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Wir stehen vor einer bedeutungsvollen Zeit. Von dem großen Schöpfungsdrama sind die ersten sechs Acte beendet, der siebente beginnt, ernst wie noch keiner. Wenn auch schon früher fortwährende Hebungen der Erdoberfläche über den Ocean durch unterirdisches Feuer stattgefunden haben mußten, so gewann die vulkanische Thätigkeit doch erst jetzt ihre höchste Ausdehnung. In der That, sollte die Erde zu derjenigen Gestaltung gelangen, die sie gegenwärtig besitzt, so blieb nur dieses Mittel allein übrig. Vulkane bildeten sich schaarenweis. Ihnen folgte in allmäliger Steigerung eine Erhebung der Erdoberfläche, oder sie trat, richtiger gesagt, schon mit der Bildung der Vulkane ein. Jede dieser Erhebungen besaß ihren Mittelpunkt, von welchem die unterirdischen Mächte des plutonischen Oceans, Gase in furchtbarer Spannkraft, wie Strahlen eines Kreises von dem Feuerheerde ausgingen. Vielleicht war jeder Vulkan ein solcher Mittelpunkt, um welchen sich die Reliefs der Erdrinde, die Berge, sammelten. Jede Erhöhung des Bodens war die Wirkung der unterirdischen Thätigkeit einer vulkanischen Kraft, eines vulkanischen Strahles, welcher von seinem Mittelpunkte kam. Die Höhe der Berge ist dann das natürliche Maß der Spannkraft der unterirdischen Gase, die Lage der Gebirge und ihr Verlauf der natürliche Ausdruck jener Kraftstrahlen, und so erscheinen uns in der That die Gebirge der Erde als die natürlichen, steinernen, oft so riesigen Buchstaben, in welchen wir wie in einem Buche die ganze Geschichte ihrer Vorzeit zu lesen haben.
Der ganze große Schöpfungsact begann für Europa in seinem Westen. Die Pyrenäen waren die ersten Reliefs der Erdrinde, welche die tertiäre Periode emporsteigen sah. Bald folgten ihnen im Osten die Karpathen, Apenninen und Alpen. Die Majestät dieser Gebirgsstöcke zeigt noch heute von der Großartigkeit jener Schöpfungskraft. Ein merkwürdiges Geschick versagte dem deutschen Festlande diese Großartigkeit vulkanischer Thätigkeit. Es ist, als ob Deutschlands Geschick ihm schon vor seinem Beginn nur mildere Uebergänge zugetheilt habe. Nur das Riesengebirge schließt sich noch einigermaßen ebenbürtig an jene Gebirgsriesen an. Der eigentliche vulkanische Heerd der tertiären Periode war für Deutschland in Böhmen und den Rheinlanden, hier über eine Fläche von 60, dort von 40 Quadratmeilen verbreitet. Besonders war es die Gegend der Eifel, wo zahlreiche Schlote der Vulkane ihre Feuersäulen emporsendeten, ihre Lava in die Thäler ergossen. Die Krater sind erloschen. Wo einst mächtige Flammen ihr grausiges Spiel trieben, hat jetzt der natürliche Gegensatz des Feuers, das Wasser, seine Stelle eingenommen. Was einst in der Eifel Krater war, ist heute See, dort Maar genannt. Auch der Laacher See, der größte und bekannteste von ihnen, gehört dazu. Trachyt- und Basaltgebirge waren vorzugsweise die neuen Gebirge, welche aus dieser vulkanischen Thätigkeit hervorgingen.
Diese neuen Gebirgssysteme hatten nur die hohe Wichtigkeit, eine Stätte neuer organischer Schöpfungen zu werden, die Mannigfaltigkeit der Erdrinde und mit ihr auch die jener Schöpfungen zu bedingen. Ungleich wichtiger aber waren die Veränderungen, welche ihr Durchbruch unter den früher ruhig im Ocean abgelagerten Gebirgsschichten hervorbringen mußte. Sie, die einst dem flüssigen unterirdischen Lavameere angehörten, hatten nicht allein die abgelagerten (sedimentären) Gesteinsschichten theilweis emporgehoben und durchbrochen, sie hatten auch die dadurch entstandenen Thäler verändert, indem sie sich theilweis als Lavaströme in sie ergossen. Welche außerordentlichen Veränderungen solche vulkanische Thätigkeiten in der Lage der Gebirge Hervorrufen können, beweist eine Beobachtung von J. J. von Tschudi, die derselbe in Peru machte. Dort hatte eine vulkanische Hebung das Bett eines Flusses gänzlich verändert; ein Theil des Bettes war gehoben und verhinderte nun das Wasser, in der alten Richtung zu fließen; der Theil, welcher von der Quelle herbeiströmte, mußte sich ein anderes Bett suchen, da er ja nicht den Berg hinauf strömen konnte; das jenseits des Berges liegende Bett wurde trocken gelegt. So auch bestimmte die vulkanische Thätigkeit der tertiären Zeit das heutige Bett des Oceans und unserer Flüsse durch die Hebung der Gebirge. Sie legte damit den ersten natürlichen Keim zu aller späteren Völkergeschichte. Was uns vielleicht vorher ein Mangel am deutschen Festlande erschien, wird nun zum Segen desselben und seines Volkes. Es ward nie durch hohe Gebirge von seinen Nachbarn abgeschlossen. Schon seit der tertiären Zeit stand es Jedem offen, obschon es damals nur mächtige Elephanten und dergleichen Riesen mehr waren, die ihren Weg ungehindert durch das ganze Land bis nach Sibiriens Steppen fanden. So hat das deutsche Land von jeher allem