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Wie die Gräser, geben auch die Farrenkräuter der Landschaft den Ausdruck der Leichtigkeit und Anmuth in ihren leichtbewegten federartigen Wedeln Sie verbinden hiermit zugleich den Ausdruck des Zarten und Zierlichen, wenn diese Wedel, wie es meist der Fall, fiederspaltig getheilt und zerschlitzt sind. Unendliche Einfachheit bei unendlicher Mannigfaltigkeit zeichnet sie vor allen Gewächsen der Erde aus; denn fast immer läßt sich der Wedel auf die schöne Grundgestalt einer Feder zurückführen. Wo das aber auch nicht der Fall, vereinigen sich andere Eigenschaften, die Farren zu den reizendsten Typen der Pflanzenwelt umzugestalten. Vor Allem zeichnen sich die Farren dadurch aus, daß sich ihr Laub selbst in Früchte auflöst und diese Fruchtbildung genau mit der Äderung des Laubes zusammenhängt.
Da die Farrenform eine so wesentlich bestimmende im Landschaftsbilde ist, so verlangt, das eine etwas nähere Betrachtung; um so mehr, als sie auch unserer Heimat nicht unwesentlich eigen ist. Wenn auch der Farrenwedel meist in gefiederter Form auftritt, so durchläuft er doch einen ganzen Formenkreis, ehe er zu der Fiedergestaltung gelangt. Bald ist er, je nach der Art, ein Kreis, eine Ellipse, ein Trapezoid, eine Zunge, eine Lanzette, ein Band, ein Keil u. s. w.; bald ähnelt er, aber immer in flacher Farm, dem Geweihe eines Hirsches, einer Hand, einer Säge u. s. w., stets von einer entsprechenden Äderung begleitet. Dieselbe tritt meist so auffallend aus der Fläche hervor, daß sie wesentlich den Charakter der Farrenart bestimmen hilft. Bald sind die Rippen einfach, gablig verzweigt oder mehrfach getheilt, bald netzartig verwebt. An ihren Enden verdicken sie sich und schwellen so bedeutend an, daß hier sich ein Fruchthäufchen entwickelt. Dadurch wird die Rippe zum Fruchtträger und die Stellung der Fruchthäufchen hängt folglich genau von dem Verlaufe der Rippen ab. Diese Häufchen finden sich meist auf der Rückseite des Wedels oder an den Rändern desselben, oder das Laub löst sich vollständig in 'Fruchthäufchen auf und bildet eine Art Aehre, aber in so mannigfacher Weise, daß man bisher bereits gegen 100 verschiedene Arten dieser Fruchtstellung, mithin ebenso viele Gattungen oder Typen beobachtete, die wesentlich auf diesem Zusammenhange der Frucht mit der Äderung beruhen. So groß aber auch innerhalb dieser Combinationen die Verschiedenheit werden mag, der allgemeine Charakter der Farrenform geht nie verloren; wer auch nur ein einziges Farrenkraut gründlich kennt, wird die übrigen schwerlich verkennen. Die Gestalt des Wedels, die Art des Rippennetzes, die Form des Fruchtstandes und die Weise des Fruchtbaues sind die vier Elemente, aus denen die Natur einige Tausend Farrenarten combinirte. Wie sie das that, mögen einige Beispiele bezeugen. Sehr einfache oder nur gablig getheilte Rippen zeigt uns Angiopteris angustifolia von den Philippinen (Fig. a), Marattia laxa aus Mexiko (Fig. c), Adiantum tenerum von Jamaika (Fig. b) u. s. w. Doppelt gablige Rippen vertreten Davallia heterophylla (Fig. f) von Java, Lygodium polymorphum (Fig. d) aus Surinam, Lindsaya trapeziformis ebendaher (Fig. i), Scolopendrium officinarum oder die Hirschzunge unserer Heimat (Fig. g). Fiederspaltige Rippen zeigt Diplazium extensum von den Philippinen (Fig. h), netzartig verzweigte Antrophyum obtusum aus Java (S. 198). Bei fleischartigen Wedeln, die sich ganz in Früchte auflösen, bleiben sie unsichtbar. So bei Schizaeadichotoma aus Ostindien (Fig. e), einer Form, welche eine ganze Reihe ähnlich gebildeter Farren vertritt. Man bemerkt, daß die Form der Fruchthaufen außerordentlich charakteristisch wird. Bald erscheint sie in der Gestalt von Punkten, bald als schmales Band am Saume des Laubes, bald als Knöpfchen oder als Aehrchen an derselben Stelle, bald als dickes Würstchen, bald als ein minutiöses Hufeisen oder als Halbmond, bald als Kapsel u. s. w.
