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Vergeblicher Ansturm der Russen an der Bukowinagrenze.

Die Russen versuchten mit Beginn des neuen Jahres 1916 mit aller Gewalt die deutsch-österreichisch-ungarischen Stellungen an der bessarabischen Grenze zu durchbrechen. Der Zar hatte »befohlen«, daß Czernowitz am russischen Neujahr in Russenhand sein sollte. Aber er hatte falsch befohlen! Trotz wütender Anstürme stand unser Wall!

Noch am Abend des 31. Dezember berichtete die österreichische Heeresleitung: »Das Vorgelände unserer Strypafront war zwischen Buczacz und Wisniowczyk auch gestern der Schauplatz wiederholter mit starken Kräften geführter russischer Angriffe. Abermals brachen, wie an den Vortagen, die feindlichen Sturmkolonnen unter dem Feuer der kaltblütigen, tapferen Truppen der Armee Pflanzer-Baltin zusammen. An der unteren Strypa und an der bessarabischen Front hat die Tätigkeit des durch die letzten Kämpfe stark erschöpften Gegners vorläufig nachgelassen. Die Verluste, die die Russen in den vergangenen Tagen auf den ostgalizischen Gefechtsfeldern erlitten, übersteigen überall weit das gewöhnliche Maß. So lagen gestern an der Strypa vor einem Kompagnie-Abschnitt 161, vor einem anderen 393 russische Leichen. An der Strypa, an der Ikwa und an der Putilowka gab es keine besonderen Ereignisse. Am Kormin-Bach und am Styr wurden abermals mehrere russische Vorstöße abgewiesen.«

Die Schlacht in Ostgalizien dauerte auch am 1. Januar 1916 unvermindert heftig an. Das Schwergewicht der Kämpfe lag auf unserer Front an der mittleren und unteren Strypa. Im Raume nordöstlich von Buczacz traten kurz nach Mittag die russischen Artilleriemassen in Tätigkeit, deren Feuer bis in die Abendstunden währte, dann ging der Feind zum Angriff über. Seine Kolonnen drangen in zahlreichen Angriffswellen stellenweise vier- bis fünfmal an unsere Drahthindernisse vor, brachen aber immer und überall unter der verheerenden Wirkung unseres Feuers zusammen. In der Nacht zog sich der Gegner, Hunderte von Toten und Schwerverwundeten liegen lassend, in seine 600 bis 1000 Schritt entfernte Ausgangsstellung zurück. Auch die Angriffe, die die Russen bei Jaslowiec südlich von Buczacz und nächst Uscieczko am Dnjestr unternahmen, erlitten das gleiche Schicksal, wie die an der mittleren Strypa. An der bessarabischen Front verlief der Tag abermals verhältnismäßig ruhig. Die Stellungen der Armee des Generals Grafen von Bothmer an der oberen Strypa und der Heeresgruppe Boehm-Ermolli an der Ikwa standen unter feindlichem Artilleriefeuer. Bei der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand wurde ein russisches Bataillon zersprengt, das südlich von Berestiany vorzustoßen versuchte. Am Styr-Bug nordöstlich von Czartorysk überfielen deutsche und österreichisch-ungarische Truppen mit Erfolg die feindlichen Vorposten. Bei Kolodia westlich von Rafalowka schlugen wir einen Angriff ab.

Der Feind nahm am 2. Januar auch seine Offensive gegen die bessarabische Front der Armee Pflanzer-Baltin wieder auf. Nachdem er schon in der Neujahrsnacht zweimal und am darauffolgenden Vormittag ebenso oft vergeblich versucht hatte, in unsere Stellungen einzudringen, führte er um 1 Uhr nachmittags gegen die Verschanzungen bei Toporoutz einen neuerlichen starken Angriff, der von den tapferen Verteidigern im Handgemenge abgeschlagen wurde. Zwei Stunden später drangen im gleichen Raum sechs russische Regimenter vor, die zum größten Teil abermals geworfen wurden. Nur in einem Bataillons-Abschnitt war abends der Kampf noch nicht abgeschlossen. Die Verluste des Gegners waren außerordentlich groß. Auch unsere Strypa-Front nordöstlich von Buczacz griff der Feind am Neujahrsmorgen an. Der Angriff mißlang ebenso wie ein russischer Vorstoß auf eine Schanze nordöstlich von Burkanow. Die Zahl der seit einer Woche in Ostgalizien eingebrachten Gefangenen reichte an 3000 heran. Südlich von Dubno und bei Berestiany im Kormin-Gebiet wurden schwächere Abteilungen abgewiesen.

