Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Washington Irving

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die Hochzeit.

Nichts mehr, nichts mehr, viel Glück – ruft's laut!
Dem wack'ren Bräutigam, der schönen Braut,
Daß alle Welt von ihrer Zukunft sage,
Es gleiche jeder Tag dem Hochzeitstage.
Braithwaite.

Ungeachtet aller Bedenklichkeiten und Zweifel der Lady Lillycraft, und aller ernstlichen Einwendungen, die man gegen den Monat Mai aufgeboten, hat die Hochzeit doch zuletzt glücklich Statt gefunden. Sie wurde in der Dorfkirche, in Gegenwart einer zahlreichen Versammlung von Verwandten und Freunden und einer großen Anzahl Pächter, gefeiert. Der Squire muß durchaus bei solchen Gelegenheiten etwas von den alten Festlichkeiten haben; so waren an dem Thore des Kirchhofs mehrere kleine Mädchen aus dem Dorfe, in Weiß gekleidet, mit Körben voll Blumen aufgestellt, die sie vor die Braut hinstreuten; und der Kellermeister trug den Brautbecher vor ihr her, eine große silberne, mit getriebener Arbeit verzierte Schale, eine der Familien-Reliquien aus den Zeiten der starken Trinker. Diese war mit altem Weine gefüllt, und mit einem Rosmarinzweige, mit bunten Bändern umwunden, ganz nach alter Sitte geschmückt.

»Glücklich ist die Braut, welche die Sonne bescheint,« sagt das alte Sprüchwort, und es war ein so sonniger, freundlicher Morgen, wie ihn das Herz nur wünschen konnte. Die Braut sah ungemein schön aus; aber in der That, welche Frau sieht an ihrem Hochzeitstage nicht reizend aus? Ich kenne keinen angenehmern, rührendern Anblick, als den einer jungen, schüchternen Braut, die in ihrem jungfräulich-weißen Kleide, zitternd zum Altare geführt wird. Wenn ich so ein liebliches Mädchen in der Blüthe ihrer Jahre sehe, wie sie ihr väterliches Haus, die Heimath ihrer Kindheit verläßt, und, mit dem unbeschränkten Vertrauen jener reizenden Hingebung, welche den Frauen eigen ist, die ganze Welt für den Mann ihrer Wahl hingibt; wenn ich sie, nach der guten alten Sprache der Trauungsformel, sich ihm ergeben höre, »in Gutem und Bösem, in Reichthum und Armuth, in Krankheit und Wohlsein, ihn zu lieben, zu ehren und ihm zu gehorchen, bis der Tod uns scheidet,« dann erinnert mich dieß an die schöne, rührende Ergebung der Ruth: »wo Du hingehest, da will auch ich hingehen, wo Du bleibst, da bleibe auch ich; Dein Volk soll mein Volk, und Dein Gott mein Gott sein.«

Die schöne Julie ward bei dieser schweren Gelegenheit von Lady Lillycraft unterstützt, deren Herz von gewohntem Antheil bei allen Liebes- und Ehe-Angelegenheiten überfloß. Als die Braut sich dem Altar näherte, erröthete sie einen Augenblick gewaltig, und den nächsten deckte Todtenblässe ihr Gesicht; und sie schien fast unter ihren Begleiterinnen zusammen sinken zu wollen.

Ich weiß nicht, was bei einer Trauung Jeden ernst macht, und gleichsam mit Schauer erfüllt, da man sie doch gewöhnlich als eine Gelegenheit der Freude und des Vergnügens ansieht. Während der Ceremonie sah ich manche rosige Wange unter den Landmädchen erbleichen, und in der ganzen Kirche gewahrte ich kein Lächeln. Die jungen Damen aus der Halle waren beinahe eben so ergriffen, als wären sie selbst in der Lage der Braut, und warfen heimlich manchen Blick der Theilnahme auf ihre zitternde Gefährtin. Der empfindsamen Lady Lillycraft stand eine Thräne in den Augen; und Phöbe Wilkins, die gegenwärtig war, weinte und schluchzte ganz laut; aber es ist, bei der Hälfte solcher Fälle, schwer zu sagen, worüber diese zärtlichen thörichten Geschöpfe Thränen vergießen.

