Washington Irving
Bracebridge Hall oder die Charaktere
Washington Irving

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Das Sturmschiff.

In dem goldenen Zeitalter der Provinz der Neuen-Niederlande, als sie unter der Herrschaft Wouter's van Twiller stand, den man auch den Zweifler nannte, wurden die Bewohner der Manhattos an einem schwülen Nachmittage, gerade um die Zeit der Sommer-Sonnenwende, durch ein gewaltiges Ungewitter erschreckt. Der Regen fiel in solchen Strömen, daß er vom Boden wieder aufspritzte und dieser davon rauchte. Der Donner schien dicht über den Häusern zu krachen und hinzurollen; den Blitz sah man beständig um die St. Niclas-Kirche spielen, wo er dreimal, wiewohl vergeblich, in den Wetterhahn zu schlagen suchte. Garret van Home's Schornstein ward beinahe von oben bis unten zerrissen, und Doffue Mildeberger sank, vom Blitze getroffen, sprachlos von seiner kahlköpfigen Stute, eben als er in die Stadt ritt. Mit einem Wort, es war eines von den fast beispiellosen Ungewittern, wie sie gewöhnlich nur einmal die ehrwürdigen Personen erleben, die man in jeder Stadt unter der Benennung der»ältesten Einwohner« kennt.

Groß war der Schrecken der guten alten Frauen in den Manhattos. Sie rafften ihre Kinder zusammen und flüchteten in die Keller, nachdem sie auf die eiserne Spitze jedes Bettpfostens einen Schuh gehängt, damit sie nicht den Blitz anzöge. Endlich legte sich der Sturm; der Donner verlor sich in ein Murmeln, und die untergehende Sonne, die aus den gesäumten Rändern der Wolken hervorbrach, ließ den weiten Busen der Bucht wie ein Meer geschmolzenen Goldes erscheinen.

Auf einmal kam von dem Fort die Nachricht, daß ein Schiff auf die Bucht lossteuere. Sie ging von Mund zu Munde, von Straße zu Straße, und brachte bald die ganze kleine Hauptstadt in Aufruhr. Die Ankunft eines Schiffes war in jenen frühen Zeiten der Niederlassung ein Ereigniß von großer Bedeutung für die Bewohner. Es brachte ihnen Neuigkeiten aus der alten Welt, aus ihrem Geburtslande mit, von dem sie so weit getrennt waren; von dem jährlich ankommenden Schiff erwarteten die Einwohner auch ihren Vorrath an Gegenständen des Luxus, des Putzes, der Bequemlichkeit, ja beinahe einen Theil ihrer nothwendigsten Bedürfnisse. Der guten Hausfrau brachte es ihre neue Haube oder ihr neues Kleid mit; dem Handwerker sein Arbeitszeug, dem Bürgermeister seine Pfeife und seinen Wachholderbranntwein, dem Schulknaben seinen Kreisel und seine Marmel, und dem stattlichen Gutsbesitzer die Backsteine, womit er sein neues Haus bauen wollte. So erwartete Alles, Reich und Arm, Groß und Klein, die Ankunft des Schiffes. Diese war alljährlich das große Fest für die Stadt Neu-Amsterdam; und, von einem Ende des Jahres zum andern war das Schiff – das Schiff – das Schiff – der fortdauernde Gegenstand der Unterhaltung.

Die Nachricht vom Fort brachte die ganze Bevölkerung des Orts hinunter an die Batterie, sich an dem ersehnten Anblicke zu weiden. Es war eigentlich nicht die Zeit, wo es erwartet wurde, und die Begebenheit gab zu mancherlei Betrachtungen Anlaß. Viele Gruppen hatten sich in der Gegend der Batterie gebildet. Hier und da sah man einen Bürgermeister, mit bedächtigem stattlichen Ernste, mitten in einem Haufen alter Weiber und müßiger Knaben mit großer Zuversicht seine Meinung verkündigen. Dort stand ein Haufe alter abgehärteter Kerle, welche zu ihrer Zeit Matrosen oder Fischer gewesen waren, und die bei allen solchen Gelegenheiten großes Gewicht hatten; diese hegten verschiedene Meinungen, wodurch ein großer Streit unter ihren mannichfachen Parteinehmern entstand; der aber, auf welchen Alles hinsah, dem die Menge folgte, und den sie beobachtete, war Haus van Pelt, ein alter holländischer Schiffscapitän außer Dienst und das Schifffahrts-Orakel des Orts. Er beobachtete das Schiff durch ein altes, mit getheerter Leinwand überzogenes Teleskop, brummte ein holländisches Lied vor sich hin und sagte nichts. Was Hans van Pelt brummte hatte aber bei den Leuten immer mehr Gewicht, als eine ganze lange Rede von einem andern Manne.

