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Der rote Terror. – Im Räubergewahrsam – Räuberdiplomatie. – Das rote Evangelium. – Verschiedenartige Besucher. – Preissturz. – Geisterhafte Nachtsignale. – Freund oder Feind? – Beim Bonzen inmitten dräuender Götzen. – Trauriger Fasttag und freudiger Festtag. – Diplomatische Schachzüge. – Räuberhöflichkeit. – Eine teure Hotelrechnung. – Der Freiheit entgegen. – Drahtlose Nachrichten. – Getäuschte Erwartungen. Freudige Ueberraschung.
Wie schon erwähnt, hatte die kommunistische Besatzung Ende 1927 Hwangshihkang räumen müssen; für den Augenblick war also die Gefahr gebannt, aber nicht weit und nicht für lange. Die roten Rotten sammelten sich immer wieder und erhielten fortwährend Zuzug aus den versprengten oder aufgelösten Truppenteilen, sodaß ganze Provinzen, besonders südlich vom Yangtzestrom, mehr oder weniger unter ihre Botmäßigkeit kamen.
Im Hinterland von Hwangshihkang hatten sich größere Verbände festgesetzt und beuteten es aus wie ein regelrechtes Jagdrevier. Alles Gesindel schloß sich ihnen als williger und willkommener Troß an; die ehrsamen Landbewohner mußten, wohl oder übel, mit den Wölfen heulen und, wenn sie auch nicht aktiv mitmachten, doch wenigstens als hehlende und stumme «Freunde» der Roten sich eintragen lassen. Andernfalls blieb ihnen kein anderer Ausweg, als freiwillig in die Verbannung zu ziehen, wollten sie nicht aus Haus und Hof geschwelt werden; denn die Banditen übten eine furchtbare Femjustiz, und wehe dem, der die heimlich an die Mauer geschriebene Warnung, er sei verdächtig als Gegner des Kommunismus, nicht rechtzeitig verstand! – – –
Raub und Erpressung waren an der Tagesordnung, ohne daß die Lokalbehörden Macht und Mut genug aufbrachten, die Uebeltäter zu fassen
Folgender typischer Fall ereignete sich in nicht allzuweiter Entfernung von uns: Die roten Wilderer trieben ihr Unwesen ganz keck bis vor die Mauern der Distriktshauptstadt. Da zog der dortige Mandarin eilends die gesamte Miliz seines Bereiches zusammen, einige hundert Mann, um, wie jedermann überzeugt war, durch einen entscheidenden Schlag die Gegend zu säubern. Er selbst stellte sich an die Spitze seiner Krieger, das Volk atmete erleichtert auf, und die Notabeln begleiteten ihn mit ihren Glückwünschen. So zog der Held aus, bis er sich und seine Familie und – seine wohlgefüllte Kasse aus der Gefahrzone in Sicherheit gebracht. Dann sandte er die Truppen, die ihn und die Seinen so treu bewacht, in ihren Standort zurück, während er selbst von dannen zog, um in einem gastlicheren Land sein Leben und Familienglück noch weiter zu genießen.
Kein Wunder, wenn da die Unsicherheit wie eine lähmende Gewitterschwüle auf dem armen Volke lastete, und auch für die in jenen Gebieten arbeitenden Missionäre das Wirken immer schwieriger sich gestaltete, weil sie nur mehr selten und unter größter Vorsicht ihre zerstreuten Schäflein besuchen konnten. So war die Lage, als wir in den ersten Novembertagen auf unserer Missionsstation ankamen. Ein dumpfes Ahnen bedrückte alle Gemüter ...
Da – auf einmal, am Nachmittag des 8. Nov. entlud sich plötzlich die Spannung: «P. Ulrich Kreutzen von den Kommunisten gefangen!» meldete atemlos der treue Boy des Opfers. Die Kunde flog von Mund zu Munde. Sie war niederschmetternd wie ein Blitz, freilich nicht aus «heiterem» Himmel! Denn schon wochenlang bangte man um das Los der Missionäre, und das wilde Bergland, wo die Zentralstation Weiyüankow P. Ulrichs liegt, bildete ein ideales Operationsgebiet für die roten Menschenjäger.
Die Leser werden uns Dank wissen, wenn wir nachstehend die Abenteuer des wackeren Franziskaners nach seiner eigenen Schilderung Mündlich, und z. T. schriftlich in «Franciscans in China», Wuchang, Vol. VIII, Nr. 3 und 4. 1929/30. etwas ausführlicher berichten. Der Stoff würde sich eignen zu einem fesselnden Roman à la Karl May, hätte aber den Vorzug, wahr und lebensgetreu zu sein.
Trotz seiner Bescheidenheit und Kürze gewährt er uns doch einen interessanten Einblick in das Leben und Treiben der Räuberhöhlen, zeigt uns aber auch die schreckliche Not eines durch habsüchtige und ehrgeizige Politiker und Abenteurer dem Kommunismus ausgelieferten unglücklichen Volkes.
Es war in der Morgenfrühe des 8. November (1929), bei einer in dieser Gegend und Jahreszeit sonst ungewohnten Kälte, als P. Ulrich während seiner üblichen Vorbereitung auf die hl. Messe ein lebhaftes Gewehrfeuer vernahm. Da schon öfter derartiger Lärm vorgekommen seitens der etwa 100 Mann starken Ortsbesatzung, sei es zu Verteidigungs-, sei es zu Uebungszwecken, ja sogar durch Streit im eigenen Lager, so maß er ihm keine besondere Bedeutung bei.
Doch das Schießen dauerte heute länger, wurde immer heftiger und kam näher. Plötzlich kommt der Diener ins Zimmer gestürzt, verriegelt die Türe, löscht die Lampe und: «Schnell, Pater, fort! Ums Himmelswillen, verstecken Sie sich rasch! Die Räuber kommen!» ...
Der Pater geht hinaus. Im Zwielicht des Morgenrots sieht er die Räuberhorden in hellen Haufen vom nahen Bergeshange auf die Stadt sich heranwälzen. Die auf die Mission führende Straße war schon voll bewaffneter Männer.
Er eilt zurück in die Kirche, reicht seinem Boy die hl. Kommunion, konsumiert die hl. Hostien und kniet an den Stufen des Altares nieder, sein Leben und seine Mission in die Hände Gottes empfehlend.
Bald ist das Haus umzingelt. Kolbenstöße poltern ans Tor. Auf Befehl des Paters wird geöffnet. Vier Mann stürmen herein und wollen den Missionär fesseln. Doch dieser erklärt, es sei unnütz, er sei waffen- und wehrlos und würde ihnen willig folgen. Das tat er auch, nachdem er sich erst warm gekleidet für den winterlichen Ausflug, weiß Gott wohin, vielleicht in ein nahes Grab.
Unterdessen untersuchten zwei andere Banditen die Wohnung nach Waffen und Schätzen. Wie sich später herausstellte, hatte der Befehlshaber seinen Spießgesellen verboten, die Kirche zu betreten oder irgend etwas aus der Mission zu entwenden. Tatsächlich wurde nur eine zerbrochene Taschenuhr – ein persönliches Andenken der Missionärsmutter – vermißt ...
All das war das Werk von weniger als einer Viertelstunde.
