Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Washington Irving

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Weiber.

Mann, glaube mir, kein Glück kann größer sein,
Als still mit einem lieben Weib zu leben;
Wem sie fehlt, der kann halb nur sich erfreun.
Stets Freundin und Gefährtin treu ergeben,
Nie sättigende Speis', Rath ohne Stolz
Ist diese schöne Hälft' von unserm Leben.
Sir P. Sidney.

Zufolge der nahe bevorstehenden Begebenheit, die uns auf der Halle versammelt hat, entsteht um mich her so viel Gerede vom Heirathen, daß meine Gedanken, ich gesteh' es, sich ganz besonders auf diesen Gegenstand hingerichtet haben. Alle Junggesellen im Hause scheinen überhaupt jetzt eine Art Feuerprobe bestehen zu müssen; denn Lady Lillycraft ist eine von jenen zärtlichen, in Romanen wohlbelesenen Damen aus der alten Schule, deren Gemüth voller Flammen und Pfeile ist, und die von nichts als Beständigkeit und Banden der Ehe träumen. Sie hat immer etwas mit Herzensangelegenheiten zu thun, und ist, um eine poetische Redensart zu gebrauchen, ganz mit dem »Purpurlicht der Liebe« umgeben. Selbst der General scheint den Einfluß dieser sentimentalen Atmosphäre zu empfinden, und wenn die Lady sich nähert, zu verschmelzen, und so lange alle seine Ketzereien über Heirath und das andere Geschlecht zu vergessen.

Die gute Dame ist gewöhnlich mit kleinen Beweisen ihres vorherrschenden Geschmackes, zärtlichen Romanen, glänzendgebundenen kleinen Sammlungen von Gedichten, die mit Sonetten und Liebeserzählungen angefüllt und mit Rosenblättern wohlriechend gemacht sind, umgeben; und sie hat immer ein Stammbuch bei der Hand, für welches sie Beiträge von allen ihren Freunden in Anspruch nimmt. Als ich dieß Erinnerungsstück vor einigen Tagen durchsah, fand ich eine Reihe poetischer Bruchstücke, von der Hand des Squire, welche vielleicht als Winke an seine Mündel über ihre künftige Verbindung dienen sollten. Mehrere davon gefielen mir so, daß ich mir die Freiheit nahm, sie abzuschreiben. Sie sind aus dem alten Drama von Thom Davenport, das 1661 erschienen und betitelt ist: »die Stadt-Nachtmütze;« worin er in der Rolle der Abstemia eine geduldige, treue Frau geschildert und als Beispiel dargestellt hat, ein Bild, welches sich leicht dem der berühmten Griseldis an die Seite stellen lassen dürfte.

Ich habe oft gedacht, es sei doch Schade, daß Schauspiele und Romane immer mit einer Heirath schließen, und nicht noch ein Auszug oder noch ein Band dazu kommt, worin wir erfahren, wie der Held und die Heldin sich als Eheleute benehmen. Der Hauptzweck scheint zu sein, jungen Damen Anweisung zu geben, wie sie Männer bekommen, nicht aber, wie sie sich diese erhalten sollen; und dieß letztere, scheint mir, mit aller Bescheidenheit gesagt, ein Desideratum bei dem neueren ehelichen Leben zu sein. Es ist erschrecklich für die, welche sich noch nicht in den heiligen Stand begeben haben, zu sehen, wie bald die Flamme der romantischen Liebe in der Ehe erlischt, oder vielmehr erstickt wird, und wie trübselig der leidenschaftliche, poetische Liebhaber zu einem phlegmatischen, prosaischen Ehemanne herabsinkt. Ich bin geneigt, dieß sehr dem obenerwähnten Mangel bei unsern Schauspielen und Romanen zuzuschreiben, welche einen so wichtigen Zweig der Studien unserer jungen Damen ausmachen, und sie lehren, Heldinnen zu sein, aber sie gänzlich im Stich lassen, wenn sie Frauen sein sollen. Das Schauspiel, aus welchem die vor mir liegenden Stellen gezogen worden sind, macht indessen eine Ausnahme von dieser Bemerkung; und ich kann mir das Vergnügen nicht versagen, einige daraus anzuführen, zum Nutzen des Lesers und zur Ehre des alten Schriftstellers, der es keck gewagt hat, für eine Frau ein dramatisches Interesse zu erregen, selbst nachdem sie verheirathet war!

Folgendes ist eine Empfehlung der Abstemia gegen ihren Gemahl Lorenzo:

Sie ist gesetzt, nicht ernst, und liebt das Schweigen;
Nicht, daß ihr Worte fehlten (wenn sie spricht,
Entflammt sie wunderbar die Liebe;) ihr ist
Der Seele Harmonie ein weises Schweigen.
Wahrhaftig keusch, ist sie so wenig spröde,
Daß sie der Aermste liebvoll heißt und – schön ist's –
Sie scheut mit Fleiß, obgleich sie jung und hübsch,
Des fremden Auges Urtheil. Selten geht
Sie, oder nie, hinaus, als nur mit Euch;
Und dann mit süßer Scheu, als wagte sie
Auf dünnes Eis sich, und erfreut sich wohl,
In Eures Fußes Spur den Fuß zu setzen;
Folgt Stunden Euch und nimmt so ganz der Zeit.
Das Lastende durch ihres Herzens Milde.