Indessen war das Schiff dem bloßen Auge immer erkennbarer; es war ein starkes, rundes, nach holländischer Art gebautes Fahrzeug, mit hohem Bug und Hinterschiff, das die holländische Flagge führte. Die Abendsonne vergoldete seine schwellenden Segel, als es über die langwogenden Wellen daher kam. Die Schildwacht, welche von seiner Annäherung Nachricht gegeben, sagte aus, daß sie das Schiff zuerst gesehen, als es schon mitten in der Bucht gewesen; und daß es plötzlich vor ihr gestanden habe, gerade als sei es aus dem Bauche der schwarzen Gewitterwolke gekommen. Die Umstehenden sahen auf Hans van Pelt, um zu hören, was er zu dem Bericht sagen würde. Haus van Pelt aber zog seinen Mund schärfer zusammen und sagte nichts, worauf Einige die Köpfe schüttelten und Andere die Achseln zuckten.

Das Schiff ward nun zu mehreren Malen angerufen, gab aber keine Antwort, sondern segelte vor dem Fort vorbei und den Hudson hinauf. Es ward eine Kanone auf dasselbe gerichtet, die nicht ohne einige Schwierigkeit von Hans van Pelt geladen und abgefeuert wurde, da die Besatzung sich auf das Geschütz nicht verstand. Die Kugel schien mitten durch das Schiff zu gehen und auf der andern Seite auf dem Wasser hin zu tanzen, ohne daß von dem Schiffe das mindeste darauf erfolgt wäre! Sonderbar war es, daß es alle Segel aufgezogen hatte und gerade gegen Strömung und Wind fuhr, welche beide den Fluß hinuntergingen. Darauf ließ Hans van Pelt, der zu gleicher Zeit Hafenmeister war, sein Boot aussetzen, und ging in See, um sich an Bord zu begeben. Nachdem er aber zwei oder drei Stunden umhergerudert, kam er unverrichteter Sache wieder. Zuweilen war er dem Schiff ein oder zweihundert Yards nahe gewesen, und dann war es in einem Augenblicke eine halbe Meile von ihm entfernt. Einige behaupteten, die Schuld läge an seinen Ruderern, die so kurzen Athem hätten, engbrüstig wären, und alle Augenblicke anhielten, um wieder Athem zu schöpfen und sich in die Hände zu speien; aber dieß war wahrscheinlich nur böser Leumund. Er kam indessen nahe genug, um das Schiffsvolk zu sehen; dieß war ganz nach holländischer Art gekleidet, die Offiziere in Wämsen und hohen Hüten mit Federn; Niemand an Bord sprach ein Wort; Alle standen so bewegungslos da, wie Bildsäulen, und das Schiff schien ganz sich selbst überlassen zu sein. So ging es den Fluß hinauf, und ward in der Abendsonne immer kleiner und kleiner, bis es, wie eine kleine weiße Wolke, welche sich in den Sommerhimmel verliert, gänzlich aus dem Gesichte verschwand.

Die Erscheinung dieses Schiffes versetzte den Statthalter in eine der größten Verlegenheiten, worin er sich während des ganzen Laufes seiner Verwaltung befunden hatte. Man hegte Besorgnisse für die Sicherheit der jungen Niederlassungen am Flusse, und fürchtete, es möchte ein verkapptes feindliches Schiff sein, welches abgeschickt worden sei, um sie in Besitz zu nehmen. Der Statthalter ließ mehrere Male seinen Rath zusammenberufen, damit ihm dieser mit seinen Vermuthungen an die Hand gehen möge. Er saß in seinem Staatssessel, aus Holz von dem geheiligten Walde im Haag gezimmert, rauchte aus seiner langen Jasminpfeife, und hörte mit an, was ihm seine Räthe über einen Gegenstand zu sagen hatten, von dem sie nichts wußten; aller Vermuthungen der ältesten und weisesten Häupter ungeachtet, blieb aber der Statthalter noch immer in Zweifel.

