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Fest und unerschütterlich stand die österreichische Front auch im Oktober. Die erste amtliche Meldung lautete: »An der Tiroler Westfront wurde in der vergangenen Nacht im Adamello-Gebiet gekämpft. Ein Angriffsversuch des Feindes auf den Paß westlich der Cima Presena wurde durch unsere Artillerie abgewiesen. Auch bei der Mandronhütte mußten die Italiener nach mehrstündigem Gefecht zurückgehen. Auf der Hochfläche von Vielgereuth griffen sie gleichfalls nachts unsere Stellungen zweimal vergebens an. Ebenso scheiterten an der Kärntner Front nächtliche Angriffe auf unsere befestigten Linien westlich des Bombaschgrabens (bei Pontafel). Die Kämpfe bei und nördlich Tolmein dauerten fort. Vor dem Mrzli Vrh wich der Feind in seine alten Stellungen zurück; gegen Dolje griff er wiederholt an, wurde aber stets abgewiesen. Am 30. September begann das italienische Artilleriefeuer gegen den Raum von Tolmein, das schon vorher sehr lebhaft war, von neuem.«
Zu den lügenhaften Kampfberichten des italienischen Obergenerals Cadorna teilte das höchste Kommando in Tirol mit: »Der feindliche Vormarsch am 20. September gegen P. Cebru und die Königspitze war uns rechtzeitig bekannt geworden. Das Feuer unserer Patrouillen verzögerte ihn wesentlich. Erst am Nachmittag dieses Tages gelang es dem etwa 40 bis 50 Mann starken Gegner, der mit einem Gebirgsgeschütz ausgerüstet war, mit letzterem bis gegen 11 Uhr nachts 70 Schüsse gegen unsere Stellungen abzugeben, ohne daß diese irgendeine nennenswerte Beschädigung erlitten hätten. Das fortgesetzte, von mehreren Seiten unterhaltene eigene Infanteriefeuer zwang den Feind, in dieser Nacht noch gegen die Cedehhütte den Rückmarsch anzutreten. Eine am 21. September mittags zur Unterstützung von der Mailänderhütte vorgehende, etwa eine halbe Kompagnie starke feindliche Abteilung wurde gleichfalls durch Infanteriefeuer zum schleunigen Abmarsch über den Cebrugletscher veranlaßt. Am 24. September schoß unsere Artillerie die Cedehhütte in Brand, worauf der Feind sie und auch alle übrigen sonst noch im Tale hergestellten Deckungen in voller Flucht räumte. Unsere Schrapnells begleiteten ihn hierbei bis gegen Santa Catarina. Nach dieser Säuberung nahmen unsere Geschütze auch die Mailänderhütte unter Feuer. So endete die schwierige, mit anerkennenswerter Ausdauer versuchte feindliche Aktion überall mit einem lückenlosen Mißerfolg. Unsere Truppen vollbrachten anläßlich dieser Gefechte mehrere Leistungen höchster alpiner Kunst. Was den sogenannten »Toriero« betrifft, so war diese Felsspitze bis zum 23. September abends in Feindeshand. Nach Vorbereitung durch unsere Artillerie und das Feuer unserer Scharfschützen nahmen an jenem Abend unsere Landesschützen diese schwierig zu erklimmende Spitze in einem schneidigen Angriff und halten sie seitdem fest in Händen.«
Der amtliche Bericht vom 4. Oktober lautete: »An der Tiroler Front entfalteten die Italiener eine lebhaftere Tätigkeit, die auf den Hochflächen von Vielgereuth und Lafraun zu größeren und andauernden Kämpfen führte ... Im Tonale-Gebiet wurde ein nach heftigem Artilleriefeuer gestern abend angesetzter Angriff des Feindes auf die Albiolospitze blutig abgewiesen. Auf der Hochfläche von Vielgereuth standen unsere Stellungen auf dem Plaut (nördlich des Maroniaberges) seit frühem Morgen unter dem Schnellfeuer schwerer und mittlerer Geschütze. Vormittags gingen von der bereitgestellten feindlichen Infanterie schwache Abteilungen zu einem vergeblichen Angriff vor. Abends erneuerte der Gegner diesen Angriff mit starken, hauptsächlich aus Bersaglieri- und Alpinitruppen zusammengesetzten Kräften und kam nahe an unsere Hindernisse heran. In der Nacht gelang es ihm, einen feldmäßigen Stützpunkt zu nehmen. Unsere Truppen warfen ihn jedoch nach hartnäckigem, bis in die Morgenstunden währendem Kampfe wieder hinaus. So blieben alle Stellungen in unserem Besitze. Auf der Hochfläche von Lafraun zwang schon unser Geschützfeuer die vorgehende Infanterie zu verlustreichem Rückzuge. Auch im Raume von Buchenstein wurde das Vorgehen schwächerer Abteilungen leicht vereitelt.«