Auch der Capitän war, wenn gleich von Natur fröhlich und leichten Sinnes, bei dieser Gelegenheit sehr bewegt, und ließ, als er den Ring der Braut an den Finger stecken wollte, ihn zu Boden fallen, was, wie Lady Lillycraft mich nachher versichert hat, ein sehr glückliches Zeichen ist. Selbst Meister Simon hatte seine gewohnte Lebendigkeit verloren, und ein höchst komisch-ernsthaftes Gesicht angenommen, was er bei allen festlichen Gelegenheiten zu thun pflegt. Er flüsterte sehr viel mit dem Pfarrer und dem Kirchenschreiber, denn er ist immer eine sehr geschäftige Person, wo etwas öffentlich verhandelt wird, und wiederholte das Amen mit einer Feierlichkeit und Frömmigkeit, welche die ganze Versammlung erbaute.

Im Augenblicke jedoch, wo die Feierlichkeit ihrem Ende nahte, war die Veränderung zauberhaft. Der Brautbecher ging nach altem Gebrauch umher, um auf die glückliche Verbindung des jungen Paares zu trinken; Jedermann schien seinen Gefühlen freien Raum zu geben; Meister Simon begann eine Menge Junggesellenspäße auszutheilen, und der tapfere General verbeugte sich und girrte um die süße Lady Lillycraft, wie ein großer Täuberich um seine Taube.

Die Dörfner versammelten sich auf dem Kirchhofe, um das glückliche Paar zu begrüßen, als es aus der Kirche kam; und der musikalische Schneider hatte seine Kapelle aufgestellt, und führte ein fürchterliches Charivari auf, als die erröthende, lächelnde Braut durch die Reihen der ehrlichen Landleute nach ihrem Wagen ging. Die Kinder jauchzten und warfen ihre Hüte in die Höhe; die Glocken läuteten, daß alle Krähen und Raben in der Luft umherflogen und krächzten, und das Gebälk des alten Thurmes hätte einstürzen mögen; und überall in der Umgegend hörte man die alten rostigen Flinten knallen.

Der verlorene Sohn zeichnete sich bei dieser Gelegenheit ungemein aus, da er oben auf dem Schulhause eine Fahne aufgepflanzt hatte, und von Sonnenaufgang an das Dorf schon durch den Ton der Trommel und Pfeife, so wie der Papagenoflöte, in welcher Art Musik mehrere von seinen Schülern wunderbare Fortschritte machen, in Bewegung erhielt. In seinem großen Eifer hätte er jedoch beinahe ein Unglück angerichtet; denn bei der Rückkehr aus der Kirche scheuten die Pferde am Wagen der Braut vor dem Knall einer Reihe alter Flintenläufe, die er, wie einen Artilleriepark, aufgestellt hatte, um den Capitän beim Vorbeifahren auf eine militärische Art zu begrüßen.

Der Tag verging unter vielen ländlichen Festlichkeiten. Unter den Bäumen im Park waren Tafeln gedeckt, an welchen die sämmtlichen Landleute aus der Nachbarschaft mit Roastbeef und Plumpudding und Ozeanen von Ale bewirthet wurden. Hans Baargeld hatte den Vorsitz bei einer von diesen Tafeln, und ward von den Freuden des Tisches so begeistert, daß er seinen gewöhnlichen Ernst ablegte, ein Lied ohne alle Melodie sang, und zwei oder dreimal so laut lachte, daß seine Nachbarn beinahe wie bei eben so vielen Donnerschlägen zusammenfuhren. Der Schulmeister und Apotheker wetteiferten mit einander in Reden, die sie bei dem Schmause hielten; und von Zeit zu Zeit gab es Musik, die von der Dorfkapelle ausgeführt wurde, und welche jeden Faun und jede Dryade aus dem Park verscheuchen mußte. Selbst der alte Christy, der von Kopf bis zu den Füßen neugekleidet war, und in dem ganzen Glanz eines Paars prächtiger lederner Beinkleider und einer ungeheuren Schleife an der Mütze erschien, vergaß seine gewöhnliche Rauhheit, und ward von Wein und Lust begeistert, und tanzte ohne weiteres einen Hornpipe auf einem von den Tischen, mit all dem Anstande und der Beweglichkeit einer Marionette.

Eine gleiche Fröhlichkeit herrschte im Hause, wo eine große Gesellschaft bewirthet wurde. Jedermann lachte über seine eigenen Späße, ohne auf die seiner Nachbarn zu achten. Lasten von Hochzeitkuchen wurden vertheilt. Die jungen Damen waren geschäftig, Stücke davon durch den Trauring zu stecken, um dann auf diesen zu träumen, und ich selbst half einem niedlichen kleinen Mädchen, das noch in die Kostschule ging, eine Menge davon für ihre Gespielinnen zusammenpacken, die ohne Zweifel eine Woche lang alle die kleinen Köpfe in der Schule verwirrt machen werden.