Bei Friedrichstadt scheiterte ein über das Eis der Düna geführter russischer Angriff in unserem Feuer. Feindliche Jagdkommandos und Patrouillen wurden an mehreren Stellen der Front abgewiesen. Nördlich von Czartorysk stießen stärkere deutsche und österreichisch-ungarische Erkundungs-Abteilungen vor. Sie nahmen etwa 50 Russen gefangen und kehrten nachts in ihre Stellungen zurück. Oesterreichisch-ungarische Batterien des Generals Grafen von Bothmer beteiligten sich wirkungsvoll flankierend an der Abwehr russischer Angriffe südlich von Burkanow. An verschiedenen Stellen der Front wurden vorgehende schwächere russische Abteilungen abgewiesen. Nördlich des Dryswjath-Sees war es einer von ihnen gelungen, vorübergehend bis in unsere Stellung vorzudringen.

Die russischen Vorstöße wurden von Kanonaden und größeren Erkundungen bis zur Polesie hin begleitet, um die Aufmerksamkeit der verbündeten Truppen zu fesseln. Vorerst richteten sich die russischen Angriffe in der Hauptsache auf die Stellungen der Armee Pflanzer-Baltin in dem Dnjestr-Strypa-Winkel, besonders um Buczacz wurde heftig gekämpft. Aber bislang war den russischen Bemühungen, die Front unserer Verbündeten zurückzudrücken, auch nicht der bescheidenste Erfolg zuteil geworden. Die russischen Angriffskolonnen wurden schon vor den Drahthindernissen durch das Feuer der Verteidiger abgeschmettert. Die junge Mannschaft der Russen, von der die Vierverbändler so viel Wesens machten, führte sich in Galizien sehr wenig glücklich ein. Und das bestärkte uns in der Hoffnung auf einen weiteren glücklichen Verlauf der Kämpfe auf dem Südflügel unseres östlichen Kriegsschauplatzes. Auch in den kleineren örtlichen Unternehmungen, in denen sich die Russen bei Friedrichstadt und südlich Dünaburg versuchten, hatte der Feind nur Mißerfolge zu verzeichnen.

Der österreichische Bericht vom 3. Januar lautete: »An der bessarabischen Front wurde auch gestern den ganzen Tag über erbittert gekämpft. Der Feind setzte alles daran, im Raume von Toporoutz unsere Linien zu sprengen. Alle Durchbruchsversuche scheiterten am tapferen Widerstand unserer braven Truppen. Die Zahl der eingebrachten Gefangenen beträgt drei Offiziere und 850 Mann. An der Serethmünduug, an der unteren Strypa, am Kormin-Bach und am Styr wurden vereinzelte russische Vorstöße abgewiesen. Zahlreiche Stellen der Nordostfront standen unter feindlichem Geschützfeuer.«

Eingang zu einer Felsenhöhle im Karstgebiet, in der österreichisches Militär untergebracht wurde.

