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6. Missiologischer Anschauungsunterricht

Unter «weißer» Führung. – Das Noviziat für den einheimischen Nachwuchs. – Ein Katechumenat unter einheimischer Leitung. – Im Kinderheim. – In der Handarbeitsschule. – Die chinesische Frauenfrage und ihre praktische Lösung. – Mit Gesang und Reigen. – Komm, Heiliger Geist.


Changsha ist die Hauptstadt des gleichnamigen Vikariates, obwohl dessen Oberhirte meist in der weiter südlich gelegenen Stadt Hengchow residiert, weil dort die Katholiken bedeutend zahlreicher und die Missionswerke besser entwickelt sind.

Uebrigens ist mittlerweile die vollständige Trennung in zwei Apostolische Vikariate, die sich um die genannten Zentren gruppieren, erfolgt. Die Missionäre sind in der Mehrzahl italienische Franziskaner.

Protestantische Werke und katholische Mission.

Die ausgedehnten, ehedem blühenden protestantischen Werke liegen durch den Abzug des Großteils des ausländischen Personals darnieder. Die katholische Mission besitzt hier seit langem eine schöne gotische Kirche und eine Prokuratur, die neben den eigenen Geschäften auch dem Durchgangsverkehr für die Stationen des Hinterlandes dient.

Am meisten interessierten uns natürlich die Anstalten der Schwestern, die seit 18 Jahren hier wirken, und sich mit fast allen Zweigen weiblicher Missionstätigkeit befassen.

Unter «weißer» Führung.

Die Oberin selbst bot sich am nächsten Tag als Führerin an, und wir schätzen uns noch heute glücklich, bei einer Missionärin in der Schule gewesen zu sein, die über eine so ungemein reiche Erfahrung in chinesischen Verhältnissen verfügt.

Im Kloster ist ein Noviziat für die Heranbildung eines einheimischen Nachwuchses, der natürlich nach den Vorschriften des kirchlichen Rechtes erzogen wird.

Das Katechumenat ist ähnlich organisiert wie das unsrige in Hwangshihkang Siehe oben II. 2, S. 69., wird aber hier von einer chinesischen Schwester geleitet.

Im Kinderabteil, wo die Waisenmädchen von 3-6 Jahren weilen und sich über einer, durch eine Lattenkiste geschützten Kohlenpfanne die Händchen wärmten, wurden wir wie alte Freunde empfangen. Das kleine Völkchen zeigte uns Fremden gegenüber keinerlei Scheu, sondern kam uns ganz munter und unbefangen entgegen und sang uns ein Liedchen. Wie glücklich fühlen sich diese Kleinen im Mutterschutz der hl. Kirche. –

In einem anderen Raum sind die größeren Kinder an der Arbeit. Sie lernen und üben alle Arten Handfertigkeiten, die sie später in ihrem Haushalt benötigen, wie Spinnen, Weben, Zuschneiden, Nähen, Flicken usw.

Am meisten war uns daran gelegen, die Handarbeitsschule (Ouvroir) und deren Betrieb kennen zu lernen, da wir tunlichst bald auch auf unsern Stationen dieses wichtige und weit in die Bevölkerung heineingreifende Apostolat ausüben müssen.

Die chinesische Frauenfrage und ihre praktische Lösung.

Ueber die Stellung der chinesischen Frau im allgemeinen und über einzelne Zweige diesbezüglicher Missionstätigkeit, namentlich in bessern Bürgerkreisen, haben wir schon gesprochen Siehe oben II. 2, S. 72.. Hier wollen wir ergänzend einfügen, wie die Missionsschwestern auf die gewöhnliche Frau des armen schaffenden Volkes, oder, um modern zu sprechen, auf das Proletariat, das die große Masse bildet, einzuwirken suchen. Denn diese sind doch der eigentliche Block, den die Glaubensboten bearbeiten müssen.

Trotz der entrechteten Stellung, die das Heidentum der Frauenwelt im sozialen Leben anweist, ist deren Einfluß in der Familie doch ein ganz gewaltiger, in religiöser Beziehung sogar ein tonangebender.

An den häuslichen Herd gebannt, fällt der Frau fast ausschließlich die erste Erziehung der Kinder zu, und welch nachhaltigen Einfluß die Mutter auf das zarte Kindergemüt ausübt, braucht nicht bewiesen zu werden. Zudem ist die Frau auch im heidnischen China, obschon nicht amtlich, so doch tatsächlich die Hauptträgerin des religiösen Gedankens, gleichsam die Priesterin im Hause. Wenn auch alle männlichen Mitglieder eines Haushaltes katholisch wären, so würde ohne die gründliche Bekehrung der Frauen die Familie zu Dreiviertel heidnisch bleiben, und das Christentum könnte sich kaum halten, geschweige denn sich entfalten.

Es ist und bleibt also eine Lebensfrage, die Frauen des Volkes für das Christentum zu gewinnen.