Boten wurden nach verschiedenen Gegenden des Flusses gesandt; allein sie kehrten ohne alle Nachrichten zurück – das Schiff war in keinen Hafen eingelaufen. Tag auf Tag, Woche auf Woche vergingen, aber es kam nicht wieder den Hudson herunter. An Nachrichten von demselben, woran es dem Rathe zu liegen schien, fehlte es indessen durchaus nicht. Die Schaluppen-Capitäne kamen selten ohne die Meldung, daß sie das seltsame Schiff an irgend einer Stelle auf dem Flusse gesehen hätten: bald hatte man es bei den Pallisaden, bald auf der Höhe von Croton-Point, bald in den Hochlanden erblickt; jenseits derselben aber schien Niemand es gesehen zu haben. Die Mannschaften der Schaluppen wichen freilich in der Regel in ihren Aussagen über diese Erscheinungen von einander ab; allein dieß mag von den ungewissen Gesichtspunkten herrühren, aus denen sie es gesehen hatten. Zuweilen hatten sie es bei dem Leuchten des Blitzes in einer pechschwarzen Nacht erblickt, wo sie es quer über die Tappaan-Zee gehen oder den weiten Raum der Haverstraw-Bay durcheilen sahen. Bald erschien es so nahe bei ihnen, als ob es sie zu Grund segeln wolle, und versetzte sie in die größte Unruhe und Besorgniß; bei dem nächsten Blitze sahen sie es aber weit weg, und immer gegen den Wind segelnd. Zuweilen erschien es ihnen, in ruhigen, mondhellen Nächten, gerade unter einer hohen Klippe in den Hochlanden, ganz in tiefem Schatten, so daß nur die Obersegel in den Mondstrahlen schimmerten; wenn die Leute aber nun den Ort erreichten, war kein Schiff zu sehen; und wenn sie eine Strecke an ihm vorüber waren und zurückschauten, siehe, so war es wieder da mit seinen Obersegeln im Mondschein! Es erschien immer entweder kurz nach, oder kurz vor, oder mitten in ungestümem Wetter; und es war bei allen Schiffern, die den Hudson befuhren, unter dem Namen des »Sturmschiffes« bekannt.

Diese Berichte setzten den Statthalter und seine Räthe mehr denn je in Verwirrung; und es würde endlos sein, die Vermuthungen und Meinungen aufzuzählen, die über diesen Gegenstand ausgesprochen wurden. Einige führten hiehergehörige Fälle von Schiffen an, die auf der Höhe der Küste von Neu-England gesehen und von Hexen und Kobolden geführt worden. Der alte Hans van Pelt, welcher mehr als einmal bei der holländischen Colonie auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung gewesen war, behauptete, es müsse der fliegende Holländer sein, der so lange in der Tafel-Bay gespukt; und da er nicht in den Hafen einlaufen können, habe er sich nun anderswohin gewendet. Andere meinten, wenn dieß wirklich eine übernatürliche Erscheinung sei, wie man doch allen natürlichen Grund habe zu glauben, so möge es wohl Hendrik Hudson mit seiner Mannschaft vom »halben Monde« sein, der, wie wohl bekannt, in dem obern Theile des Flusses, als er den nordwestlichen Durchgang nach China gesucht, auf den Grund gerathen sei. Diese Meinung hatte bei dem Statthalter sehr wenig Gewicht, kam aber im Publikum in Umlauf; denn man hatte bereits gesagt, Hendrik Hudson und seine Mannschaft spukten in den Kaatskill-Bergen; und es schien ganz vernünftig, daß sein Schiff sich da sehen ließe, wo die Unternehmung gescheitert war, oder daß es die düstere Schiffsmannschaft zu dem Orte hinführe, wo sie ihre regelmäßig wiederkehrenden Gelage in den Bergen hielt.

Andere Ereignisse beschäftigten jedoch die Gedanken und Zweifel des weisen Wouter und seines Raths, und das Sturmschiff hörte auf, ein Gegenstand der Berathung in der Versammlung zu sein. Doch glaubte das Volk fortdauernd daran, und pflegte sich, während der ganzen Zeit der holländischen Herrschaft, und besonders kurz vor der Einnahme von Neu-Amsterdam und der Unterjochung der Provinz durch ein englisches Geschwader, vielfach davon zu erzählen. Um diese Zeit wurde das Sturmschiff wiederholt in der Tappaan-Zee und bei Weehawk, selbst bis nach Hoboken hinunter, erblickt; und seine Erscheinung ward als eine Vorbedeutung der herannahenden Umwälzung und des Sturzes der holländischen Herrschaft angesehen.

