Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Washington Irving

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Die Falkenjagd.

Der Falk, der aufsteigt von der Faust,
Treibt oft des Jägers Fuß
Das Thal entlang und durch die Gründe,    
Wo er ihn suchen muß.
Und klingt die Schelle oder sieht er
Nun seinen Falken nahn,
Dann ruft er jubelnd sein Wo ho. –
Und ist der froh'ste Mann.
Handvoll angenehmer Vergnügungen.

In früher Morgenstunde war die Halle in Bewegung, um sich zur heutigen Jagd zu bereiten. Mit Sonnenaufgang hörte ich Meister Simon unter meinem Fenster pfeifen und singen, während er die Riemen für die Füße des Falken in Ordnung brachte, und konnte dann und wann eine Strophe aus einem seiner alten Lieblingslieder unterscheiden:

Zur Erbsenzeit, wenn Horn und Hund
    Des Rehbocks Tod verkündet;
Der Knabe, die Schalmei am Mund,
    Die frohe Herde findet, u. s. w.

Ein tüchtiges Frühstück, durch kalte Speisen verstärkt, wurde in dem großen Saale aufgetragen. Die ganze, aus Bedienten und Mitläufern bestehende Besatzung war in Bewegung, verstärkt durch freiwillig sich meldende Müßiggänger aus dem Dorfe. Die Pferde wurden vor der Thür auf und abgeführt; jeder hatte etwas zu sagen und etwas zu thun, und lief hierhin und dorthin; ein furchtbares Gebell von Hunden erhob sich; einige von denen, die uns begleiten sollten, waren ungeduldig, aufzubrechen; und andere, die zu Hause bleiben sollten, wurden mit der Peitsche in ihren Stall zurückgebracht. Kurz, in diesem Augenblicke hätte man das Haus des guten Squire ganz füglich für eins der alten Schlösser aus der guten alten Lehnszeit ansehen können.

Nachdem das Frühstück eingenommen worden, schickte sich die Ritterschaft der Halle an, ins Feld zu ziehen. Die schöne Julia war von der Gesellschaft, im Jagdkleide, mit wehenden Federn auf dem Hute. Als sie ihr Lieblingspferd bestieg, sah ich mit Vergnügen, daß der alte Christy seinen gewöhnlichen Murrsinn vergaß, und herzu eilte, ihren Sattel und ihr Zaumzeug in Ordnung zu bringen. Er faßte an seine Mütze, als sie ihm zulächelte und dankte; und dann, rund umher die übrigen Diener ansehend, nickte er klug mit seinem Kopfe, in welchem Nicken ich Stolz und Freude über das schöne Aussehen seiner Schülerin las.

Lady Lillycraft hatte sich gleichfalls entschlossen, die Jagd mit anzusehen. Sie trug ihren breiten weißen Filzhut, der unter dem Kinn gebunden war, und einen Reitanzug aus dem vorigen Jahrhunderte. Sie ritt ihren glatten, trippelnden Klepper, dessen Bewegung bequem wie die eines Wiegenstuhles war, und wurde ritterlich von dem General begleitet, der wie einer der tapfern Helden auf den alten Kupfern von der Schlacht von Blenheim aussah. Auf der andern Seite ritt der Geistliche, denn diese Jagd war eine gelehrte Beschäftigung, an der er großen Antheil nahm; und allerdings hat er, nach seiner Kenntniß der Sitten und Gebräuche manchen guten Rath ertheilt.

Endlich war Alles in Ordnung, und wir brachen von der Halle auf. Die Bewegung des Reitens weckt den Geist immer auf; und das Ganze hatte etwas heiteres und belebendes. Die jungen Männer aus der Familie begleiteten Miß Templeton. Sie saß sehr leicht und mit Anstand im Sattel, während ihre Federn in der Luft weheten und flatterten, und die Gruppe nahm sich, wie sie unter den Bäumen erschien und wieder verschwand, in dem kecken Muthe der Jugend dahin ziehend, ungemein reizend aus. Der Squire und Meister Simon ritten neben einander, von dem alten Christy auf seinem Pfeffer begleitet. Christy trug den Falken auf der Faust, da er behauptete, der Vogel sei am meisten an ihn gewöhnt. Dann kam ein Schwarm von Fußgängern, der aus Leuten von der Halle und mehreren Müßiggängern aus dem Dorfe bestand, mit zwei oder drei Wasserhunden, um das Wild aufzutreiben.

Eine Art Reserve-Corps, das aus Lady Lillycraft, dem General Harbottle, dem Geistlichen und einem dicken Bedienten bestand, folgte ruhig als Nachtrab. Ihre Herrlichkeit zog gemächlich auf ihrem Klepper einher, während der General, auf einem großen Jagdpferde, mit der Miene der sorgsamsten Galanterie auf sie her abblickte.

Da ich kein Jäger bin, hielt ich mich zu dieser letztern Abtheilung, oder blieb vielmehr noch etwas zurück, um das ganze Gemälde vor Augen zu haben; und der Geistliche hielt von Zeit zu Zeit an, und trottete neben mir her.

