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Das furchtbare Ringen an der Somme im sechsundzwanzigsten Kriegsmonat.

Ohne Pause dauerten die schweren Kämpfe in der Pikardie auch im September 1916 an.

Am 3. September begannen sie mit erneuter Heftigkeit auf der Front Chilly– Thiepval. Die Berichte unserer obersten Heeresleitung ließen aber erkennen, daß die Gegner nach einigen Anfangserfolgen in den ersten Tagen keine merklichen Fortschritte mehr erzielt hatten. Von Thiepval bis gegen Ginchy waren die Engländer überhaupt ohne jeden Erfolg angelaufen. Bei Ginchy verlief unsere Front jetzt westlich und südlich des Ortes, lief dann über das Leuze-Gehölz zwischen Guillemont und Combles und bog westlich und südlich um Combles herum; südlich von Combles berührte sie das Anderlu-Wäldchen (nordöstlich von le Forest) und ging dann über die l'Hôpital-Ferme westlich am Marrières-Wald vorbei an den Westrand von Cléry, wo sie die Somme erreichte. Südlich des Flusses liefen unsere Linien über Buscourt–Maisonnette–westlich von Barleux–Estrées östlich von Soyecourt–westlich von Vermandovillers bis östlich von Chilly, wo sie die alte Front erreichten. Es war also den Franzosen lediglich gelungen, die linke Flanke des gegen Peronne gerichteten spitzen Keils etwas zu verbreitern. Ihr größter Raumgewinn betrug (bei le Forest) 2½ Kilometer in der Tiefe. Angesichts einer solchen Uebermacht, wie sie 28 eingreifende Divisionen verkörpern, war dieser Erfolg wahrlich nicht groß. Trotz des tagelangen schwersten Artilleriefeuers, das den feindlichen Ansturm vorbereitet hatte, hatten die deutschen Verteidiger in ihren vordersten Stellungen ausgehalten. Wie es immer in solchen Fällen geschieht, war natürlich auch diesmal ein Teil der Mannschaften und des Materials in den ersten Gräben verloren gegangen. Gerade der tapfere Widerstand bis zum Aeußersten, mit dem die unerschrockenen vordersten Grabenbesatzungen den feindlichen Angriff verzögern und schwächen, ermöglicht das Festhalten der Hinteren Linien. Wie hartnäckig die Kämpfe hin und her wogten, geht schon daraus hervor, daß auch wir in den letzten Tagen allein südlich der Somme 31 Offiziere und 1437 Mann zu Gefangenen gemacht und 23 Maschinengewehre erbeutet hatten. Nördlich der Somme wurde von uns kein einziges intaktes Geschütz verloren, nur einige fest eingebaute, die nicht mehr weggebracht werden konnten, aber unbrauchbar gemacht wurden. Die Zahl von 36 erbeuteten Geschützen, die der Gegner angab, ließ vermuten, daß er die erbeuteten Minenwerfer mitgezählt hatte. Daß der Gegner bei seinen zahlreichen fruchtlosen Angriffen außerordentlich schwere Verluste erlitten hatte, wurde in den amtlichen Tagesberichten ausdrücklich mitgeteilt. Wie lange er. noch um des Gewinnes einiger kleiner Dörfer willen seine opfervollen Stürme fortsetzen wollte und konnte, stand dahin. Aber das eine wußten wir bestimmt, daß der von ihm mit vielfacher Ueberlegenheit angestrebte Durchbruch an der todesmutigen Tapferkeit unserer prächtigen Truppen scheitern mußte.

Wir hatten demgegenüber in den ersten Septembertagen einen sehr wichtigen Erfolg vor Verdun errungen. Es handelte sich darum, die Souville-Schlucht in unseren Besitz zu bringen, nachdem sie von den Franzosen nicht nur äußerlich so hoch eingewertet worden war, sondern auch wirklich einen mächtigen Stützpunkt der feindlichen Infanterie gebildet hatte. Sie war seit Monaten mit den raffiniertesten Erfahrungen des langen Krieges ausgebaut worden, und ihr Verteidigungswert lag hauptsächlich in der Unzahl der einbetonierten Maschinengewehre. Sie hatte unsere Operationen wesentlich behindern können und galt den Franzosen als uneinnehmbar. Nun war sie in unserem Besitz. Es war den Franzosen ein peinlicher Verlust erwachsen, den wir in ihren amtlichen Berichten nicht zugestanden fanden. Die Kämpfe waren für uns nicht allzu blutig, da sie genau vorbereitet waren und planmäßig unter der glänzende» Führung mit lang erprobten alten Truppen verliefen. Die ausgezeichnete Verteidigung des Feindes vermochte den prachtvollen deutschen Anlauf nicht abzuwehren. Es fiel, was sich nicht ergab. An 500 Mann Gefangene wurden eingebracht, und der Regimentsstab und ein Bataillonsstab, die sich darunter befanden, bewiesen den raschen und weit gediehenen Vorstoß des Tages.

