und in Ostasien die Form unserer Kiefern. Wir könnten sie die Trauerkiefern bezeichnend nennen; um so mehr, als auch ihnen das elegisch-flüsternde Rauschen unserer Nadelhölzer eigenthümlich ist, wenn der Wind durch ihre Zweige schwebt. Wo sie Waldungen bilden, verhüllen sie ebenso wenig wie unsere Kiefern die Durchsicht, und weithin leuchtet, wie schon einmal berührt, auf Java der mistelartig schmarotzende Loranthus Lindenianus mit seinen feurigen Blumen von ihren Aesten ins Auge des Wanderers. In der That gehören auch solche Verzierungen dazu, um dem Geiste einen wohlthätigen Wechsel in diesen mattgrünen Wipfeln und diesen grauen, glatten Stämmen zu verschaffen. Denn seltsam zwar ist die Form der Casuarinen, aber schön ist sie nicht; um so weniger, als sie keinen Schatten zu geben vermag und weder durch Blüthenpracht noch durch Blumenduft erfreut. Uebrigens bewahrt auch unsere Zone eine Erinnerung an die Casuarinenform in den Arten der Gattung Ephedra (Roßschwanz). Die einzige deutsche Art erscheint in Südtirol und im Wallis. Auch diese Form gehört zu den Coniferen oder Zapfenbäumen und vereinigt die Tracht der Schachtelhalme wie der Zapfenbäume in sich. So hat die Natur scheinbar in launiger Weise auch ihre wunderlichen Combinationen gemacht. Aber auch aus ihnen ist sie so groß hervorgegangen, wie aus den Typen vollendeter Schönheit; denn sie gewährt uns Contraste, die uns die Bilder hoher Schönheit nur um so mehr hervortreten lassen, Contraste, deren der Mensch überall bedarf, um sich in dem Besitze des Schönen wohl und zufrieden zu fühlen.
Die Casuarinen haben uns unvermerkt aus dem Reiche der kryptogamischen Formen in die dikotylische Pflanzenwelt versetzt, sie haben uns bereits in die Form der Nadelhölzer, eine der niedersten Stufen der Dikotylen, eingeführt. In welcher Weise die Nadelhölzer unter sich verschiedene Laubformen hervorbringen, sahen wir bereits bei Gliederung der Wälder (S. 20). Ueberall, wo ihr Laub die Nadelform annimmt, drücken sie der Landschaft den Charakter des Starren auf. Er paßt gemeiniglich, da sich die Nadelhölzer gern in die höheren Gebirge flüchten, wo ihre eigentliche Heimat ebenso wie im hohen Norden ist, zu der Starrheit des Gebirges und dem Ernste nordischer Klimate und bildet den schroffen Gegensatz zu der Anmuth und Mannigfaltigkeit des Laubwaldes. Ernst, Ruhe und kühnes Aufstreben zum Erhabenen vereinigt namentlich die Fichte in hohem Grade in sich. Darum kein Wunder, wenn sie der gothische Baukünstler zum Vorbilde für seine hochaufstrebenden Dome nahm und die letzten Ausläufer seiner Thürmchen ebenso allmälig verjüngt ins Unendliche auslaufen ließ, wie es der pyramidalen Form der Fichte so eigenthümlich ist. In den gothischen Domen finden sich überhaupt die beiden Formen unserer Bäume vertreten. Kühn aufstrebende Starrheit und kühne Wölbung bezeichnen den Charakter des gothischen Styles. Sie zeigen uns auch wieder, daß der Mensch überall nur verklärter Abglanz seiner Natur ist. Das gothische Schiff mit seiner Wölbung und seinen Säulen ahmt die Waldung nach, deren Bäume, wie z. B. Buchen, in auffallender Schönheit domförmige Laubkronen tragen; die gothischen Thürme sind der Abglanz der sich zugipfelnden Bäume, welche erst in Verbindung mit der ersten Form ein harmonisches Ganze darstellen. Die Kronenform vertritt das innere Leben; denn in der That fordert der aus dieser Form gebildete Wald zur stillen Einkehr in sich selbst auf; die Gipfelform vertritt das äußere Leben. Sie leuchtet in ihrer hoch aufstrebenden ernsten Starrheit weithin in das Auge und ladet gleichsam zum Dome, zum inneren Leben ein. Erst hierdurch wird uns verständlich, daß der Dom aus Stein durchaus nur das Abbild des großen Naturtempels ist und sein kann, und daß ihn bereits eine innere Stimmung des Menschen hervorrief, welche sich ganz von der Natur befreien wollte, obschon sie auch damit immer nur in der freilich darüber bald vergessenen Natur blieb. Auch die Kronenform ist den Nadelhölzern eigen. Soweit sie Nadeln tragen, sind die Kiefern in unserer Zone die Vertreter derselben; ihre riesigste Vollendung findet sie jedoch in der Ceder und besonders der des Libanon. Sie ist es darum auch, welche die ersten größeren Tempelbauten des »auserwählten Volkes«, der Juden, hervorrief und sie ebenso zur Innerlichkeit weckte, wie die alten Germanen durch Eichen, Buchen und Linden, ihre schönsten Kronenformen, zur Andacht geweckt wurden.