Die Schlacht in Ostgalizien dauerte auch am 4. Januar an. Der Feind setzte seine Durchbruchsversuche bei Toporoutz an der bessarabischen Grenze mit großem Kräfteaufgebot fort. Sein Mißerfolg war der gleiche wie an den vergangenen Tagen. Die russischen Angriffe wurden überall abgeschlagen, zum Teil in lang andauerndem, blutigem Handgemenge. Besonders erbittert waren die Kämpfe Mann gegen Mann in den zerschossenen Gräben beim Hegehaus, östlich von Rarancze, wo sich insbesondere das Warasdiner Infanterie-Regiment Nr. 16 neuerlich mit Ruhm bedeckte. Ebenso wie an der bessarabischen Front scheiterten die Angriffe, die der Feind nordöstlich von Okna und gegen die Brückenschanze bei Uscieczko führte und alle mit großer Zähigkeit erneuerten Versuche der Russen, im Raume nordöstlich von Buczacz in unsere Gräben einzudringen. Die Verluste des Feindes waren nach wie vor überaus groß. In einem zehn Kilometer breiten Abschnitt zählten wir 2300 russische Leichen vor unserer Front. Einzelne russische Bataillone, die mit 1000 Mann ins Gefecht gingen, sind laut ihren eigenen Meldungen mit 130 zurückgekehrt. Die Zahl der nordöstlich von Buczacz in den letzten Tagen eingebrachten Gefangenen überstieg 800. An der oberen Ikwa schossen die Truppen der Heeresgruppe Boehm-Ermolli ein russisches Flugzeug ab. Die Bemannung, aus zwei Offizieren bestehend, wurde gefangen.

Wie in Rußland währenddes unterschlagen und gestohlen wurde, zeigte folgende Nachricht aus Moskau: »In den letzten anderthalb Monaten waren an den Polizeipräfekten von Moskau zur Versorgung der Flüchtlinge 2500 Eisenbahnwagen mit Lebensmitteln abgesandt worden, von denen bisher aber nur 37 ankamen. Der Gemeinderat in Moskau beschloß deshalb, mehrere Tausend Rubel zu – Bestechungen für die stehlenden Eisenbahnbeamten zu bewilligen.« So etwas wäre wohl in keinem anderen Lande möglich gewesen.

Aus dem Kriegspressequartier wurde gemeldet: »Im russischen Generalstabsbericht vom 1. Januar ist die Nachricht enthalten, daß die Russen zwischen Czartorysk und der Bahnlinie Kowel–Sarny auf das linke Styrufer übergegangen seien und das Dorf Brusk genommen hätten, sowie daß heftige Gegenangriffe unsererseits erfolglos geblieben wären. Demgegenüber ist zu bemerken, daß schwache russische Kräfte seit längerer Zeit im Styrbogen standen, weil die deutschen und österreichisch-ungarischen Kräfte ihre Stellung von Haus aus auf den etwas zurückliegenden Höhen gewählt hatten. Diese feindlichen Kräfte wurden am 31. Dezember 1915 überfallen und zurückgeworfen. Einen Ort Brusk gibt es auf keiner Karte. Die Russen scheinen in der Erfindung von geographischen Namen bei den Italienern in die Schule gegangen zu sein. Ebenso ist die Petersburger Mitteilung, ein Versuch, die Russen aus dem Raume von Kolli–Milaszow zu werfen, hätte keinen Erfolg gehabt, frei erfunden. Ein solcher Versuch wurde gar nicht unternommen.«

Trotz aller Niederlagen nahm der russische Zar den Mund sehr voll. Während der Parade am 2. Januar richtete der Zar eine Ansprache an die Ritter des St. Georgs-Ordens, in der er sagte: »Seid darüber beruhigt, daß ich, wie ich es zu Beginn des Krieges ausgesprochen habe, nicht Frieden schließen werde, solange, wir nicht den letzten Feind von unserem Gebiet vertrieben haben werden, und daß ich diesen Frieden nur in voller Uebereinstimmung mit unseren Alliierten schließen werde, mit welchen wir nicht durch papierene Verträge, sondern durch wahre Freundschaft und Blut verbunden sind.«

Am 5. Januar wurde aus Wien weiter berichtet: »Unsere Truppen in Ostgalizien und an der Grenze der Bukowina kämpften auch gestern an allen Punkten siegreich. An der bessarabischen Front setzte der Feind in den ersten Nachmittagsstunden erneut mit stärkstem Geschützfeuer ein. Der Infanterie-Angriff richtete sich abermals gegen unsere Stellungen bei Toporoutz und an der Reichsgrenze östlich von Rarancze. Der Angreifer ging stellenweise acht Reihen tief gegen unsere Linien vor. Seine Kolonnen brachen vor unseren Hindernissen, meist aber schon früher, unter großen Verlusten zusammen: Kroatische und südungarische Regimenter wetteifern in zähem Ausharren unter den schwierigsten Verhältnissen. Auch Angriffe der Russen auf die Brückenschanze bei Usciczko und in der Gegend von Jazlowice erlitten das gleiche Schicksal wie bei Toporoutz.«

Eine im Walde südlich von Jakobstadt vorgehende Erkundungs-Abteilung mußte sich vor überlegenem feindlichen Angriff wieder zurückziehen. Bei Czartorysk wurde eine vorgeschobene russische Postierung angegriffen und geworfen.