Durch diese außerordentliche Mannigfaltigkeit des Fruchtstandes bei aller Einfachheit des Laubes hat die Farrenform zu allen Zeiten und bei allen Völkern die größte Aufmerksamkeit erregt; eine Aufmerksamkeit, die nicht selten ins Mystische umschlug. Weichen doch die Farren von fast allen Gewächsen seltsam genug ab, daß sie ihre Früchte unmittelbar aus dem Laube entwickeln! Ahnte man doch früher kaum, daß dies überhaupt die Früchte des Farrenkrautes seien! Hielt man doch im Mittelalter oder zur Zeit Shakspeare's dafür, daß nur ein Auserwählter in der geheimnißvollen Johannisnacht, durch besondere Gnade geheimnißvoller Mächte und durch besondere Beschwörungsformeln begünstigt, einiger Körner des Farrensamens theilhaftig werde, um mit Hilfe dessen, der sich dem unsichtbaren Auge vermöge seiner mikroskopischen Kleinheit zu entziehen weiß, Schlösser aufzusprengen und sich selbst unsichtbar zu machen, oder was dergleichen Ideale damaliger Zeit mehr waren! Gegenwärtig freilich, wo das Mikroskop auch dem Farrenkraute Shakspeare'scher Hexen und Elfen das Wunderbare entrissen, ist es gerade wegen der lieblichen Fruchtformen und der Eleganz seines Laubes eine Lieblingsform unserer Gewächshäuser geworden, und mit Recht. Wenn die Natur z. B. bei den Orchideen gleichsam Alles aufbot, um die Form des Bizarren zu erschöpfen, so hat sie bei den Farren das Möglichste gethan, um im Einfachsten am größten zu sein.
Es gibt, die Algenwelt etwa ausgenommen, kaum eine andere Pflanzenfamilie, in welcher eine so unendliche Zierlichkeit in der Ausarbeitung des Laubes und der Frucht bemerkt würde. Nm so magischer wirkt diese Form der höchsten Zierlichkeit, je höher sich der Stamm der Farren erhebt. Alsdann wetteifert er, wie wir schon bei Betrachtung der Steinkohlenperiode (S. 115) fanden, mit der anmuthigen Palmenform und macht ihr den Rang unter den Gewächsen der Erde ernstlich streitig. Wenn der Stamm sich zu der ansehnlichen Höhe von 30-50 Fuß erhebt und aus seinem Gipfel mehre Fuß lange breite Wedel Hervorbrechen, um sich palmenartig in anmuthigen Schwingungen entweder wie die Speichen eines Rades auszubreiten oder in weiten Bogen zur Erde träumerisch herabzusenken – dann erscheint dem darunter Verweilenden das blaue heitere Himmelsgewölbe der Tropenländer noch tiefer gefärbt, als es sonst schon ist, und er glaubt auf Augenblicke, hiermit das schönste Landschaftsbild der Erde gesehen und genossen zu haben. In der That übertrifft diese Farrenform an magischer Wirkung alle Gewächse. Weniger schön, sondern düster ist dagegen der Eindruck, den sie erwecken, wenn sie sich auf die Erde in den Schatten flüchten, um als ächte Schattenpflanzen zwischen Felsblöcken oder an den Quellenrändern ihr Leben zu verbringen. Auch wenn sie wie in Neuseeland weite zusammenhängende Fluren bilden, erregt ihr Anblick den Eindruck des Unfruchtbaren. Nur wo sie, vom heiteren Lichte des Tages umspielt, Fels und Boden bewohnen, sind sie die freundlichen Boten einer Zeugungskraft, die selbst die unfruchtbarste Felsenbrust belebt.
Wo sie aber wie freundliche Dryaden in der heißeren Zone sich selbst auf die Bäume verlieren, um in Gemeinschaft mit Moosen, Orchideen, Aroideen und vielen andern parasitischen Gewächsen zur Verzierung des Urwaldes beizutragen, da sind sie gleichsam die lockenden Formen, die das Auge durch Zierlichkeit, leichte Beweglichkeit und anmuthigen Bau, oft in dichten Polstern anderer Pflanzen tief versteckt, unaufhörlich auf sich hinlenken. Unter diesen sind die hängenden Arten die charakteristischesten. Sie erreichen in Acrostichum biforme und alcicorne (s. Abbild. S. 199) aus Java ihre größte Bizarrerie; denn diese sind es, welche in Hirschgeweihform hängend auftreten und durch ihre dicken, fleischigen Wedel, ihre seltsame Form und die großen schildförmigen Vorblätter, aus denen die Wedel entspringen, den Wanderer zum Staunen nöthigen. Dazwischen hängen lange Bänder büschlig ebenso seltsam herab. Auch sie sind eine Farrenform, der Typus der Vittarien. Sie gleichen eher dem Blatte irgend eines schwebenden Grases, als einem Farren, und vermehren die Bizarrerie der Farrenform nicht unwesentlich. Die gemäßigte Zone kennt solche Formen nicht, und in der That ist die Farrenwelt vorzugsweise auf die schöne milde Region angewiesen, welche auch die Heimat der bäumebewohnenden Orchideen ist.