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Irmgards Lachen

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. Wenn ich doch wieder einmal so recht aus Herzensgoldgrund herauf lachen könnte wie diese kleine Irmgard! Nicht spöttisch lachen, nicht wehtun, nein, planlos fröhlich sein, hüpfen und pfeifen und Hut in die Lüfte werfen aus närrischer Freude am Lebenstand! Purzelbaum schlagen die lustigen Wiesen hinunter, mit Händen und Zeigefinger und großen Augen eindrucksvoll meine stumpfen Kameraden mit fortreißen in unbetretene Märchenländer, selber als Märchenhans durch verzauberte Wälder wandern, arm wie eine Kirchenmaus und doch im Herzen Helme und Schilde voll Rheingold!

O Ringel-Ringel-Reihn wildfröhlicher Jugendzeit! O ihr lieben Märchengestalten, Rumpelstilzchen und Allerleirauh und königliche Gänsehirtin – »o du Falada, da du hangest« –, Waldhäuschen in den Ländern hinter Sonnenuntergang, wunderlich Wurzelwerk im wilden Wald! …

Komm einmal her, Klein-Irmgard! Sag mir doch, du blondes, grundgutes Menschengeschöpfchen, sag mir einmal recht ernsthaft, wie stellst du's denn an, daß du immer so prächtige Vorwände zum Lachen findest?

»Hast du viele Sorgen?«

Sorgen genug!

»Wirf sie fort!«

Topp, ein vortrefflicher Einfall! Also, liebe Sorgen, leidige Sorgen, seid des Dienstes mit Dank entlassen! Und schließt euch gleich an, ihr »reifen« Gedanken, ihr Huckepack und Alpdruck, – springt ab! Denn seht, ich will wieder froh sein! …

Sag einmal, Irmgard, was trägst du denn da für ein seltsam Panier auf deinem zerknitterten Mädchenhut?

»Eine Gänsefeder.«

Ei, ei, Kleines! Gänseblümchen sind bereits deine Lieblingsblumen; und nun auch noch Gänsefedern?

»Da hast du sie! Schreib deine Werke damit!«

Schmollt mein Knirpschen? Ach was, schmollen! Irmgard lacht!

Und so sitz' ich denn am Tisch der Gartenhütte und schreibe dies Tagebuchblatt mit Irmgards Gänsefeder.

Ich schreibe mit Irmgards Gänsefeder eine feierliche Phantasierede an die ehemalige Besitzerin: eine Rede über das Lachen.

* * *

Denn sieh, mein Lachtäubchen: schon grundgediegene Männer, die Herz und Schwert auf dem rechten Fleck trugen, haben den Wert des Lachens dargetan. »Niemand taugt ohne Freude«: vier klare, feste Worte, gesagt und gesungen von Walther von der Vogelweide, der lange vor uns, liebe Thüringerin, euren Rennstieg entlang zog. »Heiterkeit und Freudigkeit ist der Himmel, unter dem alles gedeiht, Gift ausgenommen«: prächtig geformte Worte vom Mainfranken Jean Paul, der sein Leben lang ein genialer Kindskopf blieb. »Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden«, sagt der größte Mensch und Dichter, der in diesem Thüringen geliebt hat: Goethe.

Was aber sagen wir denn selbst? Wir möchten über das Lachen gleich eine ganze Symphonie dichten. Denn aus allen Genien leuchtet ja ein überweltlich Lachen über die Welt hin. Die Götter Homers lachten schon so laut, daß der Olymp dröhnte; und die Kraft dieses Götterlachens tragen alle göttlichen Sendlinge in sich. Das Wort »sonnig« und das Wort »lachend« sind gute Geschwister: der Sonnengott Apollo geht heiter über die Welt, seine Pfeile klirren bei jedem Tritt wie Melodie, und wer aus dem Licht stammt, hat Lachen und Pfeileklirren im Lebensschritt. Dies eingefangene Licht strahlt aus Taten und Worten und Lebenshaltung sonnenstarker Menschen in die Mitwelt aus und macht durch Anstrahlung jeden stark, der schwachen, aber guten Willens ist. Jeder Held ist voll verhaltener Freude. Siegfrieds Waldhorn ist ein Auflachen des verzauberten Waldes. Fällt Siegfried durch den finsteren Tronjer, so fällt die Sonne, so fällt der Tag. Aber auch in Hagens nächtlichem Trotz hör' ich ein Lachen, erst recht am Gegenbilde der Nacht erkenn' ich den Tag: ja, der Tag wäre nicht ohne die Nacht. Prometheus lacht am schauerlich hallenden Felsen; aus der Tragik der Griechen, aus Achilleus und Hektor, aus König Friedrichs Schlachten und Napoleons Eroberungen hör' ich ein Titanenlachen. Denn das alles sind Wege und Umwege zum Licht. Balder stirbt nur, damit wir um so besser wissen, was er uns ist, damit wir uns um so kräftiger freuen, wenn er verjüngt wieder hervortritt; und Loki, der ihn fällt, muß durch Morden des Lichtes dem Lichte dienen, – wie unsere Sorgen!

Denn unsere lieben, leidigen Sorgen stählen uns, machen uns maßvoll im Glück, machen uns gut gegen Leidende, stolz gegen Kleinigkeiten. Bleibt nur bei uns, vertraute Sorgen! Wir hoffen, euch zu Gutgesellen und Freunden zu erziehen!

Aber das reinste Lachen, erquicklicher als Gold und Licht, ist das Lachen herzensreiner Güte. Es ist das stärkste Lachen, und sei es noch so leisen Klanges. Ich meine jenes innige Frohsein, das sich mit dem All eins fühlt und darüber ganz voll Glück ist, darüber allein so voll Dank, daß ihm alle anderen Dinge nichtig erscheinen.

Solche kostbarste Freudigkeit ist Religion und Poesie zugleich, ist Wärme und Liebe, ist Sonnenkraft und Sternbewegung und alles Lebens Kraft und Inbegriff. » L' Amor che muove il sole e l' altre stelle« – die Liebe, die da Sonn' und Stern' bewegt –: der Schlußstein von Dantes schwerem Lebensbau, die Schlußzeile seines Paradiso und seines ganzen Buches.

Der mit Schöpferglut Erfüllte ist freudig und macht freudig jeden, den er berührt.

* * *

Komm wieder her, Klein-Irmgard! Laß dir sagen, mein Liebling: lache du nur dein ganzes Leben lang und laß dich ja nicht necken noch irremachen! Da, hier hast du deine Gänsefeder wieder: Gänschen sind die Schutzgeschöpfe der gnadenreichen Frau Holda. Sie sind verwandt mit den Schwänen und werden einst als Schwanjungfrauen wie die Wolkengöttin Frau Holle, die den Schnee schüttelt, im Schneesturm über die Erde fliegen. Vorerst trippeln sie wie eine Wichtelschar weißglänzend hinter Frau Perchta her, wenn die Göttin am Dreikönigstag, nach den heiligen zwölf Nächten, Umzug hält. Die emsigen Göttinnen Holle und Bertha, die den fleißigen Spinnerinnen Segen spenden, sind auch die Führerinnen der regsamen Holden, der elbischen Geister, der schimmernden Kleinen im Kinderland – – – der schimmernden Gänschen.

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