Eine ententefreundliche rumänische Zeitung bestätigte, daß die äußerst heftigen Angriffe der Russen an der Bukowinaer Grenze gegen die österreichisch-ungarischen Stellungen in dem vernichtenden Feuer des Feindes vollkommen zusammengebrochen waren, und daß die Russen gezwungen waren, sich in ältere Stellungen zurückzuziehen. Die Oesterreicher und Ungarn machten viele Gefangene.

Aus dem Kriegspressequartier wurde gemeldet: »Eine aus Petersburg stammende Depesche weiß zu melden, daß wir Czernowitz geräumt hätten und daß alle die Stadt beherrschenden Höhen von den Russen besetzt wären. Die Nachricht ist, wie aus einem Vergleich mit unseren amtlichen Berichten hervorgeht, selbstredend von Anfang bis Ende erlogen.«

Nach Meldungen von der bessarabischen Grenze war das – schon erwähnte – Manifest des Zaren an die im nördlichen Bessarabien kämpfenden Truppen: »Czernowitz ist bis Weihnachten zu erobern!« in allen bessarabischen Gemeinden angeschlagen. Nach dem russischen Kalender fiel der Heilige Abend auf unseren 6. Januar. Aber die Russen sollten ihn nicht in Czernowitz feiern können.

Die Kämpfe in Ostgalizien und an der bessarabischen Grenze dauerten mit unverminderter Heftigkeit an. Immer höher stiegen die Opfer des Feindes, aber alle seine Bemühungen, die Front unserer Verbündeten ernsthaft zu erschüttern, blieben ergebnislos. Die alte Erfahrung bestätigte sich: der Durchbruch, der nicht auf den ersten Anhieb gelingt, ist zur Ohnmacht verdammt. Gleichwohl mußten wir mit einer Fortdauer der Kämpfe rechnen; die Russen setzten ja ihre Massentaktik stets so lange fort, bis sie einfach nicht mehr konnten, bis ihre Verbände durch die vergeblichen, blutigen Stürme derart mitgenommen waren, daß ihnen die Kräfte versagten. Wie groß ihre Opfer waren, das lehrt uns die Feststellung des k. u. k. Heeresberichtes, wonach auf einer Strecke von zehn Kilometern 2300 russische Leichen gefunden wurden. Verglichen mit den Opfern eines Schlachttages der großen Augustschlachten von 1870 mag diese Ziffer nicht allzu hoch erscheinen; aber bedachte man, daß sich die derzeitigen Kämpfe auf etwa 80 Kilometer Front erstreckten, und daß viele Tage hindurch gekämpft wurde, so kann man erst ermessen, welche Kräfte die Russen hier opferten, ohne daß ihnen bisher auch nur der geringste namhafte Erfolg erblühte.

Aus Petersburg wurde gemeldet: »In den maßgebenden Kreisen erörterte man zwei Pläne: Einer stammte von einem bekannten General, der die äußersten Stellungen im Gebiete von Riga und Wolhynien festhalten wollte, um den Feind mit kleinen Angriffen ohne Unterlaß auf der ganzen Front zu belästigen, den Winter hindurch ein zahlreiches, frisches, gut ausgestattetes Heer vorzubereiten und im geeigneten Moment die Oesterreicher und Deutschen anzugreifen. Dieser Plan brauchte die starke und verständige Mitwirkung der Nation, die Einberufung der Duma und die Erreichung gewisser Freiheiten. Der andere Plan stammte aus den Kreisen der Regierenden. Er ging dahin, daß man von der schon vorhandenen Munition und der schon bestehenden Reserve von Männern Nutzen ziehen, sich in Galizien auf den Feind werfen, ihn schlagen, siegreich in die Bukowina einfallen und dann Rumänien mit in den Konflikt ziehen wollte. Die ganzen Operationen sollten ohne viel vorheriges Geschwätz ausgeführt werden. Der Charakter der Zusammenkunft der Rechten und die Hinausschiebung des Eröffnungstermins der Duma ließen annehmen, daß in den »hohen Sphären« der zweite Plan angenommen werden würde.

