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2. Das Leben in Glücksheim.

Große Wäsche. – Die Ministerportefeuilles werden verteilt. – Der chinesische Küchenzettel. – Die chinesische Schneiderin. – Die Schusterin und ihre Kunst.


Je mehr unsere klösterliche Haushaltung sich vervollkommnete, desto mehr konnten wir auch an unsere äußere missionärische Tätigkeit herantreten.

Die lieben Kinder, und zwar gerade die Kleinsten, kamen öfter zu uns herüber und ließen sich ihre kleinen Krankheiten heilen.

Viele litten an den Nachwehen des harten Winters, manche hatten Frostbeulen und Wunden, die wir ihnen verbanden. Sie waren voller Freude, sich so gut behandelt zu sehen, und erzählten es den andern. Es kamen immer mehr, und sie wurden täglich zutraulicher. Wiederholt baten sie uns, zu ihnen hinüberzugehen und sie im Singen und Arbeiten zu unterrichten. Wir mußten sie liebgewinnen, die treuherzigen Dingerchen. –

Große Wäsche.

Da das Wetter schön war, hielten wir Schwestern eines Tages große Wäsche. Einige größere Mädchen wurden uns beigegeben. Es scheint, daß die Auswahl nicht leicht war, denn alle wollten mit.

Noch nie hatten sie solche Arbeit gesehen. Sie schauten uns aber jede Bewegung ab, und im Nu verstanden sie das Seifen, Reiben, Wässern usw. wie erfahrene Wäscherinnen.

Ohne zu reden, suchten sie nach einer Möglichkeit zum Trocknen, alles flink, exakt, mit freudestrahlenden Gesichtern. Bei aller nachfolgenden Beschäftigung behielten sie ihre Wäsche immer im Auge. Riß der Wind zufällig ein Stück herunter, wurde es sofort ausgewaschen und wieder befestigt.

In wenigen Stunden war unter den Strahlen der südlichen Sonne alles blendend weiß und wie gebügelt, und das ohne Glätteisen. Die Chinesinnen ziehen nämlich mittelst einer Bambusstange die noch angefeuchteten Wäschestücke schön glatt. So konnten wir schon gleich von ihnen lernen, daß Stärke entbehrlich sei.

Eine Jungfrau zeigte uns sogar, wie man Wäsche anfeuchtet. Sie nahm den Mund voll Wasser und ließ aus diesem einen feinen kräftigen Sprühregen auf die Wäsche fallen. Auch hierin mußten wir unsere europäische Rückständigkeit eingestehen. – –

Hernach meinten die braven Mädchen, die Wäsche würde noch viel schöner, wenn man sie hinuntergehen ließe an den Weiher zum Wässern. Sie scheuen keine Mühe, sondern setzen ihre Freude und ihren Stolz in eine schöne, gediegene Arbeit.

Die Ministerportefeuilles werden verteilt.

Allmählich wurde die Leitung der ganzen Anstalt unter die verschiedenen Schwestern verteilt, einschließlich der Krankenpflege, die zunächst für die eigenen Insassen, bald auch in einem besondern Dispensarium für auswärtige Klienten eröffnet wurde, welche trotz der Abgelegenheit in stets steigender Zahl von allen Richtungen sich einstellten.

Da wir diese Art Missionstätigkeit bereits oben eingehend beschrieben haben Hwangshihkang und seine Missionswerke, S. 62., so wollen wir uns näher mit unsern Kindern befassen.

Die Wohn- und Schlafräume haben wir in ihrer schrecklichen Dürftigkeit schon gesehen.

Der chinesische Küchenzettel.

Gehen wir nun in den Speisesaal.

Auch hier die denkbar größte Einfachheit. Die Kinder sitzen auf Holzbänken an langen, niedern Tischen. Die erste Schale Reis wird ihnen ausgeschöpft, während das Gemüse auf dem Tische steht. Wer noch mehr Reis mag, geht still hinaus und nimmt sich aus der Schüssel nach Bedarf.

Früher gab es ein- bis zweimal monatlich etwas Fleisch. Sonst ist der Speisezettel jeden Tag derselbe: Reis und Gemüse. Aber sie können sich wenigstens satt essen. Allerdings entsteht manchmal auch in diesem Punkte Knappheit, wie z. B. nach der infolge großer Trockenheit mißratenen Sommerernte 1930, welche in der ganzen Umgegend eine Hungersnot verursachte.

Als Besteck dienen die landesüblichen hölzernen Eßstäbchen. Das Geschirr wird in Kisten verwahrt, welche den Küchenschrank ersetzen.