Gegen sieben Uhr führten die vier Mann den Pater ab und befahlen seinem Diener, Tsen Jose, er solle im Haus bleiben. Aber dieser erklärte, er werde sich nicht von seinem geistlichen Vater trennen und eher mit ihm sterben. Sie nahmen ihn also mit.
Als sie durch die Hauptstraße zogen, sausten ihnen rechts und links die Kugeln um die Ohren. Kein Einwohner zeigte sich. Die Banditen erbrachen und plünderten unterdessen die Häuser der Wohlhabenden und die Läden der Kaufleute, aus denen sie große Mengen der kostbarsten Stoffe und Waren fortschleppten, um sie später in Geld umzusetzen.
Um 8 Uhr gab ein Trompetensignal das Zeichen zum Rückzug.
Am Ausgang des Ortes war Sammelpunkt. Der Führer hielt Appell ab. Ein Mann wurde vermißt. Von den Verteidigern sollen vier Mann gefallen sein, der Rest war geflohen oder hatte sich den Kommunisten angeschlossen.
Eine Abteilung der Roten kehrte zurück mit einigen Kannen Petroleum, und kurz darauf standen Kaserne und Polizeistation in hellen Flammen.
Nun wurden die Marschbefehle ausgegeben, die ganze beutebeladene Bande brach auf. Im Zuge erkannte der Pater eine Anzahl mit Beilen, Messern und Säbeln bewaffnete Kommunisten des Ortes, die bei dem Ueberfall auf ihre Mitbürger als Wegweiser und Helfer beteiligt gewesen.
In den Dörfern, durch die sie zogen, wurden die Banditen von den Leuten mit Feuerwerk bewillkommt und beglückwünscht, während ihre Gefangenen mit Schimpfworten überschüttet wurden. Es war aber nicht bös gemeint, sondern nur eine diplomatische Folge des roten Terrors, denn im Grunde haßt wohl niemand den Bolschewismus so sehr wie der chinesische Bauer.
Nach einiger Zeit wurde kurze Rast gemacht zur Einnahme des Frühstücks, das aus kaltem gekochten Reis bestand und auch den Gefangenen angeboten wurde. Doch der Pater fühlte keinen Appetit, was dem treuen Tsen sehr leid tat. Allein er konnte ihm keine andere Speise beschaffen.
Während dieser Pause kommt der Banditenführer, der sich Ko nannte, auf ihn zu und stellt sich, militärisch grüßend, vor als ein ehemaliger Student, der sieben Jahre auf amerikanischen Schulen gewesen. Aber sein erbärmliches Englisch bewies, daß es mit seinem Studium und seiner Bildung windig aussehen mußte, und daß er höchstens ein verbummelter Studiosus war.
Indes machte er dem Pater nur allzudeutlich klar, daß er als Geisel in ihrer Gewalt bleiben würde, bis ein Lösegeld von 10 000 Dollar, das innerhalb fünf Tagen zu zahlen sei, ihn freikaufen würde; andernfalls würden sie ihn töten.
Der Gefangene erklärte, daß er kein Geld habe. Man gab ihm Papier und Bleistift, um dem Missionsobern (Msgr. Espelage) die Bedingungen mitzuteilen. Am Schluß des Briefes schrieb der Pater (auf Latein): «Eine solche Summe ist unmöglich; Gottes heiliger Wille geschehe! Ich bin zu allem bereit!»
Er bat dann den Chef, er möge einen seiner Leute als Boten absenden. Aber nach kurzer Besprechung der Offiziere schlug man es ab, angeblich weil man fürchtete, er würde gefangengesetzt werden, wohl aber noch eher, weil sie sich sagten, der roteste Kommunist der Bande, mit 10 000 Dollar in Händen, könnte «kapitalistische» Anwandlungen bekommen und den Rückweg nicht mehr finden ...
Uebrigens wäre eine solche Methode zu einfach und natürlich und deswegen unchinesisch gewesen. Die Räuber erachteten es als unter ihrer Würde, anders als auf diplomatischem Wege zu verhandeln.
So wurde also der brave Tsen, dir sich auch jetzt sträubte, den Pater zu verlassen, kurzerhand gezwungen, das Schreiben schnellstens nach Wuchang zu tragen, und zwar dürfe er nicht über Hwangshihkang gehen. «Denn da werden wir bald selber hinkommen,» ergänzte halblaut einer der Banditen.
Aus dieser Drohung, die der Boy weitererzählte, machte ein sensationsgieriger Zeitungsstratege ein fait accompli und ließ Hwangshihkang zerstört, die Mission geplündert, die Schwestern vertrieben sein. Es war eine unnütze Aufregung in der Presse und auch in der Heimat, was wir durch ein Telegramm richtigstellen mußten. Allerdings sollte es so kommen, aber die Hiobspost war doch sieben Monate verfrüht, wie wir später berichten werden.
Am Morgen des 9. November gelangte der Bote nach Wuchang, wo Msgr. Espelage bei den chinesischen und amerikanischen Behörden sofort Schritte unternahm, seinen Missionär zu befreien.
Den treuen Boy ließ er nicht mehr zurück, denn er hatte Weib und Kind und mußte den Kommunisten, deren Absichten er in Hwangshihkang bekannt gemacht und dadurch vorläufig vereitelt hatte, verdächtig erscheinen. An seiner Statt wurden andere Unterhändler bestellt.
Doch wir wollen weiter unten den Befreiungsfeldzug mehr zusammenhängend darstellen und unterdessen unserm armen Gefangenen folgen, der nun einsam und verlassen war, ein Lämmlein unter einer Wolfsherde. –
Nach dem Frühstück und der Absendung des Eilboten folgte ein längerer Marsch, bis um 2 Uhr der Flecken Dawandien erreicht war. Dort wurde Halt gemacht.
Von einem erhöhten Platz aus hielt ein Führer eine längere Ansprache an seine Genossen und die ortsansässigen Freunde, in der er den Kommunismus als die Heilslehre pries. Der Pater saß auf einem Felsblock und hörte die Predigt mit an, freilich mit wenig gläubigem Gemüte, spürte er ja die Segnungen des roten Evangeliums am eigenen Leibe!
Im Gemeindehaus, über dem die rote Flagge wehte, wurde die zweite Mahlzeit eingenommen. Diesmal gab es zum Reis Büchsenfleisch und sogar Ananas, die am Morgen erbeutet worden waren.
Nach einem kurzen Marsch wurde eine ländliche Herberge bezogen, wo die Führer längere Zeit berieten, wie und wo sie ihren kostbaren Geisel am besten unterbringen und verstecken könnten. Weder dieser Ort noch die nahegelegene Wohnung eines «roten Freundes», wo man ihm gute Behandlung versprach, schien ihnen sicher genug, wohl wegen der von den Regierungstruppen ausgesandten Spione, die sie in der Nähe witterten.
Daher wurde er bei Einbruch der Nacht unter dem Gewahrsam von zwölf wohlbewaffneten Soldaten weitergeführt in die Berge, auf steinigen halsbrecherischen Pfaden, etwa fünf Stunden lang.
Um Mitternacht ward an einer einsamen Hütte angepocht, aber trotz des Schimpfens der Räuber dauerte es eine Viertelstunde, bis endlich eine alte Frau öffnete. Sie wurde unwirsch beiseite gestoßen.