Die Kampftätigkeit in Ostgalizien und an der bessarabischen Grenze hatte am 5. Januar wesentlich nachgelassen. Der Feind hielt unsere Stellungen zeitweise unter Geschützfeuer. Seine Infanterie trat nirgends in Aktion. Auch an allen anderen Teilen der Nordostfront fielen keine Ereignisse von besonderer Bedeutung vor.

Auf dem Kirchhof nördlich von Czartorysk, in dem sich eine russische Abteilung festgesetzt hatte, wurde der Feind am 6. Januar wieder vertrieben.

In Kiew eingetroffenen Meldungen zufolge nahmen die Kämpfe an der rumänischen Grenze benachbarten Front rasch an Heftigkeit zu. Der Geschützdonner war auf eine Entfernung von 50 Werst ringsum zu hören. In den Dörfern dieser Gegend waren alle Fensterscheiben in Scherben. Die Schlacht tobte besonders heftig auf der Front Tarnopol–Trembowla. Verwundete russische Offiziere berichteten, daß die Folgen dieser Kämpfe sich schon fühlbar machten. Dieselben Offiziere wiesen auf die ungeheuren Schwierigkeiten hin, die die Russen auf diesen Fronten zu überwinden hatten, wo die Stacheldrahtverhaue oft in 24 Reihen ausgebaut und mit starkem elektrischem Strom geladen waren, der von eigens zu diesem Zwecke errichteten Stationen erzeugt wurde. Das unmittelbare Herankommen an diesen Stacheldrahtverhau war unmöglich, infolgedessen hatten die russischen Soldaten folgendes Mittel erfunden: Geschickte Zieler warfen auf diese Hindernisse starke Taue mit Schlingen und zogen daran, bis sie die erste Reihe des Stacheldrahtes gebrochen hatten, dann die zweite, die dritte usw.

Zu der erwähnten Petersburger Meldung, daß die Oesterreicher Czernowitz geräumt hätten und daß alle die Stadt beherrschenden Höhen von den Russen besetzt wären, bemerkte das Kriegspressequartier noch: »In der Hauptstadt der Bukowina geschah nichts, was auch nur im Entferntesten einer Räumungsmaßregel ähnlich sehen würde. Die Stimmung in der Bevölkerung ist die zuversichtlichste, das Straßenleben ist durchaus alltäglich. Dazu, daß dem anders wäre, liegt keinerlei Grund vor. Die Russen stehen östlich Czernowitz dort, wo sie sich seit Monaten befinden, an der Reichsgrenze. Kein russischer Soldat ist einen Schritt näher gekommen So liegen die Dinge mit der von »Reuter« gemeldeten Besetzung der beherrschenden Höhen, und es sind damit auch die an Cadorna gemahnenden Angaben widerlegt, die der russische Tagesbericht vom 3. Januar über das stete Fortschreiten des russischen Angriffs enthält. Uebrigens sind die Absichten, die die Petersburger Kreise mit der Verbreitung solcher Nachrichten verfolgen, so offenkundig, daß weiter kein Wort darüber verloren zu werden braucht.«