So weit die Zapfenbäume ein breites Laub tragen, ist die Form der Podocarpus auf der südlichen Halbkugel ihr schönster Ausdruck. Zollinger rühmt die Podocarpus cupressina auf Java als solchen. »Der Wuchs dieses Baumes«, sagt er, »ist gänzlich von dem unserer Nadelholzbäume verschieden. Der umfangreiche Stamm erhebt sich gerade, fast in gleichförmiger Dicke, glatt und hellbräunlich zu 60 und mehr Fuß Höhe, und erst dann zeigen sich Aeste, die eine kuglige Krone bilden, ähnlich der eines Laubholzbaumes. Auch die Stellung der zarten Zweige und der freudig grünen, kurzen und dünnen Nadeln trägt dazu bei, diese Ähnlichkeit zu erhöhen. Der Baum gehört zu den größten und häufigsten der mittleren Bergregion, besonders in Westjava. Die andern Podocarpus-Arten sind seltener, kleiner, üben weniger Einfluß auf die Physiognomie des Waldes aus und werden ebenfalls mehr Laub- als nadelholzartig in ihrem Aussehen.« »Unser Taxus beginnt bereits den Uebergang zu der Podocarpusform zu ebenen. Höhe des Stammes«, sagen wir mit Humboldt, »Länge, Breite und Stellung der Blätter und Früchte, anstrebende oder horizontale, fast schirmartig ausgebreitete Verzweigung, Abstufung der Farbe von frischem oder mit Silbergrau gemischtem Grün zu Schwärzlich-Braun geben den Nadelhölzern einen eigenthümlichen Charakter. Ihr ewig frisches Grün erheitert die öde Winterlandschaft; es verkündet gleichsam den Polarländern, daß, wenn Schnee und Eis den Boden bedecken, das innere Leben der Pflanzen, wie das prometheische Feuer, nie auf unserem Planeten erlischt.«
Es ist für das Verständniß unserer Nadelhölzer unerläßlich, zu untersuchen, wodurch ihre verschiedene Tracht bewirkt wird. Die kronenartige Form wird durch eine büschlige Aststellung im Verein mit einer büschligen Blattstellung hervorgerufen. Die letztere ist auch in der ersten Jugend vorhanden, die erstere tritt erst im höheren Alter hervor; denn junge Fichten besitzen dieselben quirlförmig gestellten Aeste, wie sie den Fichten eigenthümlich sind, und streben als solche in die Höhe. Doch verrathen bereits die Enden dieser Aeste oder ihre letzten Verzweigungen eine Neigung zur büschligen Form, weshalb auch junge Kiefern nie pyramidal in die Höhe streben. Durch die büschlige Blattstellung, bei welcher immer mehre Nadeln aus einem Punkte hervorgehen, unterscheidet sich die Kieferform von der der Fichte. Am schönsten tritt sie bei uns an der aus Nordamerika eingeführten Weymuthskiefer ( Pinus strobus) auf. Hier entwickeln sich fünf lange dünne Nadeln aus einem einzigen Punkte. Dadurch erhält der Baum, von Weitem gesehen, etwas Krystallinisches, und da die Endzweige ebenfalls büschlig gestellt sind, so glaubt man einen Kreis vor sich zu sehen, von dessen Mittelpunkt die Nadeln wie lange Strahlen nach allen Richtungen hin auslaufen (s.Abbild. S.216). Am büschligsten sind sie bei der Lärche gestellt; dennoch besitzt diese Nadelholzgattung einen mehr pyramidalen Wuchs, weil sich die Aststellung auch bei den ältesten Individuen mehr das Quirlförmige anschließt. Dagegen weichen Tanne und Fichte dadurch ab, daß ihre Nadeln einzeln aus jedem Punkte hervorgehen (wie die Abbild. zeigt). Die Tanne, Weiß- oder Edeltanne ( Pinus Picea) unterscheidet sich wiederum von der Fichte durch die kammförmig gestellten, breiteren, an der Spitze ausgerandeten, flacheren, auf der Unterseite mit zwei weißen Linien gestreiften Nadeln, aufrecht stehende Zapfen und mehr herabhängende Aeste, welche ihnen das Ansehen geben, als ob sie Flügel seien, welche dem Baume zu schwer geworden wären. Es prägt sich darin ein gewisses Sichgehenlassen aus, das dem hochaufstrebenden Baume mit glänzend dunklem Laube ein stolzes, vornehmes Wesen verleiht. Dagegen erscheint der Wuchs der Fichte weit eleganter, sorgsamer gehalten, die Aeste treten regelmäßiger und mehr in aufgerichteter Weise, besonders aber am Gipfel hervor. Hier, wo eine regelmäßige Verjüngung, gleichsam ein allmäliges Verschwimmen im Unendlichen durch die regelmäßig kleiner werdenden und ebenso regelmäßig gestellten Aestchen eintritt, liegt der eigentliche Charakter der Fichte, den die gothische Baukunst so überaus geistreich verwendete. Er wird auch durch die Nadeln unterstützt. Sie sind starrer, weniger flach, fast vierkantig, stachelspitzig, an der Ober- und Unterseite fast gleichmäßig mattgrün. Die Edeltanne ist das schöne Wahrzeichen unserer niederen, die Fichte unserer höheren Gebirge, obschon beide vereint nicht selten in großen Beständen auftreten.
