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5. In der «Ewigen Stadt».

Nach Yungchow. – Hinter Gitterfenstern und Oelpapierscheiben. – Eine gute Reklame für den «Hotelbesitzer». – Beim Apostolischen Administrator. – Die «Kathedrale». – Unliebsame nächtliche Gäste. – Neumondfeier im Götzentempel. – Der chinesische «Doktor» und seine Praxis. – Die Verlegenheit der Krämer von Yungchow. – Lolos und Diaotze. – Die Hunanfrau.


In der«Ewigen Stadt».

Der Sprung scheint auch bei den heutigen Schnelligkeitsrekorden etwas weit: von Fukiatsung bis Rom, ein kleiner Abstecher, zumal wenn man bedenkt, wieviel Wochen, ja Monate, wir auf den Hinweg verwenden mußten.

Darum müssen wir gleich erklären, daß es auch in China eine «ewige Stadt» gibt – so wird nämlich Yungchow verdeutscht, – die an Alter mit ihrer gleichnamigen Schwester am Tiber vielleicht sich messen kann, nicht aber mit dem weltbeherrschenden Glänze der Petrusstadt.

Und doch war gerade die hierarchische Stellung Yungchows die Ursache unserer kleinen Zwischenreise, denn es ist die Hauptstadt der gleichnamigen Apostolischen Präfektur mit dem Wohnsitz des von Rom ernannten Missionsobern. So lagen uns die beiden «ewigen» Städte gleich nahe, weil sie für uns eine und dieselbe Bedeutung hatten: die von Gott gesetzte kirchliche Obrigkeit. Wir fühlten gerade in Yungchow das Glück, römisch-katholisch zu sein.

Wir hatten zwar den Apostolischen Administrator schon auf kurze Zeit in «Glücksheim» gesehen, aber die vielfachen Sorgen um die Mission, deren Fäden in Yungchow zusammenlaufen, gestatteten ihm keine längere Abwesenheit.

Wir selbst waren noch Neulinge und mußten den Betrieb in unserer Niederlassung erst studieren, um praktische Vorschläge für die Zukunft machen zu können. Zudem versprachen wir uns großen Gewinn von einem Besuche im Zentrum der Mission, wo wir, gleichsam von hoher Warte aus, unser neues Wirkungsfeld viel besser kennen zu lernen hofften, als von dem stillen Waldwinkel, wo wir bisher geweilt.

Gerne folgten wir daher der Einladung unseres Missionsobern zu einem Besuch.

Für eine Umschau und Ausschau in die räumliche und zeitliche Ferne konnten wir uns keinen kundigeren Führer wünschen, als den Hochwürdigen Herrn P. Joh. Dam. Jesacher, der schon über 22 Jahre ununterbrochen in China gewirkt, zunächst im Norden (Shantung) und in den letzten 10 Jahren hier in Hunan, wo er die 1925 erfolgte Errichtung einer eigenen Tirolermission tatkräftig vorbereitete.

Er hat alle Phasen dieser Entwicklung miterlebt, verschiedene Aemter und Posten innegehabt und verfügt daher über einen ungemein reichen Schatz von Erfahrungen, wie kein zweiter.

Hinter Gitterfenstern und Oelpapierscheiben.

Am Morgen des 28. Februar 1930 bestiegen wir mit der Schwester Ambrosia, Oberin von Fukiatsung, und Schw. Emmanuel drei der landesüblichen Sänften und machten uns mit dem Segen des Waisenvaters auf den Weg, begleitet von unserm braven Wang, der als Hofmeister für die materiellen Bedürfnisse der Reisegesellschaft zu sorgen hatte.

Es fiel ein leichter, staubender Regen, als wir auf einsamen Waldespfaden dahinzogen, aber sobald wir aus dem Gebüsch hinauskamen, lachte uns die Sonne entgegen. Zunächst ging es noch durch ein enges Tal mit tiefliegenden Reisfeldern, dann allmählich in eine offene Landschaft, deren Horizont durch waldige Hügelklippen begrenzt war.