Der 6. Januar verlief im Nordosten verhältnismäßig ruhig, nur am Styr kam es vorübergehend zu Kämpfen. Der Feind besetzte einen Kirchhof nördlich von Czartorysk, wurde aber von österreichischer Landwehr bald vertrieben. Am 7. Januar früh eröffnete der Gegner wieder seine Angriffe in Ostgalizien. Turkestanische Schützen brachen vor Tagesanbruch gegen unsere Linie nordöstlich von Buczacz vor und drangen an einem schmalen Frontstück in die österreichischen Gräben ein. Die Honved-Infanterie-Regimenter Nr. 16 und 24 warfen aber den Feind in raschem Gegenangriff wieder hinaus. Es wurden zahlreiche Gefangene und drei Maschinengewehre eingebracht. Wie aus Gefangenen-Aussagen übereinstimmend hervorging, war vor den letzten Angriffen gegen die Armee Pflanzer-Baltin der russischen Mannschaft überall mitgeteilt worden, daß eine große Durchbruchsschlacht bevorstehe, die die russischen Heere wieder in die Karpathen führen würde. Zuverlässigen Schätzungen zufolge betrugen die Verluste des Feindes in den Neujahrskämpfen an der bessarabischen Grenze und an der Strypa mindestens 50 000 Mann.

Die Russen versuchten an der bessarabischen Front die in ihre Reihen gerissenen Lücken wieder auszufüllen. Zu diesem Zwecke trafen neue tscherkessische Regimenter an der Front ein. Bekanntlich waren es auch Tscherkessen, mit denen im Vorjahre versucht wurde, die Bukowinaer Front zu durchbrechen. Der Kampf dauerte ohne Pause an. Die Kanonade war bis zu den Ufern des Pruth hörbar. Viele Militärzüge gingen an die russische Front ab. Der Bahnhof von Lipkany (Bessarabien) war mit russischen Soldaten angefüllt. Sie durften ihre Waggons nicht verlassen. Die Militärzüge bestanden größtenteils aus geschlossenen Waggons. Die Soldaten wurden wie Sträflinge behandelt. Die in den Schuppen in Lipkany befindlichen Flugmaschinen wurden nach anderen Plätzen gebracht.

Am 8. Januar wurde amtlich gemeldet: »Die Schlacht in Ostgalizien und an der Grenze der Bukowina ist gestern aufs neue entbrannt. An der Strypa hat, wie gemeldet wurde, der Feind schon vor Tagesanbruch seine Angriffe begonnen. Einige starke Abteilungen der Sturmtruppen waren unter dem Schutze des Nebels bis zu unseren Batterien vorgedrungen, als der Gegenangriff der Honved-Regimenter 16 und 24 und des mittelgalizischen Infanterie-Regiments Nr. 57 einsetzte und die Angreifer über unsere Stellungen zurückschlug. Unter den 720 hierbei gefangenen Russen befinden sich ein Oberst und zehn andere Offiziere. Unsere Linien am Dnjestr standen tagsüber meist unter starkem Geschützfeuer. An der bessarabischen Front leitete der Gegner seine Angriffe kurz vor Mittag durch Artillerietrommelfeuer ein. Seine Anstrengungen waren abermals gegen unsere Stellungen bei Toporoutz und östlich von Rarancze gerichtet. Die Kämpfe waren wieder außerordentlich erbittert. Teile seiner Angriffskolonnen vermochten in unsere Gräben einzudringen, wurden aber durch Reserven im Handgemenge wieder zurückgetrieben. Wir nahmen hierbei einen Offizier und 250 Mann gefangen. Bei Berestiany in Wolhynien wiesen unsere Truppen russische Erkundungs-Abteilungen ab. Am Styr vereitelte die Artillerie durch konzentrisches Feuer einen Versuch der Russen, den Kirchhof nördlich von Ezartorysk zurückzugewinnen.«

Am nächsten Tage hieß es: »Vor zwei Tagen neuerlich an allen Punkten Ostgaliziens und der bessarabischen Grenze unter großen Verlusten zurückgeschlagen, hat der Feind gestern seine Angriffe nicht wiederholt, sondern nur zeitweise sein Geschützfeuer gegen unsere Linien gerichtet. Er zieht Verstärkungen heran. Am Kormin-Bach in Wolhynien zersprengten unsere Truppen russische Aufklärungs-Abteilungen. Sonst keine besonderen Ereignisse.«

An der flandrischen Küste: Beschießung englischer Marineflieger von einem deutschen Torpedoboot aus.

