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– Echten Adel gibt nicht die Geburt, Die reinste Tugend kann ihn nur bekunden; Er stammt von Gott; doch ist das Blut gebunden. |
Spiegel für Magistrate. |
Ich habe einiger Eigenthümlichkeiten des Squire bei der Erziehung seiner Söhne gedacht; allein ich möchte nicht, daß man glaubte, seine Anweisungen hätten sich vorzüglich auf ihre körperliche Ausbildung bezogen. Er gab sich auch große Mühe, ihren Geist zu bilden, und ihnen, wie er es nennt, gute altenglische Grundsätze einzuprägen, wie sie in Peacham's und seiner Zeitgenossen Schriften enthalten sind. Es gibt einen Schriftsteller, von dem er nie ohne Unwillen reden kann, und dieß ist Chesterfield. Er behauptet, daß dieser eine Zeit lang sehr viel dazu beigetragen habe, den wahren Nationalcharakter zu verderben, und statt der offenen, männlichen Biederkeit, eine hohle, hinterlistige Höflichkeit einzuführen. »Seine Grundsätze waren,« wie er behauptet, »darauf berechnet, den schönen Enthusiasmus der Jugend abzukühlen; sie dahin zu bringen, daß sie sich der Romantik schäme, welche das Morgenroth einer großherzigen Mannheit ist, und ihr eine kalte Politur und eine frühzeitige Weltabgeschliffenheit zu geben.«
»Viele von Lord Chesterfield's Grundsätzen würden aus einem jungen Mann einen bloßen Vergnügensmenschen machen; allein ein englischer Mann von Familie soll nicht ein bloßer Vergnügensmensch sein. Er hat kein Recht zu so selbstischer Nachsicht. Seine Muße, seine Bequemlichkeit, sein Reichthum sind Schulden gegen sein Vaterland, die er immer abzutragen bereit sein muß. Er sollte ein Mann in jeder Hinsicht sein; einfach, offen, höflich, klug, gebildet und unterrichtet; aufrichtig, unerschrocken und uneigennützig; einer, der sich sehr wohl unter freien Leuten sehen lassen und mit Staatsmännern messen kann; der sein Vaterland und dessen Rechte zu Hause und in der Fremde zu vertreten weiß. In einem Lande wie England, wo dem Verstande eine so freie, unbegrenzte Laufbahn eröffnet ist, und wo Meinung und Beispiel ein so großes Gewicht beim Volke haben, müßte jeder Mann von Vermögen und Muße sich verpflichtet fühlen, auf irgend eine Art zur Wohlfahrt oder zum Ruhme der Nation beizutragen. In einem Lande, wo Verstand und Thätigkeit gebunden und beschränkt werden, mögen Leute von Rang und Vermögen ungestraft Müßiggänger, Kleinigkeitskrämer werden; aber ein englischer Taugenichts hat keine Entschuldigung; und dieß ist vielleicht der Grund, warum er der widrigste und unausstehlichste Taugenichts in der Welt ist.«
In dieser Art pflegte der Squire, wie mir Frank Bracebridge sagt, seinen Söhnen zu predigen, wenn sie im Begriff waren, das väterliche Dach zu verlassen; der eine, um im Ausland zu reisen; der andere, um zum Heere zu gehen; der dritte, um die Universität zu beziehen. Er pflegte sie dann mit in die Bibliothek zu nehmen, in welcher rund umher die Bilder von Sidney, Surrey, Raleigh, Wyat und Anderen hängen. »Betrachtet diese Muster ächter englischer Ehrenmänner, meine Söhne,« pflegte er mit Begeisterung zu sagen; »dieß waren Männer, welche mit der Annehmlichkeit des zartesten und feinsten Geschmacks die strengen Tugenden des Soldaten kränzten; die, was mild und zierlich, mit dem, was kräftig und männlich, verbanden, die die wahre Ritterlichkeit des Geistes besaßen, welche die höhere Stufe der Männlichkeit ist. Sie sind die Lichter, mit denen die Jugend des Landes sich schmücken sollte. Sie waren die Muster und Idole ihres Landes daheim, und verherrlichten dessen Würde im Auslande. Surrey, sagt Camden, war der erste Edelmann, der seine hohe Geburt durch die Reize der Gelehrsamkeit verherrlichte. Er war als der tapferste Soldat, der feinste Liebhaber, und der vollkommenste Gentleman seiner Zeit anerkannt. Was Wyat betrifft, so sagt sein Freund Surrey sehr liebreich von ihm, daß seine Gestalt majestätisch und schön, sein Gesicht »ernst und mild« gewesen sei; daß er gesungen und die Laute mit besonderer Lieblichkeit gespielt; fremde Sprachen zierlich und fließend gesprochen und einen unerschöpflichen Vorrath