Fremden offen gestanden; so hat es von Allem ausgenommen, hat das Gute ergriffen, woher es kam, leider oft aber auch viel Spreu unter dem Weizen, seinen Kindern zum Schmerze. Gebirge, Wüsten, Flüsse und Meere bestimmen und begrenzen die Charaktere der Pflanzengebiete; sie bestimmen aber auch die Geschichte der Völker. Das beweist uns China im schroffsten Falle. Durch eine himmelhohe Gebirgskette, den Himalaya, der bei dem Indier sehr bezeichnend einen Schneepalast bedeutet, vom übrigen Indien getrennt, verharrt es seit Jahrtausenden in demselben Zustande der Bildung. -Nie würde die Geschichte eine solche Erscheinung gesehen haben, wenn statt des Himalaya eine flache oder hügelige Ebene zwischen die Völker Indiens gestellt worden wäre. Bei einer andern Terrainbildung Europas, Deutschlands insbesondere, würde die große Völkerwanderung aus Indien vielleicht gar nicht oder ganz anders stattgefunden haben, die ganze Geschichte Europas würde eine völlig verschiedene geworden sein. Schon die außerordentliche Abwechslung von Berg und Thal mußte auf den später erscheinenden Menschen unberechenbar günstig wirken. Was würde der Mensch für ein Geschöpf geworden sein, wenn er sich nur in Ebenen hätte entwickeln müssen, ohne den mannigfaltigsten Wechsel der Jahreszeiten, Klimate und der Erdoberfläche! Einförmig, wie alle früheren Schöpfungen, würde sich der Faden seiner Geschichte abgewickelt haben. Nun wirken der stille Ernst des Tiefländers und der fröhliche Sinn des Gebirgsbewohners, die Bedächtigkeit des Nordländers und die stürmische Glut des Südländers, die Kindlichkeit des Insulaners und die Mannbarkeit des Festländers in tausend Abstufungen, treue Bilder der jemaligen Heimat, wohlthuend auf einander, und aus dem Wechsel der Gegensätze erhebt sich, verklärter und tauglicher zur höchsten Freiheit, der Genius der Menschheit, die herrlichste Blüthe aller Naturverhältnisse zusammengenommen.
Auch für das Pflanzenleben mußte eine solche gewaltige Veränderung der Erdoberfläche von höchster Bedeutung sein. Sie vollendete, was die Kreideperiode begonnen, das Reich der Angiospermen oder Hüllsamer, jener Gewächse, welche ihren Samen fast durchgängig in eigenen Fruchthüllen zeugten, während die Pflanzen der früheren Periode fast sämmtlich das Gegentheil gethan hatten. So ward das Leben der Pflanzen immer innerlicher, gestalt- und gehaltvoller.
Schon die Stämme der neuen Pflanzen verrathen diesen großen Fortschritt. Sie sind knorriger geworden, ästiger. Während die früheren Pflanzenstämme ihre Blätter meist schopfartig an ihrem Gipfel zusammendrängten, oder sie, wie die Nadelbäume, mehr schuppenartig stellten, trieben die meisten Hüllsamer ihre Knospen in regelmäßigerer Stellung schon weit unter dem Gipfel des Stammes hervor. Dieser hatte sich einer größeren Verästelung unterworfen, als sie bis dahin, die Nadelbäume mit ihrer starren quirlförmigen Aststellung eingeschlossen, von den Gewächsen erreicht worden war. Ich habe geglaubt, dies von dem Sonnenlichte herleiten zu müssen, das in dieser Zeit geläuterter und intensiver wirken konnte, nachdem das neblige, wolkige, sonnenverhüllende Inselklima zu einem Festlandsklima übergegangen war. Wenigstens gewährt uns für diese Anschauung die Thatsache einen Anhalt, daß unter dem Einflusse der tropischen Sonne eine weit freiere und großartigere Verästelung der Gewächse bemerkt wird, als unter nordischer, verdüsterter Sonne, und daß daselbst auch die Blätter eine weit freiere Entfaltung, weit mehr geschlitzte Formen annehmen, als in der gemäßigten Zone. So auch in der tertiären Periode. Breiter und selbständiger ist die Blattfläche geworden. Wie der Gipfel des Stammes sich in tausend Aeste spaltete, so durchziehen jetzt zarte Rippen in anmuthigen netzförmigen Verzweigungen die Blattfläche. Jetzt erst finden wir eigentliche Blätter, während die der Zapfenpalmen, Nadelhölzer, Farren u. s. w. fast als blattartig erweiterte Achsentheile (Aeste) gelten könnten. Die Natur ist jedoch überall harmonisch. Darum giug auch die Spaltung der Pflanzentheile auf die Blüthen über. Nun erst erschienen, der treue Abglanz der neuen Zeit, ihres blauen Himmelsdomes und ihres Sonnenlächelns, anmuthigere Blumengestallen. Die Schmetterlingsblumen der Hülsengewächse waren unter ihnen jedenfalls die vollkommensten und lieblichsten. Wie die Blumen, so natürlich auch die Früchte. Sie verdankten ihre Mannigfaltigkeit ebenfalls einer größeren Spaltungsfähigkeit ihrer einzelnen Theile, und so zieht sich das Gesetz der Spaltung als ein allgemeines charakteristisch durch die ganze tertiäre Zeitscheide bis in die Gegenwart herein. Natürlich war es bereits bei der ersten Pflanzenschöpfung vorhanden; allein seine freiere Entfaltung begann erst in dieser Zeit. Darum hat man sie auch sinnig als das Morgenroth unserer heutigen Schöpfung bezeichnet.
