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Was ist das gegen unbedingte Freiheit, wie alle Bettler sie haben? Zu schmausen und lustig zu sein, heute hier und morgen dort und den nächsten Tag, wo sie wollen, und so immer weiter, durch das ganze Land oder Königreich? Das ist Freiheit; die Vögel in der Luft können nicht freier sein. |
Lustiges Volk. |
Seit der Zusammenkunft mit den Zigeunern, von der ich in einem frühern Abschnitte sprach, habe ich mehrere derselben, trotz dem bestimmten Verbote des Squire, um die Halle streifen sehen. Sie gehören zu einer Bande, welche lange in dieser Gegend gehauset hat, zum großen Verdrusse der Pächter, deren Hühnerhöfe oft durch ihre nächtlichen Besuche leiden. Sie werden aber gewissermaaßen von dem Squire geschützt, der diese Menschenart als zu den guten alten Zeiten gehörig ansieht, welche, unter uns gesagt, nichtsnutze Leute genug gehabt zu haben scheinen.
Dieses herumstreifende Volk wird »Sternlicht-Thomas Bande« genannt, nach dem Namen ihres Anführers, eines berüchtigten Wilddiebes. Ich habe wiederholt von den Unthaten dieses »Lieblings des Mondes« gehört; denn jeder nächtliche Raub, der in einem Parke, einem Pferch oder auf einem Bauernhofe stattfindet, wird ihm zur Last gelegt. Der Sternlicht-Thomas entspricht in der That seinem Namen; er scheint im Dunkeln zu wandern, und ist, wie ein Fuchs, am Morgen an dem Unheil zu erkennen, das er angestiftet hat. Er erinnert mich an den furchtbaren Mann im Ammenlied. Kurz der Sternlicht-Thomas ist der Sündenbock der Umgegend; aber so verschmitzt und gewandt, daß man nie an ihn kommen kann. Der alte Christy und der Wildhüter haben manch' eine Nacht gewacht, in der Hoffnung, ihn zu ertappen; und Christy durchstreift oft den Park mit seinen Hunden zu diesem Ende, aber Alles vergebens. Man sagt, der Squire sehe allen seinen Unthaten nach, indem er eine gewisse Vorliebe für den Landstreicher habe, der in jeder Art von Leibesübungen sehr gewandt, ein guter Bogenschütze und der beste Mohrentänzer im Lande sei.
Auch läßt der Squire die Bande ungestört an der Grenze seines Gebiets umherstreifen, unter der Bedingung, daß sie nicht in die Nähe seines Hauses komme. Die bevorstehende Hochzeit hat aber eine Art Saturnalien in der Halle veranlaßt, und alle Zucht und Ordnung aufgehoben. Der weibliche Theil des Hausstandes ist in großer Bewegung; jedes Hausmädchen träumt von Hochzeitsschleifen und hat einen Mann im Kopfe. Solch eine Zeit ist eine Ernte für die Zigeuner; durch einen Theil des Parks geht ein öffentlicher Fußsteig, auf dem sie ungestört herein kommen, und sie sind beständig in der Nähe, wahrsagen den Dienstmädchen, oder werden zu den jungen Damen hereingeschmuggelt.
Ich glaube, der Oxforder Student ergötzt sich sehr, ihnen heimlich Winke zu geben und alle schwache Köpfe durch ihre wundervollen Eröffnungen zu verdrehen. Der General war gewiß in großem Erstaunen über die Mittheilungen, die ihm das Zigeunermädchen an einem der vorigen Abende gemacht hatte; er beobachtete gegen uns über den Gegenstand ein scheues Stillschweigen und schien die Sache leicht zu nehmen; aber ich habe bemerkt, daß er seit der Zeit seine Aufmerksamkeiten gegen Lady Lillycraft und ihre Hunde verdoppelt hat,
Ich habe auch Phöbe Wilkins, die artige, liebesieche Nichte der Haushälterin, eine lange Berathung mit einer dieser alten Sibyllen hinter einem großen Baume in der Allee halten, und sich oft umblicken sehen, ob sie auch nicht beobachtet werde. Ich zweifle nicht, daß sie über den Ausgang ihres Liebeszwistes mit dem jungen Baargeld ein günstiges Vorzeichen zu erhalten wünschte, da gewöhnlich Orakel über Liebeshändel, mehr als über alles Andere, befragt werden. Ich fürchte indessen, daß, in diesem Fall, der Bescheid nicht so günstig als gewöhnlich war, denn ich sah die arme Phöbe gedankenvoll nach dem Hause zurückgehen; sie ließ den Kopf hängen, hatte den Hut in der Hand und das Band schleifte auf der Erde nach.
Ein anderes Mal, als ich mich um die Ecke einer Terrasse am Ende des Gartens wandte, stieß ich, dicht bei einer Gruppe von Bäumen, die eine große steinerne Vase umgaben, auf einen Schwarm junger Mädchen aus dem Hause, begleitet von derselben Phöbe Wilkins. Ich konnte gar nicht begreifen, was ihr Rothwerden und Kichern und ihre anscheinende Verwirrung bedeute, bis ich das rothe Oberkleid einer Zigeunerin in dem Gesträuch verschwinden sah. Einige Augenblicke nachher ward ich Meister Simon und den Oxforder Studenten gewahr, die einen der Gänge des Gartens hinunterschlichen, und lachend sich über das gelungene Schelmstück lustig machten; denn sie hatten offenbar die Zigeunerin zu der Sache angestiftet und sie von dem unterrichtet, was sie sagen sollte.