Ungeachtet aller dieser Vortrefflichkeiten, hat Abstemia das Unglück, die unverdiente Eifersucht ihres Gatten zu erregen. Anstatt indessen seine rauhe Behandlung durch keifende Vorwürfe und mit der stürmischen Heftigkeit der hohen, luftigen Tugend zu erwiedern, wodurch die Funken des Zornes so oft zur Flamme angeblasen werden, erträgt sie sie mit der Sanftmuth selbstbewußter, aber geduldiger Tugend, und läßt sich darüber in folgende schöne Zeilen gegen eine Freundin aus, welche Zeuge ihrer langen Leiden gewesen ist:

                – Hast Du mich nicht geseh'n
All' seine Unbill tragen, wie das Meer
Die wilde Barke läßt die Brust durchpflügen,
Und doch sich wieder glättet, daß das Auge
Nicht sehen kann, wo seine Wunde gähnt?

Lorenzo, von falschen Eingebungen auf das Aeußerste gereizt, verstößt sie endlich. Sie aber behält bis zuletzt, seiner Grausamkeit ungeachtet, ihre ruhige Milde und ihre Liebe zu ihm. Sie beweint sogar seinen Irrthum mehr als seine Unfreundlichkeit, und bejammert die Verblendung, welche seine Zuneigung in eine Quelle der Bitterkeit verwandelt hat. Es liegt eine rührende Erhabenheit in ihrem Scheidewort an Lorenzo, nach ihrer Trennung:

                                            Leb wohl, Lorenzo,
Den meine Seele liebt. Vermählst Du ja Dich,
So find' ein gutes Weib, so gut, daß nie
Du ihr mißtraust, und sie verdiene nie
Dein Mißtraun; und vernimmst Du meinen Tod dann,
So frage nur nach meinem letzten Worte,
Es ist – daß ich zum letzten Hauch Dich liebte.
Und wandelst Du mit Deiner zweiten Wahl
Auf schönern Au'n und sprichst vielleicht von mir,
So denke Dir, Du säh'st mich blaß und bleich
Mit Blumen Deinen Pfad bestreu'n – –
Doch soll sie nimmer meine Schuld bezahlen: (weinend)
Kränkt Ein Gedanke Dich, so sterbe sie
Im Augenblick, der ihr die Unbill eingab.
Beglücke mich mit einem Kuss'! Leb wohl!
Es möge Dich nie schmerzen, wenn Du denkst,
Daß ich unschuldig war; vergiß dieß nicht,
Ob Unschuld auch hier duldet, seufzt und ächzt,
Durch Dornen geht sie, einen Thron zu finden.

Nach kurzer Zeit entdeckt Lorenzo seinen Irrthum und die Unschuld seines gekränkten Weibes. Im Uebermaße seiner Reue, ruft er sich ihre ganze weibliche Vortrefflichkeit ins Gedächtniß; ihre milde, ausdauernde, weibliche Stärke unter Leiden und Schmerz:

                                                – o, Abstemia;
Wie lieblich blickst Du nun. Nun scheinest Du
Viel keuscher, als der jugendliche Morgen,
Der mit Erröthen sich erhebt, die Brust
Vom Westwind sanft umspielt; nun sehe ich
Wie wenn sie an dem Tische saß, gehorsam
Ihr Aug' auf meinem weilt', als wär' es unrecht,
Daß andershin sie blicke! O, wie stolz
War sie, mir zu gefallen sich versagend!
Wo ist die Edle? – Wie die Silberwolke
Hat in die todte See sie sich geweint,
Und ist nicht mehr zu finden.

Es ist nicht mehr als billig, daß der Leser, wenn er, nach den vorhergehenden Bruchstücken, an Abstemia's Schicksalen Antheil nimmt, erfahre, daß sie den Armen und der Liebe ihres Gatten wiedergegeben und ihm nur theurer ward, wie jeder gute Mensch, um Ungerechtigkeiten wieder gut zu machen, ein überfließendes Maaß von wiederkehrendem Wohlwollen spendet:

Du Reichthum, mehr denn Welten werth! Ich bin nun
Ohn' allen Argwohn; Du bist lieblicher
In Deiner biedern Wahrheit als ein Opfer,
Das, todt, die Kränze schmücken. Indiens Winde,
Die Segel schwellend und den Seemann stärkend
Mit der Gewürze Düften, haben nicht
Die Wonne, welche Dich umfleußt.