Feldmarschall Hindenburg meldete am 12. Januar: »Bei Tenenfeld (südwestlich von Illuxt) brach ein russischer Angriff verlustreich vor unserer Stellung zusammen. Nördlich von Kosciuchnowka warf ein Streifkommando russische Vorposten auf ihre Hauptstellung zurück.«

Die russischen Angriffe an der bessarabischen Front nahmen zeitweise an Heftigkeit zu, aber sie endeten wie stets mit einer blutigen Abfuhr der Angreifer. Deutsche Patrouillen und Streifkommandos der Ostfront konnten an den verschiedensten Stellen dem Feinde erfolgreiche Gefechte liefern; bei Nowosjolki (zwischen Olschanka und Beresina) konnten wir die Russen aus einem vorgeschobenen Graben vertreiben.

Der österreichische Bericht vom 12. Januar verlautbarte: »In Ostgalizien und an der bessarabischen Front stellenweise Geschützkampf. Sonst keine besonderen Ereignisse. Die amtliche russische Berichterstattung hat es sich in der letzten Zeit zur Gewohnheit gemacht, der freien Erfindung kriegerischer Begebenheiten den weitesten Platz einzuräumen. Entgegen allen russischen Angaben sei ausdrücklich hervorgehoben, daß unsere Stellungen östlich der Strypa und an der bessarabischen Grenze – von einem einzigen Bataillonsabschnitt abgesehen, den wir um zweihundert Schritte zurücknahmen – genau dort verlaufen, wo sie verliefen, ehe die mit großer militärischer und journalistischer Aufmachung eingeleitete und bisher mit schweren Verlusten für unsere Gegner restlos abgeschlagene russische Weihnachts-Offensive begann. Sind sonach alle gegenteiligen Nachrichten aus Petersburg falsch, so beweisen außerdem die Ereignisse im Südosten, daß die vergeblichen russischen Anstürme am Dnjestr und am Pruth auch nicht zur Entlastung Montenegros beizutragen vermochten.«

Die offiziöse Bukarester »Indépendance Ronmaine«, welche die Einnahme von Sadagora (einer Vorstadt von Czernowitz) durch die Russen gemeldet hatte, veröffentlichte eine Postkarte von fünf höheren österreichisch-ungarischen Offizieren vom 4. Januar aus Sadagora, die mitteilten, daß bis dahin nur einige Hundert gefangene Russen in Sadagora waren.

Das Schlachtfeld an der bessarabischen Grenze bildete auch am 12. Januar wieder den Schauplatz erbitterter Kämpfe. Kurz nach Mittag begann der Feind die österreichischen Stellungen mit Artilleriefeuer zu überschütten. Drei Stunden später setzte er den ersten Infanterie-Angriff an. Fünfmal hintereinander und um zehn Uhr abends ein sechstes Mal, versuchten seine tiefgegliederten Angriffskolonnen in unsere Linien einzubrechen. Immer war es vergebens. Unterstützt von der trefflich wirkenden Artillerie, schlugen die tapferen Verteidiger alle Angriffe ab. Der Rückzug des Gegners wurde mitunter zur regellosen Flucht. Seine Verluste waren groß. Vor einem Bataillonsabschnitt lagen achthundert tote Russen. Ein nordmährisches Infanterie-Regiment und zwei Honved-Regimenter hatten sich besonders hervorgetan.

Bei der Heeresgruppe des Generals von Linsingen scheiterte am 14. Januar in der Gegend von Czernysc (südlich des Styr-Bogens) ein russischer Angriff vor der Front österreichisch-ungarischer Truppen.

Wien meldete gleichzeitig: »Der Feind versuchte seit gestern früh neuerlich, unsre bessarabische Front bei Toporoutz und östlich von Rarancze zu durchbrechen. Er unternahm fünf große Angriffe, deren letzter in die heutigen Morgenstunden fiel. Er mußte aber jedesmal unter schweren Verlusten zurückgehen. Hervorragenden Anteil an der Abwehr der Russen hatte abermals das vorzüglich geleitete, überwältigende Feuer unserer Artillerie. Seit Beginn der Schlacht in Ostgalizien und an der bessarabischen Front wurden bei der Armee des Generals Freiherrn von Pflanzer-Baltin und bei den österreichisch-ungarischen Truppen des Generals Grafen Bothmer über 5100 Gefangene, darunter 30 Offiziere und Fähnriche, eingebracht. Bei Karpilowka in Wolhynien zersprengten unsere Streifkorpskommandos einige russische Feldwachen.«

