Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Sein sich'res Leben, das ihn nie kann hintergehen, Ist voll von Reiz und von Zufriedenheit; Wo sanft durch Buchenlaub die Lüftchen wehen, Verweilt er in der heiß'sten Mittagszeit, Nicht braust in stürm'schen Meeren hin sein Leben, Noch ist er trägem Müßiggang ergeben: Nur seinem Gotte zu gefallen ist sein Streben. |
Phineas Fletcher. |
Es gewährt mir viel Vergnügen, den Squire bei seinen Wanderungen auf seinem Gute zu begleiten, wo er oft von einer Art Kabinetsrath umgeben ist. Sein erster Minister, der Haushofmeister, ist ein sehr würdiger, ehrlicher alter Mann, der ein Wegerecht behauptet, das heißt, ein Recht, seinen eigenen Weg zu gehen, da er seit undenklicher Zeit im Hause gelebt hat. Er liebt das Gute sogar noch mehr, als er den Squire liebt; und macht diesem bei manchen seiner Verbesserungsanschläge arge Querstriche, da er ein wenig geneigt ist, jeden Plan zu mißbilligen, der nicht von ihm selbst ausgeht.
Im Laufe einer dieser Wanderungen habe ich den Squire auf eine bedeutende Veränderung anspielen hören, die er bei der Benutzung oder dem Anbau der Felder beabsichtigte; dem widersprach natürlich der Haushofmeister, und es erfolgte eine lange Erörterung über eine Hecke, oder ein etwas höher liegendes Stück Land, bis der Squire, der eine hohe Meinung von des Andern Geschicklichkeit und Rechtlichkeit hat, die Sache aufzugeben schien. Diese Nachgiebigkeit pflegt, wie ich bemerkte, den Alten unmittelbar zu erweichen, und nachdem er ein oder zwei Felder lang in Stillschweigen, die Hände auf dem Rücken, hinabgegangen, drehte er sich, als wenn er sich aus seinem Nachdenken aufschüttelte, gegen den Squire um, und sagte: »er habe die Sache bei sich reiflich überdacht, und glaube, nach allem, er nähme auch die Meinung Sr. Gnaden an.«
Christy, der Jäger, ist auch einer von des Squire gelegentlichen Begleitern, an ihn wendet er sich beständig bei Allem, was Ortsgeschichte betrifft, wie an eine Chronik des Guts, da er, so zu sagen, viele von den Bäumen von der Zeit her gekannt hat, wo sie noch Eicheln waren. Der alte Nimrod ist, wie wir gesehen haben, ziemlich vorlaut, was die Gegenstände des Wissens betrifft, auf die er sich etwas zu gut thut; aber der Squire widerspricht ihm selten, und ist in der That einer der geduldigsten Machthaber, die je von ihrem Ministerium beherrscht wurden.
Er lacht oft selbst darüber, und gibt augenscheinlich diesen alten Männern mehr aus Laune, als aus Mangel an eigener Autorität nach. Er hat diese rechtliche, unabhängige Gesinnung des Alters gern, und weiß sehr wohl, daß diese getreuen Anhänger ihn im Herzen lieben und ehren. Er ist vollkommen beruhigt über seine eigene Würde und die Ehrerbietung Derer, die ihn umgeben; nichts wird ihm schneller zuwider, als ein Anschein von Kriecherei oder Speichelleckerei.
Ich habe wirklich keinen königlichen Staatsaufzug gesehen, der mit einem Ausfluge des Squire's durch seine väterlichen Felder und seine angestammten Waldungen, wo er von mehreren dieser treuen Begleiter umgeben, und von einer Leibwache von Hunden begleitet ist, verglichen werden könnte. Er begünstigt eine gewisse Offenheit und Männlichkeit unter seinen Untergebenen, und ist der persönliche Freund seiner Pächter; er erkundigt sich nach ihren häuslichen Verhältnissen, und steht ihnen in Zeiten der Noth und der Drangsal bei. Dieß hat ihn zu einem der beliebtesten und folglich auch zu einem der glücklichsten Gutsbesitzer gemacht.