Mich hat dieses kleine dramatische Gemälde mehr gerührt und angezogen, als manche beliebte Liebesgeschichten; obgleich ich, wie ich schon vorher gesagt habe, nicht glaube, daß Abstemia, oder die geduldige Griseldis häufig als Vorbilder gebraucht werden. Indessen habe ich es immer sehr gern, wenn die Dichtkunst dann und wann ihre Blicke auch über den Hochzeittag hin ausdehnt, und eine Frau lehrt, wie sie sich auch nach der Heirath noch anziehend machen könne. Es ist nicht sehr nöthig, einem unverheiratheten Frauenzimmer die Nothwendigkeit anschaulich zu machen, angenehm zu sein; auch bedarf eine jugendliche Schönheit nur wenig der Kunst, um zu gefallen. Die Natur hat die Reize um sie her vermannigfacht. Die Jugend selbst ist schon anziehend. Die Frische der aufknospenden Schönheit bedarf keiner fremden Hülfe, um das Auge auf sie zu lenken; sie gefällt, schon weil sie frisch, knospend und schön ist. Aber die verheirathete Frau bedarf am meisten der Belehrung, und als solche hat sie am ersten auf der Huth zu sein, daß sie die Macht, zu gefallen, geschickt übe. Keine Frau kann erwarten, daß sie ihrem Manne alles das sein werde, was er in ihr zu finden glaubte, als er ihr Geliebter war. Die Männer sind immer dazu bestimmt, betrogen zu werden, nicht so sehr durch die Künste des Geschlechts als durch ihre eigene Einbildung. Sie bewerben sich immer um Göttinnen, und heirathen bloß Sterbliche. Eine Frau sollte also sich versichern, worin eigentlich der Reiz bestanden, der sie so anziehend machte, als sie ein Mädchen war, und sich bemühen, diesen zu erhalten, wenn sie Frau geworden ist. Etwas sehr Bedeutsames ist ohne Zweifel die große Achtsamkeit auf sich selbst und auf ihr Benehmen, worin ein unverheirathetes Frauenzimmer immer sorgfältig ist. Sie sollte dieselbe Eigenthümlichkeit und Zurückhaltung in ihrer Person und in ihrem Wesen behalten, und in den Augen ihres Gatten immer noch eine gewisse frische, jungfräuliche Zartheit zu bewahren suchen. Sie sollte bedenken, wie es die Schicklichkeit verlangt, daß eine Frau um sich werben lasse, nicht aber werbe, sich liebkosen lasse, nicht aber liebkose. Der Mann ist in der Liebe ein undankbares Wesen; man verliert ihn durch Güte, statt ihn zu gewinnen. Das Geheimniß der Gewalt eines Weibes besteht nicht sowohl im Geben, als im Versagen. Eine Frau kann selbst ihrem Gatten zu viel zugestehen. Sie muß die Leidenschaft durch tausend kleine Zartheiten im Benehmen wach zu erhalten, und sich vor jener gefährlichen Vertraulichkeit, jener genauen Bekanntschaft mit jeder Schwäche und Unvollkommenheit, zu welcher die Ehe so leicht Anlaß gibt, sorgfältig zu bewahren suchen. Durch diese Mittel kann sie, wenn sie gleich ihre Person hingegeben hat, doch noch immer ihre Gewalt erhalten, und den Roman der Liebe selbst noch über die Flitterwochen hinaus spielen.

»Die einen klugen Gatten hat,« sagte Jeremias Taylor. »muß, durch den Schleier der Bescheidenheit, durch die ehrbaren Gewänder der Keuschheit, die Zierde der Sanftmuth und die Kleinodien des Glaubens und der Mildthätigkeit, eine ewige Zärtlichkeit in ihm erwecken. Sie muß keine Schminke, als die des Erröthens haben; ihr Glanz muß die Reinheit sein, und sie muß durch Milde und Freundschaft um sich her leuchten; und sie wird angenehm im Leben sein, und, wenn sie stirbt, zurückgewünscht werden.«

Ich bin unvermerkt in eine Reihe von Betrachtungen über einen vielbesprochenen Gegenstand gerathen, der, noch dazu für einen Junggesellen, nicht ohne Gefahr ist. Damit man aber nicht glaube, meine Bemerkungen sollten allein auf die Frau gerichtet sein, so will ich mit einer andern Stelle aus Jeremias Taylor schließen, in welcher der Pflichten beider Theile Erwähnung geschieht, wobei ich wünschte, seine Predigt über den Trauring allen Denen empfehlen zu dürfen, die, klüger als ich, im Begriff sind, in den glücklichen Stand der Ehe zu treten.

»Es gibt kaum eine Pflicht, welche nicht Beide gemeinsam beträfe; der Unterschied liegt nur in den Namen und in kleinen Abweichungen, welche durch Umstände und kleine Zufälligkeiten erzeugt worden. Was bei dem Einen Liebe heißt, heißt bei dem Andern Achtung; und was bei der Frau Gehorsam ist, dasselbe ist bei dem Manne Pflicht. Er schafft an, und sie verwendet; er gibt Befehle, und sie vollzieht sie; er regiert sie durch sein Ansehen, und sie regiert ihn durch Liebe; sie muß ihm auf alle Weise zu gefallen, und er ihr auf keine Weise zu mißfallen suchen.«


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