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Der Anfangspunkt unserer Wanderung liegt uns näher, als jener des Geologen. Wenn derselbe an der Hand der astronomisch-chemischen Wissenschaft noch eine Ansicht über die Art und Weise der Erdbildung zu gewinnen sucht, ist uns die Erde bereits ein Gegebenes. Ihre Urgebirge waren gebildet, die Wogen des Erdoceans breiteten sich noch rings um sie her. In ihrem Inneren glühten noch mehr als heute unter wilder Empörung heiße Flammen. Dicke Wolken verdeckten den Himmel, um bald hier, bald da als Wolkenbrüche ihre Wasser der mütterlichen Gruft, der sie entstammten, dem Meere, zurückzugeben. Ungeheure Mengen von Kohlensäure erfüllten das Luftmeer, von dem chemischen Verbrennungsprozeß der Erdbildung gezeugt. In solcher Atmosphäre vermochte kein warmblütiges Thier zu leben; denn dieses athmet nur, um den Sauerstoff der Luft in sein Blut überzuführen und dafür die vom Blute ausgeschiedene Kohlensäure auszuhauchen. Ganz anders die Pflanze. Ihr Leben beruht wesentlich auf der Aufnahme von Kohlensäure, aus welcher sie den Kohlenstoff zur Bildung ihrer Gewebe ausscheidet. Dieselbe Rolle also, die noch heute die Wälder als Luftreiniger spielen, besaßen die Gewächse schon bei ihrem Beginn, sie hatten die Erde durch die Verwandlung der Kohlensäure in lebendes Zellgewebe für die Schöpfung der höheren Thierwelt wesentlich vorzubereiten. Aus den Kohlenlagern der Erde würde sich, wenn die Mengen dieser Kohlenbecken genau ermittelt werden könnten, auf chemische Weise leicht die Menge der Kohlensäure berechnen lassen, welche dazu gehört hatte, diese Lager zu bilden, folglich das damalige Luftmeer erfüllt haben mußte. Der Amerikaner Rogers hat sich dieser Rechnung unterzogen und gefunden, daß die gegenwärtige Atmosphäre so viel Kohlenstoff in ihrer Kohlensäure besitzt, um daraus 850,000 Millionen Tonnen Kohlen zu erzeugen. Dagegen besaß die Atmosphäre der Urwelt sechsmal mehr, so viel nämlich, daß aus dieser Kohlensäure 5 Billionen Tonnen Kohlen gebildet wurden.
Wir haben schon einmal gesehen, daß die ersten Pflanzen der Erde sich im Meeresschooße bilden mußten. Es konnten nach den im vorigen Abschnitte erläuterten Grundsätzen keine andern als die der Gegenwart sein. Urpflanzen und Algen, namentlich aus der Abtheilung der Tange, waren die ersten Vertreter des Gewächsreichs. Ihre Ueberreste finden sich heute in den ersten sedimentären Gesteinsschichten, in den cambrischen, silurischen und devonischen Schichten, wie man diese ersten Bildungen der Erdoberfläche durch Ablagerung in England nennt, in der älteren Grauwacke der Rheinlande und in der jüngeren Schlesiens und Sachsens, welche die Uebergangsformation in Deutschland bilden, eingeschlossen. Mit Recht bezeichnet man deshalb auch diese Gebirgsbildung (Formation) als eine vermittelnde zwischen den Urgebirgen und den sedimentären Gebirgen. Wo jene Tange in großen Massen vereint in diese erdigen Schichten eingebettet wurden und in denselben verkohlten, da mußten höchst eigentümliche Kohlenbildungen daraus hervorgehen. Es sind die Kohlen, die wir als Anthracit und Graphit, von dem das Material zu unsern Bleistiften herstammt, kennen. Die gleichmäßige, structurlose Masse dieser Kohlen erklärt sich einfach aus dem Baue der Seetange. Kein Tang bildet nämlich Holzschichten; jeder Theil besteht aus einem Gewebe von locker an einander gefügten, meist gallertartig oder knorpelig weichen Zellen, ohne Gefäße zu besitzen. Viel Stärkemehl ist den meisten eigen; darum brennen diese Gewächse nicht, mit lichter Flamme, sondern verkohlen nur. Wahrscheinlich tragen hierzu die vielen Salze des Meerwassers das Meiste bei. Daraus erklärt sich wohl auch, daß der Graphit nicht brennt.
Versuchen wir es, uns ein Gemälde dieser Meereswälder nach dem riesigen Maßstabe zu bilden, den uns die Gräber der Urwelt zeigen, so muß es auf dasselbe hinauslaufen, welches wir bereits in den Tangfluren (S. 37) gezeichnet.