Die Pflanzenwelt der tertiären Periode, die man wohl auch die Molasse-Periode genannt hat, ist gleichsam der neue Keim, aus dem sich die heutige Pflanzendecke entwickelte. Sie enthält, oft in frappanter Aehnlichkeit, dieselben Typen, die wir noch heute bewundern, und noch scheint mir wenigstens nicht festgestellt zu sein, daß es immer auch andere Arten und andere Gattungen waren, welche die tertiäre Zeit hervorbrachte. Denn gehen wir, wie wir das bei unserer ganzen bisherigen Anschauungsweise thaten, stets davon aus, daß die gegenwärtige Pflanzendecke nicht das Product einer einzigen Periode, sondern aller zusammen ist; müssen wir auch zugeben, daß eine große Menge von Typen ausstarb, um andern Platz zu machen: so erklärt sich doch das Vorhandensein vieler jetzt lebender Typen, deren Verwandte wir schon in früheren Perioden kennen lernten, einfacher durch ihre Erhaltung bis zur Gegenwart, als durch eine nochmalige Schöpfung. Das gilt z. B. von den Zapfenpalmen im ausgedehntesten Sinne, ebenso von vielen Nadelbäumen. So von den Araucarien der südlichen Erdhälfte, den Dacrydien derselben Gegenden, den Phyllocladus-Arten Neuseelands, den Salisburien Japans, den Casuarinen der südlichen Halbkugel. Wahrscheinlich gilt es auch von den Pandangpflanzen (Pandaneen), den Exocarpus-Arten Neuhollands und Tasmaniens, den Torfmoosen u. s. w. Alle diese überlebenden Typen haben sich nur in denjenigen Ländern erhalten, in denen das Klima sich nicht allzuweit von dem ihrer ursprünglichen Schöpfungszeit entfernt. Darum finden wir heute z. B. die Araucarien noch auf der südlichen Erdhälfte, während sie auf der nördlichen, in welcher sie auch Deutschland bewohnten, verschwunden sind. So wenigstens bei Gewächsen, welche in dem heißeren Klima früherer Perioden entstanden. Von ihnen sind fast sämmtliche Typen untergegangen, die auch hier zu Lande in der jetzigen gemäßigten und kälteren Zone wuchsen; sie haben sich aber, wie gesagt, in entsprechenden Klimaten theilweis erhalten, soweit sie nicht ausstarben, wie auch die Arten sterben. Man hat das Klima der tertiären Periode mit dem des heutigen Japan verglichen, und mit Recht; denn die Salisburie z. B., die in jener Periode selbst hier zu Lande, wenigstens in den südlicheren Theilen Europas, wuchs, wächst noch heute in Japan; dort hat sie sich also erhalten. Dieses japanische Klima ist aber der Art, daß sich viele seiner Gewächse auch bei uns ebenso cultiviren lassen, wie Europa überhaupt seine meisten Culturgewächse Asien verdankt. Wir müssen daraus den Schluß ziehen, daß sich aus der tertiären Periode noch manche zähere Typen bis auf uns erhalten haben. Diese große Verwandtschaft zeigt sich auch im inneren Baue der Hölzer wieder; denn von der Molasse-Periode an erzeugen die Bäume feste Holzringe in ihren Stämmen. Das deutet darauf hin, daß bereits ein ähnlicher Wechsel der Klimate damals wie heute stattfand. In den früheren Perioden ging dagegen das Wachsthum der Stämme ununterbrochen vor sich, wie es noch heute in den heißeren Ländern geschieht, wo eigentlich kein Stillstand der Vegetation vorhanden ist. Unter solchen Verhältnissen grenzen sich die Jahresringe, die Zeugen einer vollendeten Wachsthumsperiode, kaum von einander ab.
