Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Washington Irving

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Der Geschichtschreiber.

Hermione                             Kommt, setzt euch zu uns,
Erzählt etwas.
Mamilius.                             Was Lust'ges oder Ernstes?
Hermione. So lustig als ihr wollt.
Mamilius.                             Was Ernstes paßt zum Winter:
Ich weiß was von Gespenstern.
Hermione.                             So erzählt uns das, Herr.
Wintermährchen.

Da unser Zeitalter ein geschichterzählendes ist, so habe ich mich gelegentlich versucht gefühlt, dem Leser eine von den vielen Erzählungen vorzutragen, welche auf der Halle mit dem Abendessen aufgetischt werden. Ich hätte deren wahrlich eine Reihe geben können, welche der in Tausend und einer Nacht an Zahl beinahe gleich käme; allein einige davon waren ziemlich abgedroschen und langweilig; andere wagte ich nicht dem Drucke anzuvertrauen; und noch andere waren des Generals Geschichten, und bezogen sich vorzüglich auf Tigerjagden, Elephanten-Reiten und Seringapatam, gewürzt mit den wundervollen Thaten Tippu Saib's und den trefflichen Spässen des Majors Pendergast.

Ich hatte immer meinen ruhigen Sitz an einer Ecke des Tisches behauptet, wo ich ungestört meiner Laune nachleben konnte, aufmerksam zuhörend, wenn die Erzählung gut war, und ein wenig nickend, wenn sie sich etwas zum Langweiligen hinneigte, was ich für die höchste Kunst der Zuhörerschaft halte.

Ich ward neulich Abends aus einem leichten Schlummer, in den ich bei einer der Geschichten des Generals gefallen war, durch eine plötzliche Aufforderung des Squire erweckt, meinerseits etwas zur Unterhaltung der Gesellschaft beizutragen. Da ich Andern so aufmerksam zugehört hatte, konnte ich mich nicht füglich weigern; weder mein Gedächtniß noch meine Erfindungskraft waren indessen geeignet, einem so unerwarteten Begehren zu genügen, und so bat ich denn um Erlaubniß, eine handschriftliche Erzählung aus der Feder meines Landsmannes, des verstorbenen Herrn Dietrich Knickerbocker's, des Geschichtschreibers von New-York, vorlesen zu dürfen. Da dieser alte Chronikenschreiber den Lesern vielleicht gerade nicht genauer bekannt sein mag, als er es der Gesellschaft auf der Halle war, so werden ein oder zwei Worte über ihn selbst, ehe ich an seine Handschrift komme, hier nicht an der unrechten Stelle sein.

Dietrich Knickerbocker war aus New-York gebürtig und stammte aus einer der alten holländischen Familien, welche sich ursprünglich in dieser Provinz niederließen, und daselbst blieben, nachdem die Engländer im Jahre 1664 davon Besitz genommen hatten. Die Abkömmlinge dieser holländischen Familien wohnen noch jetzt in verschiedenen Dörfern und Gegenden in mehreren Theilen des Landes, mit einem besondern Eigensinne die Kleidungen, Sitten und selbst die Sprache ihrer Vorfahren beibehaltend, und in der gemischten Bevölkerung dieses Staates eine sehr eigenthümliche, sonderbare Erscheinung bildend. In einem Dorfe, dessen Kirchthurmspitze man von New-York aus sehen kann, und das sich an dem Abhange eines Hügels, an dem entgegengesetzten Ufer des Hudson, erhebt, sprechen mehrere von den alten Leuten, selbst heutiges Tages noch, das Englische mit einem fremdartigen Accent; der Pfarrer predigt in holländischer Sprache; und die angeerbte Liebe zur Ruhe und zum Stillschweigen waltet noch so sehr vor, daß in diesen schläfrigen kleinen Dörfern an einem warmen Sommertage das Summen einer großen Fliege von einem Ende des Ortes bis zum andern wiedertönt.

Mit dem lobenswerthen angebornen Gefühl, das sich unter diesen würdigen Leuten erhält, unternahm es Herr Knickerbocker, eine Geschichte seiner Geburtsstadt zu schreiben, welche die Regierung ihrer drei holländischen Statthalter zu der Zeit umfaßte, wo sie noch unter der Herrschaft der Hochmögenden von Holland stand. Bei der Ausführung dieses Planes legte der kleine Holländer große historische Untersuchungsgabe, so wie ein außerordentliches Bewußtsein der Bedeutsamkeit seines Gegenstandes an den Tag. Sein Buch ist indeß so wenig verstanden worden, daß man es für ein bloßes Werk der Laune erklärt hat, die Thorheiten der Zeit, sowohl politischer als moralischer Art, durchhechelnd, und launige Ansichten der menschlichen Natur gebend.

Sei dem, wie ihm wolle, – in seinen nachgelassenen Papieren fanden sich mehrerer Erzählungen leichterer Art, dem Anschein nach aus Materialien zusammengestellt, welche er während seiner tiefen Untersuchungen Behufs seiner Geschichten gesammelt, und, als der öffentlichen Bekanntmachung nicht werth, bei Seite gelegt hatte. Mehrere dieser Erzählungen fielen, durch einen Zufall, der hier nicht weiter erwähnt zu werden braucht, in meine Hände, und eine derselben war es, die ich mit ihrer Einleitung nach Herrn Knickerbocker's eigenen Worten vorlas, um auf diese Art meine Schuld abzutragen. Ich füge sie hier für diejenigen meiner Leser bei, welche Geschichten lieben.Ich finde, daß die Erzählung Rip van Winkle, in dem Skizzenbuche gegeben, von verschiedenen Schriftstellern, in periodischen Schriften, als auf eine kleine deutsche Sage gegründet angegeben worden ist, und man hat dieß der Welt bekannt gemacht, als ob es ein arges Beispiel von gelehrtem Diebstahl sei, den man jetzt wunderbarlich aus Licht gebracht habe. In einer Anmerkung, welche auf die Erzählung folgt, hatte ich mich auf das Mährchen bezogen, auf welches sie gegründet ist, und glaubte, daß die bloße Anspielung hinlänglich sei, da die Sage so wohlbekannt ist, daß man sie beinahe in jeder Sammlung deutscher Legenden findet. Ich selbst habe sie in dreien derselben gesehen. So konnte ich denn wohl nicht füglich erwarten, daß, in dem gegenwärtigen Zeitalter, wo man alle Quellen der Geister- und Gespenstergeschichten in Anspruch nimmt, der Ursprung des Mährchens unentdeckt bleiben würde. In der That sehe ich Volkssagen der Art als eine sehr gute Grundlage für Romanschriftsteller an, um darauf fortzubauen, und hatte die obenerwähnte zu dem Zwecke benutzt. Ich bin jedoch nicht im Geringsten gesonnen, die Sache zum Gegenstande eines Streites zu machen, und fühle zu sehr, daß mich das Publikum für meine alltäglichen Erzeugnisse überschwenglich belohnt, als daß ich mir nicht gern jeden Abzug an Lob, den es mir bei späterm Nachdenken zu machen für gut findet, gefallen lassen sollte.


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