Nur unter beständigem Brummen und Murren führte sie die Befehle der rauhen Gäste aus und bereitete Reis und Tee und ein Strohlager. Die gute Alte war keine Rote; durch ihr Zögern hatte sie ihren zwei Söhnen Zeit zur Flucht verschafft.
In der Hütte waren einige Kinder und Hühner. Der Pater konnte, trotz der Ermüdung, auf dem Strohlager nicht schlafen und setzte sich einfach hin, den Morgen abwartend.
Um 6 Uhr früh ging die Reise wieder an, immer tiefer ins Gebirge. Es mußte öfter gerastet werden, denn die Soldaten, und erst recht ihr Schützling, waren müde.
Gegen Abend wurde der Flecken Kiangkiangsan erreicht, wo sich eine Missionsstation befindet, die den Roten als Hauptquartier diente. Der Pater aber wurde im Hause eines Heiden untergebracht.
Um 3 Uhr morgens kam ein Offizier mit Räubersoldaten, die in der Missionsstation des Ortes lagen, zum Besuch ihrer Kameraden; sie zogen aber am Vormittag wieder ab.
Freundlicher und tröstlicher war ein anderer Besuch: ein Mütterchen mit drei andern altern Frauen kamen ins Haus; es waren Christinnen oder Freunde der Mission. Erschrocken und teilnahmsvoll musterten sie den Gefangenen, der nachdenklich auf einem Stuhle saß, worauf eine mit weinerlicher Stimme sagte: «Der arme Schenfu! er scheint nicht zu ahnen, in welch großer Lebensgefahr er schwebt.»
Doch, er wußte es nur zu gut; aber sein Leben war in Gottes Hand, und die Schutzengel waren an seiner Seite.
Sie rieten hin und her, wie ihm zu helfen wäre; aber was wollten wehrlose Weiblein gegen waffenstarrende Verbrecher?
Indes müssen sie versucht haben, sein Los in etwa zu erleichtern, denn am Abend kam ein Heide, sah sich die Behausung an und meinte schließlich zu den Wärtern, es sei hier doch zu schlecht, sie möchten lieber in ein besseres Haus in der Nähe übersiedeln.
Es war die Wohnung eines Christen. Da sie selbst auch schlecht logiert waren, befolgten sie nicht ungern den Vorschlag und sagten zum Pater: «Hier bist du gut versorgt, das ist ja ein Christ.» – Von da an war er keinen Augenblick mehr ohne Bewachung.
Das Haus hatte nur einen einzigen Raum, wo alle zusammenwohnten, zwölf Personen der Familie, große und kleine, der Gefangene mit seinen zwei unzertrennlichen Satelliten, und obendrein sogar noch Ziegen, Schweine und Hühner. ...
Als der «Christ» hereinkam, würdigte er den Pater keines Blickes, sondern schenkte seine ganze Aufmerksamkeit den Soldaten. So trieb er es die ganze Zeit, obwohl der Pater ihn gut kannte, weil er früher öfter mit den Missionären verkehrt hatte. Natürlich tat ihm sein Benehmen weh, denn er stellte sich die bange Frage, was aus dessen Christentum geworden.
Der Gefangene erhielt die gemeinsame Hausmannskost, Reis, Weißkraut, Bohnenkäse.
Als aber die roten Hüter eines Abends über die Religion des «Ausländers» zu spötteln begannen, da stand der Hausherr auf und verwies es ihnen mit solchem Ernste, daß sie hinfort diesen Spaß beiseite ließen.
Aber auch jetzt noch blieb er dem Pater gegenüber fremd und frostig.
Endlich am dritten Tage, in einem unbewachten Augenblick, konnte er die Maske abwerfen:
«Ich kenne Sie gar wohl, Schenfu,» sagte er, «denn ich bin Christ, aber die Kommunisten sind die Herren des Landes; was kann ich für Sie tun?»
Und als er erkannte, der Pater leide unter der Kälte, da gab er ihm sofort vom eigenen Leibe ein warmes Kleidungsstück und eine warme Decke für die Nacht.
Leider dauerte die Unterhaltung nur kurze Zeit, denn die Büttel kamen, um den Pater ins Büro des Hauptquartiers zu führen, wo einige Offiziere ihn erwarteten.
Einer derselben, welcher der Führer zu sein schien, fragte ihn nach seiner Herkunft, ob er Englisch oder Französisch spreche. Und, auf französisch fortfahrend, erzählte er, daß er in Belgien gewesen und Europa kenne. Ja, zum schmerzlichen Erstaunen des Missionärs, zog er aus der Tasche seinen Taufschein, ausgestellt von der Benediktinerabtei von Maredsous! ...
«Es ist jetzt ungefähr ein Jahr, daß ich Gott verlassen,» fügte er kaltblütig hinzu; «das Lösegeld ist auf 6000 Dollars festgesetzt, mehr kann ich augenblicklich nicht für Sie tun ...»
Daraus konnte er wenigstens entnehmen, daß er innerhalb weniger Tage schon um 4000 Dollar im Werte gesunken sei! Woher dieser Preissturz käme, mochte er wohl ahnen. Aber anderseits sagte er sich doch, daß unter Händlern von diesem Schlag ein Menschenleben auch auf den Nullwert sinken könne, sodaß ein Meuchelmord nicht viel Aufsehen machen würde.
Wiederholt fragten ihn die Soldaten, ob er verstanden, was dieser oder jener gesagt. Er wich ihnen klug aus, indem er erwiderte, er spreche die Mandarinsprache und nicht den Dialekt (obwohl er ihn verstand). So konnte er ihre Pläne belauschen und wußte wenigstens immer, wo er war, da er auch die Ortsnamen kannte.
In der vierten Nacht ward der Gefangene aus dem ersten Schlaf geweckt und ihm befohlen, sich marschbereit zu machen nach einem Dörfchen, das etwa zwei Stunden weit an der gegenüberliegenden Bergeshalde lag.
Unterwegs hatte er Gelegenheit, die umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen zu bewundern, mit denen sich diese Horden umgeben, und die jede Ueberrumpelung, für ihn aber auch jeden Fluchtversuch, von vornherein unmöglich machten. Ueberall waren Wachtposten ausgestellt, die unter einem harmlosen Aeußern alle Pfade und Wegkreuzungen ständig im Auge behielten und stets alarmbereit waren. Wiederholt wurden unsere nächtlichen Wanderer angerufen, worauf ein Mann der Bedeckung vorausging und durch das geheime Losungswort sich als Freund kenntlich machte.
Am Bergeshange erschien ein hellerleuchtetes Haus, in dessen Nähe jemand mit einer Laterne Signale gab, die einer der Soldaten mit einer Taschenlampe erwiderte. Der Mann am Berge verschwand, worauf plötzlich alle Lichter des Hauses ausgelöscht wurden.
Eine Viertelstunde später stand unser nächtlicher Zug vor dem finstern Gebäude und klopfte an. Das Tor ging auf wie von selbst, niemand zeigte sich.
Ein Petroleumlämpchen ward angezündet, in dessen schwachem Schimmer der Pater erkannte, daß sie in einer Herberge seien. Die Luft war noch voll Tabaksqualm. Die Leute ringsumher stellten sich schlafend. Keiner regte sich. Kein einziges Wort wurde gesprochen. Auf einmal standen Zigaretten und dampfender Tee auf dem Tisch in einer Ecke. Woher kamen sie? ... Alles schien so geisterhaft und geheimnisvoll, wie in einer Zauberhöhle ...