von Witz besessen habe. Und hört, wie sehr diese erlauchten Freunde gepriesen werden: diese Zwei waren es hauptsächlich, welche, nachdem sie in Italien gereist und dort die lieblichen, großartigen Formen und den Styl der italienischen Poesie kennen gelernt, unsrer vorher rohen, ungebildeten Dichtkunst eine größere Feinheit gaben, und deßwegen mit Recht die Verbesserer unsrer englischen Poesie und unsres Styls genannt werden dürfen. Und Sir Philipp Sidney, der uns so schöne Denkmale zierlich ausgedrückter Gedanken und edler Gefühle hinterlassen hat, und der von seinem ritterlichen Geiste so heldenmüthige Beweise im Felde gab! Und Sir Walter Raleigh, der feine Hofmann, der unerschrockene Krieger, der unternehmende Entdecker, der aufgeklärte Philosoph, der großsinnige Martyr. Dieß sind die Männer, welche Engländer aus den gebildeten Klassen studiren sollten. Chesterfield würde, mit seinen kalten höfischen Grundsätzen, solche Geister erkältet und kleinlich gemacht haben. Er würde die aufknospende Romantik ihrer Gemüthsart erstickt haben. Sidney würde dann nie seine Arcadia geschrieben, noch Surrey bei der Vertheidigung der Schönheiten seiner Geraldine die Welt in die Schranken gefordert haben. Dieß sind die Männer, meine Söhne,« pflegt der Squire fortzufahren, »welche beweisen, wozu sich unser Volkscharacter erheben kann, wenn sein mächtiges, gewaltiges Wesen gehörig verarbeitet und geläutert wird. Die festesten Körper sind der stärksten Politur fähig; und es gibt keinen Charakter, der einen ausgezeichneteren, fleckenloseren Glanz erlangen könnte, als der des wahren englischen Gentleman.«
Als Guido im Begriff war, zur Armee abzugehen, nahm der Squire ihn abermals bei Seite, und gab ihm eine lange Ermahnung. Er warnte ihn vor dem künstlichen Schein einer kalten Gleichgültigkeit, welche bei den jungen englischen Offizieren erstrebt werde, bei denen es eine Art Studium geworden sey, den Soldaten in dem Manne von Ton verschwinden zu lassen. »Ein Soldat,« sagte er, »ohne Stolz und Begeisterung für sein Handwerk, ist weiter nichts, als ein blutbedeckter Söldling. Nichts kann ihn von dem gedungenen Mörder unterscheiden, als der Geist der Vaterlandsliebe, oder der Durst nach Ruhm. Es ist heut zu Tage Mode, mein Sohn,« sagte er, »über den ritterlichen Geist zu lächeln: wenn dieser erst erloschen ist, wird der Beruf des Soldaten ein bloßes Bluthandwerk.« Er führte ihm nun die Thaten Eduard's, des schwarzen Prinzen, vor Augen, der sein Spiegel der Ritterlichkeit ist; tapfer, edel, leutselig, menschlich brav im Felde; als er aber auf seine Artigkeit gegen seinen Gefangenen, den König von Frankreich, zu reden kam, wie er ihn in seinem Zelte nicht sowohl als Gefangenen, sondern als Sieger empfing; ihn, wie zu seinem Gefolge gehörig, bei Tafel bediente; bei seinem Einzuge in London unbedeckt und auf einem gewöhnlichen Pferde neben ihm ritt, während sein Gefangener in Pracht auf einem stolzen weißen Rosse saß; da standen dem alten Edelmanne die Thränen der Begeisterung in den Augen.
Bei dem Abschiede endlich gab der gute Squire als Richtschnur eines seiner Lieblingsbücher, das Leben des Ritters Bayard, von Godefrey, in die Hände seines Sohnes; auf ein weißes Blatt des Buches hatte er eine Stelle aus der Morte d'Arthur geschrieben, welche eine Lobrede des Sir Ector auf Sir Lancelot vom See enthält, von welchem der Squire sagt, er habe alle die Vorzüge umfaßt, welche ein wahrer Soldat besitzen müsse. »Ach, Sir Lancelot! Du warest der Erste aller christlichen Ritter! Jetzt liegst Du hier; irdische Ritterhände konnten sich nie mit Dir messen. Und Du warst der ehrsamste Ritter, der je ein Schild trug; und Du warst der treuste Freund Deines Freundes, der je ein Pferd bestieg; und der treueste Liebhaber unter den sündhaften Menschen, die je ein Weib liebten. Und Du warst der wackerste Mann, der je ein Schwert schwang; und Du warst der stattlichste unter den Rittern, und der sanfteste und liebreichste, der je in der Halle bei den Frauen aß. Und Du warst der gewaltigste Kämpfer gegen Deinen Todfeind, der je die Lanze einlegte.«