Seit dieser Zeit haben wir keine beglaubigten Nachrichten von dem Schiffe, wenn man gleich noch behaupten will, daß es sich in der Gegend der Hochlande sehen lasse, und um Point-no-point kreuze. Die Leute, welche an den Ufern des Flusses wohnen, behaupten, daß sie es zuweilen im Sommer-Mondlicht sehen; und daß sie in einer tiefen stillen Mitternacht den Gesang des Schiffsvolkes hörten, als ob es lothete; allein das Gesicht und das Gehör täuschen sich an den bergigen Küsten, an den weiten Buchten und den langen Uferstrichen dieses großen Flusses so leicht, daß mir, wie ich gestehen muß, die Sache sehr zweifelhaft vorkommt.

Es ist indessen gewiß, daß man in den Hochlanden, bei Stürmen, sonderbare Dinge zu Gesicht bekommt, welche mit der alten Geschichte des Schiffes in Verbindung stehen sollen. Die Capitäne der Flußfahrzeuge sprechen von einem kleinen, knollenartig gebauten Kobold, in Pludderhosen und mit einem zuckerhutförmigen Hute, der ein Sprachrohr in der Hand hat, und sich in der Gegend des Dunderbergs aufhalten soll. Sie behaupten, ihn bei stürmischem Wetter, mitten im Aufruhr der Elemente, in holländischer Sprache Befehle austheilen gehört zu haben, daß ein neuer Windstoß heranbrausen, oder ein neuer Donnerschlag sich hören lassen solle. Daß man ihn manchmal von einem Haufen kleiner Geister, in weiten Hosen und mit kurzen Wämsen, umringt gesehen habe, welche sich im Dunst und Nebel kopfüber stürzen, und tausend Sprünge in der Luft machen, oder wie ein Fliegenschwarm um die St. Antonius-Nase summen; und daß zu dieser Zeit das Getöse des Sturmes immer am heftigsten sei. Einst ward eine Schaluppe, als sie bei dem Dunderberg vorübersegelte, von einem Ungewitter überfallen, das plötzlich um den Berg herumzog, und gerade über dem Fahrzeuge loszubrechen schien. Obgleich dieses ganz dicht und fest, und wohl mit Ballast versehen war, hatte es doch furchtbar zu kämpfen, so daß das Wasser sogar bis über den Dolbord kam. Das ganze Schiffsvolk war verwundert, als man entdeckte, daß ein kleiner, spitzer, weißer Hut oben auf dem Maste stecke, den man sogleich für den Hut des Herr vom Dunderberg erkannte. Niemand jedoch wagte es, den Mast hinaufzuklimmen, und den furchtbaren Hut abzunehmen. Die Schaluppe fuhr fort, zu kämpfen und zu schwanken, als ob ihr Mast über Bord fallen wollte. Sie schien in beständiger Gefahr, entweder umzuschlagen, oder auf den Strand zu laufen. So trieb sie ganz durch die Hochlande hindurch, bis sie vor Pollopol's Insel vorüber war, wo, wie man sagt, die Gerichtsbarkeit des Beherrschers des Dunderberg's aufhört. Kaum war sie über diese Grenze hinweg, als der kleine Hut plötzlich wie ein Kreisel sich in der Luft drehte, alle Wolken in einem Wirbel zusammenfaßte, und sie auf den Gipfel des Dunderbergs zurückführte; während die Schaluppe sich aufrichtete, und nun so ruhig wie auf einem Mühlbach fortsegelte. Nichts rettete sie von dem gänzlichen Schiffbruche, wäre nicht glücklicherweise ein Hufeisen an den Mast genagelt gewesen; eine weise Vorkehrung gegen die bösen Geister, welche seitdem von allen holländischen Capitänen, die diesen bezauberten Fluß befahren, angewandt worden ist.

Es gibt noch eine andere Geschichte von diesem bösen Wetter-Kobolde, die des Schiffers Daniel Ouslesticker von Fish-Hill, der nie gelogen hatte. Er sagte, daß er ihn, bei einem heftigen Sturme, quer auf dem Bugspriet seiner Schaluppe habe sitzen, und diese nach der Küste zu, gerade auf St. Antonius-Nase hin, habe treiben sehen, und daß er von Dominie van Gieson von Esopus, der sich gerade am Bord befand und das Lied des heil. Nikolaus sang, gebannt worden sei; worauf der Kobold sich wie eine Kugel in die Luft geschnellt habe und in einem Wirbelwinde davon gefahren sei, wobei er die Nachtmütze der Frau des Dominie mitgenommen; welche den nächsten Sonntag Morgen an dem Wetterhahn des Kirchthurms in Esopus, wenigstens vierzig Meilen davon, hängend gefunden worden! Nach mehreren Vorfällen der Art, wagten es die regelmäßigen Flußschiffer lange Zeit nicht, an dem Dunderberg vorbei zu segeln, ohne als Zeichen der Huldigung gegen den Herrn vom Berge ihre Segel herab zu lassen; und man bemerkte, daß alle Diejenigen, welche ihm diese Ehrfurchtsbezeigung erwiesen, unangetastet vorüber durften.

