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Nachdem die russische Frühjahrs-Offensive so schmählich in Sumpf und Blut erstickt war, herrschte während der nächsten Wochen verhältnismäßige Ruhe im Osten.
Der österreichische Bericht vom 1. April verlautbarte: »Bei Olyka nahmen österreichisch-ungarische Abteilungen eine feindliche Vorstellung, warfen die russischen Deckungen ein, zerstörten die Hindernisse und kehrten sodann wieder in unsere Hauptstellung zurück. Südöstlich von Siemikowce wurde der Versuch des Feindes, seine Linien in einer Frontbreite von 1000 Schritt auf Sturmdistanz vorzuschieben, durch Artilleriefeuer und einen Gegenangriff vereitelt.«
Am 2. April war die Gefechtstätigkeit in der Gegend von Baranowitschi recht rege.
Durch deutsche Flugzeug-Geschwader wurden am 3. April auf die Bahnhöfe Bogorjelzy und Horodzieja an der Strecke nach Minsk, sowie auf Truppenlager bei Ostrowki (südlich von Mir) Bomben abgeworfen, ebenso durch eines unserer Luftschiffe auf die Bahnanlagen von Minsk.
Am 4. April hieß es: »Die Lage ist unverändert. Der Feind zeigte nur nördlich von Widsy sowie zwischen Narocz- und Wiszniew-See lebhaftere Tätigkeit.«
Südlich des Narocz-Sees verstärkte sich das russische Artilleriefeuer am Nachmittag des 13. April merklich. Oestlich von Baranowitschi wurden Vorstöße feindlicher Abteilungen von unseren Vorposten zurückgewiesen.
Bei der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg wurden am 14. April in der Gegend von Garbunowka (nordwestlich von Dünaburg) und südlich des Narocz-Sees begrenzte feindliche Vorstöße blutig abgewiesen. Ebenso blieben bei der Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von Bayern Unternehmungen feindlicher Abteilungen gegen die Stellungen am Serwetsch nördlich von Zirin erfolglos.
Die am 15. April wiederholten örtlichen Angriffsversuche der Russen nordwestlich von Dünaburg hatten das gleiche Schicksal, wie am vorhergehenden Tage. Am Serwetsch südöstlich von Korelitschi brachten wir einen durch starkes Feuer eingeleiteten Vorstoß schwächerer feindlicher Kräfte leicht zum Scheitern.
Die österreichische Heeresleitung meldete am 14. April: »Gestern standen unsere Linien an der unteren Strypa, am Dnjestr und nordöstlich von Czernowitz unter heftigem Geschützfeuer. In der Nacht kam es im Mündungs-Gebiete der unteren Strypa und südöstlich von Buczacz zu starken Vorfeldkämpfen, die teilweise noch fortdauern. Im südlichsten Teil des Gefechtsfeldes wurde die Besatzung einer vorgeschobenen Schanze in die Hauptstellung zurückgenommen. Nordöstlich von Jasloviec drang der Feind gleichfalls in eine unserer Vorstellungen ein, wurde aber durch einen raschen Gegenangriff wieder hinausgeworfen, wobei wir einen russischen Offizier, drei Fähnriche und hundert Mann gefangen nahmen. An der von Buczacz nach Czortkow führenden Straße bemächtigte sich ein österreichisch-ungarisches Streifkommando durch Ueberfall einer russischen Vorposition. Auch gegen die Front der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand entfaltete die feindliche Artillerie erhöhte Tätigkeit.«
Am 15. April nach 5 Uhr früh erschienen sieben feindliche Flugzeuge, darunter vier Kampfflieger, über Czernowitz und den Bahnanlagen nördlich der Stadt. Zur Abwehr stiegen einige österreichische Flugzeuge auf, denen es nach zweistündigem, über Czernowitz sich abspielenden Luftkampfe gelang, einen feindlichen Kampfflieger auf 30 Schritte abzuschießen. Das feindliche. Geschwader flüchtete. Das getroffene Flugzeug landete im Sturzflug bei Bojan zwischen der russischen und unserer Linie und wurde durch Geschützfeuer vernichtet. Der feindliche Beobachter ist tot. Die österreichischen Flugzeuge kehrten unversehrt zurück.