Der Zug ging nach einer sanften, von dem feuchten Grün des Frühlings dampfenden, in einiger Entfernung von der Halle belegenen Wiese. Ein kleiner Fluß strömte durch dieselbe hin, von Weiden bekränzt, deren erstes zartes Laub bereits ersproßt war. Die Jäger wollten Reiher aufsuchen, welche sich an diesem Flusse halten sollten.

Unter den Anführern der Jagd war bereits einige Meinungsverschiedenheit. Der Squire, Meister Simon und der alte Christy hielten von Zeit zu Zeit an, um miteinander zu berathschlagen, wie die Offiziere bei einem Heere im Felde; und ich sah an gewissen Kopfbewegungen, daß der alte Christy so eigensinnig war, wie irgend ein alter, störrischer, deutscher Oberbefehlshaber.

Als wir über diese ruhige Wiese dahinsprengten, wiederholte ein sehr deutliches Echo, welches von der besonnten Mauer eines alten Gebäudes herkam, das am jenseitigen Uferende lag, jeden Ton; und ich hielt an, um diesem »Geiste des Tones« zuzuhören, der gern an allen ruhigen, schönen Orten zu weilen scheint. Der Geistliche sagte mir, dieß sei ein Ueberbleibsel eines alten Meierhofes, von dem die Landleute glaubten, daß er von einem Dobbie, einer Art ländlichen Geistes, dem Kobold ähnlich, bewohnt werde. Sie glaubten oft, das Echo sei die Stimme des Dobbie, welcher ihnen antwortete, und hüteten sich fast, ihn nach dem Eintritt der Dämmerung zu stören. Er fügte hinzu, der Squire wache über die Erhaltung dieser Trümmer, des damit verknüpften Aberglaubens wegen, sehr sorgfältig. Da ich sie als die Wohnung eines »luftigen Nichts« betrachtete, konnte ich nicht umhin, mich dabei der schönen Beschreibung eines Echo in Webster's Herzogin von Amalfi zu erinnern.

– Dort über'm Fluß steht eine Mauer,
Die Trümmer eines Klosters, die, ich glaube,
Das schönste Echo gibt, das je ihr hörtet;
So deutlich spricht es jedes Wort euch nach,
Daß Manche schon geglaubt, es sei ein Geist,
Der Antwort gibt.

Der Geistliche kam nun zu einer Erläuterung über eine artige und phantastische Benennung, welche die Hebräer dem Echo geben, indem sie es Bath-kol, d. h. »die Tochter der Stimme,« nannten; sie hielten es für ein Orakel, welches in dem zweiten Tempel die Stelle der Urim und Thummim vertrat, womit der erste geehrt war.Bekker's Monde enchanté. Der kleine Mann ging so eben sehr tief und gelehrt in den Gegenstand ein, als wir durch ein gewaltiges Lärmen, Schreien und Bellen unterbrochen wurden. Ein Flug Krähen, durch den Anmarsch unserer Macht beunruhigt, war plötzlich von einer Wiese aufgeflogen, und es erhob der zu Fuß folgende Pöbel ein Geschrei. »Jetzt, Christy! jetzt ist es Zeit, Christy!« Der Squire und Meister Simon, die am Ufer des Flusses nach einem Reiher aussahen, riefen Christy eifrig zu, sich ruhig zu verhalten; der alte Mann, durch das Durcheinanderrufen der Stimmen ganz bestürzt und verwirrt gemacht, verlor gänzlich den Kopf; in seiner Betäubung nahm er die Haube ab, warf den Falken in die Höhe, und davon flogen die Krähen und der Falke stieg auf und davon.

Ich hatte auf einer Erhöhung, dicht bei Lady Lillycraft und ihrem Gefolge, Halt gemacht und konnte die Jagd gut übersehen. Es machte mir Vergnügen, die ganze Gesellschaft auf der Wiese zu beobachten, wie Alle nach der Richtung des Vogels hinritten; ihre klaren lachenden Gesichter zum klaren Himmel empor gekehrt, um die Jagd zu verfolgen; die Begleiter zu Fuß hinterher stolpernd, aufschauend, und dazu schreiend, und die Hunde, ihre Theilnahme sehr geräuschvoll durch Springen und Bellen zu erkennen gebend.

Der Falke hatte sich aus dem Schwarme der Krähen eine als Beute ausersehen. Es war sonderbar, das Bestreben der beiden Vögel zu sehen, über einander zu steigen; der eine, um den Todesstoß zu geben, der andere, ihn zu vermeiden. Bald gingen sie durch eine helle flockige Wolke, bald waren sie gegen den klaren blauen Himmel zu sehen. Ich gestehe, daß ich, da ich kein Jäger bin, einen weit größeren Antheil an dem armen Vogel nahm, der für sein Leben kämpfte, als an dem Falken, der die Rolle eines Söldners zu spielen schien. Endlich gewann der Falk die Oberhand, und stieß nun plötzlich auf seine Beute herab; allein die Krähe fiel eben so schnell nieder, und nun schief aufsteigend, wich sie dem Stoße aus, krächzend und sich abmühend, um nach einem dürren Baum am Rande eines benachbarten Hügels zu kommen, während der Falke, nach mißlungenem Stoße, abermals in die Luft stieg und sich zu »verstoßen« schien. Vergebens rief und pfiff der alte Christy und suchte den Vogel herabzulocken; er kehrte sich nicht an ihn; freilich, sein Rufen ging in dem Geschrei und dem Gebell der Miliz unter, die ihm in das Feld gefolgt war.