»In dieser Weise finden sich,« sagte Anton Vander Heyden, »mehrere Erzählungen von dem Dichter Selyne, in Bezug auf dieses Sturmschiff niedergeschrieben, das, wie er versichert, diese Colonie boshafter Geister aus irgend einem von Gespenstern heimgesuchten Lande Europa's hieher gebracht hat. Ich könnte Euch, wenn es nöthig wäre, eine Legion mehr erzählen; denn alle die Unfälle, welche die Flußschiffe in den Hochlanden erdulden müssen, sollen nichts weiter sein, als Streiche, welche diese Geister des Dunderbergs ihnen spielen; doch ich sehe, daß Ihr schon einzunicken anfangt, und so wollen wir uns denn zur Ruhe begeben.«Von den Volks-Sagen, welche in den Colonieen während der ersten Zeit der Ansiedelungen im Umlauf waren, haben sich auch einige sehr sonderbare von gespenstischen Schiffen erhalten. Der Aberglaube der Menschen pflegt sich immer den Gegenständen zuzuwenden, welche mit ihren täglichen Beschäftigungen in Verbindung stehen. Das einzelne Schiff, welches alljährlich, wie der Rabe in der Wüste, den Bewohnern einer Niederlassung die Bequemlichkeiten des Lebens aus der Welt zuführte, von welcher sie abgeschnitten waren, lebte immer in ihren Träumen, im Wachen oder im Schlafe. Der Anblick eines Segels von der Küste aus, wie es am Horizont, auf diesen damals noch einsamen Meeren dahinglitt, mußte natürlich zu vielen Gesprächen und Vermuthungen Anlaß geben. Einer der frühesten Neu-Engländischen Schriftsteller gedenkt eines Schiffes, das von Hexen gesteuert wurde, und neben dessen Hauptmast ein großes Pferd stand. So habe ich auch irgendwo eine andere Erzählung gefunden, von einem Schiffe, welches bei schönem, sonnigem, ruhigem Wetter mit vollen Segeln und einem gedeckten Tische in der Kajüte, als ob Gäste bewirthet werden sollten, und an dessen Bord sich doch keine lebende Seele befand, an das Land trieb. Diese Geisterschiffe segelten immer gerade in den Wind, oder fuhren mit großer Schnelligkeit dahin, wobei das ruhige Meer vor ihrem Bug aufschäumte, wenn auch nicht ein Lüftchen ging.

Moore hat eine von diesen Meeressagen sehr schön zu einer kleinen Erzählung verarbeitet, welche in Wenigem den ganzen Kern dieser Art übernatürlicher Dichtung enthält. Ich meine sein »Gespensterschiff« das nach der Todten-Manns-Insel segelt. – Verf.

Der Mond hob seine Silberhörner gerade über den runden Rücken des Old-Bull-Hill, und beleuchtete die grauen Felsen und dunkeln Wälder, und glänzte auf dem wogenden Spiegel des Flusses: der Nacht-Thau fiel, und die eben noch düstern Berge begannen mild zu leuchten, und in dem thauigen Lichte eine graue luftige Färbung anzunehmen. Die Jäger schürten das Feuer an, und warfen frisches Holz darauf, um die Feuchtigkeit der Nachtluft abzuhalten. Hierauf bereiteten sie für Dolph ein Lager von Zweigen und trockenen Blättern, unter einem Felsenvorsprunge, während Anton Vander Heyden sich in einen großen, aus Häuten gemachten Mantel einhüllte und neben dem Feuer niederlegte. Es währte aber einige Zeit, ehe Dolph seine Augen schloß. Er betrachtete so hingestreckt das sonderbare Schauspiel, das sich seinem Blicke darbot; die wilden Wälder und Felsen umher, das Feuer, welches einen flüchtigen Schein auf die Gesichter der schlafenden Wilden warf, und den Herrn Anton, der so sonderbar, wenn gleich nur entfernt, ihn an den nächtlichen Besucher des Spukhauses erinnerte. Dann und wann vernahm er das Gebrüll eines wilden Thieres aus dem Walde, oder das Geschrei der Eule oder die Töne des Wiedehopfes, deren es in dieser Einöde eine Menge zu geben schien; oder das Plätschern eines Störs, der sich aus dem Flusse erhob und seiner ganzen Länge nach auf dessen ruhige Fläche zurückfiel. Er verglich alles dieß mit seiner gewohnten Ruhestätte in der Dachstube des Doctors, wo er keine andern Töne in der Nacht vernahm, als die Glocke des Kirchthurms, welche die Stunden verkündigte; die schläfrige Stimme des Nachtwächters, der sein »Alles steht gut« sang; das tiefe Schnarchen aus des Doctors verstopfter Nase von dem untern Zimmer herauf; oder das vorsichtige Arbeiten einer Ratte in der Wandbekleidung. Dann kam ihm der Gedanke an seine arme alte Mutter in den Sinn; was mußte sie von seinem geheimnißvollen Verschwinden gedacht haben – in welcher Angst und Besorgniß mußte sie schweben? Dieß war der Gedanke, welcher sich fortwährend in seine Betrachtungen mischte und seinen gegenwärtigen Genuß trübte. Er war mit einem Gefühle des Schmerzes und der Reue verknüpft, und Dolph schlief mit Thränen in den Augen ein.