Bald nach Mittag hielten wir in einem Marktflecken Rast. Die Herberge hatte einen großen Eingang, der nur bei Nacht zugestellt wird. Um einen großen Innenhof liegen die Gasträume, niedere, primitive Hütten, die zum Teil auch offene Hallen bilden, unter einem von Stützen getragenen Strohdach. Die bessere Klasse hatte Lehmwände, vom qualmenden Petroleumlämpchen fast rußschwarz gefärbt, mit hölzernen Gitterfenstern und Oelpapierscheiben.

Wir stiegen natürlich in der «ersten» Klasse ab! Der Raum war mit Brettern belegt, und, nach den aufgerollten Strohmatten zu urteilen, mußte er auch als Schlafzimmer dienen. Es waren aber noch viele Sachen darin, die man sonst in einem Hotelzimmer nicht zu finden gewohnt ist: Waschbottiche, Maiskolben, Reisigrechen aus Bambus nebst anderem Gerät, ja sogar oben, über dem Querbalken, eine Feldegge und ein alter Pflug.

Es blieb aber immerhin noch Platz für ein kleines Tischchen und zwei hölzerne Bänke, auf denen wir uns niederließen.

Während die Wirtin das Essen bereitete – Reis und Gemüse – saßen unsere Träger im Hofe, tranken Tee und schmauchten seelenvergnügt ihr Pfeifchen.

Eine gute Reklame für den «Hotelbesitzer».

Bei all ihrer Geschäftigkeit fand die Hausfrau doch noch ein paar Augenblicke, um in freundlicher Weise nach den seltenen Gästen der ersten Klasse zu sehen.

Sie hatte auch alles Interesse. Denn unsere Gegenwart hatte eine Menge Teetrinker in ihr «Hotel» gelockt, eine ganz willkommene Reklame, die wohl noch tagelang wirksam geblieben ist.

Der brave Wang benutzte die Gelegenheit, die Schar der Neugierigen über die «Siudau» aufzuklären und ihnen etwas von der Religion des großen Himmelsherrn zu berichten.

Leider konnten wir die Zeit der Rast nicht allzulange ausdehnen, denn wir hatten noch eine gute Strecke zurückzulegen.

Gegen Abend sahen wir in der Ferne die Mauern und Zinnen von Yungchow. Unsere Träger holten tüchtig aus. Lange folgte der kiesige Weg dem Ufer des uns schon bekannten Siangflusses und bog dann in die Vorstadt ein.

Das Tor der Innenstadt war zwar streng militärisch bewacht, doch ließ man uns ohne Paß und andere Formalitäten hindurch. Wir waren wohl die ersten Europäerinnen, die je hier einzogen; und daß man uns kostenlos begaffen durfte, mag wohl eine Zoll- und Eintrittssteuer aufgewogen haben.

Die Straßen waren belebt und zeigten das Bild einer Großstadt.

Nach einer Weile hielten unsere Sänften in einem ziemlich gefälligen Geschäftsviertel, und wir standen vor einem großen zierlichen Tore mit der Inschrift Tienchutang, Katholische Mission.

Der Apostolische Administrator kam uns sofort entgegen und führte uns den breiten langen Treppenweg hinan, wo auf halber Höhe die Gebäude der Zentralstation liegen, im Gold der Abendsonnenstrahlen. Der Eindruck war prächtig.

Die «Kathedrale».

Die Kirche ist ziemlich geräumig, aber einfach. Den Hauptschmuck bilden die über den Altären angebrachten Oelgemälde in chinesischen Rahmen, über dem Hochaltar das bekannte Bild Murillos, den hl. Franziskus mit dem gekreuzigten Heiland darstellend, über den beiden Nebenaltären die Unbefleckte Empfängnis und der Seraphische Lehrer St. Bonaventura, also eine echte Franziskanerkirche, wie denn auch die Erbauer italienische Ordensgenossen waren. So sieht also unsere «Kathedrale» aus.

