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Kein Flecken, kein Dorf, keine Stadt im Land – Wir sind bettelnd oder plündernd zur Hand. Wenn wilde Wetter den Himmel umziehn, Legen in Scheunen auf Stroh wir uns hin, Ist's lieblich und warm, bei Ja und bei Nein, Eine Heck', ein Bund Heu beut sich im Frei'n. |
Lustige Bettler. |
Als ich eines Abends mit dem Oxforder Studenten, Meister Simon und dem General auf einer Wiese nicht weit vom Dorfe wandelte, hörten wir den Ton einer schlecht gespielten Fiedel, und sahen, nach der Gegend blickend, woher er kam, eine Rauchsäule zwischen den Bäumen sich empor kräuseln. Der Klang der Musik ist immer anziehend; denn wo immer Musik ist, da ist gute Laune oder guter Wille. Wir gingen einen Fußpfad entlang, und konnten nun durch eine Oeffnung in der Hecke den Musiker und seine Gesellschaft sehen, worauf der Oxforder uns einen Wink gab und uns sagte, wenn wir ihm folgen wollten, dürften wir nicht wenig Spaß haben.
Es zeigte sich, daß dieß ein Lager der Zigeuner war, aus drei bis vier kleinen Hütten oder Zelten bestehend, die von Betttüchern oder Segeltuch gemacht, und mit Reifen überspannt waren, welche man in den Boden eingeschlagen hatte. Es war auf der einen Seite eines grünen Heckenganges, dicht unter einer Hagedornhecke aufgeschlagen, und eine große Buche breitete ihre Zweige darüber hin. Ein kleiner Bach rieselte, dicht daran, durch den grünen, einem Teppich gleichen Rasen hin.
Ein Theekessel hing an einem krummen gebogenen Stücke Eisen über einem Feuer, das von trockenen Reisern und Blättern angezündet war, und zwei alte Zigeunerinnen, in rothen Mänteln, saßen zusammengekauert auf dem Grase und schwatzten bei ihrem Abend-Thee; denn diese Geschöpfe haben, wenn sie gleich unter freiem Himmel leben, doch ihre Begriffe von dem Behagen an einem Feuer. Zwei oder drei Kinder schliefen auf dem Stroh, das in den Zelten umhergestreut war; ein paar Esel weideten in dem Heckengange, und ein diebartig aussehender Hund lag neben dem Feuer. Einige von den jüngeren Zigeunerinnen tanzten nach dem Klang einer Fiedel, die ein lang aufgeschossener Junge, in einem alten Ueberrock und mit einer Pfauenfeder im Hutbande, spielte.
Als wir uns näherten, kam ein Zigeunermädchen, mit einem Paar schöner schelmischer Augen, heran, und erbot sich, wie gewöhnlich, uns wahrzusagen. Ich mußte an dem Geschöpf einen gewissen Grad lockerer Zierlichkeit bewundern. Ihr langes, schwarzes, seidenes Haar war sonderbar in viele kleine Flechten getheilt und nachlässig auf eine pittoreske Art, die ein Maler erfunden zu haben stolz gewesen sein würde, aufgesteckt. Ihr Kleid war von geblümtem Zitz, ziemlich zerlumpt und nicht allzu rein, aber von einem sehr harmonischen und angenehmen Farbenspiel; denn diese Wesen haben ein besonders geübtes Auge in der Wahl der Farben. Sie hatte einen Strohhut in der Hand, und einen rothen Mantel über den einen Arm geworfen.