Hindenburg meldete am 18. April: »Im Brückenkopf von Dünaburg brachen heute früh vor unseren Stellungen südlich von Garbunowka auf schmaler Front angesetzte russische Angriffe mit großen Verlusten für den Feind zusammen.«
An der bessarabischen Grenzfront herrschte am 17. April auf beiden Seiten erhöhte Artillerietätigkeit. Mit ihren Kanonen versuchten die Russen, die österreichisch-ungarische Front zu beunruhigen. Die österreichischen Geschütze blieben aber die Antwort nicht schuldig; ihrer Artillerie gelang es, einige feindliche Batterien zum Schweigen zu bringen. Die Russen hatten Streifpatrouillen vorgesandt, welche sich den österreichischen Stellungen nähern sollten; sämtliche Annäherungsversuche wurden abgewiesen. Ein russischer Flieger versuchte abermals, sich Czernowitz zu nähern, wurde aber durch die Abwehrgeschütze zur Rückkehr gezwungen.
Bei Garbunowka nordwestlich von Dünaburg erlitten die Russen am 21. April bei einem abermaligen vergeblichen Angriff etwa eines Regiments beträchtliche Verluste. Bei der Armee des Generals Grafen von Bothmer belegte ein deutsches Flugzeuggeschwader die Bahnanlagen von Tarnopol ausgiebig mit Bomben.
Südlich des Narocz-Sees endete am Ostertage ein russischer Angriff in etwa Bataillonsstärke verlustreich vor unserem Hindernis. Sonst außer stellenweise auffrischendem Artilleriefeuer und einigen Patrouillenkämpfen keine besonderen Ereignisse.
Südöstlich von Garbunowka brach abermals ein russischer Angriff verlustreich zusammen. Ein deutsches Flugzeug-Geschwader griff mit beobachtetem gutem Erfolge die Bahn- und Magazin-Anlagen von Molodeczno an.
Am 27. April wurden die Anlagen von Dünaburg mit Bomben belegt.
Die Bahnanlagen und Magazine von Rjezyca wurden, am 28. April von einigen unserer Luftschiffe, mehrere russische Flugzeughäfen von Flugzeug-Geschwadern angegriffen.
Einen schönen Sieg konnte Feldmarschall Hindenburg am 29. April mit folgenden Worten melden: »Südlich des Narocz-Sees machten unsere Truppen gestern einen Vorstoß, um die am 26. März zurückgewonnenen Beobachtungsstellen weiter zu verbessern. Ueber die vor dem 20. März von uns gehaltenen Gräben hinaus wurden die russischen Stellungen zwischen Stanarocze und Gut Stachowce genommen, 5600 Gefangene mit 56 Offizieren, darunter vier Stabsoffiziere, ein Geschütz, 28 Maschinengewehre, zehn Minenwerfer sind in unsere Hand gefallen. Die Russen erlitten außerdem schwere blutige Verluste, die sich bei einem nächtlichen, in dichten Massen geführten Gegenangriff noch stark erhöhten. Der Feind vermochte keinen Schritt des verlorenen Bodens wiederzugewinnen. Unsere Luftschiffe griffen die Bahnanlagen bei Wenden und an der Strecke Dünaburg–Rjezyca an.«
Nördlich von Mlynow an der Ikwa warfen Abteilungen der Armee Erzherzog Joseph Ferdinand den Feind am 28. April aus seinen Vorstellungen. Es wurden ein russischer Offizier, 180 Mann und ein Maschinengewehr eingebracht.
Seitdem sich auf dem westlichen Kriegsschauplatz ein lang dauernder Stellungskampf entwickelt hatte, deutsche Truppen Westflandern besetzt hatten und an der Kanalküste erschienen waren, hatten englische und französische Kriegsschiffe von Zeit zu Zeit immer wieder versucht, die von den Deutschen besetzten Küstenstrecken von der hohen See aus zu beschießen. Einen wirklichen Erfolg haben sie damit niemals erzielt. Sie hatten namentlich in der ersten Zeit einzelne Ortschaften zerstört, dadurch aber lediglich der Bevölkerung des Verbündeten belgischen Landes materiellen Schaden zugefügt. Die Deutschen hatten inzwischen ihre Stellungen an der Küste immer weiter ausgebaut und zahlreiche schwere Batterien im Dünengelände angebracht, die den Kampf mit den feindlichen Kriegsschiffen erfolgreich aufnehmen konnten und ihnen mehrfach schweren Schaden zufügten. Die Folge war, daß die Engländer lange Zeit von derartigen Unternehmungen Abstand nahmen.