In ihrer Schlichtheit und Armut stimmt sie aber mehr zur Andacht als vielleicht manche mit sogenannten Kunstwerken überladene Kirche, wo ein geschultes Auge, an der Harmonie der Linien sich ergötzend, es zu einem rein ästhetischen Genusse bringen mag, der aber dem gewöhnlichen Volke unzugänglich bleibt.

Ja, auch die Seelen der sog. Gebildeten werden sich leider nur sehr selten zum Urquell aller Reinheit und Schönheit, zu Gott, und zu den Meisterwerken seiner Gnade, den Heiligen, emporschwingen und zu tapferm Tugendstreben angespornt fühlen.

Gewiß, die schönen Künste stammen, wie der schaffende Genius, von Gott und sollen, wie alle seine Werke, ihn verherrlichen. Aber nur derjenige ist ein «gottbegnadeter» Künstler, der sein Ideal auch lebt, in der Gnadenvereinigung mit Gott, erlebt. Nur ein solcher wird wirklich teilhaben am Schöpfergeist und wird seinen Gebilden übersinnliches Leben einhauchen, das erhebt und zu dem führt, der die Wahrheit und das Leben ist und die Schauenden beglückt in ewigem Entzücken.

Künstler mit anderen Idealen sollten die Schwelle des Heiligtums nicht übertreten. Es geht auch ohne sie. Gottes Gnade ist in ihrem Wirken und Walten frei und unabhängig.

Jedenfalls machten wir hier, wie auch sonstwo, die Erfahrung, daß man im Dämmerdunkel eines einfachen, einsamen Missionskirchleins im matten Schein des flackernden Rotlichts sich dem Himmel näher fühlt und mit mehr Inbrunst beten kann und betet, als in manchem mit Kunstschätzen überladenen Prunktempel.

Dazu mag auch die eigentümliche Weihe beitragen, welche die noch klaffenden Wunden der jüngsten Verfolgung geschaffen, und eine gewisse Märtyreratmosphäre, welche diese heiligen Stätten hier im Heidenland ständig umgibt. –

Im Sprechzimmer wurden wir vom Personal der Mission bewillkommt und mit einer Erfrischung gestärkt, während das Abendessen bereitet wurde.

An Neugierigen fehlte es nicht. An den Fenstern war Gesicht an Gesicht, fast wie im Schaufenster eines Maskenladens vor Fastnacht. Die Dreisteren wagten sich sogar in die Türe, um nur ja sich gründlich sattzusehen an diesen fremdländischen Wunderfrauen.

Heute und während unseres ganzen Aufenthaltes waren wir die Gäste des Missionsobern und wurden von ihm bewirtet mit größter Zuvorkommenheit, aber chinesisch, wie er selber nur chinesisch, und zwar recht arm, lebt, was er uns aber nicht merken ließ.

Zum Abendessen gab's eine kräftige Nudelsuppe.

Ungebetene nächtliche Gäste.

Da es schon dunkel geworden, führte uns der Pater nach Tisch in die für uns bereitete Wohnung.

Es war ein besseres chinesisches Haus mit reichem Schnitzwerk. Im Erdgeschoß waren fünf Räume, darüber ein Saal mit Balkon. Zwei hohe, weite Zimmer waren für uns hergerichtet, die Fenster mit frischem Oelpapier verklebt; für die übrige Ausstattung hatte die Liebe alles Nötige vorgesehen, sodaß wir uns behaglich fühlten wie in einer Klosterzelle.

Obwohl wir indes alle Türen sorgfältig verriegelt hatten, so wurde die Klausur doch nicht respektiert.

War's die Neugier, die sie lockte? War es eine lärmende Protestkundgebung gegen uns fremde Eindringlinge in ihr ureigenes Gebiet? – Kurzum, kaum hatten wir uns in unsere Decken gerollt zum Ruhen, so stürmten auch schon von allen Seiten Mäuse und Ratten laut piepsend durch die Räume und führten einen Hexensabbat auf, als wären wir gar nicht da, oder doch zu unrecht da ...

Zu Tätlichkeiten kam es glücklicherweise nicht, aber zum Schlafen auch nicht.