Die Soldaten tranken, stehend, schweigend ...
Nach etwa einer Viertelstunde bezogen sie mit ihrem Gefangenen ein nahes Schulhaus. In der Mitte stand ein langer Tisch, an dem sonst Abc-Schützen mit dem Tuschepinsel hantierten und tagelang von Dämmerung zu Dämmerung ihre Lektionen schrieen; der Bolschewismus aber hatte Ferien in die Gegend gebracht. – Glückliche Buben!
Einer der Wächter breitete eine Schütte Bergstroh auf dem Tische aus und bedeutete dem Pater, das sei sein Bett. Die Türe wurde verrammt, und nun «gute Nacht!»
Doch der Schlaf kam nicht. Die gespensterhaften Erlebnisse der letzten Stunden hatten einen zu tiefen gruselnden Eindruck hinterlassen.
In diesem Versteck blieb er eine ganze Woche in gutem Gewahrsam. Doch fehlte es in dieser langen Zeit nicht an mancherlei Ablenkungen, die freilich von ganz verschiedener Güte waren.
Einmal gelangte sogar ein Paketchen mit Liebesgaben, denen unsere Schwestern ein Bild des hl. Vaters Franziskus beigelegt hatten, bis in dieses entlegene Verlies. Die Eßwaren behielten die Wächter für sich, nur das Bildchen gaben sie ihm mit der Frage, ob er «diesen Herrn» kenne. «Das ist mein Vater,» rief der Gefangene hocherfreut aus, indem er das Bildchen küßte und hinfort bei sich trug. So kam der gute hl. Franziskus in die Höhle der «Brüder Räuber», um seinen Sohn zu trösten und zu schützen.
Ein andermal brachte ihm ein Wächter, um ihn etwas zu zerstreuen, ein englisches Buch, das sie, Gott weiß wo, gestohlen. Es waren die Abenteuer von Robinson Crusoe. Wohl selten ist der berühmte Roman in einem so passenden Milieu gelesen worden.
Weniger ergötzlich waren die lärmenden Szenen der Nacht. Allabendlich zogen nämlich größere und kleinere Rotten auf Beute aus, die sie ihrem Obersten abliefern mußten.
Farmen und Weiler wurden überfallen. Die Felsenklüfte hallten wider von Schüssen, Schreien und Weheklagen, doppelt schreckhaft im schaurigen Schimmer der Brände.
War es der nächtliche Lärm und Feuerschein, der die Späher der regulären Armee in diese abgelegenen Bergwinkel führte? – Sie wurden verschiedentlich bemerkt, sodaß eines Tages der Kommunistenhäuptling dem Pater schlankweg erklärte, er würde erschossen werden, wenn die Soldaten seinen Leuten noch weiterhin nachstellten und versuchten, ihn gewaltsam zu befreien. Dasselbe Los würde ihn treffen, sollte er auch nur Miene machen, zu entweichen oder seinen Aufenthaltsort zu verraten.
Diesen Bescheid mußte er umgehend dem Missionsobern schreiben.
Es war also etwas im Gange, das vermutete er, aber er blieb im Dunkeln, erst recht durch nachfolgendes Erlebnis.
Eines Abends klopfte es sachte an der verschlossenen Türe, und es flüsterte jemand durch die Spalte: «Pater! Pater! ich bin ein Christ.»
Der Gefangene blieb aber wohlweislich ruhig.
Dann wurde am kleinen Gitterfenster geklopft. Es war derselbe, der sich als Christ ausgab und nun fragte, ob er ihm keine Nachrichten mitzugeben hätte. Da aber noch jemand daneben stand, sagte der Pater, der eine Falle fürchtete, die ihm zum Verhängnis werden könnte: «Geh fort, du kannst mir doch nicht helfen!»
Einige Augenblicke darnach kam der Unbekannte mit den Soldaten herein. Jetzt zweifelte der Pater erst recht an dessen Absicht und wiederholte laut: «Geh, ich habe keine Aufträge für dich!»
Dieser wandte sich zu den Banditen: «Da seht ihr's, der Ausländer kennt und will mich nicht.»
Dann gingen sie hinaus, die Soldaten zuerst. Auf der Schwelle drehte sich der geheimnisvolle Besucher nochmals um und machte rasch das hl. Kreuzzeichen.
Dieser ganze rätselhafte Auftritt konnte nie aufgeklärt werden.
War es wirklich ein Freund und Kundschafter der Mission, oder ein Apostat und Lockspitzel der Kommunisten? –
Jedenfalls war in diesem Versteck kein Bleiben mehr. In der nächsten Nacht begann eine neue Wanderung, äußerst mühsam und ermüdend, hinauf auf einen Bergesgipfel, wo ein großer heidnischer Wallfahrtstempel stand. Unter dem roten Schrecken war er vereinsamt und verwahrlost.
Ein einziger alter Bonze hütete die zahlreichen Götter und Göttinnen, die auf den Wandaltären herumstanden und herabstarrten auf die in der Tempelhalle aufgestapelten Gras- und Strohbündel. Die um ihren Glauben gebrachten Bauern hatten das Götzenheiligtum zum Lagerschuppen gemacht. Hier verwahrten die roten Wallfahrer unsern Pilger ungefähr acht Tage.
Die ständige Aufregung, die erschöpfenden Märsche und die ungenügende Kost hatten ihn arg geschwächt, und es scheint, daß der Führer ihm etwas aufhelfen wollte, denn bald nach ihrer Ankunft brachte ihm ein Wärter den Rest von Backwerk – offenbar die Ueberbleibsel eines größeren Pakets – und schüttete sie ihm in den Schoß, setzte sich aber ganz kameradschaftlich neben ihn und verschlang sie zum größten Teile selbst: praktischer Kommunismus! –
In dieser Einsamkeit war die Bewachung strenger; es zeigten sich keine auswärtigen Besucher mehr.
Jeden Abend tranken die Soldaten Hwang-dsiu, d. i. «Gelbwein», hergestellt aus gegorener Hirse, der stets heiß genossen wird. Auch der Pater nahm gerne eine Tasse an, weil sie ihn erwärmte und stärkte.
Zu seinem Glück wußten die Prohibitionswächter jenseits des Stillen Ozeans nichts von diesem entsetzlichen Frevel eines amerikanischen Staatsbürgers, sonst hätten sie die hohe Regierung genötigt, den Verbrecher zum abschreckenden Beispiel seinem Schicksal zu überlassen! ...
Der Bonze war ein gutmütiger Mensch, der öfters sich mit dem Gefangenen unterhielt und allabendlich zum Weintrinken erschien.
Ganz unverhofft gelangten durch Vermittelung der Unterhändler wieder einmal Lebensmittel der Schwestern an den Missionär, wurden aber von der Wache beschlagnahmt. Nur zwei Sardinenschachteln, deren Inhalt ihnen unbekannt war und somit verdächtig vorkam, wurden ihm ausgehändigt.
Er bat um ein Messer, doch es war keines aufzutreiben. Endlich zog ein Soldat einen langen, mit einem roten Tuch umwickelten Dolch hervor und überreichte ihn dem Pater.
Dieser erschrak beim Anblick der Mordwaffe, die sicher schon ihrem schauerlichen Zwecke gedient. Er weigerte sich, sie auch nur anzurühren.