Trotz aller Verwandtschaft der tertiären Pflanzendecke mit der heutigen unterscheidet sie sich doch wesentlich dadurch, daß sie, tote Brongniart bemerkt, so wenig Familien mit gamopetaler Blumenkrone besitzt, solche also, deren Blumenblätter unter sich zu einem einzigen Blumentrichter verwachsen, während gerade die heutige Schöpfung diese Eigentümlichkeit in außerordentlicher Mannigfaltigkeit der Gestaltung bei Vereinsblüthlern (Compositen), Glockenblumen (Campanulaceen), Lippenblumen (Labiaten), Kartoffelgewächsen (Solaneen) u. s. w. zeigt. Nur Haidekräuter (Ericaceen), Seifenpflanzen (Sapotaceen), Styraxgewächse (Styraceen) und Ilicineen besaß die tertiäre Periode. Es sind jedoch Familien, welche nicht durchgängig eine einblättrige Blumenkrone besitzen. Noch viel fremdartiger mußte natürlich die tertiäre Pflanzenschöpfung von der der früheren Periode abstehen. Die alte Lieblingsgestalt der baumartigen Farren und der Farren überhaupt trat jetzt so auffallend zurück, daß ihre neuen Gestalten den tertiären Fluren ihren Charakter ferner nicht mehr aufdrückten. Dasselbe war mit Zapfenpalmen, Calamiten u. s. w. geschehen. Dagegen hatte sich der Typus der Nadelhölzer von den ältesten Schöpfungszeiten an bis zur tertiären Zeit hereingezogen, um endlich selbst in die Gegenwart gerettet zu werden. Diese Erscheinung ist eine der wunderbarsten in der Geschichte der Pflanzenwelt; um so mehr, als jede neue Zeilscheide nur dazu gedient hatte, die Familie der Nadelhölzer in neuer Pracht und größerer Mannigfaltigkeit wieder erstehen zu lassen. Die Erscheinung ist noch wunderbarer, wenn man sich erinnert, daß die Nadelhölzer der Gegenwart, Araucarien, Podocarpus-Arten und einige andere tropische Formen ausgenommen, entschieden nur der gemäßigten und kalten Zone angehören, daß sie das tropische Klima sorgsam vermeiden, während ihre Vorgänger bis zur tertiären Zeilscheide nur ein heißes Klima zu wählen hatten.
Sie vor allen waren es, welche der Schöpfung der tertiären Zeit ihren Charakter aufdrückten, nach ihrem Untergange den größten Antheil an der Braunkohlenbildung nahmen. Aus diesen Kohlenlagern folgert sich von selbst, daß die Nadelhölzer jener Zeit in großer Fülle der Individuen vorhanden sein mußten. Aber auch die Fülle der Gattungen und Arten war nicht gering. Da, wo noch heute das baltische, weit seltener das deutsche Meer aus seinem Schooße den kostbaren Bernstein aus seinem vieltausendjährigen Grabe heraufwühlt, umsäumte die Bernsteinkiefer ( Peuce succinifera) mit ihren Stämmen die baltischen Gestade. Wie noch heute des Sommers Sonne das Harz aus den überfüllten Harzgefäßen unserer Nadelhölzer hervorquellen läßt, so auch damals. Was als Harz zur Erde tropfte, oft mächtige Klumpen bildend, verwandelte sich später durch Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft in Bernsteinsäure. In andern Gegenden, z. B. den Nietlebener Braunkohlenlagern bei Halle, blieb ein ähnliches Harz als gelber Retinit zurück. Kein Land der Gegenwart bietet ein deutlicheres Gegenstück zu dieser massenhaften Harzabsonderung als Neuseeland. Seine riesige Kaurifichte ( Dammara oder Agathis australis) mit blattartigen Nadeln ist es, welche ihr Harz oft in so bedeutender Menge hervorquellen läßt, daß man dasselbe beim Graben auf nackten Stellen nicht selten in großen Klumpen beisammen findet. Die Wichtigkeit und das eigentümliche Interesse, welches der Bernstein in Geschichte und Industrie besitzt, nöthigt uns, unsere Schilderung der tertiären Periode für einen Augenblick zu unterbrechen und sie dem Bernstein zuzuwenden. Daß derselbe wirklich ein Harz, davon zeugt, daß man ihn noch jetzt in den Harzgängen der betreffenden Braunkohlenlager findet und nicht selten die verschiedensten Einschlüsse, z. B. Insekten, in ihm wahrnimmt. Er theilt dies mit dem Dammarharze der Gegenwart, welches von Agathis loranthifolia oder der mistelblättrigen Dammarfichte der malaischen und molukkischen Inseln stammt; er theilt dies selbst mit dem Copal, einem Harze, welches vorzugsweise an der Wurzel der zu den Hülsenpflanzen gehörenden Heuschreckenbäume ( Hymenaea) Brasiliens und anderer tropischen Länder in großen Kuchen abgeschieden und oft, wie der Bernstein, durch Wasser verändert, von den Ufern der Flüsse ausgeworfen wird. Um die Beweise für
