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Tun die Himmel sich auf und regnen, so träufelt das Wasser
Über Felsen und Gras, Mauern und Bäume zugleich.
Kehret die Sonne zurück, so verdampfet vom Steine die Wohltat:
Nur das Lebendige hält Gabe der Göttlichen fest.
Goethe
Meine liebe Freundin!
Ob ich noch lebendig sei?
Wie schmerzlich fragender Harfenton kommt das aus den Wäldern des »Elfenlandes« und besucht mich hier in der wohltätigen Stille Weimars. Es ist mir ein kleines Fest, Ihnen zu antworten. Werden Sie aber auch vorlieb nehmen?
Menschheitsfragen denk' ich nach und forme sie, wie es eben glückt. Und wenn es Ihnen recht ist, so lassen Sie mich Ihnen einen Duft davon in diesem Briefe senden, wie man Tannenreis oder Veilchen zum beschriebenen Papier legt.
Ich habe mir einen Sonntag in Weimar dazu ausgesucht. Von hier aus seh' ich die fernen Freunde auf ihren thüringischen Hügeln wandeln. Auf Hügeln scheint mir der Feiertag besonders festlich. Denn in ihren Hügeln und Bergen reckt sich die Erde gleichsam empor und sucht der Sonne näher zu kommen. Auf den lichtnäheren Hügeln pflanzten daher die Menschen, als der religiöse Gestaltungsdrang noch ursprünglich war und wuchtige Formen verlangte, ihre Sonnentempel, ihre Druidenaltäre und Gotteskirchen. Aus den Glockentürmen dieser Kirchen steigt heute noch, wie ein Duft aus Blumenstengeln, metallener Klang hinaus ins Weltall und hinunter in die Wohnstätten der Menschen.
An Sonntagen ist die Lufthülle der Erde stiller als sonst oder doch melodischer als sonst. Die Werktagsgeräusche sind verstummt, und statt ihrer schwingt die Luft in den Schallwellen vieler Glocken und Gesänge. In England, wo sogar die rauhen Laute der fahrenden Eisenbahnen am strengen Sonntag aufhören, spürt man das noch mehr. Wenn man morgens die Fenster öffnet, zieht mit der wohllautvollen, schwach bewegten Luft der Tag des Friedens mit gradezu auffallender Ruhe in Sinn und Seele ein.
Ich habe mir den Frieden dieses mild-melodischen Sonntags ausgesucht, verehrte Freundin, um Ihnen zu verraten, – daß ich zwar auf ein Weilchen verschollen, aber hoffentlich im tieferen Sinne des Wortes »lebendig bin«.
Hören Sie also einiges aus meinen: Tagebuch!
* * *
Weimar ist heute sonnig und heiter. Farbenüberfluß zittert aus der Sonne herab in alle Gassen und Ecken, hängt sich an alle Fenster und wo sonst noch etwas zu glitzern vermag, reitet auf Giebeln und schreit in lärmenden Spatzen von allen Morgendächern. O Sonne von Weimar, lächle auch mir!
Ich hatte in der Nähe des Parkes übernachtet. Einer meiner ersten Blicke heute früh fiel auf das Bronzestandbild des Mannes, der sich die Losung »Licht, Liebe, Leben« über sein Wirken gesetzt (Herder), vor dem dunkelgrauen, angestäubten Dom.
Dahinter aber, jenseits des menschenleeren Domplatzes, betrete ich nun den Park von Weimar, den ich in der gestrigen Regennacht in so seltsamer Zwiesprache durchwandert habe. Schon seit Stunden rufen hier die Amseln. Die Gräser und Dolden läuten schon lange die leisen Sonntagsglöckchen. Mücken schwirren, Spinnen klettern, Tautropfen blinken, das innige Leben des betauten und noch regenfeuchten Morgengrases fing längst sein Leuchten und Glitzern und Wispern an. Darüber, in den großen Bäumen, geht der ruhige Hauch der Morgenluft langsam hin und her. Es pulsiert hier alles mit der Lebensenergie einer Beethovenschen Symphonie.