Am 8. Oktober gab die Kriegsleitung bekannt: »Gegen die Hochfläche von Vielgereuth setzten die Italiener gestern nachmittag an der ganzen Front mit starken Kräften zu einem neuen Angriff an, der gleich allen früheren blutig abgewiesen wurde. Besonders heftig tobte der Kampf um einen unserer Stützpunkte nordöstlich des Maroniaberges. Hier stürmten drei feindliche Bataillone dicht gedrängt vor, drangen durch das zerstörte Hindernis ein, wurden aber durch Abteilungen des oberösterreichischen Infanterie-Regiments Nr. 14 mit dem Bajonett herausgeworfen. Der ganze Angriff endete mit der Flucht der Italiener in ihre Ausgangsstellungen. Im Nordteile des Doberdo-Abschnittes griff der Feind wieder vergeblich an. Bei Selz verjagten die Abteilungen des Infanterie-Regiments Nr. 87 die Italiener aus einem in ihrer Kampflinie gelegenen Steinbruch, schlugen einen Gegenangriff ab und sprengten die feindlichen Stellungen.«
Am 9. Oktober vormittags wiederholten die Italiener unter Einsatz frischer Truppen noch zweimal den Angriff gegen die österreichischen Stellungen auf der Hochfläche von Vielgereuth. Als diese Anstürme unter schweren Verlusten zusammengebrochen waren, gelang es dem Feinde nicht mehr, stärkere Kräfte vorwärts zu bringen; einzelne Kompagnien, die noch vorgingen, wurden mühelos abgewiesen. Auf der Hochfläche von Lafraun stand der Abschnitt von Vezzena nachmittags unter heftigem Geschützfeuer. Auch im Raume von Flitsch begann sich die feindliche Artillerie wieder zu rühren. Im Abschnitt von Doberdo wurden zwischen San Martino und Polazzo Annäherungsversuche italienischer Handgranatenmänner leicht verhindert. Die Verluste der Italiener betrugen hier in den letzten Tagen über zweitausend Mann.
Ein Kriegsberichterstatter aus dem Kriegspressequartier schrieb im Anfang Oktober über die unerschütterliche Mauer am Isonzo:
Der viermonatige Krieg gegen Italien hat ein recht unerwartetes und ganz unlogisches Ergebnis gezeigt, allerdings nach italienischer Rechnung. Er hat nämlich die anfangs schwache österreichische Front in dem Maße der immer stärker werdenden Angriffe gekräftigt, statt sie zu verbrauchen. Heute stehen wir in der Tat längs des Isonzo besser denn je, während die ursprünglich frische Kraft des Gegners dahin ist. In dem fast wasserlosen, unfruchtbaren Steingebiet der Plateaus von Comen und Doberdo sind Wunder an planvoll schaffender Energie geschehen, so daß wir heute in der Lage sind, auch eine starke Armee beliebig lange Zeit in sonst so unwirtlicher Gegend stehen und kämpfen zu lassen, ohne daß ihre Schlagfertigkeit im geringsten litte. So sind auch verschiedene eingeschleppte Lagerkrankheiten binnen kurzem eingedämmt worden und schon erloschen. Unerhörtes ist für die Unterbringung der Truppen geschehen. Anstelle der Zelte ist längst die leichte Bretterbaracke und jetzt das solide Blockhaus oder die wohlausgerüstete Steinhütte getreten. In der vordersten Front, wo die Truppen jetzt schon regelmäßig nach einigen Tagen abgelöst werden, sind dagegen fast überall Kasernen geschaffen, denen auch das schwerste Feuer nicht das geringste anhaben kann. Zahlreiche natürliche Höhlen, teilweise erst von unseren findigen Leuten entdeckt, sind bis zu einer Höhe von sieben Stockwerken mit Holzgerüsten versehen und für einen riesigen Truppenbelag eingerichtet, dabei elektrisch beleuchtet und ventiliert. Es sind Sehenswürdigkeiten für alle Zukunft. Neue Straßen und Feldbahnlinien unterstützen die Beweglichkeit von Truppen und Trains. Ein dichtes Telegraphen- und Telephonnetz ermöglicht rasche und mühelose Befehlsgebung. Ganz besondere Geschicklichkeit und Mühe erfordert der Ausbau der Schützengräben selbst, die durchweg nur mit dem Brecheisen, dem Meißel und Schlegel oder durch Sprengungen herzustellen waren. Unsere unerreichten Truppen haben die beiden ersten Isonzo-Schlachten noch ohne solche Behelfe geschlagen. Bei Kriegsausbruch hatten wir nur eine schwache Sicherung am Isonzo. Erst im Juni schoben sich die Italiener mit großmächtigen Mitteln und vieler Vorsicht heran und drängten unsere vordersten schwachen Posten da und dort langsam zurück. Am 20. Juni gelang es den Italienern endlich, an das Plateau von Doberdo heranzukommen. Dieser am heißesten umstrittene Teil wurde von den Italienern mit überlegener Infanterie und Artillerie angegriffen. Die Italiener haben sich nach den Riesenverlusten der vierzehntägigen zweiten Isonzoschlacht, die am 1. August endete, nicht mehr zu neuem großen Angriff aufgerafft. Sie haben sich auch in den seither vorgekommenen Unternehmungen eine neue Taktik zurechtgelegt, die viel menschenschonender ist. Sie bauen sich jetzt immer mit vorgetragenen Sandsäcken und steingefüllten Kisten auf dem Felsboden Deckungen und gesicherte Wege, statt sich einzugraben oder ohne gute Deckung zu bleiben. Wir unternehmen öfters gelungene Handstreiche dagegen und machten selbst von einer Gardetruppe auffallend viele Gefangene.