Doch nicht lange sollte das feste Land unter den Fluthen des Meeres begraben liegen. Allmälig hob es sich, von der gewaltigen Spannkraft unterirdischer Gase des Erdfeuers in die Höhe getrieben. So schaute hier und da ein Stück Insel über das Urmeer empor, immer aber noch niedrig genug, um, wenn auch das Salzwasser des Meeres verlaufen sein mochte, von unaufhörlichen Regenfluthen unter Wasser gesetzt zu werden. Man kann mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit vermuthen, daß, als nun die Pflanzenwelt auch dieser neuen Bildungsstufe der Erde folgte, zuerst Wasserpflanzen entstanden. Große Strecken der Sümpfe mußten von jenen seltsamen Gewächsen erfüllt sein, die wir noch heute als eine Familie der Algen, als »Armleuchter« oder Characeen kennen und welche, wie die vielen Salzseen Neuhollands und einige in Deutschland, z. B. der Salzsee bei Halle, beweisen, so gern im salzhaltigen Wasser erscheinen. Ihnen standen andere Gewächse zur Seite, welche wir bereits in der Seeschaft (S. 28) als Süßwasser-Algen, ihre nächsten Verwandten, kennen lernten und die mit jenen vereint den ersten Humus der Sümpfe bildeten. Neben solchen einfachen Gewächsen erhoben sich, oft in mächtigen baumartigen Gestalten, niedere Gefäßpflanzen über die Sümpfe empor. Es waren Schachtelhalme oder Equisetaceen, gegliederte Gewächse, deren Glieder tutenartig in einander stecken und am Gipfel in kätzchenartigen Aehren ihre Früchte treiben. Die riesigste, unmittelbar zu ihnen oder neben sie gehörende Gestalt war die der Calamiten. Nach ihren Ueberresten erhob sie sich aus einer kegelförmigen enggegliederten Wurzel (s. Abbild.) als ein ebenso gegliederter, dicker und hohler Stamm, von dessen Gliedern aus eine Menge von Blättern wirtelförmig um den Stengel gestellt waren, wie es noch heute die Schachtelhalme zeigen. Aehnlich gebaute Asterophylliten (s. Abbild. S. 94) und Annularien (s. Abbild. S. 97) vermehrten den Wechsel dieser Pflanzenform. Vielleicht zeugt heute nur Java ähnliche riesige Gestalten. Wenigstens berichtet Junghuhn von 10 Fuß hohen Schachtelhalmen, welche er in den Sümpfen des Schlammvulkanes Galungung, mit riesigen Rohrkolben ( Typha) und riesigen Schilfgräsern vereint, traf. Es ist kein Grund vorhanden, uns die Vorzeit anders zu denken.
Waren die Thiere der ersten Periode den frühesten Gewächsen der Erde entsprechend; waren es meist Polypen, Strahlthiere, Schnecken, besonders Trilobiten, niedere Krebse und Fische: so erschienen jetzt bereits, wenn auch noch äußerst selten, amphibisch lebende Schildkröten und eidechsenartige Thiere.
Ganz anders sollte sich das Bild gestalten, als das Land immer höher stieg. Denn nun waren die Bedingungen zur Schöpfung einer Landflor und Landfauna gegeben. In den ältesten Schichten, den silurischen, fehlen sie völlig, in den späteren treten sie nur höchst vereinzelt auf, jedoch schon mit Familien und Gattungen der späteren Steinkohlenperiode beginnend, aber noch mit Seetangen vermischt. Im Kohlenkalk werden die Landpflanzen schon häufiger, die Seetange treten zurück, es erscheinen bereits Farren, Stigmarien, Sigillarien, Nöggerathien und Zapfenbäume. Unter denselben zeichnen sich als die seltsamsten Formen, welche der Gegenwart ziemlich fremd sind, Stigmarien, Sigillarien und das seltsame Lomatophloyos crassicaulis aus. Dieses erschien als ein dickes, fast cactusartiges Gewächs, die Stigmarie ( Stigmaria ficoides) als ein schwimmender Busch von krautartiger Bildung, in welcher Göppert neuerdings die Natur der Wasserrosen aufgefunden zu haben glaubt, die Sigillarien oder Siegelbäume endlich traten in der Gestalt des noch heute in Neuholland vorhandenen Grasbaumes ( Xanthorrhoea Hastile), an der Rinde mit siegelartigen Narben versehen, auf.
Ehe sich jedoch diese Landflor bilden konnte, mußten ihr humusbereitende Gewächse vorangehen. Natürlich waren es solche, welche des Humus nicht bedürfen und unmittelbar aus der Erdkrume oder dem nackten Felsen ihre Nahrung beziehen, um endlich bei ihrem Absterben eine Humusdecke zu bilden. Es steht der Ansicht nichts im Wege, daß dies Lebermoose, Laubmoose und besonders Flechten waren. War erst eine Humusdecke gegeben, so fanden nachgeborene Pflanzentypen hinreichend ihre Stätte bereitet. Es ist und bleibt eines der tiefsten Naturgesetze, daß das Zusammengesetztere, das wir unberechtigt nur zu gern das Höhere zu nennen belieben, stets einem Einfacheren nachfolgt.