Ihr kennt die eigentümliche, den Körper wohlig überrieselnde Prickelkühle, mit der man in ohnedies höher gespannten Reisetagen aus einer guten Nachtruhe in reinliche Morgenfrische hinaustritt. Alles ist blank gewaschen wie der Mensch selbst. Die Natur ist wie ein lachendes Mädchen, das mit hübsch angekämmten Haaren, festgebundenen Zöpfen, kühlen Händen, hell und rein ins Zimmer tritt, in dem schon die Familie beim Frühstück wartet: ein Leuchten geht durchs Zimmer bei ihrem Eintritt. Wir sind verjüngt an solchen Morgen, Unternehmungslust und Neugier auf die Überraschungen des Tages sitzen uns in Augen und Gliedern, ein großer Zug ist unserer Phantasie eigen.
So zog ich in dieser Morgenfrühe durch das reinliche Weimar.
* * *
Hell und schmuck lächelt heute Goethes Gartenhäuschen herüber, gar nicht erblichen, gar nicht tot, nein, so natürlich und freundlich wie alle anderen Gegenstände in diesem klaren Morgenlicht. Die Wiesen sind von Taukügelchen und Spinnennetzen auf das entzückendste überglitzert. Zärtlich weben und wispern die Schimmergebüsche am Rande der Ilm. Diese selbst aber hat noch trübe Augen, sie kommt von Kammerberg und Ilmenau, aus den verweinten Gebirgen. Es flüstern Grazien und Sylphen durch diesen wehenden Morgen, es fliegt um mich her, die Luft ist voll holder Geheimnisse.
Und hier, was grüßt mich in Menschensprache vom Felsen? Es ist ein Spruch, eingemeißelt in eine Tafel. Diese Verse haben gestern einen feinen Trost in meine Seele geworfen, als ich neben einem plaudernden Freunde schweigsam durch diesen Parkwald schritt. Nun steh' ich im Sonnenflimmer vor demselben Wort, das in mancher Zeile merkwürdig in meine Tage paßt:
Die ihr Felsen und Bäume bewohnt, o heilsame Nymphen,
Gebet jeglichem gern, was er im stillen begehrt!
Schaffet dem Traurigen Trost, dem Zweifelhaften Belehrung,
Und dem Liebenden gönnt, daß ihm begegne sein Glück!
Denn euch gaben die Götter, was sie dem Menschen versagten,
Jeglichem, der euch vertraut, tröstlich und hilfreich zu sein.
»Was sie dem Menschen versagten –« wie weh das klingt! Sollten wir nicht solchen, die uns vertrauen, ebenso tröstlich und hilfreich sein können wie die Buschnymphen des Parkes? Weshalb nicht? Etwa weil wir nicht mächtig genug sind? Oh, an Trost und Hilfe, was gibt es Stärkeres als ein Menschenherz! Oder vielleicht – weil wir einander zu wenig vertrauen?
All ihr Menschen von Wert, laßt uns einander festhalten mit dem Herzen, wie die Sonne ihre Planeten festhält, wie von Gestirn zu Gestirn und von Mensch zu Mensch ein elektrisches Spannungsverhältnis herrscht. »Edel sei der Mensch« – nicht nur die Nymphe des Parks – »edel sei der Mensch, hilfreich und gut!« Viel stärker ist die Künstlerkraft des reingestimmten Herzens als alle Nymphen und Dryaden, als alle Grazien und Sylphiden. Es ist ja nur Umschreibung und Keuschheit, wenn wir diesen von unserem heißen Atem belebten Geschöpfchen Kräfte zuschreiben, die uns selber zu eigen sind. Wir selber, wir Menschen – das Göttliche in uns – wir selber sind Götter, Heroen und Elfen und müssen an unserem eigenen Teile vollbringen das schwere Werk der Verklärung und Vergeistigung dieser Erdmasse. Niemand befreit uns davon. Gott ist in uns, wirkt durch uns, wir sind seine Sendlinge und Gehilfen, seine Arme und Hände.
* * *
Ein Sonnenrausch zog in den Wanderer ein. Und der Sonnenrausch wuchs von Fels zu Fels, von Baum zu Baum. Was für stattliche Buchen stehen da oben im Park! Sie dehnen sich in die Himmelsluft, diese Großen der Natur, wie sich die Großen des Geistes dehnen im nährenden Lichte der Ewigkeit.