Bei all dem liegt etwas seltsam Angenehmes in diesem Spiel mit der Zukunft, selbst wenn wir von der Trüglichkeit der Voraussagung überzeugt sind. Es ist sonderbar, wie gern die Sinne sich selbst betrügen, und mit welchem Grad von Ehrfurcht wir selbst diese Zukunftsverkündiger anzuhören pflegen. Ich meines Theils kann diesen armen Landstreichern, die uns durch glänzende Hoffnungen und Erwartungen zu schmeicheln suchen, nicht zürnen. Ich habe mir von jeher gern Luftschlösser gebaut, und gefunden, daß mein größtes Vergnügen aus den Täuschungen hervorgeht, welche die Einbildungskraft um die gemeine Wirklichkeit zu weben weiß. Je älter ich werde, desto schwerer finde ich es, mich auf diese angenehme Art zu hintergehen; und ich würde es jedem Propheten, wie falsch er auch sein möchte, danken, wenn er die Wolken, welche die Zukunft verhüllen, in Palläste, und alle ihre zweifelhaften Aussichten in ein Feenland umzaubern könnte.
Der Squire, der, wie ich bemerkt habe, ein heimliches Wohlwollen für die Zigeuner hegt, hat schon Manches ihretwegen leiden müssen. Nicht daß sie seine Nachsicht durch Undank vergälten, denn sie verüben auf seinem Gute keine bedeutende Diebstähle; sondern weil ihre Entwendungen und ihr Unfug lautes Gemurre in dem Dorfe erregt. Ich kann des alten Herrn Ansichten über diesen Punkt sehr wohl verstehen; ich habe große Nachsicht gegen alle Arten landstreicherischen Wesens am hellen Tage, und muß gestehen, daß es mir Vergnügen macht, die Art und Weise der Zigeuner zu beobachten. Die Engländer, welche von Jugend auf an sie gewöhnt sind, und oft von ihren kleinen Plünderungen leiden, betrachten sie als einen bloßen Uebelstand; mir sind dagegen ihre Eigenthümlichkeiten sehr aufgefallen. Ich sehe sehr gern ihr klares olivenfarbenes Gesicht, ihre romantischen dunklen Augen, ihre Rabenlocken, ihre geschmeidigen, schlanken Gestalten, und höre gern, wie sie in sanftem Silberton glänzende Versprechungen von Ehrenbezeigungen und Gütern, von weltlichem Reichthum und von Frauenliebe geben.
Auch ihre Lebensart hat etwas sehr phantastisches und malerisches. Sie sind die freien Bürger der Natur, und behaupten trotz dem Gesetze und dem Evangelium, den Gefängnissen und der Obrigkeit, ihre ursprüngliche Unabhängigkeit. Es ist merkwürdig zu sehen, wie diese eigensinnige Anhänglichkeit an die wilden unsteten Sitten eines herumziehenden Lebens sich von einem Geschlechte auf das andere fortgepflanzt, und mitten in einem der gebildetsten, bevölkertsten und systematischsten Länder der Welt erhalten hat. Sie unterscheiden sich gänzlich von dem geschäftigen, erwerbsamen Volke um sie her. Sie scheinen, wie die Indianer in Amerika, entweder über oder unter den gewöhnlichen Sorgen und Mühen des Lebens zu stehen. Der Macht, der Ehre und des Reichthums entbehrend, und gleichgültig gegen die Ereignisse der Zeit, gegen das Steigen und Fallen der Kornpreise oder der Staats-Papiere, scheinen sie die sich abquälende, abhärmende Menge um sich her zu verlachen und nach der Philosophie des alten Liedes zu leben:
Wer Ehrgeiz sich hält fern, Lebt in der Sonne gern, Selbst sucht, was ihn ernährt, Und was er kriegt, verzehrt, Komm geschwinde, geschwinde, geschwinde; Hier nagt und sticht Ein Feind ihn nicht, Als Wetter. Regen und Winde. |
Auf diese Weise wandern sie von einer Grafschaft in die andere und weilen in der Nähe der Dörfer oder in solchen Gegenden, wo es fette Meierhöfe und reiche Landsitze gibt. Gewöhnlich schlagen sie ihr Lager an irgend einer schönen Stelle auf; entweder in einem grünen schattigen Winkel an der Landstraße; oder an dem Rande einer Gemeinwiese unter einer schützenden Hecke; oder am Saume eines schönen, kühlen Gehölzes. Man sieht sie immer auf Märkten, bei Pferderennen, bei ländlichen Festen und wo es überhaupt Vergnügen, Gedränge und Müßiggang gibt, umherstreifen. Sie sind die Orakel der Milchmädchen und einfältigen weiblichen Dienstboten; zuweilen haben sie sogar die Ehre, in den weißen Händen der Töchter der Edelleute zu lesen, wenn diese aus ihrer Väter Besitzungen umherschwärmen. Sie sind die Plage aller guten Hausfrauen und erwerbsamen Pächter, und den Friedensrichtern ein Dorn im Auge; aber, wie alles Andere, was eine Art von Landstreicherleben führt, haben sie etwas, das die Phantasie anzieht. Sie gehören, in diesen kalten Wirklichkeitstagen, zu den letzten Spuren von dem bunten Volke früherer Zeiten und gesellen sich mit Feen und Hexen, Kobolden, Robin Hood und den übrigen phantastischen Personen der Poesie in meinem Geiste sonderbar zusammen.