Der Bericht vom 15. Januar lautete: »Die Neujahrsschlacht in Ostgalizien und an der bessarabischen Grenze dauert fort. Wieder war der Raum von Toporoutz und östlich von Rarancze der Schauplatz eines erbitterten Ringens, das alle früheren auf diesem Schlachtfeld sich abspielenden Kämpfe an Heftigkeit übertraf. Viermal, an einzelnen Stellen sechsmal, führte der zähe Gegner gestern seine 12 bis 14 Glieder tiefen Angriffskolonnen gegen die heißumstrittenen Stellungen vor. Immer wieder wurde er – nicht selten im Nahkampf mit dem Bajonett – zurückgeworfen. Für die Verluste des Feindes gibt die Tatsache, daß im Gefechtsraum einer österreichisch-ungarischen Brigade über tausend russische Leichen gezählt wurden, einen Maßstab. Zwei russische Offiziere und 240 Mann wurden gefangen genommen. Die braven Verteidiger haben alle ihre Stellungen behauptet, die Russen nirgends auch nur einen Fußbreit Raum gewonnen. An der Strypa und in Wolhynien keine besonderen Ereignisse. Am Kormin wies Wiener Landwehr einen überlegenen russischen Vorstoß ab.«

Eine eigenartige, aus Weidengeflecht hergestellte Barrikade auf dem westlichen Kriegsschauplatz.

Die neuerliche schwere Niederlage, die die Russen an ihrem Neujahrstage an der bessarabischen Grenze erlitten hatten, führte am 15. Januar wieder zu einer Kampfpause, die zeitweise durch Geschützfeuer wechselnder Stärke unterbrochen war. Südlich von Karpilowka in Wolhynien überfiel ein Streifkommando eine russische Vorstellung und rieb deren Besatzung auf.

Die gesamte rumänische Presse war sich darüber einig, daß die Russen mit ihren forcierten Angriffen an der Bukowinaer und bessarabischen Front politische Zwecke verfolgten. Am 14. Januar wurden von den ungarischen Truppen auf einem vier Kilometer langen Frontabschnitt vierzig russische Angriffe zurückgeschlagen. Hinter den russischen Truppen, die riesige Verluste erlitten, waren zur Hebung der Begeisterung Maschinengewehre aufgestellt. Die Munitionsverschwendung war enorm. Die leitenden rumänischen Kreise verfolgten die Kämpfe mit gespannter Aufmerksamkeit, da der frühere russische Botschafter in Wien, Schebekow, gelegentlich seines letzten Aufenthalts in Bukarest erklärt haben sollte, Rußland wolle um jeden Preis die Mitwirkung Rumäniens an der Seite der Entente erlangen und, selbst wenn es die Hälfte der russischen Armee kosten sollte, in den Besitz der südöstlichen Karpathen gelangen.

Bei Dühnhof (südöstlich von Riga) und südlich von Widsy gelang es den Russen am 17. Januar unter dem Schutze der Dunkelheit und des Schneesturms, vorgeschobene kleine deutsche Postierungen zu überfallen und zu zerstreuen.

Die an der bessarabischen und ostgalizischen Front angesetzten russischen Armeen hatten auch am 17. Januar eine Wiederholung ihrer Angriffe unterlassen. Es herrschte im allgemeinen Ruhe. Nur im Raume östlich von Rarancze vertrieben österreichische Truppen unter heftigen Kämpfen den Feind aus einer vorgeschobenen Stellung, schütteten seine Gräben zu und spannten Drahthindernisse aus. Im Bereiche der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand wurden drei russische Vorstöße gegen unsere Feldwachenlinien abgewiesen.

Wie die Italiener ihre Verwundeten zu Tal befördern.

Serbische Lehmhüttenbewohner. Die ärmere Bevölkerung des Ibartales in Serbien hatte sich ihre Wohnungen in Lehmberge eingebaut, in denen sie den Umständen nach ganz behaglich, vor allen Dingen aber trocken und warm wohnen konnten.


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