In der That kenne ich keinen beneidenswertheren Stand, als den eines englischen Edelmannes von gesundem Urtheil und gutem Herzen, welcher den größern Theil seiner Zeit auf seinem Erbgute auf dem Lande zubringt. Durch die Trefflichkeit der Wege und die Schnelligkeit und Pünktlichkeit der öffentlichen Beförderungsmittel ist er in den Stand gesetzt, alle Genüsse und Bequemlichkeiten, alle Nachrichten und Neuigkeiten aus der Hauptstadt zu erhalten, während er dem Lärm und der Zerstreuung derselben fern ist. Auf seinem eignen Grund und Boden stehen ihm eine Menge Mittel zur Beschäftigung zu Gebot; er kann sich durch ländliche Arbeiten und Unterhaltungen, durch Studium und durch die Annehmlichkeiten einer freundlichen Gesellschaft, die er in seinen gastfreien Sälen versammelt, die Zeit auf das angenehmste verkürzen.
Oder wenn seine Ansichten und Gefühle höher und freisinniger sind, so steht es größtentheils in seiner Macht, Gutes zu thun, und dieses Gute unmittelbar wieder auf sich selbst zurückwirken zu sehen. Er kann seinem Vaterlande wesentliche Dienste leisten, indem er an der uneigennützigen Ausübung der Gesetze Theil nimmt; indem er auf die Meinungen und Grundsätze der niedern Stände, die um ihn sind, ein wachsames Auge hat; indem er sich ungezwungen unter sie mischt, ihr Vertrauen zu gewinnen sucht, ihre Klagen selbst anhört, sich von ihren Wünschen selbst unterrichtet, sich selbst dazu erbietet, ihre Beschwerden zu den gehörigen Quellen der Milderung oder Abhülfe gelangen zu lassen; oder indem er, wenn es nöthig ist, als der unerschrockene, unbestechliche Beschützer ihrer Freiheiten, – als der aufgeklärte Verfechter ihrer Rechte auftritt.
Alles dieß kann, wie es mir scheint, geschehen, ohne irgend eine Aufopferung persönlicher Würde, ohne herabwürdigende Künste um sich beliebt zu machen, und ohne gemeinen Vorurtheilen zu schmeicheln, oder in gemeine Klagen einzustimmen; lediglich durch den wohlgeleiteten Einfluß eines aufrichtigen, freundschaftlichen Raths, eines freien, offenen, großsinnigen Betragens. Was man auch von englischem Pöbel und englischen Demagogen sagen mag; ich habe nie ein Volk gefunden, das der Vernunft zugänglicher wäre, mehr Ueberlegung besäße, und in den stürmischsten Zeiten Vernunft-Gründen leichter Gehör gäbe, als die Engländer. Sie sind beträchtlich geübt im Unterscheiden und Würdigen dessen, was immer männlich und ehrenvoll ist. Sie sind von Natur und durch Gewohnheit methodisch und ordentlich, und fühlen den Werth alles dessen, was regelmäßig und achtbar ist. Sie mögen zuweilen von Sophistereien hintergangen, durch die allgemeine Noth und die Verdrehungen ränkesüchtiger Menschen zu Unruhen verleitet werden; aber man öffne ihnen die Augen, und sie werden sich bald um das Banner fester Treue und einer ruhigen, gesunden Vernunft vereinigen. Sie lieben hergebrachte Gewohnheiten und längst bestehende Namen; und diese Liebe zur Ordnung und zur Ruhe, welche die Nation auszeichnet, gibt den Abkömmlingen der alten Familien, deren Vorväter seit undenklicher Zeit Grundbesitzer gewesen sind, einen bedeutenden Einfluß.
Es geschieht wohl, daß, wenn die reichen, die wohlerzogenen, die bevorrechteten Klassen ihre Pflichten vernachlässigen, wenn sie es versäumen, das Interesse des Volks zu studiren, die Liebe desselben zu gewinnen, seine Ansichten aufzuklären und seine Rechte zu schützen, das letztere zuweilen mißvergnügt, unruhig wird, und Demagogen in die Hände fällt: denn der Demagoge tritt allemal da ein, wo der Patriot abgeht. Es ist unter den hochlebenden, und, wie sie sich einbilden, hochsinnigen Leuten eine gewisse überlieferte Art zu reden, daß man den Pöbel unterdrücken müsse; alle guten Aerzte wissen aber, daß es besser ist, das Blut zu reinigen, als das Geschwür geradezu anzugreifen, eher erweichende als ätzende Mittel zu gebrauchen. Es ist sinnlos, wenn jemand in einem Lande, wie England, wo so viel Freiheit, so viel Eifersucht auf einmal erworbene Rechte herrscht, einen aristokratischen Ton annehmen, und herabwürdigend von dem gemeinen Volke sprechen will. Es gibt keinen Rang, der ihn von der Meinung und Neigung seiner Mitmenschen unabhängig macht; es gibt keinen Rang, keine Auszeichnung, die ihn von seinem Mitunterthan schiede; und wenn durch eine allmählige Vernachlässigung oder Anmaßung auf der einen, und durch Unzufriedenheit oder Eifersucht auf der andern Seite, die Stände in der bürgerlichen Gesellschaft sich wirklich einmal feindlich trennen sollten, so mögen die, welche auf der Höhe stehen, sich in Acht nehmen, daß sich der Abgrund nicht zu ihren Füßen aufthue. Die Stände der Gesellschaft sind in allen wohleingerichteten Staaten gegenseitig an einander gebunden und einander wichtig; es kann in einer freien Regierung keine Lücke geben; und wenn eine solche sich zu öffnen droht und die Reichen und Gebildeten sich von den Armen trennen, so werden die bösen Leidenschaften der Gesellschaft herbeieilen, den Raum auszufüllen, und das Ganze auseinander sprengen.