Die Ereignisse hatten in den nächsten Tagen dem Gegner zwischen Maurepas und der Somme unsere vorderen Gräben gegeben, oder besser, ein Chaos von Sand und Stein und Erde, wie es die Millionen von Granaten in den letzten Tagen geschaffen hatten. Französische, englische und amerikanische Geschütze jeden Kalibers und eine ungewöhnliche Anzahl von Schiffsartillerie waren seit Wochen hierher zusammengezogen. Die Munition war in einer noch nie dagewesenen Menge aufgestapelt; der Feind hatte zu einem artilleristischen Hauptschlag gerüstet. Das Feuer hielt schon seit Tagen in dem starken Takt an, den ihm der moderne Krieg gegeben hatte. Das Trommelfeuer tobte die ganze Sommefront entlang, aber es war immer noch der Beginn, der schwächere Anfang zu dem tollsten Geschützfeuer, das die Welt je erlebte. Es sind wohl noch nie und nirgends Geschütze in einer derartigen Masse zusammengeballt worden, wie an der Front Manrepas–Cléry. Der Feind gab alles Geld aus, für das man irgendwo Munition erwerben konnte, er legte hunderte von Granatendepots hinter seiner Linie an, bis er seine angehäuften Geschütze für den größten Tag seines Offensivprogramms einstellen konnte, und dann versuchte er die deutsche Linie auf jedem Quadratzoll einzudecken. Er warf mit nichts anderem als mit dem brutalen Geld, mit dem er seine Granaten erworben hatte, die Gräben ein und ließ erst, als seinen Artilleristen die Arme fast erlahmten und viele seiner Geschütze ausgeleiert waren, seine Infanterie in ein Unternehmen gehen, das für Schlächter eine dankbarere Aufgabe gewesen wäre. Seine Sturmtruppen vermochten an der Stelle ihres günstigsten Arbeitsgebietes bis 1500 Meter vorzudringen. Sie konnten zwei rauchende, kohlende Dörfer nehmen. An der zweiten Verteidigungslinie, als der Weg nicht mehr über lauter Schutt und Leichen führte, prallten sie ab. Sie fanden einen wütenden Empfang, der ihnen viel Blut kostete. Sie hatten ihre Front gerade gemacht, die deutschen Winkel, die in ihre Stellung gingen, abgeschnitten, und sahen sich wieder im Besitz von ein paar Quadratkilometern ihres Landes, die sie zu einer Wüste gemacht hatten, bevor sie sie beschreiten durften. Merkwürdigerweise waren es wieder die Franzosen, die hier vorwärts kamen. Die Engländer blieben wieder mit ihren Absichten stecken, und ihr Angriffsfeld war überfüllt mit Leichen. Die deutsche Linie war jetzt fast schnurgerade.

Auch am 9. September stießen die Feinde mit großer Gewalt vor, konnten jedoch abermals keinen entscheidenden Erfolg erzielen. Kleine Grabenstücke, die sie nahmen, waren bedeutungslos.

Am 11. September wurde berichtet: »Dem großen englischen Angriff vom 9. September folgten begrenzte, aber kräftig geführte Stöße an der Straße Pozières–Le Sars und gegen den Abschnitt Ginchy–Combles. Sie wurden abgewiesen. Um Ginchy und südöstlich davon waren neue Kämpfe im Gange. Bei Longueval und im Wäldchen von Leuze (zwischen Ginchy und Combles) waren in den letzten Nahkämpfen vorgeschobene Gräben in der Hand des Feindes geblieben. Die Franzosen griffen südlich der Somme vergeblich bei Belloy und Vermandovillers au. Wir gewannen einzelne am 8. September vom Gegner besetzte Häuser von Berny zurück und machten über 50 Gefangene.

Ginchy ging am 12. September verloren, ebenso ein Dorf am 13. September.

In den letzten beiden Wochen des sechsundzwanzigsten Kriegsmonats meldete der amtliche Telegraph täglich die Fortdauer des beiderseitigen wütenden Artilleriekampfes von größter Heftigkeit. An mehreren Tagen steigerte sich das Artilleriefeuer zu »noch nie erreichter Heftigkeit«. Man hatte bisher schon oft bei den gewaltigen Schlachten des Weltkrieges von einer »furchtbarsten und größten Schlacht der Weltgeschichte« gesprochen – was aber an der Somme geleistet wurde, das übertraf alles, auch im Weltkriege bisher Dagewesene.