Gerade jetzt veranlaßte ein Ausruf der Lady Lillycraft, mich zu wenden. Ich sah eine gänzliche Verwirrung unter den Jägern in dem kleinen Thale vor uns. Sie galoppirten und liefen nach dem Rande des Ufers hin; und ich erschrak, als ich das Pferd der Miß Templeton ohne seine Reiterin dahin stürmen sah. Ich ritt nach dem Orte, wohin die Andern eilten, und sah, als ich das Ufer erreichte, welches fast über den Fluß hinwegragte, an dem Saum des Wassers die schöne Julie, bleich, blutend, und dem Anschein nach leblos, in den Armen ihres verzweifelnden Geliebten liegen.

Während sie die Augen in die Höhe gerichtet sorglos dahin galoppirte, hatte sie sich unversehens dem Ufer zu sehr genähert; dieses gab unter ihr nach, und sie und ihr Pferd waren den kiesigen Rand des Flusses hinabgestürzt.

Nie sah ich eine größere Bestürzung. Der Capitain war außer sich, Lady Lillycraft im Begriff, in Ohnmacht zu fallen, der Squire in der größten Angst und Meister Simon gänzlich außer Fassung. Das schöne Geschöpf gab endlich Zeichen des zurückkehrenden Lebens; sie öffnete ihre Augen; blickte um sich her auf die besorgte Gruppe, und da sie sich alsbald Alles erklärte, lächelte sie sanft, legte ihre Hand in die ihres Geliebten, und sagte mit schwacher Stimme: »ich habe mir nicht viel Schaden gethan, Guido!« Ich hätte sie für diesen einzigen Ausruf an mein Herz drücken können.

Es fand sich in der That, daß sie, beinahe wunderbar, mit einer Verletzung am Kopfe, einer Verstauchung des Knöchels und einigen leichten Quetschungen davon gekommen war. Nachdem das Blut gestillt worden, brachte man sie in ein benachbartes Bauernhaus, bis ein Wagen herbeigeholt werden konnte, um sie nach Hause zu bringen; als dieser gekommen war, kehrte der Zug, der so [fröhlich] ausgezogen war, langsam und gedankenvoll nach der Halle zurück.

Ich war entzückt von dem edeln Geiste, welchen dieses junge Wesen gezeigt hatte, das, unter Schmerz und Gefahr, nur den Kummer der um sie her Beschäftigten aufzuheitern bemüht war. Desto wohlthuender war mir daher die allgemeine Betrübniß, welche die Dienstboten bei unserer Rückkehr zeigten. Sie kamen in Haufen die Allee herab, Jeder voll Begierde, Beistand zu leisten. Der Haushofmeister stand mit einer absonderlich herzstärkenden Arznei bereit; die alte Haushälterin war mit einem halben Dutzend, von ihren eigenen Händen nach dem Familien-Recept-Buche bereiteter Mittel versehen; während ihre Nichte, die schmelzende Phöbe, da sie auf keine andere Art hülfreich sein konnte, da stand, die Hände rang und laut weinte.

Die wesentlichste Folge dieses Unfalls wird wahrscheinlich der Aufschub der Hochzeit sein, welche in Kurzem gefeiert werden sollte. Obgleich ich mit der Ungeduld des Capitains in dieser Rücksicht Mitleid habe, werde ich doch über diese Verzögerung sonst nicht sehr unwillig sein, da sie mir noch mehr Gelegenheit geben wird, die hier versammelten Charaktere, die mich immer mehr und mehr unterhalten, genauer kennen zu lernen.

Ich bemerke wohl, daß der würdige Squire über den unglücklichen Ausgang seines Versuches mit der Falkenjagd und diese ungünstige Folgerung auf seiner Lobrede auf das Reiten der Frauen, sehr betreten ist. Auch der alte Christy ist sehr verdrießlich, da ihm Meister Simon gewaltige Vorwürfe gemacht hat, daß er seinen Falken auf Aas habe stoßen lassen. Was den Falken betrifft, so ist bei der Verwirrung, in die Alle durch den Unfall der schönen Julie versetzt worden sind, der Vogel gänzlich vergessen worden. Ich zweifle nicht, daß er in aller Eile seinen Weg zurück nach der gastfreundlichen Halle des Sir Watkyn Williams Wynne genommen hat, und sehr wahrscheinlich mustert er, während ich dieses schreibe, seine Schwingen in den luftigen Lauben von Wynnstay.


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