Neumondfeier im Götzentempel.

Dafür sorgten auch noch andere Nachbarn. Oberhalb der Mission liegt nämlich ein Götzentempel, und weil gerade Neumond war, so hatten die frommen Bonzen Nachtdienst und schlugen in einem fort die großen dumpf tönenden Gongs und sangen ihre Buddha-Litaneien.

Viel lieber hätten wir die Dudelsackschalmeien des Rattenfängers von Hameln hergewünscht. Aber er war zu weit weg, und hier gab es kein Radio. –

So kam es, daß wir auch ohne Wecker, schon in aller Herrgottsfrühe, wenn auch nicht ganz frisch, auf den Beinen waren.

Als wir aber heraustraten, bot sich uns ein herrliches Bild. Die Sonne stieg gerade empor am Horizont und kündete einen holden Frühlingsmorgen.

Zu unseren Füßen lag das schwarze Häusermeer der Stadt, überzogen von einem leichten Schleier aus Rauch und Dunst, aus dem hie und da geschnörkelte Türme und Firsten hervortauchten. Zu unserer Rechten dehnten sich weite Kasernenanlagen, zwischen denen die Truppen exerzierten. Ueber uns lag der farbenschillernde Götzentempel, wo jetzt jeder Lärm verstummt war, in feierlicher Stille.

Nachdem wir gemeinsam das Offizium gebetet, gingen wir hinüber zur Kirche und wohnten der hl. Messe bei.

Im Laufe des Tages führte uns der Apostolische Administrator in der ganzen Mission herum und enthüllte uns seine Zukunftspläne, denn weil hier die Zentralstation des neuen kirchlichen Sprengels, gleichsam das Herz der Mission ist, so liegt es auf der Hand, daß sie dementsprechend ausgebaut und organisiert werden muß.

Das hatten schon die ersten Obern ins Auge gefaßt und durch Bereitstellung des erforderlichen Bauplatzes vorgearbeitet.

Das neue Gelände, zu dem ein breiter, treppenartiger Weg emporführt, umfaßt eine hochgelegene Terrasse, die wohl über ein Hektar groß ist. Obwohl mitten in der Stadt, ist die Stätte doch wieder beschaulich einsam, weil über ihr gelegen, daher für eine geplante Schwesternniederlassung vorzüglich geeignet.

Gewiß, die Waldeseinsamkeit von Fukiatsung bietet gesundheitlich manche Vorteile und zieht mit ihren Reizen ein schönheitsdürstendes Gemüt mächtig an: ein kleines, stilles Eden.

Doch wurden wir berufen, nicht zum Betrachten der Natur, so sehr sie auch die Seele erheben mag, sondern zum Arbeiten, zum Reuten und zum Roden auf heidnisch wildem Boden, zum Anbauen eines geistigen Gottesgartens in den Seelen, der ewig grünt und blüht, in welchem der Dreieinige selber wohnen und lustwandeln könne.

Eine ausgiebige Missionstätigkeit können die Schwestern aber nur in einer größeren Ortschaft entwickeln, weshalb von Anfang an sowohl die Missionsleitung, als auch wir selbst immer eine Stadt im Auge hatten. Da aber die Kriegswirren und andere Hindernisse das Bauen verzögerten, so begannen wir einstweilen mit der Kinderbetreuung in dem schon bestehenden Waisenheim Fukiatsung.

Wegen seiner Abgelegenheit lassen sich dort andere Missionsanstalten nicht einrichten, auch abgesehen von den Verkehrsschwierigkeiten und von der durch die jetzigen Zeitläufte bedingten Unsicherheit. Daher soll nun das Kleine Seminar dorthin verlegt und hier in Yungchow sollen die notwendigen Werke für eine großzügigere Missionsarbeit errichtet werden.

Geplant ist die Uebersiedelung des Waisenhauses, das zugleich auch den Kern liefern würde zu einer Handarbeitsschule – Ouvroir – für Mädchen und Frauen, die von der ganzen Stadt schon längst dringend gefordert und sehnsüchtig erwartet wird.