Schließlich gelang es ihm doch, die Dosen zu öffnen und seinen mehr als frugalen Speisezettel, der täglich nur drei Tassen kalten Reis vorsah, etwas zu verbessern.
Er gab auch dem Bonzen etwas davon. Der brave Mann war ganz gerührt und wollte nun auch seine Dankbarkeit bezeigen.
«Wißt ihr, wer der Ausländer ist?» sagte er eines Tages zu den Soldaten, «das ist nämlich kein gewöhnlicher Mensch, wie die fremden Kaufleute, sondern ein ‹Schenfu›, der die Tugend übt und unter dem Schutz des höchsten Himmelsherrn steht. Nehmt euch wohl in acht!»
«Was kann er uns anhaben?» lachten sie.
«Ihr wißt, ich bin Wahrsager von Beruf und im Tempeldienst ergraut. Aber das schwöre ich euch, solange ihr ihn nicht freigebt, wird jedes Glück von euch weichen. Wehe, wenn ihr ihm etwas zuleide tätet! Die Rache würde auf dem Fuße folgen, eine fürchterliche Rache, so wahr die Götter hier stehen!»
Er sprach diese Worte mit feierlichem Ernst.
Wenn die Banditen sonst für die Bonzen auch nicht viel übrig hatten, so konnten sie sich doch einer abergläubischen Furcht nicht erwehren.
Sie waren betroffen und kleinlaut. Vielleicht erzählten sie die Drohung auch weiter, denn sie selbst hafteten ja mit ihrem Leben für den ihrer Obhut anvertrauten Gefangenen. Jedoch behandelten sie ihn hinfort mit weit mehr Rücksicht.
Bald darauf kam Befehl, ihn zurückzuführen. Mitten in einer pechschwarzen Nacht schleppte man ihn zu Tal und sperrte ihn dann wieder in die alte Schule.
Er war durch Hunger und Müdigkeit ganz erschöpft und erhielt auch nicht seine gewöhnliche Nahrung. Es wurde ihm zwar etwas Fleisch angeboten, aber da er auf seiner Irrfahrt sogar das Zeitbewußtsein verloren, meinte er, es sei Freitag und wagte nicht zu essen. Man suchte ihn zu ermutigen mit dem Versprechen, er würde bald freigelassen.
Er glaubte ihnen nicht.
Am Nachmittag gegen 2 Uhr brachte ihm endlich ein mitleidiges Mütterchen zwei gesottene Bataten (Süßkartoffeln, die Kost der Allerärmsten) vermutlich alles, was sie hatte. Dieser natürliche Liebesakt tat ihm wohl. Er aß etwas, wurde aber krank. – –
Indes sollte dieser lange Fasttag – der in Wirklichkeit ein Sonntag war – noch als froher Festtag enden, denn er brachte ihm wirklich die Erlösung, eine Erlösung aus unsäglicher Marter und Qual.
Daß in den unsaubern Verstecken, in der ständigen Gesellschaft von Rohlingen, die sich außerhalb des Gesetzes gestellt und moralisch abgestumpft waren, es manches zu sehen und zu hören gab, was jeden anständigen Heidenmenschen anwidern würde und was unter Christen nicht einmal genannt werden soll (Eph. 5.3), ist nicht zu verwundern.
Wir müssen aber dieses schmerzliche, wenngleich unblutige Martyrium, unter dem selbst ein hl. Ignatius von Antiochien auf seiner Todesfahrt nach Rom geseufzt, doch kurz erwähnen, wollen wir den Kreuzesgang unseres Helden einigermaßen verstehen.
Er gestand selbst, daß alle körperlichen Leiden und Entbehrungen nichts gewesen seien im Vergleich zu den seelischen Peinen, «wahren Höllenqualen» – es sind seine eigenen Worte! – denen in dieser langen, bangen Verlassenheit sein Priesterherz wehrlos ausgeliefert war.
Nur das Gebet und eine besondere Gnadenhilfe Gottes, der mit seinen Getreuen hinabsteigt in die Grube und sie auch in den Fesseln nicht verläßt (Weish. 10,13), hielten ihn aufrecht.
Wenn daher die hl. Kirche in ihren Tagzeiten beten läßt für die Gequälten und Gefangenen – pro afflictis et captivis – so sollten in diesen traurigen Zeiten alle Katholiken besonders der in der Gefangenschaft schmachtenden Missionäre gedenken! –
Bevor wir aber jetzt mit unserm befreiten Dulder die feindlichen Linien der Roten endgültig verlassen, müssen wir erzählen, was in der Zwischenzeit sich auf unserer Seite zugetragen hat. Denn auch da war man nicht müßig gewesen.
So plötzlich und unerwartet das Ende der Irrfahrten für P. Ulrich – und sogar den Leser – nach dem bisher Gesagten auch scheinen mag, es kam keineswegs unvermittelt, sondern war das Resultat mühsamer und beharrlicher Anstrengungen, ja eines wahren Befreiungsfeldzuges. Wir lassen ihn hier in seinen Hauptphasen folgen, nicht nur, weil er die Lösung des dramatischen Knotens aufzeigt, sondern auch, weil er uns einen Blick tun läßt in die Seele des gelben Mannes und uns mit manchen interessanten, in der Heimat ganz unbekannten Zuständen des chinesischen Bandenwesens vertraut macht.
Gleich nach dem Bekanntwerden des traurigen Falles wurden alle übernatürlichen und natürlichen Mittel zur Befreiung des armen Paters aufgeboten.
Wie für den im Kerker schmachtenden Petrus die ganze Kirche unablässig zu Gott betete (Apg. 12,5), so wurde auch in unserer und in den andern Schwesternkommunitäten und überhaupt in der Mission der Himmel bestürmt, und wir waren überzeugt, daß der Schutzengel auch unsern Gefangenen heil aus der Räuberhöhle herausführen würde.
Ist es nicht merkwürdig, daß die roten Gesellen seine Person achteten, ihm sogar die Taschenuhr, die einer der ihrigen von ihm «geliehen», zurückgaben, und seinem Priesterherzen die viel größere Qual ersparten, das Gotteshaus geschändet zu sehen? –
Aber auch die natürlichen Mittel wurden nicht vernachlässigt: Mobilisierung chinesischer Regierungstruppen, Bereitstellung amerikanischer Hilfe, Unterhandlungen, Drohungen, alle diplomatischen Künste, in denen die Chinesen unerreichte Meister sind, – das alles wurde in Szene gesetzt.
Von Hwangshihkang und andern Stationen sandten die Missionäre treue Diener aus, die Spuren des Entführten zu verfolgen. Gleichzeitig bestellte der Missionsobere Unterhändler, die mit dem Abgesandten des roten Häuptlings in Verbindung treten sollten.
In China werden nämlich alle wichtigen Geschäfte nicht direkt zwischen den interessierten Parteien, sondern durch Mittelspersonen, sog. «Mei-gin», unter einem außergewöhnlichen Aufwand von Pfiffigkeit und Schlauheit erledigt.
Handelt es sich darum, einem noch mit seinen Milchzähnen geschmückten Mägdlein eine passende, nicht allzubissige, Schwiegermutter zu suchen, so kann wohl eine zungenfertige Großtante die Verlobungsverhandlungen (oft monate- und jahrelang) führen. Für den Kauf und Verkauf eines Esels oder Ackers mag ein redegewandtes Bäuerlein der richtige Mann sein; aber für wichtigere Geschäfte, wie in unserm Falle, wo es sich einerseits um ein teures Leben, anderseits um die erkleckliche Summe von 10 000 Dollars handelte, da mußten auch entsprechend wichtige Zwischenhändler auftreten.