Der Oxforder Student wollte sich sogleich wahrsagen lassen, und das Mädchen begann mit der gewöhnlichen Zungengeläufigkeit ihres Geschlechts; allein er zog sie auf die Seite, nahe bei der Hecke, da er, wie er sagte, es nicht beabsichtige, daß man hinter alle seine Geheimnisse käme. Ich bemerkte, daß er zu ihr sprach, statt daß sie ihm etwas gesagt hätte, und sah an den verstohlenen Blicken, die er zuweilen auf uns warf, daß er dem Geschöpf einige geheime Winke gab. Als sie zu uns zurückkehrte, nahm er eine sehr ernsthafte Miene an. »Wahrhaftig!« sagte er, »es ist zum Erstaunen, wie diese Geschöpfe zu ihren Kenntnissen kommen; das Mädchen hat mir einige Dinge gesagt, von denen ich glaubte, Niemand wisse sie, als ich selbst!«
Das Mädchen machte nun ihren Angriff auf den General: »Kommt, Euer Gnaden,« sagte sie, »ich sehe es an Euerm Gesichte, daß Ihr ein glücklicher Mann seid; aber Euer Gemüth ist nicht ruhig; wahrhaftig nicht, Sir! aber seid gutes Muths, und gebt mir ein gut Stück Silber, und ich will Euch recht schön wahrsagen.«
Der General hatte ihren Angriff auf ihn im Scherz genommen, und sich von ihr bei der Hand nehmen lassen; als sie aber eines Stückes Silber erwähnte, begann er zu husten, machte ein ernsthaftes Gesicht, wandte sich zu uns, und fragte, ob wir nicht lieber unsern Spaziergang fortsetzen wollten. – »Nun, nun, mein Herr!« sagte das Mädchen listig: »Ihr würdet nicht so eilen, wenn Ihr wüßtet, was ich Euch alles von einer schönen Dame sagen könnte, die ein Auge auf Euch hat. Nun, alte Liebe rostet nicht; Manche kommen, um bei einer Hochzeit zu sein, und gehen als Verlobte weg!« – Hier flüsterte ihm das Mädchen etwas mit leiser Stimme zu, worüber der General roth wurde, in Verwirrung gerieth, und sich unter die Hecke führen ließ, wo er dem Mädchen mit großer Aufmerksamkeit zuzuhören schien, und ihr am Ende, mit der Miene eines Mannes, der sein Geld nicht weggeworfen zu haben glaubt, eine halbe Krone gab.
Das Mädchen machte nun ihren Angriff auf Meister Simon, der jedoch ein zu alter Vogel war, um sich fangen zu lassen, denn er wußte, daß das Ganze sich mit einem Angriff auf seine Börse endigen würde, ein Punkt, über den er etwas kitzlich ist. Da er indessen noch immer in dem Rufe stehen will, ein loser Geselle zu sein, so griff er ihr unter das Kinn, machte einige ziemlich derbe Scherze, und nahm die Miene eines Wildfangs an, wie wir sie zuweilen die jungseinwollenden Herrn aus der alten Schule auf dem Theater annehmen sehen. »Ach, Euer Gnaden,« sagte das Mädchen mit einem boshaften Lächeln: »Ihr wart voriges Jahr, als ich etwas von der bewußten Wittwe sagte, nicht so gleichgültig; hättet Ihr aber Freundes-Rath angenommen, so würdet Ihr vergangenes Jahr auf dem Pferderennen von Doncaster nicht mit einem Floh im Ohr weggekommen sein!«
Es war in dieser Rede ein geheimer Stich, der Meister Simon ganz aus der Fassung zu bringen schien. Er riß verdrießlich seine Hand weg, knallte mit der Peitsche, pfiff den Hunden, und sagte daß es hohe Zeit sei, nach Hause zu gehen. Das Mädchen war indessen entschlossen, ihre Ernte nicht aufzugeben. Sie wandte sich jetzt zu mir, und da ich eine Schwachheit des Geistes fühle, wo ein hübsches Gesicht mit im Spiele ist, lockte sie mir bald mein Geld ab, und sagte mir dagegen wahr; wenn das Gesagte eintrifft, und ich bin entschieden, es für wahr zu halten, so wird es mich zu einem der glücklichsten Menschen in Cupido's Jahrbüchern machen.
Ich sah, daß der Oxforder Student bei allen diesen Geheimnissen die Hand im Spiele hatte, und sich mit dem General, dessen zärtliche Annäherung an die Wittwe der Aufmerksamkeit des Schalks nicht entgangen war, einen Scherz machen wollte. Ich war indessen ein wenig neugierig, den Sinn der geheimnißvollen Winke kennen zu lernen, die Meister Simon so plötzlich in Verlegenheit gesetzt hatten; und blieb daher, auf unserem Wege nach Haus, absichtlich mit dem Oxforder zurück, wo dieser herzlich über meine Fragen lachte und mir ausführlichen Aufschluß über die Sache gab.