Dazu käme noch allmählich eine eigentliche höhere Töchterschule, ein Katechistinnenseminar, sowie die üblichen Karitaswerke, Dispensarium, Hospiz usw.

Der chinesische «Doktor» und seine Praxis.

Eine Armenapotheke besteht bereits unter der Leitung eines chinesischen «Doktors» – eines braven Christen – der seine Kunst natürlich auch im landesüblichen Stile betreibt, aber dabei als Katechist mehr der Seele als dem Leibe zu nutzen sucht.

Er und seine brave Frau führen mit ihren Kindern ein musterhaftes Familienleben. Wir wurden dort vom Pater vorgestellt und aufs freundlichste empfangen.

Da er nur in chinesischen Heilmitteln arbeitet, aus dem langen Fühlen des «linken» und des «rechten» Pulses seine Diagnose stellt, mit Heilkräutern und selbstgemachten Pillen und Pflastern, dazwischen mit dem vielgepriesenen Nadelstechen allen innern und äußern, «heißen» und «kalten» Krankheiten zu Leibe rückt, Methoden, in denen wir vollständig unerfahren sind und wohl auch bleiben werden, so hat er von uns keinen unlautern Wettbewerb zu befürchten. Uebrigens wird es ihm und uns nie an Klienten fehlen.

Yungchow wäre also, wie uns P. Jesacher versicherte, in mehr als einer Hinsicht der geeignetste Ort, um eine kräftige Missionierung, insbesondere der bisher unzureichend bearbeiteten Frauenwelt, ins Werk zu setzen.

Die Stadt ist der natürliche Mittelpunkt, wohin von weit und breit die Landleute herbeiströmen für ihre Geschäfte, Prozesse, Produkte- und Warenumsätze. Durch ihre Lage an einem schiffbaren Fluß ist der Verkehr mit der Außenwelt billiger und soll bald noch durch eine Autobuslinie vervollkommnet und beschleunigt werden, lauter Vorteile, die auch der Mission zugute kommen, zumal für den Absatz der Erzeugnisse des künftigen Arbeitsheimes.

Das Klima ist trotz der Nähe des Aequators – 26 Grad nördlicher Breite, also etwa wie Mittelägypten – wegen der Höhenlage von durchschnittlich tausend Metern und des Waldreichtums der Gegend sehr gesund. Nur während der paar Hundstage überschreitet die Temperatur 35 Grad, während sie sich sonst in der heißen Zeit zwischen 25 und 28 Grad hält und im Winter nur selten sich um den Nullpunkt bewegt.

Die Krämer von Yungchow in Verlegenheit.

Das Land ist sehr fruchtbar und die Lebensbedingungen weit billiger als an den großen Verkehrsstraßen. Freilich muß man sich mit den Ortsprodukten zu bescheiden wissen und auf europäische Erzeugnisse verzichten.

Wir erfuhren es noch am selben Tage, als wir verschiedene Einkäufe besorgen wollten, wie Eisenbitter, Jodtinktur, Kraftmehl, Konserven, Kaffee usw. mit einer ganz naiven Selbstverständlichkeit, über die wir heute selber lächeln müssen.

Trotzdem wir einen guten Dolmetscher bei uns hatten, und nur erstklassige Geschäfte besuchten, schauten uns die Krämer ganz verdutzt an; sie waren nicht minder überrascht ob unserer unerhörten Nachfrage. Wir wurden regelmäßig mit der verbindlichsten Höflichkeit empfangen und mit einem bedauerlichen Achselzucken wieder hinausgeleitet.

Das einzige, was wir aufstöbern konnten, war etwas weiße Seife, die der berüchtigten Kriegsersatzware bedenklich ähnlich schien. Wer weiß, wie sie hierher gelangte!

Dagegen entdeckten wir eine Menge einheimischer Erzeugnisse, insbesondere schön gravierte Zinnwaren in den verschiedensten Formen, die seit Jahrhunderten eine Spezialität dieser Stadt sind und deren Wohlstand und künstlerischen Ruf begründet haben.