Nach einer Meldung unseres Admiralstabes waren im April 1916 neue englische Seestreitkräfte in beträchtlicher Stärke an der flandrischen Küste erschienen, die die Küstengewässer von Minen zu säubern und zugleich durch Auslegen von Bojen Bombardements-Stellungen zu bezeichnen versuchten. Aus diesen Angaben ließ sich schließen, daß es sich bei dem englischen Vorgehen um Vorbereitungen zu einem größeren Unternehmen gehandelt hatte; jedenfalls war eine Beschießung der Küste und der dort befindlichen deutschen Truppen beabsichtigt. Die Säuberung von Minen sollte das Herankommen von größeren Kriegsschiffen gefahrlos ermöglichen und das Auslegen von Bojen ihnen die Stellen bezeichnen, von wo aus sie am zweckmäßigsten und günstigsten ihr Feuer eröffnen konnten. Ob die Engländer damit noch weitere Absichten verbanden, ließ sich vorläufig noch nicht erkennen. Jedenfalls war den Engländern durch die Wachsamkeit der deutschen Küstenverteidigung ihre Absicht nicht gelungen, denn drei deutsche Torpedoboote stießen mehrfach vor, drängten die feindlichen Seestreitkräfte zurück und verhinderten sie an der Ausführung ihrer Arbeiten. Die Wirkung des deutschen Vorstoßes war, daß die feindlichen Streitkräfte die flandrische Küste wieder verließen. Die Engländer mußten dadurch erkannt haben, daß von einer Ueberraschung der Deutschen keine Rede sein konnte. Die deutsche Heeresleitung war auf alle derartigen feindlichen Unternehmungen wohl vorbereitet und hatte rechtzeitig die notwendigen Gegenmaßnahmen ergriffen, so daß auch weiteren Unternehmungen der Feinde an dieser Stelle mit voller Ruhe und Sicherheit entgegengesehen werden konnte.
Am 7. April feierte der Russenbesieger Hindenburg den Tag, an dem er vor fünfzig Jahren in das Heer eintrat. Gewaltige Wandlungen hatten sich in diesem halben Jahrhundert vollzogen, aber der Mann, dessen Ehrentag wir jetzt feierten, war sich treu geblieben. Die Kaltblütigkeit, die den jungen Gardeleutnant in dem Kartätschenhagel von Königgrätz nicht verließ, hat ihn geleitet in den härtesten Zeiten dieses großen Krieges, da er als Oberbefehlshaber unserer Ostfront sich für die Bewachung unseres Vaterlandes vor der Russennot verantwortlich fühlte. Sie ward getragen von jenem strengen Pflichtbewußtsein, das alle Menschlichkeiten zurücktreten läßt vor dem Gefühl, alle seine Kräfte Herrscher und Vaterland weihen zu müssen. So übernahm er ohne Zaudern die Aufgabe, die ihm der oberste Kriegsherr in den Augusttagen 1914 zuwies: die russische Welle, die Ostpreußen zu überfluten drohte, zu brechen. Und zielsicher, sich selbst und seinen Truppen ohne Schwanken vertrauend, vollbrachte er das Werk, uns allen zur staunenden Bewunderung; die Dreitage-Schlacht von Tannenberg wird als das Beispiel einer Vernichtungsschlacht größten Stils in der Kriegsgeschichte fortleben. Und ihr Leiter erschien uns als die lebendige Verkörperung des deutschen Geistes, der in Not und Gefahr sich erst recht entfaltet und der noch immer aus allen Bedrängnissen siegreich wie ein Phönix aus der Asche emporstieg. Das feine Gefühl des Volkes, das in diesem Manne seine besten Eigenschaften verkörpert sah, ging nicht irre: der Sieg von Tannenberg war kein »Blender«, kein Ueberraschungsmanöver, so sehr auch in seiner Anlage das Ueberraschungsmoment wirksam gemacht worden war. Er war das Ergebnis sorgfältigster, zweckbewußter Vorbereitung, ruhiger Ueberlegung, die sich alle Schwächen des Feindes nutzbar machte und die doch nicht versäumte, die eigene Kraft am entscheidenden Punkte so stark wie möglich zu machen. Und damit wurde