Obgleich in einem Freistaat geboren und erzogen, und durch die Beobachtung und Erfahrung jedes Jahres in republikanischen Grundsätzen mehr und mehr bestärkt, bin ich doch nicht gegen die Vorzüge anderer Regierungsverfassungen, noch gegen die Thatsache unempfindlich, daß sie der Lage und den Verhältnissen der Staaten, worin sie bestehen, ganz angemessen sein mögen. Ich habe mich bemüht, sie zu betrachten, wie sie sind, und zu beobachten, wie sie dem Endzwecke entsprechen, welchen sie erreichen sollen. Wenn ich daher die gemischte Beschaffenheit der Verfassung dieses Landes und ihre repräsentative Form in das Auge faßte, habe ich mit Bewunderung die Art wahrgenommen, wie Reichthum, Einfluß und Kenntniß über die ganze Fläche desselben verbreitet sind; nicht, wie in anderen Reichen, in denen man auf dem Lande nichts davon antrifft und Alles in den größeren und kleineren Städten vereinigt ist. Ich habe die großen landwirthschaftlichen Anlagen des Adels und die kleineren der Mittelklasse als eben so viele Behälter des Reichthums und der Kenntnisse angesehen, welche über das Königreich, unabhängig von den Städten, verstreut sind, um die umliegende Gegend zu bewässern, zu erfrischen und fruchtbar zu machen. Ich habe sie auch als die erhabenen Wohnsitze von Vaterlandsfreunden und Staatsmännern betrachtet, wo sie, im Genusse einer ehrenvollen Unabhängigkeit und geschmackvollen Muße, ihr Gemüth vorbereiten, um in jenen gesetzgebenden Versammlungen zu glänzen, deren Berathungen und Entscheidungen das Studium und die Muster anderer Völker bilden und die Theilnahme der Welt in Anspruch nehmen.
Ich bin daher überrascht und getäuscht gewesen, als ich fand, daß ich mich über diesen Gegenstand öfter einem utopischen Traume eher, denn einer wohlbegründeten Meinung hingegeben hatte. Es hat mir weh gethan, zu finden, daß diese schönen Güter nur zu oft mit Schulden belastet, verpfändet, oder in den Händen von Gläubigern, und ihre Eigenthümer von ihrem väterlichen Erbe verbannt waren. Es herrscht da, wie ich höre, ein Aufwand, welcher eben so groß als der Reichthum ist, ein gedankenloses Verschwenden unter den Großen, eine sinnlose Nachahmung unter den Geringern, in allen höheren Ständen eine leichtsinnige, von aller wahren Freude entfernte Verschwendungssucht, welche oft diese glänzenden Haushaltungen zu Grunde richtet, den Stolz und die Grundsätze der Vorfahren vernichtet, und viele der Abkömmlinge entweder zu bloßen Stellen-Jägern macht, oder sie zwingt, sich in das Ausland zu flüchten. So sind Manche gezwungen, sich der Regierung in die Hände zu geben; und ein Hof, welcher der reinste, ehrenwertheste in Europa sein sollte, wird auf diese Weise oft von vornehmen, aber zudringlichen Augendienern verunehrt. So müssen auch Manche ihr Vaterland meiden, füllen die Gasthöfe fremder Länder, und verschwenden an danklose Fremde den Reichthum, den sie ihren arbeitsamen Unterthanen abgepreßt haben. Ich habe diese Letzteren nie ohne eine Mischung von Vorwurf und Betrübniß betrachtet. Da ich die beinahe abgöttische Liebe des Engländers zu seiner Heimath kenne, kann ich mir wohl denken, wie groß ihre Zerknirschung und Reue sein muß, wenn sie auf den sonneverbrannten Ebenen von Frankreich an Englands grüne Fluren denken; an die ererbten Haine, von denen sie geschieden, an das gastliche Dach ihrer Väter, das sie verödet oder im Besitze von Fremden zurückgelassen haben. Aber die Einschränkung ist kein Grund, das Vaterland zu meiden. Sie haben sich mit dem Wohlstande desselben