Nur angesehene Bürger, Notabeln, konnten für dieses schwere Amt in Betracht kommen.
Zeit und Ort der Verhandlungen wurden genau festgesetzt. Bei ihrer vorzüglichen Organisation war es ausgeschlossen, auf diesem Weg die Räuber zu fassen. Jeder Verdacht an der Verschwiegenheit der Vermittler, jeder Versuch eines Mißbrauchs der vereinbarten Zusammenkünfte wäre von fürchterlicher Rache gefolgt. Das wissen und wußten die Chinesen in beiden Lagern.
Auf die erste Forderung eines Lösegeldes antwortete die Mission glatt ablehnend, und zwar grundsätzlich, damit nicht noch andere Missionäre zu Erpressungszwecken verschleppt würden; zweitens wurde die Summe für jeden Fall als unerschwinglich bezeichnet.
Darauf schrieb der Räuberführer einen Brief, den wir möglichst wortgetreu veröffentlichen, um dem Leser eine Vorstellung von der Diplomatenkunst und Höflichkeit der Chinesen – sogar der Banditen – zu geben.
«Hauptquartier der 5. Division der 5. Roten Armee,
Weiyüankow, 14. XI. 1929.
An Hochw. Espelage, Katholische Mission.
Geehrter Herr Espelage!
Ihr Brief wurde zur Kenntnis genommen. Der Grund, weshalb wir Herrn Kreutzen ersuchten, einige Zeit bei uns zu weilen, ist eine Geldverlegenheit, die es uns unmöglich macht, Löhnung und Sold auszuzahlen. Wir möchten daher etwas Geld von Ihnen borgen, das Ihnen später zurückgezahlt werden wird.
Natürlich kann die Behandlung, die wir Herrn Kreutzen angedeihen lassen, ihm nicht gefallen. Namentlich sind die Märsche schwierig für ihn. In den nächsten Tagen wird unsere Armee sich gegen Kiangsi südostwärts in Bewegung setzen. Wenn Sie darum säumen, diese Geldanleihe möglichst rasch zu erledigen, so werden sich bei der täglich wachsenden Entfernung die Leiden und Unannehmlichkeiten des armen Herrn Kreutzen noch steigern. Ich fürchte überdies, daß es für uns immer schwieriger wird, mit einander zu verhandeln. Ich sende Ihnen daher diesen Brief durch freundliche Vermittelung Ihrer Mission, damit Sie binnen einer Woche diese Sache regeln.
Ihrem Ersuchen um Herabsetzung der Summe soll stattgegeben werden. Ich habe mich nun entschlossen, 2 000 Dollars nachzulassen, sodaß nur noch 8 000 zu entrichten sind. Ich muß Sie ersuchen, Ihr bestmöglichstes zu tun in dieser Angelegenheit und mir diese Summe zu zahlen. Andernfalls wäre es ein arges Mißgesicht
Der Chinese hat einen besondern Ausdruck für Ehre, Ehrenhaftigkeit, Ansehen, die nach konfuzianischer Moral einem äußerlich tadellosen Wandel oder Ruf entsprechen. Ein «großes Gesicht» haben bedeutet etwa: sehr angesehen, ein Ehrenmann sein. Ein «Mißgesicht» oder «kein Gesicht haben», das «Gesicht verlieren» usw. das Gegenteil davon: sich eine Blöße geben, sich blamieren.
In dem obigen Brief also: Es wäre eine Blamage für uns, eine Schande; wir könnten uns nicht mehr sehen lassen. für uns, und Sie könnten sich nicht beklagen, daß Sie nicht rechtzeitig benachrichtigt wurden.
Es steht Ihnen frei, die von Herrn Kreutzen benötigten Sachen hierherzuschicken. Ich werde sie ihm sicher aushändigen in Ihrem Namen und ihn ersuchen, eine Empfangsbescheinigung auszustellen, damit Sie sehen, daß alles richtig abgeliefert wurde.
Unsere Armee übernimmt die volle Verantwortung für die Sicherheit und das Leben des Herrn Kreutzen. Es ist daher am besten, daß Sie seinetwegen sich keine Sorge machen. Hiermit habe ich geschrieben, was ich sagen wollte. Ich werde später wieder mit Ihnen verkehren.
gez. Hauptquartier der 5. Division der 5. Roten Armee.»
Es wurden auch mehrere Briefe hin- und hergeschrieben und um die Summe wurde weiter gefeilscht.
Die Mission verweigerte beharrlich nicht nur jeglichen Dollar als «Lösegeld», sondern war auch nicht zu bewegen, Geld «auszuleihen», obwohl der rote Divisionsstab sich schon mit 6 000 Dollars zufrieden gegeben hätte.
Nach dreiwöchentlichen Verhandlungen einigte man sich endlich auf folgende Formel: Die Mission zahlt für Verpflegung, Wohnung und Schutz des P. Ulrich an die gastliche 5. Rote Division 2 000 Dollars; außerdem noch ein kleines Trinkgeld Chinesisch eigentlich «Wassergeld», d. h. Teegeld. von 1 000 Dollars für die aufmerksame Bedienung!!
Also eine regelrechte Hotelrechnung mit allem modernen Zubehör ...
Nebenbei gesagt, dürften diese gesalzenen Pensionspreise der Kommunisten wohl wenig Ausflügler und Touristen in jene Gegenden locken, abgesehen von der zweifelhaften Güte der gebotenen Zerstreuungen. –
Die überraschende Bescheidenheit des roten Hauptquartiers hatte ihren besondern Grund.
Schon am zweiten Tage hatte die Nankinger Regierung aus Angst vor dem Zorn des starken Onkels Sam versichert, sie habe alle Maßnahmen getroffen, den amerikanischen Bürger zu befreien und eigens Truppen gegen die Banditen ausgesandt. Ein kleines amerikanisches Kriegsschiff legte sich drohend vor Hwangshihkang, was uns und allen Einwohnern zu großer Beruhigung gereichte, denn die städtische Garnison war schwach und für den Fall eines Besuches der roten Kameraden unzuverlässig.
Nach einigen Tagen brachten chinesische Schiffe tatsächlich reguläre Truppen für die Räuberjagd. Sie lagen längere Zeit auf dem Strom, und es hieß, sie meuterten und wollten nicht in den Krieg ziehen, weil sie schon monatelang keinen Sold mehr empfangen hätten.
Von unsern Fenstern aus sahen wir eine Menge Laternen über den Wassern schweben. Es waren die Notabeln und Kaufleute, welche die ganze Nacht zwischen der Stadt und den Schiffen hin- und hergondelten, um mit Geld und guten Worten und – gutem Essen die Söldner zu beschwichtigen.
Am Morgen wurden 800 Mann gelandet, aber man fragte sich doch mit Bangen, ob sie mit den Räubern oder gegen die Räuber marschieren würden.
Mehr Eindruck als ihre regulären Kameraden machte auf die irregulären Roten die Angst vor den Amerikanern. Die Patres hatten in der ganzen Gegend das Gerücht ausstreuen lassen, die Blaujacken mit ihren alles vernichtenden Schnellfeuerwaffen und giftigen Gasen würden eingreifen und alle Räubernester gründlich ausheben.