Abstammung des Bernsteins von Nadelhölzern voll zu machen, hat man selbst kleine Tannenzapfen in dem Bernsteine und zwischen den Schuppen solcher Zapfen dasselbe Harz eingeschlossen gefunden. Alles läßt demnach vermuthen, daß der Bernsteinbaum nicht allein ein Nadelholz war, sondern auch, nach seinen Holz- und Rindenresten zu schließen, unsern Roth- und Weißtannen nahe stand. Der unermüdliche Göppert vor Allen hat die vielen Bersteineinschlüsse einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen und gefunden, daß in den Bernsteinwäldern eine völlig andere Vegetation vorhanden war, als sie gegenwärtig die Ostseeländer besitzen, und daß sie mehr mit derjenigen übereinstimmt, welche jetzt an den wärmeren Gestaden des Mittelmeeres in seiner weitesten Bedeutung erscheint. Entschiedenes Uebergewicht halten in den Bernsteinwäldern die Nadelhölzer aus den Gattungen der Kiefer und Fichte ( Pinus), der Cypresse, des Lebensbaumes, des Wachholders, des Taxodium und der Ephedra; eine Vegetation, welche der des heutigen Nordamerika sehr nahe steht. Aber auch Laubholz fehlte nicht. Es scheint aus Eichen und Hainbuchen, Birken und Pappeln, Buchen und Kastanien bestanden zu haben und von einem höchst reizenden Unterhotze geschmückt gewesen zu fein. Wenigstens deuten die Ueberreste von Alpenrosen (Rhododendra) darauf hin, welche sich mit Heidelbeergewächsen (Vaccinien), Sumpfporst ( Ledum), Gränke-Arten ( Andromeda) und Kalmien, durchweg zur Familie der Haidekräuter (Ericaceen) gehörenden Typen, vergesellschafteten. Auch dieses Unterholz deutet auf eine entschiedene Verwandtschaft mit der heutigen Pflanzendecke Nordamerikas hin, wo dieselben Typen noch jetzt vereint angetroffen werden. Wahrscheinlich wurde das Bernsteinharz, wie der Copal, vom Regen in die Flüsse und von diesen ins Meer geführt, welches dasselbe jetzt von Zeit zu Zeit wieder ans Land spült, wenn ein Sturm, gewöhnlich kommt er aus Nordwest gegen den Herbst hin, seine Tiefen gewaltiger als sonst bewegte. Zu solcher Zeit ist es auch, wo man den Bernstein fischt. Unter solchen Verhältnissen habe ich ihn an den Küsten der Nordseeinsel Wangerooge ausgespült gefunden; so wird er aber besonders in den baltischen Ländern, von den mecklenburgischen und pommerschen bis zu den preußischen Küsten, gesammelt. Der bedeutendste Fundort ist die Landspitze von Brüsterort an den preußischen Gestaden. Hier pflegt man zur Zeit jener tückischen Herbststürme sich mitten in die Brandung des Ufermeeres zu wagen, um mit Netzen die in der Fluth wogenden Tangschichten und besonders das braune weiche sogenannte »Sprockholz«, worin der Bernstein sitzt, aufzufangen. Jetzt ist es Sache der Weiber und Kinder, den Bernstein aus dem Gewirr der Pflanzen und des Holzes auszulesen, während die kräftigen Männer, mit Wasser, Sturm und Kälte ringend, aufs Neue ihrer harten Arbeit entgegen gehen. Weniger hart, aber immer mühsam ist die Gewinnung des Bernsteins durch Graben, wie es an der preußischen Ostseeküste bei Lapöhnen, Rauschen, Neu-Kühren und selbst bei Brüsterort u. s. w. geschieht. Von da an ziehen sich die Fundstätten des Bernsteins bis nach Kurland, das Posensche und selbst bis in die Mark Brandenburg. In dem 5 Stunden langen See von Angern bei Riga wurde er erst vor wenigen Jahren entdeckt. Das größte Stück Bernstein, das man bis jetzt gesammelt, befindet sich in der Berliner Mineraliensammlung und wiegt über 13 Pfund. Der Besitzer erhielt dafür den, zehnten Theil seines Werthes, 1000 Thaler, da der Bernstein Krongut ist, wie der Diamant in Brasilien. Jedoch finden sich größere Stücke nur selten; gemeiniglich betragen sie nur mehre Quentchen oder Loth und besitzen hiernach einen um so geringeren Werth, je weniger sie zu größeren Schmucksachen verarbeitet werden können. Wenn die Nordseeküste zwischen dem Lymfjord und der Elbe noch heute einen jährlichen Ertrag von etwa 3000 Pfund liefert, so wird dieser von der Ostseeküste sehr bedeutend übertroffen. Die Bernsteingräberei allein liefert einen jährlichen Ertrag von 150 Tonnen, von denen jede einen Werth von über 3000 Thalern besitzt. Uebrigens wird der Bernstein auch in den Braunkohlenlagern Grönlands, Schwedens, der Niederlande, Frankreichs, Spaniens, Italiens, Siciliens, Hinterindiens und Chinas gefunden. An der Ostseeküste geht seine nördlichste Grenze nicht weit über Libau hinaus. Was er in der Geschichte der Menschheit geleistet, ist in der That nicht gering. Abgesehen von den Tausenden, die er veredelt als Kunstwerk oder in der Industrie als Bernsteinlack, Bernsteinsäure u. s. w. flüssig macht; abgesehen davon, daß er Hunderten Beschäftigung gewährt, war er es, der zuerst die Elektricität kennen lehrte und die ersten größeren Entdeckungsreisen aus dem damaligen Weltmeer, dem Mittelmeer, bis an die nordischen Gestade schon zur Zeit Alexanders des Großen veranlaßte. Ein Stoff, der den Geist der Entdeckung und Erfindung, den Geist des Handelns und Schönheitssinnes weckte, wird zu jeder Zeit ein wichtiges Glied in der Entwickelungsgeschichte der Menschheit sein. Das erniedrigt den Menschen nicht. Wenn auch der Stoff der Vater seiner Culturgeschichte ist, so waltet doch über ihr der schöpferische Geist, dessen Bestimmung es ist, die Natur durch, die Natur zu beherrschen, um durch freie Thätigkeit Wohlstand, Bildung und schöne Sitte zu entwickeln, durch welche allein der Mensch sich wesentlich von den Thieren unterscheidet.