Wäre dieß eine blos erdichtete Geschichte, so böte sich hier eine schöne Gelegenheit, die seltsamsten Abenteuer in diesen wilden Bergen und unter diesen Streif-Jägern einzuflechten, und, nachdem ich meinen Helden den mannigfaltigsten Gefahren und Widerwärtigkeiten preisgegeben, ihn durch irgend ein wundersames Eingreifen wieder zu retten. Da meine Erzählung aber durchaus wahr ist, muß ich mich mit einfachen Thatsachen begnügen und an dem Natürlichen festhalten.

Früh am nächsten Tage brach, nach einem tüchtigen Frühstück, das Lager auf, und unsere Abenteurer schifften sich wieder auf Anton Vander Heyden's Jagdschiffe ein. Da die Segel keinen Wind hatten, so ruderten die Indianer das Fahrzeug langsam weiter, und hielten dabei mit einem von den Weißen gesungenen Liede Takt. Der Tag war heiter und schön; der Fluß ohne eine einzige Welle; und wie das Schiff das klare Wasser durchschnitt, ließ es einen langen wellenförmigen Streifen hinter sich. Die Krähen, welche das Mahl der Jäger gewittert hatten, schwärmten bereits haufenweis in der Luft, gerade über einer dünnen blauen Rauchsäule, welche sich aus den Bäumen erhob und den Ort andeutete, wo Jene ihr letztes Nachtquartier gehalten hatten. Während sie so am Fuße der Berge hinfuhren, zeigte Herr Anton dem Jüngling einen kahlen Adler, den Beherrscher dieser Gegenden, welcher auf einem dürren Baume, der über den Fluß herüberragte, saß, und, mit emporgerichteten Augen, den Glanz der Morgensonne zu trinken schien. Ihre Annäherung störte des Monarchen Betrachtungen. Er streckte erst einen, dann den andern Flügel aus, wiegte sich einen Augenblick, verließ dann mit stolzer Ruhe seinen Sitz und schwebte langsam über ihren Häuptern hin. Dolph ergriff eine Flinte und schickte ihm eine pfeifende Kugel nach, welche einige Federn in seinen Flügeln knickte; der Knall der Flinte hallte scharf von Fels zu Felsen wieder und setzte tausend Echo's in Bewegung; aber der Beherrscher der Luft schwebte ruhig weiter, stieg immer höher und höher, streifte in weiten Kreisen an dem grünen Rande des bewaldeten Berges hin, und verschwand endlich über dem Saume eines kühn hervorspringenden Abhanges. Dolph fühlte den Vorwurf, der gewissermaßen in dieser stolzen Ruhe lag, und es that ihm beinahe leid, so muthwillig den majestätischen Vogel beleidigt zu haben. Herr Anton erinnerte ihn lächelnd, daß er sich noch nicht außerhalb des Gebiets des Herrn vom Dunderberg befände; und ein alter Indianer schüttelte den Kopf, und bemerkte, daß es schlechtes Glück bringe, einen Adler zu tödten: im Gegentheil, der Jäger sollte ihm stets einen Antheil an seiner Beute lassen.