Die Wahrheit ist, daß es Meister Simon, seit meinem Weihnachts-Besuche auf der Halle, gar übel ergangen ist. Er pflegte damals sehr mit einer Wittwe, einer hübschen, stattlichen Frau, wie er mir unter vier Augen sagte, geneckt zu werden. Ich glaubte, die Freude, welche er bei dieser Gelegenheit verrieth, rühre von der gewöhnlichen Vorliebe alter Junggesellen her, sich gern mit Heirathen und Courmachen und mit Wankelmuth und falschen Herzen aufziehen zu lassen. Man versicherte mich aber, Meister Simon habe sich wirklich überredet, die Wittwe sei ihm nicht abgeneigt; demzufolge hatte er einige außerordentliche Ausgaben für neue Kleider gemacht und sich wirklich durch Frank Bracebridge einen Rock bei Stultz bestellen lassen. Er fing an, Winke zu geben, wie nothwendig es sei, daß ein Mann sich einen festen Hausstand bilde, ehe er alt würde; er machte ein ernsthaftes Gesicht, wenn von Heirathen und der Wittwe zugleich die Rede war, und fragte heimlich den Squire und den Geistlichen um ihre Meinung, ob es wohl räthlich sei, eine Wittwe mit einem ansehnlichen Wittwenthum, die aber auch mehrere Kinder habe, zu heirathen.
Ein wichtiges Glied eines großen Familienvereins kann nicht füglich lange von dem Heirathen reden, ohne daß die Sache ruchbar würde; und man raunte sich bald zu, Herr Simon Bracebridge sei nach dem Pferderennen von Doncaster mit einem neuen Pferde gegangen, wolle aber in einem Curricle, mit einer Dame neben sich, wieder kommen. Meister Simon ging wirklich zu dem Pferderennen, und zwar mit einem neuen Pferde; und die stattliche Wittwe erschien in ihrem Curricle; unglücklicherweise fuhr sie aber ein junger schmucker irländischer Dragoner-Offizier, mit dem selbst Meister Simons Selbstgefälligkeit sich nicht vergleichen konnte, und den sie kurz nachher heirathete.
Dieß war mehrere Monate lang ein Gegenstand bittern Kummers für Meister Simon, da er sich früher nie völlig bloß gegeben hatte. Der albernste Kopf in der Familie hatte einen Scherz über ihn; und Niemand kann einen Scherz weniger vertragen. als ein ausgemachter Witzbold. Er flüchtete sich daher eine Zeit lang zu Lady Lillycraft, bis die Sache vorübergezogen sein würde, sah ihre Rechnungsbücher durch, hielt den Kirchenchor in Ordnung, und brachte einem Dompfaffen loyale Gesinnungen bei, indem er ihn »God save the King« pfeifen lehrte.
Er ist nun von der Kränkung beinahe wieder genesen; trägt den Kopf in die Höhe, und lacht so viel, als irgend Einer; er spricht wieder mit Bedauern von verheiratheten Leuten, und macht sich über Wittwen erstaunlich lustig, wenn Lady Lillycraft nicht dabei ist. Seine einzige Prüfungsstunde tritt ein, wenn der General ihn packt, der ungemein schwerfällig und beharrlich in seinen Neckereien ist, und ein ganzes Mittagsessen lang einen und denselben plumpen Scherz in die Unterhaltung einzuflechten weiß. Meister Simon hält dann oft diesen Angriffen eine Strophe aus einem seiner alten Bücher »Cupido's Liebesadvokat« entgegen:
Umsonst ist's, lang um eine Wittwe frei'n, Ihr Ziel zu kennen, ist Ein Blick genug; Spitz sind sie, ob sie alt, ob jung sie sei'n; Ihr Zaudern, Jüngling, deutet auf Betrug. |