Die abweichendsten Formen unserer Nadelhölzer sind der Wachholder, Taxus und Ephedra. Letztere ist schon bei den Casuarinen erwähnt; sie bringt aber ähnliche Früchte wie die beiden andern hervor, nämlich eine Art Beere. Bekanntlich erreicht dieselbe bei Taxus oder dem Eibenbaume unserer höheren Gebirge und Anlagen ihre höchste Schönheit; hier bildet die Frucht eine scharlachrothe Beere, welche einen zapfenförmigen Kern umschließt (wie die Abbild. zeigt). Im unfruchtbaren Zustande dagegen nähert sich die Tracht des Taxus der der Edeltanne. Die Wachholderform geht allmälig in die Cypressenform über. Auch sie ist eine pyramidale, allein von jener der Fichte außerordentlich verschieden. Denn wenn diese ihre Aeste in mehr oder weniger regelmäßig quirlförmiger Stellung anordnet, gleicht der pyramidale Wuchs der Cypresse unserer italienischen Pappel, welche ihre Aeste aufrecht, fast anliegend baut. Ohne eine plastische Schönheitsform zu sein, wie die symmetrische Fichte, erlangt sie doch eine hohe Bedeutung im Landschaftsbilde und der Symbolik der Völker durch ihren nach dem Erhabenen strebenden Wuchs und den tiefen melancholischen Ernst ihrer dunkeln Pyramidengipfel. Darum paßt sie auch vortrefflich auf die Leichenfelder des Orientes. Kein anderer Baum als die Cypresse würde so unendlich ausdrucksvoll von der Gleichheit im Tode sprechen. Die starre Eintönigkeit ihrer Form thut es. Wie der Tod kalt, herzlos, immer sich gleich – verkünden Cypressen, daß hier das melodische, harmonische Rauschen des Lebens vorüber ist; klappernd schütteln sie ihre Aeste gleich Todtenbeinen, die, wie der Dichter sagt, dem Grabesraume entrissen oder Vorbehalten sind. Unter ihren Wipfeln sproßt keine Blume, kein Gebüsch, denn die starren Nadeln sind nicht befähigt, bei ihrem Abfallen rasch zu verwesen und eine fruchtbare Humusdecke zu zeugen. Kein Laub erzittert mehr im Spiel der Winde, hier ist nur Tod und wieder Tod. In der Cypresse erreicht die Nadelholzform ihre größte Starrheit. Aber sie wird, als wollte die Natur das sogleich wieder gut machen, durch die weit milderen Formen der Pinie ( Pinus Pinea) in demselben Lande, das die Cypresse zeugte, ergänzt. Die Pinie mit hohem, schlankem Stamme und edelgewölbter Krone ist die höchste Schönheitsform, deren der Nadelholztypus fähig ist. Es gibt weit riesigere, imposantere Coniferen, aber nicht das Riesige ist es, welches das Herz bewegt, sondern die Anmuth. Jene reißt zur Bewunderung hin, die das Gemüth kalt lassen kann; diese erregt die Gefühle des Sanften und Innigen, und die Innigkeit allein ist das Höchste, dessen Natur und Mensch fähig ist und fähig fein soll. Die Pinie ist diese Form der Anmuth; sie allein durchbricht die Starrheit der Nadelholzform. Wenn sich dann (s. Abbild. S. 212) der Baum des Friedens, der Oelbaum, wenn sich stolze Kastanien ( Castanea vesca), Orangen, Myrten, Lorbeer, Dattelpalme, Erdbeerbaum u. s. w. dazu gesellen, dann' durchschwebt unser Geist jene gesegneten Gefilde, wo ein schöneres Licht die Fluren färbt, die Sterne heller, glänzender vom Himmel schauen, wo die Wiege der Kunst stand und noch heute, wenn auch die Geschichte davon schweigen könnte, lausend Steine und Ruinen von einem besseren Schönheitssinne reden, der einst die Menschheit durchdrang.