Kehren wir jedoch zur tertiären Pflanzendecke zurück! Schon oben lernten wir einige Gewächse bei Schilderung der Bernsteinwälder kennen, welche dieser Periode überhaupt zukommen. Neben ihnen sproßten jene stolzen Araucarien hervor, denen wir nun schon zu verschiedenen Malen begegneten. Diesmal aber sind sie mit Laubwäldern vergesellschaftet. Ein brasilianischer Urwald (man vergleiche unser Titelbild) würde uns ein solches Bild am deutlichsten liefern, da die brasilianische Araucarie, wie es scheint, denen der tertiären Periode am meisten gleicht. Aus diesem Grunde ist auchttps://www.gaga.net/pgproj/722c128a/0162.pngh ein solches Bild nach Martius zum Vergleich mit jener schönen idealen Landschaft der tertiären Periode von Unger beigefügt. Letzteres stellt die Araucarie rechts als einen stattlichen, kieferähnlichen Baum dar, und wir dürfen wohl glauben, daß Unger's Bild vorzugsweise nach dieser jetzt lebenden Art entworfen wurde. Uebrigens ähnelt diese Araucarie der bekannten Zirbelkiefer ( Pinus Cembra) so auffallend, daß wir selbst schon in den Tyroler Alpen uns den Wuchs einer Araucarie versinnlichen können. Wunderbarer Weise wird auch der Same der Zirbelkiefer als Zirbelnuß so gut gegessen, wie das die Indianer in Chile mit der dort einheimischen Araucarie thun. Dies nebenbei. In Italien trat dafür die überaus wunderbare Zapfenbaumgestalt der Salisburie auf. Noch heute die Zierde japanischer Fluren und dort als Ginkgo bekannt, strebt sie daselbst mit mächtigen Stämmen, von der Dicke unserer Eichen, mit glatter Rinde empor, um ihre abwechselnden, fast wagrecht abstehenden Neste weit vom Stamme hinauszustrecken und ihre Zweige mit breiten, keilförmigen Blättern, wie sie kein anderes Nadelholz besitzt, zu schmücken. Die Frucht ist von der Größe einer Pflaume mit weichem Fleische, wie sie die Beere des Taxus besitzt, und der Kern, von der Größe der Mandel, umschließt einen grünlichweißen, von einer bräunlichweißen Haut umgebenen Pips, welcher von den Japanesen ebenso genossen wird, wie der Same der Araucarien von den Indianern.
Den Nadelhölzern ebenbürtig an Erhabenheit, sie aber an Anmuth überstrahlend, tauchten neben ihnen endlich die Palmen auf. Freilich erschienen sie nur in wenigen Formen; allein ihr Erscheinen durchzuckt uns um so freudiger, als sie, welche später die erste Mutterbrust der Menschheit neben Bananen wurden, jetzt bei der Morgenröthe der gegenwärtigen Schöpfung bereits als Vorläufer des Menschen dienen. Es sei noch einmal erwähnt, daß die ersten Palmen wahrscheinlich nur einer niederen Stufe der Ausbildung angehörten. Palmen und Nadelhölzer vereint mußten übrigens einen sehr eigenthümlichen Anblick gewähren. Er findet sich noch heute in den Urwäldern Mexikos als ein höchst seltsamer Gegensatz, während auf der Landenge von Dänen Eichen mit Palmen auftreten. Ohne Zweifel bildeten die Nadelhölzer gesellschaftlich vereint mächtige Waldbestände, von denen die Laubwälder sich nach Art der Gegenwart schroff sonderten. Mächtige Eichen umsäumten in reichlichen Arten die Gebirge, namentlich bei Parschlug in Steiermark. Zu ihnen gesellten sich die grünen Dome der Buchen, zahlreiche Ahorne, Linden, Birken und Hainbuchen. Ueber sie empor hoben mächtige Platanen ihr ahornartiges Laub und erinnern somit an eine Flor, wie sie Europa, Nordasien und Nordamerika zeigen.
Die scheinbare Aehnlichkeit verschwindet jedoch sofort, wenn wir uns noch etwas näher in diesen mächtigen Urwäldern umsehen. Hier diese Sträucher erinnern uns mit ihren lederartigen, würzigen Blättern an den Lorbeer Südeuropas. Wir haben uns nicht getäuscht. Wo der Lorbeer, ist auch die Myrte nicht fern. Wir finden sie bei Parschlug, in ihrer Gesellschaft zahlreiche Kreuzdornsträucher (Rhamneen), Pfaffenhütchenpflanzen oder Celastergewächse (Celastrineen), vereinzelte Cappernsträucher, zahlreiche Stechpalmen (Ilicineen), Lilien- oder Tulpenbäume, balsamträufelnde Styraxgewächse, seltsame Anacardieen, Verwandte unseres Perückenstrauches ( Rhus coriaria) und zahlreiche Wallnußbäume. Auch die Rose war schon erschienen, mit ihr das nahe verwandte Bild des Obstbaumes, das sich in einigen Arten des Weißdorns ( Crataegus), der Zwergmispel ( Cotoneaster) und einiger Aepfel- oder Birnbäume aussprach. Zu ihnen mischte sich eine Herlitze oder Cornelkirsche und erinnerte nebst einigen Pflaumenarten und Mandelbäumen vollständig an die Gegenwart. Daß der Untergrund von Alpenrosen, Heidelbeergewächsen und haidekrautartigen Pflanzen gebildet wurde, haben wir schon oben gesehen und gefunden, daß die heutige Zusammensetzung der adriatisch-mittelländischen Flor in Europa noch die meiste Aehnlichkeit mit dieser Flor der tertiären Periode besitzt.