»Ich muß wirken, solange es Tag ist«, hat der Größte gesagt. Und: »Jede Minute ist Repräsentant der Ewigkeit«, weiß Goethes tätige Beschaulichkeit. »Jetzt oder nie! so muß die Ehre immer sprechen« – ruft der raschblütige Arndt – »ihre Stunde, ja ihre Minute ist immer da! Sie kann nicht verschieben, sie darf nichts von der Gelegenheit und dem Zufall hoffen, ihr Gesetz bleibt immer das kurze und runde: Tue, was du mußt, siege oder stirb, und überlaß Gott die Entscheidung!« Und gleich diesem Deutschen aus dem Zeitalter Fichtes bestätigt auch der Amerikaner Emerson: »Der Held muß sich überall zu Hause fühlen, wo er auch sei, und durch seine eigene Sicherheit allen anderen Behagen einflößen. Der Held darf er selbst sein.« Ja, in sich selbst ruhende Sicherheit, gegründet in der Ruhe und Reife der geläuterten Persönlichkeit – das ist Grundton dieses germanisch-tapferen Lebensliedes. Wie sagt Luther? »Wir sind alle zum Tode gefordert, und es wird keiner für den andern sterben, sondern jeder muß in eigener Person geharnischt und gerüstet sein, mit Teufel und Tod zu kämpfen.« Diesen Grundwert der Persönlichkeit beansprucht der Weimarer Schiller in allererster Reihe für den Künstler und Dichter – in uns allen freilich ist ein Künstler, und wir alle sollten Kunstwerke sein –: »Lebe mit dem Jahrhundert, aber sei nicht sein Geschöpf! Leiste deinen Zeitgenossen, aber was sie bedürfen, nicht was sie loben! … Den Stoff zwar wird der Künstler von der Gegenwart nehmen, aber die Form von einer edleren Zeit, ja jenseits aller Zeiten, von der absoluten, unwandelbaren Einheit seines Wesens. Hier aus dem reinen Äther seiner dämonischen Natur rinnt die Quelle der Schönheit herab, unangesteckt von der Verderbnis der Geschlechter und Zeiten, welche tief unter ihr in trüben Strudeln sich wälzen … Wie verwahrt sich aber der Künstler vor den Verderbnissen seiner Zeit, die ihn von allen Seiten umfangen? Wenn er ihr Urteil verachtet. Er blicke aufwärts nach seiner Würde und nach dem Gesetz, nicht niederwärts nach dem Glück und nach dem Bedürfnis!«
Goethe-Schiller bilden ein Ganzes. Ich glaube, Schillers heißeres Blut hätte uns in den politischen Jahren 1806 und 1815 Töne von Metallklang gefunden, er hätte vielleicht den beschaulicheren Goethe, der »sein Innerstes bedachte«, auch hierin angeregt und mitgerissen. Und ich kann mir denken, daß aus einer Vereinigung von Schillers zugreifender und Goethes beschaulicher Art eine bedeutende Edelgestalt auch heute noch wachsen könnte: Starkes und Zartes, Gedankenhartes und künstlerisch Feines, dramatisch Mannhaftes und lyrisch Weiches – kurz, Heroismus und Idyll innig vereinigend. So wie sie jetzt nebeneinander stehen, ist freilich der ausgereiftere und reichere Goethe der größere Dichter, Künstler und Seher. Aber wir wollen beiden dankbar sein.
* * *
Ich war vor Goethes Wohnhaus angekommen. Man steigt einige Stufen hinauf und betritt einen geräumigen Treppenflur. Gemächlich schreitet man die bequeme, vornehm-breite, nicht hohe Treppe empor und befindet sich nun einigermaßen hilflos zwischen vielen aufgehängten und aufgestellten Kunstgegenständen. Es ist in solchen Museen viel Belehrendes und Fesselndes, was von Gegenstand zu Gegenstand Aufmerksamkeit heischt. Aber es ist mitten in der Sonnenlandschaft und der Wanderstimmung ein Studium, kein unmittelbares Erlebnis seelischer Art, also eine Sache für sich, über die ich hier nicht zu sprechen gedenke.