Wenn wir unsere Köchin und Krankenschwester zu unserm Leidwesen auch nur mit einem mitleidigen Kopfschütteln trösten mußten, so hatte heute unsere Prokuratorin im Mutterhause einen umso bessern Tag, denn wir nutzten die unverhoffte Gelegenheit weidlich aus, ihr Missionsmuseum zu bereichern.

Wir hatten wiederholt gehört und erfahren, daß Lebensmittel und einheimische Waren in den großen mit der Außenwelt verbundenen Verkehrszentren oft das Mehrfache kosten von den in den abgelegenen Binnengebieten üblichen Preisen; daß also, in andern Worten, unter der Einwirkung des ausländischen Handels das Geld an Kaufkraft verliert. So gleichen sich die einmal gemachten außergewöhnlichen Reisespesen nach schwer zugänglichen Gegenden bald wieder aus durch billigere Lebenshaltung, vorausgesetzt, daß man dafür etwas vom Erfindungsgeiste eines Robinson mitbringe.

In Süd-Hunan kann man mit etwas praktischem Sinn nicht nur für des Leibes Notdurft billig sorgen, sondern sich sogar einen Lebensstandard schaffen, der Wohlsein, Kraft und Gesundheit nicht minder gut verbürgt als in der Heimat.

Die Bewohner unseres Sprengels sind mit der westländischen Kultur noch wenig in Berührung gekommen, daher einfach und anspruchslos in ihrer Lebensweise, und im großen ganzen ein religiös gesinntes, unverdorbenes Landvolk, soweit man im Heidentum von einem sittlichen Hochstand sprechen kann.

Lolos und Miaotze.

In den südlichen Waldgebirgen befinden sich noch spärliche Reste der einstigen Urbevölkerung, der Lolos und Miaotze, die auf einer niedrigeren Kulturstufe stehen und von der kräftigern Rasse der Chinesen, die sich überall seßhaft auf der Scholle machen, mehr und mehr verdrängt oder aufgesogen werden.

Er herrscht Feindschaft zwischen den beiden Volkselementen, die auch sprachlich ganz verschieden sind.

In manchen Südprovinzen, wo sie sich zahlenmäßig und kulturell besser entwickelt und erhalten haben, sind für die Lolos eigene Missionäre tätig, die aber dann meist den Verkehr mit dem Herrenvolk der Chinesen aufgeben müssen, um kein Mißtrauen zu erregen.

Bisher sind die Tiroler Patres vollauf beschäftigt mit der Evangelisierung der dichtbevölkerten, zivilisierten Gegenden der weiten Präfektur und haben noch keinen Kontakt mit jenen versprengten, abgelegenen Fremdstämmen, die übrigens bald ganz aus dem Gebiete zu verschwinden scheinen.

Die Aussichten für das Christentum sind also in Hunan günstig, vorausgesetzt, daß genügend Arbeiter und Mittel vorhanden sind.

Die Männer gelten als tapfer und werden gern zu Kriegsdiensten herangezogen.

Die Hunanfrau.

Die Hunanfrau ist durchschnittlich größer und kräftiger als die der andern Provinzen und arbeitet auch draußen auf dem Acker, steht tagelang im nassen Reisfeld, trägt Lasten und verrichtet andere Männerarbeit, während hingegen man hier Männer sieht, die Hausarbeiten verrichten, was ich gerade nicht als ideal hervorheben möchte.

Immerhin ist die Hunanesin nichts weniger als furchtsam, ja kann sogar recht streitbar und schlagfertig werden, wie wir es, zu unserm Heile, an unserer Mali ja auf der Dschunke gesehen haben ...

Das in andern Provinzen übliche Einschnüren und Verstümmeln der Füße hat daher unter der hiesigen Frauenwelt keinen Eingang gefunden.

Aus der hervorragenden Rolle, welche speziell die Hunanfrau im Volksleben spielt, erhellt indes auch, wie dringend notwendig, aber auch vielversprechend ein weitgreifendes und gründliches Apostolat gerade in diesen Kreisen ist.


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