Nach dem Mittagsessen überließ sich die ganze Gesellschaft, Groß und Klein, Hoch und Niedrig. dem Tanze: nicht der neuern Quadrille, mit ihrem zierlichen Ernst, sondern dem lustigen, geselligen alten Contretanz; dem wahren Tanze bei einer Hochzeit, wie der Squire sagt, wobei die ganze Welt paarweise, Hand in Hand, umher hüpft, und jedes Auge und jedes Herz fröhlich zur Musik tanzt. Nach dem freisinnigen alten Gebrauch mischten sich die Bewohner der Halle eine Zeitlang auch in den Tanz der Landleute, für die ein großes Zelt als Ballsaal aufgeschlagen war; und ich glaube Meister Simon nie mehr in seinem Element gesehen zu haben, als bei dieser Gelegenheit, wo er unter seinen ländlichen Bewunderern als Ceremonienmeister auftrat, und mit einer Miene, welche zugleich den Beschützer und den galanten Mann andeutete, die ehemalige Maienkönigin zum Tanze führte, welche über die ihr angethane Ehre bis an die Schläfen roth ward.

Am Abend war das ganze Dorf erleuchtet, das Haus des Radikalen ausgenommen, der bei allen den Freudenbezeugungen sein Gesicht nicht hat sehen lassen. Vor dem Schulhause wurde ein Feuerwerk abgebrannt, welches der verlorene Sohn veranstaltet hatte, wobei aber das Gebäude beinahe in Brand gerathen wäre. Der Squire ist mit den außerordentlichen Diensten dieses Ehrenmannes so ungemein zufrieden, daß er davon spricht, ihn in sein Gefolge aufzunehmen, und ihm vielleicht einen bedeutenden Posten in der Staatsverwaltung zu geben; vielleicht den eines Falkoniers, wenn die Falken ja gehörig abgerichtet werden können.

Es gibt ein wohlbekanntes altes Sprüchwort, »eine Hochzeit macht mehrere,« – oder so ungefähr; und ich würde mich nicht wundern, wenn es sich in dem gegenwärtigen Falle bewährte. Ich habe unter den jungen Leuten, welche bei dieser Gelegenheit zusammengekommen sind, mehrere Annäherungen bemerkt; auch Viele paarweise in den einsamen Gängen und den blühenden Buschanlagen des alten Gartens umhergehen sehen; und wenn Gebüsche wirklich flüstern, wie es die Dichter uns glauben machen wollen, so weiß der Himmel, was für Liebesgeschichten die alten ernsten Bäume um diesen ehrwürdigen Landsitz nicht ausplaudern mögen.

Auch der General hat seine Aufmerksamkeiten in den letzten Tagen verdoppelt, da die Zeit der Abreise ihrer Herrlichkeit herannaht. Ich bemerkte, daß er bei dem Hochzeitsmahle, während die Speisen gewechselt wurden, manchen zärtlichen Blick auf sie warf: wiewohl er immer in seiner Anbetung durch die Erscheinung irgend eines neuen Leckerbissens unterbrochen wurde. Der General hat wirklich das Alter erreicht, wo das Herz und der Magen sich eine Art Gleichgewicht halten, und wo ein Mann sehr leicht zwischen einer schönen Frau und einem Truthahn mit Trüffeln wanken kann. Während des ganzen ersten Ganges hatten Ihre Herrlichkeit eine gefährliche Nebenbuhlerin an einer Schüssel mit geschmorten Karpfen; und ein Blick von ihm, der offenbar ein Kernschuß nach ihrem Herzen sein sollte, war späterhin wirklich nahe daran, eine praktikable Bresche zu legen, wäre solcher nicht unglücklicherweise von seiner Richtung ab in eine sehr verführerische Lammsbrust gegangen, worin er sogleich eine furchtbare Verwüstung anrichtete.

So trieb es dieser treulose General, kokettirte während der ganzen Mahlzeit, und beging bei jedem neuen Gerichte eine Treulosigkeit, bis er am Ende von den vielen Aufmerksamkeiten, welche er dem Fleisch, Fisch und Geflügel, den Pasteten, Gelées, Crêmen und Blanc-manger's bezeigt hatte, so erschöpft war, daß er in sich selbst zusammenzusinken schien: seine Augen schwammen, und ihr Feuer war so matt geworden, daß er keinen einzigen Blick mehr über den Tisch werfen konnte. Ueberhaupt fürchte ich, der General hat sich, bei diesem merkwürdigen Mittagsmahle, eben so sehr in Ungnade gegessen, als ich ihn früher sich hineinschlafen sah.