Erst in Goethes Studierzimmer, das vom wohlgefüllten Garten umblüht ist, schoß wieder die warme Blutwelle persönlicher Anteilnahme in mein Empfinden ein. Ich fühlte Goethes persönliche Nähe. Ich stellte nur ihn fast als leibhaftig und wirklich vor: jetzt geht er im Zimmer auf und nieder, jetzt steht er am Fenster still, schaut in das andringende Blühen hinaus und streut den Vögeln Futter. Nun dreht sich der ruhige Mann herum und spricht in einer wohlklingenden Stimme, mit etwas Frankfurter Mundart, freundliche Worte. Er stäubt die Fingerspitzen ab und entnimmt einem nahestehenden Körbchen ein großes Taschentuch, womit er flüchtig über Gesicht und Hände fährt, legt es wieder hin und wandelt in halbem Selbstgespräch auf und ab, immer die Hände auf dem Rücken. Plötzlich wich ich erschrocken aus dem Türrahmen, denn der hohe Friedrich Schiller trat lebhaften Ganges ein, schüttelte dem angenehm überraschten Freunde die Hand und ließ seine helle, halbschwäbische Mundart das sommerstille Zimmer beleben. Sie wandelten nun beide auf und ab, Goethe mehr innerlich erregt und erfreut, die Hände auf dem Rücken, Schiller mit lebhaftem Gebärdenspiel …
Als ich wieder draußen stand, hatte ich genau dieselbe Empfindung wie nach einem bedeutenden Besuch: »Du hast bei Goethe und Schiller einen Besuch gemacht.« Völlig traumbefangen, mit hochgefülltem Herzen wanderte ich durch blanke Straßen, an Schillers Haus und an dem Standbild der beiden Heroen vorüber – auf Umwegen wieder hinaus in den lebendigen Park. Ich bin bei Goethe gewesen! Das durchdrang mich bis ins Mark.
Das war also Goethe – dessen Werke in drei altmodischen Lexikonbänden, neben Schillers Werken, als fast einzige deutsche Bücher in meines Vaters französischer Bibliothek gestanden haben! Der Duft jenes alten Papiers, wenn ich die staubigen Bände aufschlug, stieg wieder empor; ich sah den unentwickelten Knaben auf dem Dielenboden kauern und mit fremden Augen in diese Welt deutscher Kultur staunen; ich sah das Vaterhaus in den Hopfen- und Obstbaumgärten, sah die Wirrnisse der Jugend, die Kämpfe des Jünglings, vieles, vieles …
Und nun stehe ich als Mann in Weimar! Frei! In welche Freude bricht mein Herz aus! O, ihr Hügel meiner Heimat, ihr stahlblauen Gebirge, ihr Abendröten des äußersten deutschen Grenzlandes – ich bin frei! Hier habe ich jetzt eben in Goethes Zimmer gestanden, den Hut in der Hand, und ich weiß, ich habe errungen, was meiner Jugend glühender Wunsch war, ich darf sein und bleiben in den Hallen und Hainen deutscher Dichtung, mir steht dies deutsche Land und alle Fernen und alles Weltall herrlich offen!
Noch neckischer und toller sprangen mich im Park die Geisterchen des Lichtes an, die mich vor einer Stunde mit Melodien umtanzt hatten. Selbstverständliche Gewißheit nahm von meinem Wesen Besitz, eine Gewißheit, die ihr alle zwar in der Theorie kennt und innehabt, die aber nur in wenigen ein erschütterndes Lebensereignis wird, die feste Gewißheit: »Nicht an Ort und Namen ist das ewige Licht gebunden: greif zu, Freund, du selbst bist berufen, Flamme zu sein!«
* * *
Ja, du selbst! Jeder, der diese Worte liest!