Daneben traten jedoch Pflanzenformen auf, welche sich weder mit einer mittelländischen, noch nordamerikanischen Landschaft vertragen. Es sind vorzugsweise Hülsengewächse: mächtige, knorrige, von Moosen und Schlingpflanzen bekleidete Mimosen, hohe Acacien, Cassien mit säbelartigen herabhängenden Früchten, Gleditschien, Süßholzsträucher, Goldregen u. s. w., meist mit zierlich gefiederten Blättern und Schmetterlingsblumen. Vielleicht fanden die letzteren ihren schönsten Ausdruck in der Erythrina sepulta, wenn man sich ihre Blüthen nach den prachtvollen purpurnen, in eine aufrecht stehende Rispe gestellten großen Blumen unserer heutigen Erythrina crista galli vorstellen darf. Diese neue Welt erinnert uns wieder an die Leguminosenwälder Australiens.
Zahlreiche Arten von Weiden, Pappeln, Rüstern (Ulmen) und Eschen umsäumten wahrscheinlich die jugendlichen Bäche, Flüsse und Seen. Während sie ihr Laub zitternd im Wiederscheine des blauen Himmels in den klaren Fluthen spiegelten, wiegte sich auf denselben mit ihren herzförmigen -Blättern die Nymphaea Arethusae, die erste sicher erkannte Wasserrose der Erde. Grasartige Najadeen mit fadenförmigen Stengeln und pfriemenförmigen Blättern leisteten ihr Gesellschaft, während am Ufer liebliche Gräser und Cypergräser mit dem Zephyr kosten.
Alles in Allem genommen, ist vielleicht das Florengebiet von Japan noch das einzige Seitenstück dieser seltsamen Vereinigung von Pflanzenformen eines gemäßigten und heißen Erdgürtels. Hier ist es, wo bei der unerträglichen Sommermärme von 100° F. und einer mehre Grade unter Null sinkenden Wintertemperatur, welche von Nord- und Ostwinden noch extremer wird, dennoch Palmen, Zapfenpalmen, Salisburien, Bananen, Tazetten, Amaryllen, Indigo, Papiermaulbeerbaum, Amomen, indisches Gras ( Canna), Camelien, Theestauden u. s. w. wild gedeihen. Es versteht sich jedoch von selbst, daß alle Vergleiche zwischen Vergangenheit und Gegenwart hinken müssen. Das ist auch hier der Fall; denn nur, wenn wir das gemäßigt warme Neuholland mit Japan, Nordamerika und dem Mittelmeergebiete verbinden, erhalten wir allein ein anschauliches Bild von der Landschaft der Molasseperiode.
Sie ist nach dem Verschwinden der Steinkohlenperiode die erste, welche sich sowohl hinsichtlich ihres Reichthumes an Pflanzen, wie ihrer Zeitdauer mit jener messen kann. Wie sie, zeigte auch die tertiäre Zeitscheide in ihrem langen Verlaufe eine ungemeine Gleichförmigkeit der Florengebiete und nur wenige Unterschiede. Diese letzteren bestimmten den Geologen, eine dreifache Theilung der Periode in eocene oder erste, in miocene oder mittlere und pliocene oder neueste Epoche anzunehmen. Die drei Namen entstammen dem Griechischen. Eocen ist abgeleitet von eos (Dämmerung) und kainos (neu), womit man sehr schön die neue Zeit als Morgenroth der gegenwärtigen Schöpfung bezeichnete. Miocen stammt von meion (weniger) und kainos, pliocen von pleion (mehr) und kainos; sie müßten deshalb richtiger auch eocän, meiocän und pleiocän genannt werden. Es war das letzte Werk unseres großen Geologen Leopold von Buch, sich gegen diese letzte Meinung auszusprechen und nur eine einzige zusammenhängende Periode anzunehmen. Brongniart bestimmte jene Unterschiede dahin, daß die eocäne Flor bereits eine kleine Anzahl von Palmen, zahlreiche außereuropäische Pflanzen und zahlreiche Meeresgewächse enthielt, wodurch sie sich als eine ächte Küstenflor ankündigt; daß die meiocäne Flor einen größeren Reichthum an Palmen neben einer großen Anzahl nichteuropäischer Gewächse zeigt; daß endlich die pleiocäne Flor durch das große Vorherrschen und die Mannigfaltigkeit der Dikotylen, durch die Seltenheit der Monokotylen, durch die Abwesenheit der Palmen und endlich durch die große Aehnlichkeit dieser Pflanzentypen mit denen der gemäßigten Zone von Europa, Nordamerika und Japan charakterisirt wird. Es dürfte wahrscheinlich sein, daß die Dreitheilung der Periode bei den Geologen trotz Buch's trefflich unterstützter Ansicht die allgemein herrschende bleiben werde, da sie doch wenigstens einer Stufenfolge in der Schöpfung der Molassezeit das Wort redet. Allmälige Entwickelung ist nun einmal das große Evangelium des Naturforschers in jeder Beziehung und wird es bleiben, weil es allein das Wesen der Natur selbst, gewissermaßen die Logik ihres Schaffens ist, welche einen Gedanken aus dem andern hervortreibt. Es würde vielleicht natürlicher sein, noch viel mehr Entwickelungsstufen innerhalb der neuen Zeit, ein allmäliges Vorwärtsschreiten anzunehmen; doch würde uns das verhindern, scharfe Unterschiede für die kürzeren Epochen aufzufinden.