Am 15. September mißlang der Versuch erheblicher englischer Kräfte, unsere südlich von Thiepval vorgebogene Linie durch umfassenden Angriff zu nehmen. Starke, tapfer durchgeführte französische Infanterie-Angriffe, durch überaus nachhaltiges Trommelfeuer vorbereitet, zielten auf einen Durchbruch zwischen Rancourt und der Somme hin. Sie scheiterten unter schweren blutigen Verlusten. Das Gehöft Le Priez (westlich von Rancourt) wurde vom Gegner besetzt. Oestlich von Belloy und südlich von Soyecourt wurden Teilangriffe abgeschlagen.

Die Schlacht war am 16. September besonders heftig. Ein starker Stoß von etwa zwanzig französisch-englischen Divisionen richtete sich nach höchster Feuersteigerung gegen die Front zwischen der Ancre und der Somme; nach heißem Ringen wurden wir durch die Dörfer Courcelette, Martinpuich. und Flers zurückgedrückt. Combles wurde gegen starke englische Angriffe gehalten. Weiter südlich bis zur Somme wurden alle Angriffe, zum Teil erst im Nahkampf, blutig zurückgeschlagen. Südlich der Somme von Barleux bis Deniecourt wurde der französische Angriff gleichfalls abgeschlagen; um einige Sappenköpfe wurde noch gekämpft. Sechs feindliche Flieger wurden abgeschossen, davon einer durch Leutnant Wintgens, zwei durch Hauptmann Boelcke, der nunmehr 26 Flugzeuge außer Gefecht gesetzt hatte.

Am 18. September führte die gewaltige Schlacht auf 45 Kilometern Front von Thiepval bis südlich von Bermaudovillers zu äußerst erbitterten Kämpfen, die nördlich der Somme zu unseren Gunsten entschieden wurden, südlich des Flusses die Aufgabe völlig eingeebneter Stellungsteile zwischen Barleux und Vermandovillers mit den Dörfern Berny und Denicourt zur Folge hatten. Unsere tapferen Truppen hatten glänzende Beweise ihrer unerschütterlichen Ausdauer und Opferfreudigkeit geliefert, ganz besonders zeichnete sich das westfälische Infanterie-Regiment Nr. 13 südlich von Bouchavesnes aus. Starken feindlichen Luftgeschwadern warfen sich unsere Flieger entgegen und schossen in siegreichen Gefechten zehn Flugzeuge ab.

In den nächsten Tagen erreichte die furchtbare Schlacht ihren denkbar größten Höhepunkt. Am 26. September wurde darüber gemeldet: »Die englisch-französische Infanterie ist gestern am vierten Tage des großen Ringens der Artillerie zwischen Ancre und Somme zum einheitlichen Angriff angetreten. Der mittags eingeleitete Kampf tobte mit der gleichen Wut auch nachts fort. Zwischen der Ancre und Eaucourt l'Abbaye erstickte der feindliche Sturm in unserem Feuer oder brach blutig vor unseren Linien zusammen. Erfolge, die unser Gegner östlich von Eaucourt l'Abbaye und durch die Besitznahme der in der Linie Gueudecourt–Bouchavesnes liegenden Dörfer davongetragen haben, sollen anerkannt, vor allem aber soll unserer heldenmütigen Truppen gedacht werden, die hier den zusammengefaßten englisch-französischen Hauptkräften und dem Masseneinsatz des durch die Kriegsindustrie der ganzen Welt in vielmonatiger Arbeit bereitgestellten Materials die Stirn boten. Bei Bouchavesnes und weiter südlich bis zur Somme war der oft wiederholte Anlauf der Franzosen unter schwersten Opfern gescheitert.

Am 27. ging es etwas ruhiger zu. Am 28. lautete die Meldung von einem für uns siegreichen Kampfe: »Zwischen Ancre und Somme haben die Engländer und Franzosen nach einem die bisherigen Erfahrungen fast noch übersteigenden Vorbereitungsfeuer ihre Angriffe erneuert. Auf dem größten Teile der Schlachtfront hat unsere durch die Artillerie wirksam unterstützte unerschütterliche Infanterie unter den Befehlen der Generale Sixt von Arnim, von Huegel und von Schenck den Feind siegreich abgeschlagen. Bei Thiepval und östlich von Eaucourt l'Abbaye ist der erbitterte Kampf noch nicht zum Abschluß gekommen. Besonders heftig waren die aus der Linie Morval–Bouchavesnes vorgetragenen Angriffe, die der Gegner ohne Rücksicht auf die bei seinem ersten gänzlich gescheiterten Sturm erlittenen Verluste gegen Abend wiederholte; eingedrungene Abteilungen wurden sofort aus unserer Linie zurückgeworfen, in kleinen Stellungsteilen nordwestlich von Rancourt und östlich von Bouchavesnes vermochte sich der Gegner zu halten.«

Am Schlusse des sechsundzwanzigsten Kriegsmonats und am Schlusse des dritten Monats der furchtbaren Sommeschlacht konnte festgestellt werden, daß die deutschen Linien allen Massenangriffen der Engländer und Franzosen siegreich und ruhmvoll standgehalten hatten.


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