Von einem Augenzeugen wurde über die Beschießung eines Görzer Lazaretts berichtet: »Ich war heute zufällig Zeuge der auch amtlich mitgeteilten Beschießung des Roten Kreuz-Lazarettes in Görz. Die niederträchtige Handlung spielte sich folgendermaßen ab: Von Podgora kommend, bemerkte ich, daß gegen zehn Uhr vormittags Granaten in immer gleicher Richtung in die Stadt fielen. Die allgemeine Richtung war gegen das in der Mitte von Görz hochgelegene Kastell. Ich begab mich nun dorthin und konnte von dort zu dem Lazarett hinuntersehen. Auf dem Turme der Kirche des Krankenhauses wehte eine ungewöhnlich große Fahne des Roten Kreuzes und zwar infolge des gleichmäßigen Windes immer direkt auf die feindliche Schußrichtung hin. Es war mir nämlich mit der Zeit gelungen, die Stellung dieser Batterie zu entdecken, die auf einer Höhe lag. Die Luft war völlig klar, ich konnte sogar das Mündungsfeuer der Geschütze sehen, und ein Irrtum war daher völlig ausgeschlossen. Die Kanonade wurde mit musterhafter Genauigkeit durchgeführt. Auf einem Raume von etwa zweihundert Schritten im Durchmesser schlug eine Granate neben der anderen ein. Bald war das Dach des Lazaretts durchlöchert. Dicker Rauch quoll heraus. Dasselbe Bild boten die unmittelbar benachbarten Häuser. Andere Ziele wurden an jenem Vormittag überhaupt nicht beschossen. Nach einer Serie von Granaten folgte regelmäßig wieder eine Lage von Schrapnells. Sie galten den Menschen, die sich mit dem Abtransport der Kranken beschäftigten. Ein Hauptmann, der sich zur Ambulanz begab, wurde bei dieser Gelegenheit getötet. Trotz der Verwüstung im Innern des Gebäudes brach kein Brand aus, und es gelang auch, alle Verwundeten trotz des Schrapnellfeuers der »Kulturträger« gegen die »Barbaren« in Sicherheit zu bringen. Gegen Mittag wurde die feindliche Batterie dann zum Schweigen gebracht.«
Am 13. Oktober nachmittags begannen die Italiener ein lebhaftes Geschützfeuer aus schweren und mittleren Kalibern gegen die Hochfläche von Lafraun, auch gegen einzelne Abschnitte der küstenländischen Front entfaltete die feindliche Artillerie eine erhöhte Tätigkeit. Annäherungsversuche italienischer Infanterie-Abteilungen gegen Vršiè und den Tolmeiner Brückenkopf wurden abgewiesen. Am Nordwestteil der Hochfläche von Doberdo zwang ein Feuerüberfall den Feind zum fluchtartigen Verlassen seiner vordersten Deckungen.
Am 14. wurde hinzugefügt: »Das lebhafte Artilleriefeuer gegen unsere Stellungen auf den Hochflächen von Lafraun und Vielgereuth und gegen einzelne Stützpunkte der Dolomitenfront hält an. Ein Alpini-Bataillon, das gegen eine Vorstellung südlich von Riva vorstieß, wurde durch unser Geschützfeuer vertrieben. An der küstenländischen Front haben wir im Gebiete des Javorcek ein Stück italienischen Schützengrabens besetzt. Zwei italienische Angriffe aus den Mrzli Vrh, die nach heftiger Feuervorbereitung bis an unsere Hindernisse herangekommen sind, wurden abgeschlagen. An den anderen Teilen der Isonzofront wie gewöhnlich Geschützfeuer.«
Ferner wurde am 15. Oktober amtlich berichtet: »An der Tiroler Front hält das starke feindliche Artilleriefeuer an. Infanterie-Angriffe versuchte der Gegner nur auf der Hochfläche von Vielgereuth, wo mehrere italienische Kompagnien um Mitternacht gegen unsere Stellungen vorstießen, jedoch nach kurzem Feuerkampf zum Zurückgehen gezwungen wurden. Ebenso scheiterte ein nochmaliger Annäherungsversuch in den Morgenstunden. An der Kärntner Grenze und im Küstenlande ist die allgemeine Lage unverändert. Einzelne Abschnitte dieser Front stehen unter andauerndem feindlichen Artilleriefeuer. Eine am Plateaurande nächst Pateano vorgehende italienische Abteilung wurde durch Gegenangriff geworfen und erlitt große Verluste.«