Das wirkte.
Der rote Makler zog die auf 3 000 Dollars ermäßigte Summe ein und gab die Garantie, daß der Pater am folgenden Tage, den 30. November, entlassen würde.
Diese frohe Kunde hatte sich bald wie ein Lauffeuer in der ganzen Mission verbreitet, freilich etwas zu früh. Denn die Banditen hatten wieder Mut gefaßt und wollten einen neuen Trick versuchen, aber die Patres wußten auch diesen zu parieren.
Sie verlangten vom roten Bevollmächtigten das Geld zurück mit der Erklärung, die Mission habe bisher ehrlich und aufrichtig verhandelt, aber mit Wortbrüchigen lasse sie sich nicht länger ein. Ihre Geduld sei zu Ende; von nun an würden die amerikanischen Feuerschlünde sprechen, und wenn außer den Räubern noch viele seiner unschuldigen Volksgenossen getötet würden, so fiele die ganze Verantwortung auf ihn und seine roten Auftraggeber.
An der nächsten Telegraphenstation wurde tatsächlich ein Telegramm an das amerikanische Konsulat aufgegeben (allerdings bescheideneren Inhalts!). Die Kommunisten, die überall ihre «Freunde» hatten, erfuhren es sofort.
Auf eine ernste Kraftprobe mochten sie es doch nicht ankommen lassen, wohl wissend, daß es um die ganze Herrlichkeit ihrer 5. Division und deren Operationsgebiet geschehen sei, wenn die Rache des verzweifelten Volkes, das nun nichts mehr zu verlieren hatte, sich mit den Regulären und den Amerikanern gegen sie verbünden würde. Der rote Kriegsrat beschloß, den gefährlichen Gast möglichst schnell abzuschieben.
Frei und heim. Jetzt verstehen wir, weshalb P. Ulrich an seinem letzten Tage so schlecht bewirtet worden: die Hotelrechnung war tagszuvor beglichen worden, und gemeiniglich wird nach Regelung der Schuld nichts mehr abgegeben ...
Die Freilassungszeremonie selbst entbehrt nicht des Dramatischen. Sie zeigt uns aufs neue, mit welcher Umsicht die Banditen vorgehen und jeder polizeilichen Nachstellung eine Nase drehen.
Am schon erwähnten Nachmittag des 1. Dezember führten vier Mann mit verborgenen Waffen den Missionär auf den Weg gegen die Stadt Tayeh zu.
Das Wetter war sonnig. Sie hatten es offenbar eilig, mehr als die Kräfte des abgehetzten Paters es erlaubten. Wiederholt mußte er ausruhen und sank schließlich unter einem Baume erschöpft zusammen.
Die Wächter sprachen ihm Mut zu, er solle sich noch ein wenig ermannen, sie hätten Befehl, ihn bis zu einem bestimmten Platze zu geleiten und ihn dort auszuliefern. Es sei nicht mehr weit.
Er raffte sich auf.
Aus einiger Entfernung nahten drei Männer.
«Das müssen sie sein,» sagten seine Begleiter unter sich.
Aber erstere schienen ganz teilnahmslos.
Die Wächter riefen sie an: keine Antwort!
Ein zweiter Ruf: sie blieben taub!
Ein dritter Ruf, und gleichzeitig wie auf Kommando, Stellungswechsel: die vier Banditen in eine Reihe, ihr Gefangener vor die Front! –
Es war das verabredete Zeichen.
Die drei Fremden kamen herbei, und der Pater erkannte darunter einen gewissen Herrn Hwa Giang Dieser brave Mann ließ sich bald nachher in der katholischen Religion unterrichten und wurde schon an Weihnachten getauft. Die Kommunisten konnten ihm seinen Erfolg nicht verzeihen. Im Januar 1930 überfiel ihn eine rote Rotte und erschoß ihn nachts in seinem Bette. Sein Taufkleid wurde mit seinem Blute benetzt: Märtyrerblut! –, welchen die Mission bei ihren Verhandlungen mit den Roten als Boten benutzt hatte. Dieser erklärte ihm nun, daß er frei sei, er sei gekommen, ihn abzuholen.
Frei! – Das war zuviel für ein halb verzweifeltes, zu Tod ermattetes Menschenherz. Der arme Pater fühlte aufs neue einen Schwächeanfall. Seine Kniee versagten.
Die beiden Gruppen wechselten einige Worte miteinander. Alsobald entfernte sich ein Wächter, um einen Tragstuhl – ein an zwei Bambusstangen hängendes Brett – zu bestellen, auf dem der P. Kreutzen in ein etwa 20 Minuten entferntes Teehaus gebracht wurde. Unterwegs verschwand ein zweiter Wächter.
Die beiden übrigen begleiteten ihn von da zum nahegelegenen Hause des Herrn Hwa Giang – und wurden plötzlich nicht mehr gesehen ...
Der Pater war allein! – – –
Es läßt sich leicht denken, welch heißes Dankgebet er zum Himmel sandte, welches Glück er empfand, endlich wieder frei zu sein, – frei! frei! – – –
Am liebsten wäre er sofort zur Stadt geeilt, wo er seine Mitbrüder wußte, aber er mußte dem Herrn Hwa Giang zu Gefallen sein, der jetzt in der ganzen Gegend als ein großer berühmter Mann dastand.
In einem prunkvollen Salon wurde er mit allen möglichen Ehrenbezeugungen überhäuft. Sogar ein Barbier kam angerückt, um dem dreiwochenlangen wilden Räuberbart ein friedliches Aussehen zu geben. Tee und Brötchen nebst Zigaretten wurden aufgetischt, einstweilen, denn ein großes Bankett sollte noch folgen.
Da griff der Pater, der möglichst schnell und weit aus der Räubernähe fort wollte, zu einer unschuldigen List: «Ich muß eilends zur Mission, um Messe zu lesen,» sagte er. Es war bereits Abend, aber der brave Heide war betroffen von dieser Erklärung, die er nicht recht verstand. Sofort ließ er eine prächtige, geschlossene Sänfte kommen. Der Pater wehrte ab, es seien ja kaum 200 Schritte bis zum Boot; doch das Gesicht (Ansehen) des Gastgebers mußte vor der Oeffentlichkeit gewahrt werden.
Er stieg also ein.
Am Strand des Sees erwarteten ihn schon einige Freunde, darunter sein treuer Leibdiener, der am Anfang die Gefangenschaft mit ihm geteilt hatte.
In einem Nachen gelangten sie in einer halben Stunde hinüber nach Tayeh, wo in der Missionskirche unter dem Jubel der bereits versammelten Christen und zweier Missionäre ein Danksagungsgottesdienst gehalten wurde.
Triumphaler Empfang in Hwangshihkang. Aber auch in Hwangshihkang, wo während des Befreiungsfeldzuges das Hauptquartier der Missionspartei geweilt, und wo soviel mit den Waffen des Gebetes gekämpft worden, mußte der Endsieg entsprechend gefeiert und dem Befreiten ein würdiger Empfang bereitet werden.
Die Romantik sollte auch da nicht fehlen.