Auch der junge Hans Tibbets soll von der Trauungsfeierlichkeit, bei der er zugegen war, so ergriffen, so wie von der Rührung der armen Phöbe Wilkins, die allerdings in ihren Thränen nicht schlechter aussah, so angezogen worden sein, daß er sich noch an demselben Tage, nach dem Essen, in einem Gebüsche des Parks mit ihr ausgesöhnt, und am Abend mit ihr getanzt hat, zum großen Aerger von Frau Tibbets ganzer Hauspolitik. Ich begegnete ihnen, wie sie im Parke mit einander spazieren gingen, kurz nachdem die Versöhnung Statt gefunden haben mußte. Der junge Hans trat fröhlich und mannhaft einher; Phöbe aber hing den Kopf und erröthete, als ich mich näherte. In dem Augenblicke aber, wo sie an mir vorbeiging und mir einen Knix machte, warf sie mir einen schlauen Blick unter der Haube weg zu; schlug jedoch die Augen sogleich wieder nieder. Ich las in diesem Einen Blicke, so wie in dem unwillkürlichen Lächeln, das um ihre rosigen Lippen schwebte, genug, um mich zu überzeugen, daß der kleinen Hexe Herz wieder glücklich war.

Was mehr ist, Lady Lillycraft unternahm, von ihrem gewöhnlichen Wohlwollen und ihrem Eifer bei allen diesen Herzensangelegenheiten bewogen, das kritische Geschäft, Hans Baargeld die Wiederversöhnung der beiden Liebenden zu eröffnen. Sie dachte, es gebe nie mehr eine so schickliche Gelegenheit, wie diese, und griff noch diesen Abend im Park den starren, alten Freisassen an, während sein Herz noch von der Freigebigkeit des Squire erwärmt war. Hans war ein wenig überrascht, als Ihre Herrlichkeit ihn bei Seite zog, ließ sich jedoch von einer solchen Ehre nicht außer Fassung bringen: noch größer ward aber seine Ueberraschung, als er die Mittheilung selbst vernahm, und auf diesem Wege die erste Nachricht von einem Ereignisse erhielt, welches unter seinen Augen vorgegangen war. Er hörte indessen mit seinem gewöhnlichen Ernste zu, während Ihre Herrlichkeit die Vortheile der Heirath, die guten Eigenschaften des Mädchens und den Kummer schilderte, den sie in der letzten Zeit erduldet; endlich aber begann sein Auge zu glühen, und er fing an, mit dem Knopfe seines Knittels zu spielen. Lady Lillycraft sah, daß sie etwas bei der Erzählung verfehlt habe, und eilte, seinen aufwallenden Zorn durch eine wiederholte Schilderung der Verdienste und der Treue der weichherzigen Phöbe zu besänftigen, als der alte Baargeld sie auf einmal durch den Ausruf unterbrach, daß, wenn Hans das Mädchen nicht heirathete, er ihm alle Knochen im Leibe zerschlagen würde! Die Heirath wird demnach für so gut als geschlossen angesehen; Frau Tibbets und die Haushälterin haben sich versöhnt und Thee mit einander getrunken; und Phöbe sieht wieder so gut und munter aus, als sonst, und trillert vom Morgen bis in die Nacht wie eine Lerche.

Aber Kupido's sonderbarste Laune, deren zu erwähnen ich kaum wagen würde, wüßte ich nicht, daß ich für Leser schreibe, welche mit der Wunderlichkeit dieses heillosen Gottes hinlänglich bekannt sind, ist folgende. Am Tage nach der Heirath, gerade als Lady Lillycraft mit den Vorbereitungen zu ihrer Abreise beschäftigt war, verlangte ihre unbefleckte Kammerfrau, Mrs. Hannah, bei ihr Gehör, und bat, nach vielem Verziehen des Mundes und manchem jungfräulichen Stocken, um Erlaubniß, zurück bleiben zu dürfen, und bemerkte, Lady Lillycraft möchte ihren Platz durch eine andere Dienerin auszufüllen geruhen. Ihre Herrlichkeit war betroffen: »Wie! Hannah wolle sie verlassen, die so lange mit ihr gelebt hatte?«

»Ja, man könne doch nicht anders; man müsse doch einmal sich im Leben festsetzen.«