Bei einem Nebenblicke auf die gleichzeitig aufgetauchte Thierwelt der neuen Periode verdient diese ihren Namen der tertiären (der dritten) nicht minder, wie hinsichtlich der Gebirgsbildungen des geschichteten Gebirges und der Pflanzen. Das ganze geschichtete Gebirge zeigte bis hierher eine dreifache Theilung: ein primäres Gebirge oder Grauwacke, Steinkohlen- und Kupferschiefergebirge; ein secundäres oder die Bildungen des bunten Sandsteins, Muschelkalkes, Keupers, Lias, Ooliths, Juras und der Kreide; ein tertiäres oder die Bildungen der Braunkohlenlager, der Molasse und des Diluviums. Mit dieser Dreitheilung der Gebirgsbildung ging eine ähnliche der Pflanzenschöpfung Hand in Hand: im primären Gebirge das Reich der Acrogenen oder Kryptogamen, im secundären das der Gymnospermen oder Nacktsamer, im tertiären das der Angiospermen oder Hüllsamer. Ebenso in der Thierwelt. Diese feierte in der Zeit des primären Gebirges die Periode des thierischen Wasserlebens, in der Zeit des secundären Gebirges die Periode des Amphibienlebens, in der Zeit des tertiären Gebirges die Periode des Land- und Luftlebens.
Die Gestalten riesiger Eidechsen sind verschwunden. Freier hebt das Thier wie die Pflanze das Haupt zum geklärten Lichte empor. Liebliche Insekten durchschwirren die Luft; um so mannigfaltiger, je reicher die Entwickelung der Blumenwelt, ihrer reizenden Wiege, von Statten ging. Wie die Pflanzen, zeigten auch sie ein seltsames Gemisch von Formen heißer und gemäßigter Länder; ein Beleg mehr für die harmonische Entwickelung der Schöpfung. Sie zeigt sich auch in allen niederen und höheren Thierstufen, den: ersten Blicke aber sofort in den Gestalten der Vierfüßler. Wie fast sämmtliche Pflanzentypen der Gegenwart in der tertiären Periode in einem einzigen Gebiete vereinigt waren, während sie in der Schöpfung der Gegenwart sich charakteristisch genug nur bestimmten Erdgürteln anvertrauteu, also auch damals die Thierwelt. Neben der edlen Gestalt des Rosses jagt brausend die plumpe des Rhinoceros, neben schlanken Hirschen das riesige, schwerfällige Mastodon, ein Elephant. Wo dickhäutige Tapire und andere schweinsartige Verwandte den Urwald durchwühlen, lauert in unheilverkündendem Schweigen, seiner Kraft sich bewußt, der Löwe. Blutdürstigen Blickes lauert in sicherem Versteck hier des Tigers buntfleckige Gestalt, dort geht die genügsamere Hyäne, der Aasgeier der Vierfüßler, nach dem Aase, das vielleicht Tiger und Löwe gesättigt zurückgelassen haben. Wilde Leoparden folgen ihnen, nicht minder furchtbar an Kraft und Gebiß. Selbst über die Gewässer hatte sich bereits die Riesenwelt der Säugethiere verbreitet. Mächtige Flossensäugethiere, die Walfische und Delphine der Vorwelt, durchzogen, wie noch heute den Orinoko und Ocean, die süßen und salzigen Gewässer der neuen Zeit, und das riesige Dinotherium, gleichsam das Walroß der Vorzeit, legt noch heute Zeugniß ab von der Majestät der Schöpfung Deutschlands in jener Zeit durch seine wohlerhaltenen Ueberreste. An dem Zusammenfluß des Mains und Rheins, in der Gegend von Mainz, sonnte es sich am Gestade und bewegte sich mit seinen beiden abwärts geneigten Stoßzähnen schwerfällig von dannen. Wie majestätisch aber auch alle diese Riesengestalten sein mögen, die gern übertreibende Phantasie hat auch sie meist riesiger dargestellt, als sie wirklich waren. Es ist wahr, daß die Säugethiere Europas und Amerikas in der tertiären Zeit ganz andere und riesigere waren, als gegenwärtig; allein riesiger als unsere jetzt lebenden Riesenthiere waren auch sie nicht. Mit Einem Worte, die Erde konnte zu keiner Zeit über Maß und Organisation ihrer Geschöpfe hinausgehen, als sie in der Gegenwart noch immer zeigt; denn es sind ja, wenn auch in verschiedenen Zeiträumen, doch immer dieselben Stoffe und Kräfte, welche unter denselben oder ähnlichen Bedingungen zu schaffen hatten.