Die Volksschulen für Mädchen ärmerer Stände kommen einstweilen praktisch noch wenig in Frage.

Das Wirken der Frauenwelt beschränkt sich aufs Hausinnere, und da bei den patriarchalischen Verhältnissen die Lebenshaltung so einfach, die Arbeitskräfte so reichlich vorhanden sind, so finden kaum alle eine ausreichende Beschäftigung. Eine Fortbildung und gar ein Lohnerwerb sind vollends ausgeschlossen.

Da eröffnen die Schwestern ihre Arbeitsheime, gesunde, einfach aber gut ausgestattete Räume, wo diese Personen eine nützliche Handarbeit lernen und betreiben, die ihnen gut bezahlt wird. Unter der Leitung tüchtiger Meisterinnen und dank besserer und methodischer Arbeitsweisen bringen sie es oft zu einer staunenswerten Kunstfertigkeit, besonders in Geduldsarbeiten wie Klöppelei, Stickerei und dergleichen.

Der Haupterfolg aber liegt auf moralischem und religiösem Gebiet.

Diese versklavten Geschöpfe kommen so aus ihren eintönigen, unsauberen Verliesen heraus, lernen Ordnung und Reinlichkeit, verlieren im Umgang mit andern Kolleginnen die übertriebene Scheu, lernen sich gegenseitig kennen. Ihre geistigen Fähigkeiten werden geweckt, ihr Gesichtskreis erweitert, ihre soziale Stellung gehoben. Durch ihre tatkräftige Unterstützung der Familie steigt auch ihr Ansehen und ihr Einfluß.

Das Wichtigste aber ist, daß sie unter der Arbeit, in den Zwischenpausen und überhaupt im Umgang mit ihren christlichen Gefährtinnen und den Missionärinnen die katholische Religion kennen, achten und lieben lernen, und diese Kenntnis mit Autorität und Ueberzeugung auch ihren Familien und Nachbarn vermitteln.

Die meisten werden nicht nur Christinnen, sondern Apostelinnen.

In manchen Missionen beschäftigen die Arbeitsheime Hunderte von jungen Frauen. Trotz der unruhigen Zeiten zählt Changsha deren fast hundert, die fleißig mit der Nadel am Stickrahmen kunstvolle Paramente nach gemalten Vorlagen herstellen, oder mit wunderbarem Geschick Zwirnspule und Stecknadel am Klöppelkissen handhaben.

Die Leiterin ist eine einheimische Schwester, die 14 Jahre in Italien Fachstudien gemacht hat.

Die Mission muß natürlich für den Betrieb der Werkstatt und den Vertrieb der Fertigwaren sorgen, zu welchem Zweck die Schwestern von Zeit zu Zeit die ausländischen Schiffe in Hankow aufsuchen. Aber in normalen Zeiten decken diese Werke bequem ihren eigenen Unterhalt und entlasten die Mission.

Auf unserm weitern Rundgang kamen wir noch in die Schule, wo gerade Gesangunterricht war. Die Schülerinnen waren lauter Chinesinnen, aber mit modernem Drill, wie wir das am folgenden Tag bewundern konnten. Sie gaben uns nämlich eine kleine Vorstellung, wobei sie kunstvolle Reigen aufführten und dabei so fein und graziös auftraten, daß gleichaltrige Europäerinnen es ihnen kaum gleichtun dürften.

Auf unserm Rundgang bewunderten wir die bei aller Einfachheit und Armut überall herrschende Sauberkeit, Ordnung und Regsamkeit, wahrlich eine mustergültige Erziehungsanstalt. – –

Feierliche Firmung.

Am Sonntag (19. Januar) war es uns vergönnt, einer großen kirchlichen Feier beizuwohnen und den armen bischöflichen Franziskaner von gestern im ganzen Pomp seiner hohen Prälatenwürde zu sehen. Es war nämlich feierliche Firmung von etwa 60 meist älteren Neophyten.

Schon von Samstag an waren die Beichtstühle belagert. Unter den Klängen einer modern geschulten Musikkapelle, bei der sogar Heiden mitwirkten, hielt der Kirchenfürst seinen feierlichen Einzug in die dichtbesetzte Pfarrkirche. Natürlich wurde auch eine entsprechende Menge Pulver verschossen, insbesondere bei der hl. Wandlung.

Die ganze Feier mit Predigt, Firmung und Pontifikalamt dauerte etwa drei Stunden. Wir glaubten uns in eine heimische Kathedrale versetzt, mit dem Unterschiede freilich, daß hier viel andächtiger gebetet und weniger Modebetrachtungen angestellt wurden. –

Trotz der unseligen Wirren ist auch hier die Stimmung des Volkes entschieden besser als vor einem Jahrhundert, wo der einzige Missionar der Gegend, der selige Franziskaner Johannes von Triora, nach langer Kerkerhaft vor den Mauern Changshas am Kreuze erdrosselt wurde (1816).


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