Die gute Lady war noch in Erstaunen verloren; endlich aber entwand sich das Geheimniß den dürren Lippen der jungfräulichen Kammerfrau: »sie habe schon seit einiger Zeit gedacht, ihren Stand zu verändern, und endlich, vergangenen Abend, Herrn Christy, dem Jäger, das Jawort gegeben.«

Wie oder wann, oder wo diese sonderbare Liebschaft sich entsponnen hat, habe ich nicht herausbringen können; noch wie sie bei ihrem essigsauren Wesen das steinharte Herz des alten Nimrod zu erweichen im Stande war: die Sache ist indessen so, und Jedermann wundert sich darüber. Bei aller Vorliebe Ihrer Herrlichkeit für Ehestiftungen ist denn doch dieser letzte Rauch von Hymen's Fackel etwas zu stark für sie. Sie hat sich bemüht, Mrs. Hannah zur Vernunft zu bringen, allein alles vergebens; sie war entschlossen, und der geringste Widerspruch konnte sie aufbringen. Lady Lillycraft wandte sich an den Squire, daß er den Vermittler machen möge. »Sie wisse nicht, was sie ohne Mrs. Hannah anfangen solle, sie sei seit so langer Zeit daran gewöhnt, sie um sich zu haben.«

Der Squire war im Gegentheil über diese Heirath herzlich froh, da sie die gute Lady von einer Art Toiletten-Tyrannin befreite, unter deren Scepter sie schon seit Jahren geschmachtet hatte. Statt die Sache zu hintertreiben, hat er sie aus allen Kräften befördert und erklärt, er wolle dem jungen Paare eines der besten Bauernhäuser auf seinem Gute geben. Das ganze Haus folgte der Billigung des Squire: Alle sagen, wenn es wahr sei, daß Ehen im Himmel geschlossen werden, müsse es bei dieser gewiß der Fall sein; denn der alte Christy und Mrs. Hannah wären offenbar eben so geschaffen, neben einander zu stehen, als die Pfefferbüchse und die Essigflasche.

Sobald die Angelegenheit in Ordnung war, beurlaubte sich Lady Lillycraft bei der Familie aus der Halle und nahm den Capitän und seine erröthende Braut mit sich, da sie die Flitterwochen bei ihr zubringen sollten. Meister Simon begleitete sie zu Pferde, und gedenkt, immer voraus zu reiten, um alle nöthigen Anstalten zu treffen. Der General, welcher vergebens nach einer Einladung auf ihren Landsitz haschte, half Ihrer Herrlichkeit mit einem tiefen Seufzer in den Wagen, worauf sein Busenfreund, Meister Simon, der so eben sein Pferd bestieg, mir einen bedeutsamen Wink gab, ein ganz verwünschtes schiefes Gesicht schnitt, und mir, indem er sich vom Sattel herunterbeugte, ganz laut ins Ohr sagte: »es hilft nichts!« Er gab dann seinem Pferde die Sporen und trabte weg. Der General blieb eine Zeitlang stehen und schwenkte seinen Hut, während die Kutsche die Allee hinabrollte, bis er zu niesen anfing, wahrscheinlich, weil er sich mit bloßem Kopf dem kalten Winde ausgesetzt hatte. Ich bemerkte, daß er etwas gedankenvoll nach dem Hause zurückkehrte; die Hände auf den Rücken gelegt pfiff er mit einer ungemein bedenklichen Miene ganz leise vor sich hin.

Die Gesellschaft ist jetzt beinahe abgereist. Ich habe mich entschlossen, morgen ihrem Beispiele zu folgen; und der Leser wird hoffentlich nicht denken, ich hätte nur zu lange auf der Halle verweilt. Dazu habe ich mich indessen durch die Meinung veranlaßt gesehen, ich hätte endlich einen von den abgelegenen Orten gefunden, wo man noch einige Spuren des alten englischen Charakters antrifft. Ein wenig später, und alle diese werden ebenfalls verschwunden sein. Hans Baargeld wird bei seinen Vätern ruhen; der gute Squire und alle seine Eigenthümlichkeiten werden in der benachbarten Kirche ihre Grabstätte finden. Die alte Halle wird in ein modernes Landhaus oder vielleicht in eine Manufactur umgeschaffen. Der Park wird in kleine Gehöfte und Küchengärten zerstückelt werden. Eine Landkutsche wird täglich durch das Dorf gehen; es wird, wie alle gewöhnliche Dörfer, von Kutschen, Postillons, Trinkern und Politikern wimmeln; und Weihnachten, der erste Mai und alle fröhliche Lustbarkeiten der »guten alten Zeiten« werden vergessen sein.


 << zurück weiter >>