Es ereignete sich indessen kein Unfall auf der Reise. Sie kamen durch herrliche, einsame Gegenden, bis sie die Pollopols-Insel erreichten, die wie eine schwimmende Laube, am Ende der Hochlande lag. Hier landeten sie, um zu warten, bis die Hitze des Tages abnehmen oder ein günstiger Wind sich erheben würde, welcher sie der Anstrengung des Ruderns überhöbe. Einige bereiteten das Mittagsmahl, während Andere im Schatten der Bäume in einer üppigen sommerlichen Muße ruhten, und gemächlich auf die Schönheit der vor ihnen liegenden Gegend hinschauten. Auf der einen Seite waren die Hochlande starr und klippig, bis zum Gipfel hinauf mit Wäldern bewachsen, ihre Schatten weit auf das spiegelhelle Wasser hinwerfend, welches sich an ihrem Fuße kräuselte. Auf der andern war eine weite Fläche des Flusses, der sich wie ein See ausbreitete, mit seinen langen sonnigen Landstreifen und seinen grünen Vorgebirgen, und am fernen Horizonte zog sich schlängelnd oder mit flockigen Wolken bedeckt die Linie der Shawangunk-Berge hin.

Ich enthalte mich, bei den Einzelnheiten ihrer Fahrt den Strom entlang zu verweilen. Dieses umherschweifende amphibische Leben, durch Silberfluthen dahin führend, wo man an wilden waldigen Ufern landet, an schattigen Vorgebirgen schmaust, während sich dichte Aeste über uns wölben und der Strom unsern Fuß mit seinem leichten Schaum benetzt und ferne Berge und Felsen und Bäume und schneeweiße Wolken und ein tiefer blauer Himmel sich vereinigen, um das reizende Bild des Sommers zu vollenden; alles dieses, obgleich in der Wirklichkeit höchst erfreulich, würde in der Erzählung langweilig sein.

Als man sich am Wasser gelagert, gingen Einige von der Gesellschaft in die Wälder, und jagten; Andere fischten: zuweilen belustigte man sich damit, daß Einer nach dem Ziele schoß, oder Uebungen im Springen, Laufen oder Ringen anstellte, und Dolph gewann große Gnade in Anton Vander Heyden's Augen durch seine Fertigkeit und Gewandtheit in allen diesen Leibesübungen, welche dieser Herr als die ersten unter allen Vollkommenheiten eines Mannes ansah.

So fuhren sie lustig an den Küsten weiter und setzten ihre Reise nur in den angenehmen Tagesstunden fort; zuweilen in der kühlen Morgendämmerung, zuweilen im ruhigen Abendschein, und zuweilen, wenn das Mondlicht auf den kräuselnden Wellen tanzte, welche an ihrer kleinen Barke hinplätscherten. Nie hatte sich Dolph so ganz in seinem Elemente gefühlt; nie hatte er etwas gefunden, das so ganz seinem Geschmacke zugesagt hätte, als dieß wilde, vom Zufall geleitete Leben. Er war gerade der Mann, wie er Anton Vander Heyden's rastloser Gemüthsart zusagte, und er gewann daher immer mehr dessen Zuneigung. Das Herz des alten Buschkleppers neigte sich ganz zu dem jungen Manne hin, der zu seinem eigenen Ebenbilde heranzuwachsen schien; und als sie sich dem Ende ihrer Reise näherten, konnte er nicht umhin, sich etwas genauer nach seiner Geschichte zu erkundigen. Dolph erzählte ihm sein Leben ganz offenherzig, seine strengen medizinischen Studien, seine wenigen Fortschritte und seine sehr ungewisse Aussichten. Der Herr konnte sich mit dem Gedanken gar nicht vertragen, daß so außerordentliche Talente und Fähigkeiten unter der Perücke eines Arztes eingepreßt und begraben liegen sollten. Er hegte eine tiefe Verachtung gegen die Heilkunst, da er nie einen andern Arzt gehabt, als den Schlächter. Er hatte einen tödtlichen Groll gegen alle Arten von Studien, seitdem er als Knabe eines unverständlichen Buches willen Schläge bekommen hatte. Und daß nun ein junger Mensch, wie Dolph, der so wundervolle Fähigkeiten besaß, der schießen, fischen, laufen, springen, reiten und ringen konnte, daß dieser Pillen drehen und Kühltränke verabreichen sollte, um sein Leben zu fristen – das war fürchterlich! Er ermahnte daher Dolph, nur nicht zu verzweifeln, und die Medizin weg zu werfen, denn ein junger Mensch von so außerordentlichen Talenten müsse doch immer sein Glück machen. »Da Ihr keine Bekannte in Albany zu haben scheint,« sagte Herr Anton, »so sollt Ihr mit mir nach Hause kommen und unter meinem Dache bleiben, bis Ihr Euch weiter umsehen könnt; unterdessen können wir dann und wann jagen, oder fischen gehen, denn es ist Schade, daß Talente, wie die Eurigen, brach liegen sollten.«