Hindenburg der Uebermacht Herr. Wie im August und September 1914 in Ostpreußen, so im November und Dezember in Polen. Rettungslos verfing sich die plötzlich in der rechten Flanke angefallene russische Masse in ihrer eigenen Schwerfälligkeit, wurde zusammengepreßt in den Weichselbogen. Und im Februar 1915 ereilte die, nach Ostpreußen vorgeschobene zehnte russische Armee das gleiche Schicksal; auch sie sah sich überrascht und zerschlagen, und ihre Reste wurden am Njemen und Narew zurückgedrückt. Alle Anstrengungen der Russen, wieder nach Ostpreußen hineinzukommen, zerbrachen. Ja, Hindenburg griff bis nach Kurland hin aus und bedrohte den russischen Nordflügel mit der Ueberflügelung. Wochen gingen noch dahin, ehe er die Früchte dieses Vorgehens einsammeln konnte. Erst mußten die Russen aus den Karpathen herausgedrängt werden, ihnen der Weg nach Krakau und Ungarn für immer verschlossen werden. Dann aber brach die Hindenburg-Armee mit Ungestüm über den Feind her. Von Warschau bis Kowno und weiter bis zur Düna hin stürzte die russische Mauer unter ihren Schlägen zusammen, und hinter Wilna erst richtete Feldmarschall Hindenburg eine deutsche Mauer auf, an der sich alle Massenstürme des Feindes brachen. Denn über dieser Mauer thronte der nie rastende, nie erlahmende Geist des deutschen Helden Paul von Hindenburg.
An seine Truppen erließ Hindenburg folgenden Befehl: »Hauptquartier Ost, 7. April 1916. Der Erinnerungstag an meinen vor 50 Jahren erfolgten Diensteintritt soll nicht vorübergehen, ohne daß ich in Gedanken bei den mir anvertrauten Truppen einkehre. Ich weiß sehr wohl, daß ich meine Erfolge sehr wesentlich auf ihre Treue, Ausdauer und Tapferkeit zurückzuführen habe. Darum danke ich auch heute so recht von Herzen für alles das, was Ihr vor dem Feinde geleistet habt, dessen Kraft im Erlahmen begriffen ist. Daher weiter vorwärts mit Gott für Kaiser und Reich. Der endgültige Sieg ist uns gewiß! v. Hindenburg, Generalfeldmarschall, Oberbefehlshaber im Osten.«
Kaiser Wilhelm begrüßte seinen getreuen Marschall mit folgender Depesche aus dem Hauptquartier:
»Mein lieber Feldmarschall! Vor dem Feinde feiern Sie heute den Tag, an dem Sie vor 50 Jahren aus dem Kadettenkorps dem dritten Garde-Regiment zu Fuß überwiesen wurden. Mit Befriedigung und Stolz dürfen Sie auf Ihre Dienstzeit zurückblicken. Die in der Jugend gesammelten Kriegserfahrungen haben Sie in langer, treuer Friedensarbeit zu vertiefen und mit hervorstechendem Erfolg der Schulung von Führern und Truppe nutzbar zu machen gewußt. Insbesondere erinnere ich mich hierbei Ihrer langjährigen Tätigkeit an der Spitze des vierten Armeekorps. Der Geist, dessen Pflege Sie sich zur Aufgabe gesetzt hatten, hat sich auch im gegenwärtigen Kriege herrlich bewährt. Ihnen selbst aber war es beschieden, den schwersten und höchsten Aufgaben, die einem Heerführer im Felde gestellt werden können, mit beispiellosem Erfolge gerecht zu werden. Sie haben einen an Zahl weit überlegenen Feind mit wuchtigen Schlägen aus den Grenzmarken vertrieben, durch geschickte Operationen weiteren Einfällen vorgebeugt, in siegreichem Vordringen Ihre Stellungen weit in Feindesland vorgeschoben und gegen stärksten Ansturm gehalten. Diese Taten gehören der Geschichte an. Ich aber weiß mich eins mit der Armee und dem gesamten Vaterland, wenn ich Ihnen am heutigen Tage mit wärmsten Glückwünschen versichere, daß Dank und Anerkennung für alles, was Sie geleistet, niemals verlöschen werden. Als äußeres Erinnerungszeichen verleihe ich Ihnen mein Bildnis in Oel, das Ihnen heute zugehen wird.
Wilhelm I. R.«