Schon am 1. Dezember war die verfrühte Kunde von der Auslieferung, wer weiß woher und wie, in die Mission gekommen. Wir Schwestern hielten an jenem Sonntag unsere übliche Geistessammlung unter Abgeschlossenheit und Schweigen. Auf einmal, um 10 Uhr, knatterten Feuerraketen; die Diener eilten wie toll durchs Haus; alles war elektrisiert; man hörte nur den Freudenruf: «P. Ulrich ist frei! Er kommt! Er ist bald hier!» ....
Wenn es schon schwer ist, gegen den Strom der Wasser zu schwimmen, wie hätten wir da dem elektrischen Strom des Jubels widerstehen können?
Vom Oratorium, das Zeuge so vieler Bittgebete gewesen, stieg jetzt ein dankbares Te Deum zum Himmel. Ein mehrstimmiges Magnificat wurde für den nachmittäglichen Gottesdienst eingeübt.
Als unser Pater das hörte, schüttelte er das Haupt und sagte mit betrübter Miene: «Es ist leider noch gar nicht gemeldet, daß P. Ulrich frei sei; im Gegenteil ...»
Das war für den Moment wie ein eisiger Wasserstrahl auf die freudig erhitzten Gemüter. Aber die Hoffnung verließ uns nicht.
Wir hatten schon gedankt just zu der Zeit, als der Gefangene in seinem letzten Verlies den Strapazen zu erliegen drohte; Gott mußte nun helfen. Er tat es.
Der Leser weiß schon, wie ereignisreich jener Sonntagnachmittag wurde. Wir wußten es damals noch nicht.
Bei Einbruch der Nacht erging ein Ruf vom Telephon an P. Leo. Er brachte die ersehnte Freudenbotschaft, die drahtlos und blitzschnell durch die ganze Mission lief. Diesmal war es ernst! – – –
Alles stürzte in die Kirche und verrichtete laute Dankgebete, wohl nicht ohne einige Zerstreuungen, da jeder das kräftigste anstimmen wollte. Aber der gute Vater im Himmel kennt ja seine Kinder ...
Am nächsten Morgen war allgemeiner Streik in der Mission; o, kein böswilliger: es war ein «Sympathie-Streik» im edelsten Sinne des Wortes, alle wollten dem heimkehrenden verlorenen Sohn – oder besser Vater – entgegengehen.
Nur der arme Koch hatte dreifache Arbeit zu leisten, denn wenn auch gerade kein Mastkalb zur Stelle war, so war doch «Festessen» bestellt worden. Und unsere gute Schwester Gärtnerin mußte ihre Blumenbeete plündern lassen.
Kinder und Katechumenen zogen ihre Festkleider an und steckten gelbe Chrysanthemen ins festliche Haargeflecht; die kurzhaarigen Kleinen befestigten die Blumen mit einem farbigen Band, das sie ums Köpfchen schlangen.
Gelbe Kränze im schwarzen Haar, darunter freudesprühende Mandeläuglein, bunte Blumen in den Händen: es war wirklich ein reizender Zug, der hinausströmte zur zwei Kilometer weit entfernten Feldbahn.
Einige Mütterchen mit ihren altmodisch verkrüppelten Ziegenfüßchen humpelten tapfer hintendrein; es galt ja was Neues, Nieerlebtes zu sehen, und wie sollte da eine Tochter Evas nicht dabei sein wollen? –
Zwei Missionäre mit ihrer Begleitung standen schon am Geleise, als unsere Schar ankam.
Zwischen 10 und 11 Uhr mußte der Zug einlaufen, es ward 12 Uhr, – er war noch nicht da ...
Endlich gegen halb 2 Uhr pfiff die Lokomotive. Sie schleppte hochgefüllte Erzwagen, auf denen die genügsamen Reisenden Platz genommen. Doch kein Pater war darunter, auch nicht im letzten Abteil, wo einige bessere Fahrgäste saßen ...
Enttäuschung! – nicht nur bei uns. – – –
Es hieß, um 4 Uhr komme ein zweiter Zug. Das war ein erster Trost, und der gesegnete Appetit am verspäteten – und doch verfrühten! – Festmahl brachte einen andern.
Um 4 Uhr: Aufbruch wie am Morgen. Wir waren doch noch zu früh. Die Station Tayeh telefonierte aber, es seien eben zwei Herren eingestiegen.
Jetzt war es sicher, er mußte kommen, bald!
Wie willig ertrugen alle den kalten Dezemberwind, eine lange, lange Halbestunde.
Der Zug pufft heran, steht still. ... Endlich! da ist er!
Ein Missionär steigt aus und geht direkt auf P. Leo zu. ... Herzliches Willkommen! ...
Aber – er ist's nicht!!! ...
«P. Ulrich ist noch zu müde, er kommt erst morgen,» berichtet P. Sixtus. ... Diesen Trost wenigstens nahmen wir mit nach Hause, – – nebst einem ordentlichen Regenschauer.
Der nächste Morgen brachte den ersten Wintertag mit Glatteis und Schnee. Da konnte man den Chinesinnen mit ihren leichten Stoffschuhen und den frostwelken Blumen einen dritten Gang nicht zumuten.
Am Mittwoch aber gingen sie doch – allerdings in sehr gelichteten Reihen, um am einsamen Wärterhäuschen zu erfahren – es fahre heute überhaupt kein Zug ...
Also heim!
Die feurige Begeisterung war unter den Gefrierpunkt gesunken.
Da – um 2 Uhr krachte es draußen. Pulverrauch! lauter Jubel! – Der Langerwartete stand, unerwartet, vor dem Tore, umringt von einer stets wachsenden Menge.
Das Konventglöcklein rief auch bei uns alles, was Füße hatte, zusammen, und nun ging's durch alle Türen hinein in die Kirche, die wohl selten so rasch und vollständig besetzt war. Mit welcher Inbrunst schallt jetzt das Te Deum zum Himmel! Das Danken der Chinesen will nicht enden.
Tief in Andacht versunken dankt aber besonders einer, der allein kniet auf einem Betstuhl, in einem armen braunen Habit, nah beim Tabernakel. Er hatte gewiß recht vieles zu sagen, Ihm, der ihn würdig befunden, soviel zu tragen und zu dulden, – Ihm zulieb! – Da stimmt die Organistin das feierlich-erhebende «Großer Gott, wir loben Dich» an, und die Sänger und Sängerinnen aus der Neuen und Alten Welt fallen begeistert ein; und wenn auch in Text und Melodie kleine Abweichungen durchklangen, die Herzen harmonierten in himmlischem Jubel.
Zum Schluß gab P. Ulrich vom Altare aus tiefbewegt seinen priesterlichen Segen, dem am Abend ein feierlicher sakramentaler folgen sollte.
In der Patreswohnung war darauf ein Empfang des ganzen Personals, die in getrennten Gruppen eintraten, um den Heimgekehrten zu begrüßen und zu beglückwünschen. Alle kamen dran, mußten dran kommen, angefangen von den Missionären bis hinab zu den Kleinen, und allen mußte er antworten, für alle hatte er Worte des Dankes und der Liebe, trotz seiner großen Müdigkeit.
Endlich nach den erschöpfenden Strapazen in den Räuberhöhlen, nach den anstrengenden Befreiungsfeiern in der Mission, war er wirklich frei, um sich an Leib und Seele zu erholen und zu rüsten zu neuen Kämpfen – für Gott und die Seelen.