Dolph, der sich dem Zufalle preis gegeben sah, war nicht schwer zu überreden. In der That konnte er auch, als er die Sache bei sich überlegte, was er sehr klüglich und bedächtlich that, nicht umhin zu denken, Anton Vander Heyden müsse doch »auf eine oder die andere Art« mit der Geschichte vom Spukhause in Verbindung stehen; der Unfall in den Hochlanden, der sie auf eine so sonderbare Weise zu einander gebracht hatte, könne »auf eine oder die andere Art« zu irgend etwas Gutem führen; kurz, es ist nichts so bequem, als sich mit dem: »auf eine oder die andere Weise« in die Umstände zu schicken suchen: es ist eine Hauptstütze für Alle, die, wie Dolph Heyliger, vorher handeln und nachher bedenken; und wer auf diese lockere, leichtsinnige Weise ein geschehenes Uebel mit einem zukünftigen Vortheil in Verbindung bringen kann, besitzt ein Geheimniß, glücklich zu sein, welches beinahe dem Stein der Weisen gleich zu stellen ist.

Als die Reisenden in Albany ankamen, schien die Erscheinung von Dolph's Gesellschafter allgemeine Freude zu verursachen. Am Ufer und in den Straßen, überall ward er begrüßt: die Hunde sprangen vor ihm her, die Knaben schrieen, als er vorüberging; Jedermann schien Anton Vander Heyden zu kennen. Dolph folgte schweigend, und bewunderte die Nettigkeit, welche in dem wackern Flecken herrschte; denn damals war Albany noch in seinem Glanze und beinahe ausschließlich von den Nachkommen der ursprünglichen holländischen Ansiedler bewohnt, da das rastlose Volk aus Neu-England es noch nicht entdeckt und bevölkert hatte. Alles war ruhig und ordentlich; Alles ward still und bedächtlich betrieben; keine Eile, kein lärmendes Gewühl, kein Kampf und Streit um den Lebensunterhalt. Das Gras wuchs in den ungepflasterten Straßen, und labte das Auge durch sein erfrischendes Grün. Hohe Sykomoren oder hängende Weiden beschatteten die Häuser; Raupen hingen an langen seidenen Fäden von ihnen herab, und Schmetterlinge flatterten, wie Stutzer, in voller Freude über ihre zierliche Verwandlung umher. Die Häuser waren nach alter holländischer Art, mit den Giebeln nach der Straße gebaut. Die thätige Hausfrau saß vor der Thüre mit einer fein geknifften Haube, einem Kleide mit bunten Blumen und einer weißen Schürze, und strickte emsig. Der Mann rauchte, auf der gegenüberstehenden Bank sitzend, seine Pfeife, und ein kleines Lieblings-Negermädchen saß auf der Haustreppe zu den Füßen ihrer Gebieterin und arbeitete flink mit der Nadel. Die Schwalben flatterten um die Dachrinnen, oder streiften längs den Straßen hin und brachten reiche Beute für ihre Jungen zurück; und der kleine häusliche Zaunkönig flog in seinem kleinen Hause, oder in einem alten an die Wand genagelten Hut ein und aus. Die Kühe kamen blöckend durch die Straßen nach Hause, um vor eines jeden Eigenthümers Hause gemolken zu werden, und wenn zufällig einige zurückblieben, so trieb ein Negerknabe mit einem langen Stachelstocke sie heimwärts.

Während Dolph's Begleiter vorwärts schritt, grüßte ihn ein ruhiges Nicken von den Bürgern und ein freundliches Wort von ihren Weibern; Alle nannten ihn vertraulich Anton; denn man war es in diesem patriarchalischen Orte, wo Alle sich von Kindheit an gekannt hatten, gewohnt, einander bei dem Taufnamen zu nennen. Der Herr blieb nicht stehen, um seinen gewöhnlichen Scherz mit ihnen zu haben, denn er war ungeduldig, nach Hause zu kommen. Endlich langte man bei seiner Wohnung an. Das Haus war ziemlich groß, nach holländischer Art gebaut, mit großen eisernen Figuren auf den Giebeln, woraus man auf die Zeit seiner Entstehung schließen, und sehen konnte, daß es in den frühesten Zeiten der Niederlassung erbaut war.


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