Während der Mahlzeit unterhalten sie sich halblaut miteinander, immer ernst, ohne die bei europäischen Kindern gewohnte übersprudelnde Lebendigkeit. Spielen wie daheim sieht man sie überhaupt nie.

Das Kochen der Speisen besorgen die größeren Mädchen selber abwechselnd wochenweise, während die Jüngern ebenso kleine Hilfsdienste leisten, wie Holzsammeln, Gemüsereinigen, Geschirrspülen u. dergl.

Die chinesische Schneiderin.

Wie in andern Waisenanstalten sind auch hier Werkstätten, wo die Mädchen die für das Haus und ihren spätem Beruf nötigen Arbeiten erlernen und ausüben.

Baumwolle wird roh vom Felde beschafft, entkernt, von den Kleinen gezupft, dann gekämmt, gesponnen und schließlich von kräftigen Mädchen auf großen Webstühlen zu Tuchen verarbeitet.

Diese Stoffe werden dann gefärbt und zwar meistens auch wieder mit einheimischem Indigo oder andern Pflanzenfarbstoffen. Jetzt beginnt das Schneidern für Bekleidung und Bettdecken, was jede chinesische Hausfrau kennen muß. Denn sie hat für sich, für Mann und Kinder und alle Familienangehörigen nicht nur zu kochen, zu waschen und zu flicken, sondern auch die Kunst einer Herren-, Damen- und Kinderkonfektionistin auszuüben.

Die Schusterin und ihre Kunst.

Ja, sie ist sogar die berufene Schusterin des Hauses.

Die edle Schusterei wird schon frühzeitig stückweise eingeübt, allerdings nicht wie bei den braven Lehrjungen daheim mit Lederklopfen und Pechdrahtziehen und zwischendrein mit des Meisters bösem Riemen, denn die chinesische Mode verschmäht überhaupt den Lederschuh. Die edle Fußbekleidung ist vielmehr aus Tuchstoffen verfertigt.

Die Sohlen werden meist aus alten Lumpen hergestellt. Nach längerm Einweichen wird die Masse tüchtig geklopft, an der Sonne getrocknet, und dann mit starken Hanfschnüren fest und dicht durchnäht, was sie ziemlich steif und dauerhaft macht.

Winterschuhe erhalten ähnlich vernähte dicke Filzsohlen.

Die Sohlenränder werden weiß lackiert.

Das «Oberleder» ist gleichfalls aus Tuch, das je nach der Bestimmung und dem Geschmack gewöhnliche Werktagsware ist, oder aber kunstvolle bunte Seidenstickerei und Verzierungen aufweist.

Mit diesen Stoffschuhen, die meist ohne Absätze sind, kann man auf den staubigen Wegen und Feldpfaden leicht einhergehen, und sie sind ziemlich widerstandsfähig, vorausgesetzt, daß sie nie naß werden. Denn die Sohlen würden wieder in ihr breiiges Ursprungsstadium zurückkehren und allen Eindrücken nachgeben.

Daher gilt es in China als Regel: «Wenn's regnet, reist man nicht!» – oder man läßt sich ein oder mehrere Paar Schuhe extra bezahlen; im Notfalle umwickeln die Kulis und Fuhrleute, die auf längeren Reisen vom nassen Wetter überrascht werden können, ihre Füße mit getrockneter Schweinshaut, um sie wasserdicht zu machen.

Zum Glück regnet es in China selten, und dann meist nur zu einer bestimmten Zeit im Sommer, während welcher man die Schuhe entbehren kann.

Es wäre über die chinesische Schusterei, die wir im Waisenhaus in all ihren Stufen und in den verschiedensten Kunstformen betrachten konnten, noch vieles zu sagen, aber wir wollen die Weltwirtschaftskrise nicht verschlimmern, indem wir für ausländische noch unbekannte Erzeugnisse ungebührliche Reklame machen.

Nur eine Bemerkung sei uns erlaubt: Wenn je ein Schneider- oder Schustergeselle in die weite Welt wandern will, um sich nach altem Brauch in seinem ehrsamen Handwerk zu vervollkommnen und eine bessere Existenz zu gründen, so raten wir ihm dringend ab von China und all den Ländern, die wir unterwegs gesehen, denn er würde es sicher nicht zum ersten Ansatze eines Rothschild-Vermögens bringen. – – –

So werden, wie gesagt, die Waisenmädchen nach und nach mit den notwendigsten Hausarbeiten vertraut. Ihre Lehrmeisterinnen, meist nur alte Kinder des Hauses, wissen selbst nicht mehr.

Wir erwägen, ob nicht auch hier, wie wir es anderwärts gesehen, ihr Los aufgebessert werden könnte durch Pflege einer kleinen, lohnenden Hausindustrie. –


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