Frage nicht lang: handle, strahle dich aus, da, wo du stehst! »Niemand lasse den Glauben daran fahren, daß Gott durch ihn eine große Tat tun will!« ruft der anfangs so verzagende Luther. »Du mußt ohne alles Wanken und Zweifeln Gottes Willen über dich ins Auge fassen und fest glauben, daß er auch mit dir große Dinge tun will!« Die goldene Zeit ist nicht vorüber, verkündet Goethe durch den Mund der Prinzessin von Ferrara, denn »die Guten bringen sie zurück«. Und Schiller:
Freund, du kennst doch die goldene Zeit? Es haben die Dichter
Manche Sage von ihr rührend und kindlich erzählt.
Aber die glückliche Zeit ist dahin! Vermessene Willkür
Hat der getreuen Natur göttlichen Frieden gestört.
Nur in dem stilleren Selbst vernimmt es der horchende Geist noch,
Und den heiligen Sinn hütet das mystische Wort.
Hier beschwört es der Forscher, der
reines Herzens hinabsteigt,
Und die verlor'ne Natur gibt ihm die Weisheit zurück –
– und zum Schluß dieses Gedichtes vom »Genius«: » Einfach gehst du und still durch die eroberte Welt!« Ja, wir sind die Welteroberer, wir die weltverklärenden »Guten«, die jene goldene Zeit schon damals geschaffen haben, wie wir sie jetzt schaffen, immer wieder wir Menschen von künstlerisch-geistiger Prägungskraft. Von großen Herzen und lichten Geistern geht bessere Leuchtkraft aus als all dieser Morgenglanz. Habt Mut und übt euch an den Großen von Weimar, die mehr waren als Dichter, weil sie zugleich Seher und Weise waren: habt den größeren Mut und setzt euch das kühne Ziel, ein neues »Weimar« zu errichten, in das nicht nur das Idyll des Thüringer Waldes lieblich herüberrauscht, an das vielmehr des Ozeans Brandung donnernd anschlägt und euch erzieht zu heroischer Lebensauffassung!
Unser Erdendasein ist nur ein Wetterleuchten –, mehr als je empfinden wir in einer Zeit von raschem Pulsschlag diese alte Weisheit; der Vorhang des Himmels fällt wieder zu, und wir sind dahin. Unser Erdendasein ist das Vorüberfliegen eines Meteors, wie schon so oft gesagt ward: jenseits, woher wir kommen, war Unendlichkeit, jenseits, wohin wir fliegen, wird wieder Unendlichkeit sein. Während unseres Vorüberfliegens lassen wir einen Schimmer aus den Lichtreichen, woher wir flogen, auf diese Erde fallen – – und der Name eines solchen Schimmers ist »Weimar«.
* * *
Meine ferne Freundin, da haben Sie also nun einiges aus meinen hiesigen Stimmungen. Ich »mache« nichts Besonderes, wie Sie sehen, ich lasse mich unter dem Einfluß Weimars einfach wachsen, wie der Baum bei guter Besonnung wächst. Es sind Blätter der Selbstermunterung; es ist ein Übergang in einen neuen Zustand, wobei es ohne gelegentlichen Überschwang in Gefühl und Ausdruck und auch wohl ohne ein leis dahinter bebendes Fieber nicht immer abgehen mag. Ich erinnere Sie an jene beiden Bilder von Dürer in meiner Thüringer Waldwohnung: – der »Ritter«, der abenteuernd mit Tod und Teufel durch die Lande reitet, will einkehren zu »St. Hieronymus im Gehäus«, dessen fleißige Stille das niedere Getier einschlummern läßt, während das höhere Licht um so stärker aus seinem Haupte leuchtet. Es wäre zu wünschen, daß sich diese beiden Zustände miteinander vertrügen.
Und nun – nicht ade, nein: auf Wiedersehen auf der Wartburg!
Und noch eins: als ich einmal gedankentrüb von der Schmücke nach dem Schneekopf ging, fiel mein Auge auf einen rundlichen, unscheinbaren, graufarbenen Stein von Nußgröße, der mitten auf meinem Wege lag. Ich wußte gleich: eine »Schneekopfkugel«! Rasch war der Stein auseinandergeklopft – und ein wasserklarer Kristall lächelte mich an.
Unser äußeres Leben mag herb sein und manchen Witterungen ausgesetzt: – aber in unserem Innern ist gefangenes Licht.