gehoben: laßt sie auch dessen Glückswechsel mit ertragen und seine Schicksale mit erdulden. Es ziemt sich nicht für die Reichen, zu flüchten, weil das Vaterland leidet: laßt sie, nach ihrem Verhältniß, das allgemeine Uebel theilen; sie sind es dem Lande, das sie zu Ehren und Ueberfluß emporgehoben hat, schuldig. Wenn die Armen sich an ihrem kärglichen Bissen Brod etwas abbrechen müssen; wenn sie den Forderungen des Bedürfnisses nicht genügen können, und darauf sinnen müssen, mit wie Wenigem sie auskommen können, um nicht zu verhungern, dann müssen die Reichen nicht entweichen und die Hülfsquellen der Armen nicht noch mehr schmälern, damit sie selbst in einem wohlfeileren Lande im Ueberflusse leben können. Laßt sie vielmehr sich auf ihre Güter begeben und Einschränkungen machen. Laßt sie zu der edlen Einfachheit zurückkehren, jenem praktischen gesunden Verstand, jenem rechtlichen Stolz, welche die Grundlage des wahren englischen Charakters bilden, und auf dieser wiederum das Gebäude eines wohlbegründeten, ehrenwerthen Wohlstandes aufführen.
Auf den ländlichen Sitten des englischen hohen und niedern Adels, auf der Art, womit sie auf ihren väterlichen Besitzungen ihren Pflichten obliegen, beruhen vornehmlich die Tugend und die Wohlfahrt der Nation. So lange sie den größeren Theil ihrer Zeit in der Ruhe und Reinheit des Landlebens zubringen, von den Denkmälern ihrer erlauchten Ahnen umgeben, von allem dem umgeben, was einen edlen Stolz, einen lebendigen Wetteifer, wohlgefällige und großartige Gefühle einflößen kann: so lange stehen sie fest und das Volk mag ihnen seine Interessen und seine Ehre anvertrauen. Sobald sie aber die knechtischen Belagerer der Zugänge des Hofes werden, und sich den politischen Händeln und den herzlosen Zerstreuungen der Hauptstadt hingeben, von diesem Augenblicke an verläugnen sie den wahren Adel ihrer Natur und werden die bloßen Blutsauger des Landes.
Daß der größere Theil des höheren Adels und der mittlern Klasse in England hohe Begriffe von Ehre und Unabhängigkeit hat, glaube ich fest. Sie haben dieß erst neuerlich bei sehr wichtigen Gelegenheiten bewiesen, und ein Beispiel der Anhänglichkeit an Grundsätze, mit Verachtung aller Rücksicht auf Partei und Macht, gegeben, welches mehrere der feilen, kriechenden Höfe in Europa in Erstaunen gesetzt haben muß. Dieß sind die herrlichen Wirkungen der Freiheit, wenn sie mit der Verfassung verschmolzen ist. Es scheint mir aber, daß sie leicht die ausübende Beschaffenheit ihrer Pflichten vergessen und sich einbilden, ihre bedeutenden Vorrechte seien nur eben so viele Mittel zu ihrer Selbstbefriedigung. Sie sollten bedenken, daß bei einer Verfassung, wie die englische ist, die bevorrechteten Stände eben so viel Nutzen stiften sollen, als sie zur Zierde gereichen, und daß ihre Tugenden sie allein zu beidem fähig machen können. Ihre Pflichten sind zwischen dem Beherrscher und dem Unterthan getheilt; sie umgeben den Thron, und ertheilen ihm Glanz und Würde, indem sie zugleich seine Strahlen mäßigen und mildern, bis sie in sanftem freundlichem Licht auf das Volk fallen. Zu Muße und Reichthum geboren, sind sie die Anwendung ihrer Talente und die Spende ihres Reichthums dem Vaterlande schuldig. Sie lassen sich mit den Wolken vergleichen, welche, von der Sonne angezogen und zum Himmel erhoben, deren Glanz zurückstrahlen und verherrlichen; während sie der Erde, welcher sie ihre Entstehung verdankten, dadurch lohnen, daß sie ihre Schätze in fruchtbringenden Schauern ihr zurückgeben.